Stolzier nur, mein elender Tropf (von Mensch): du bist ein Garten, aber voller Disteln; du bist ein Buch, aber voller Eselohren; du bist ein Wein, aber voller Gleger und Bodensatz; du bist ein Apfel, aber voller Wurmstich; du bist ein Acker, aber voller Unkraut . . . Stolzier nur; aber sei versichert, daß Gott auch auf der Welt schon solche Feder- und Prahlhansen nit ungeropft lasse.
»Das hab ich erfahren«, sagt eine Schildkrott: diese hat auf eine Zeit der Vorwitz gestochen, daß sie doch gern möchte die Welt sehen; sie habe soviel gehört vom Papst zu Rom, vom Kaiser zu Wien, vom Sultan zu Konstantinopel, vom Zar zu Moskau, vom Mogol in Indien, vom Cham in der Tartarei, vom Kaiser in China und von andern großen Häuptern; also möchte sie gern dero Länder, Reich und Residenzen sehn. Sie sagt anbei, daß ihr solcher Vorwitz nit sei übel auszulegen; denn sie komme ja nirgends hin und müsse eine ganze Zeit zu Haus hocken, bittet demnach den Adler, diesen so majestätischen Sonnenvogel, er möcht sie in die Höh hinauftragen, damit ihr alle besagten Länder und Örter unter die Augen kämen. »Fiat! Sei's drum!« sagt der Adler, und wenn sie auch wolle zur Sonne hinauf, so woll er sie ganz sicher dahin liefern. »Bedank mich dessen aber!« sagt die Schildkrott. »Ich kann die Hitz gar nit leiden; sonst in die Höh über Berg und Tal wär mir eine sondre Gnad.« – Worauf sie gleich der Adler in beiden Klauen gefaßt und sich samt ihr alsobald in die Höh geschwungen. Er aber hätte schon längst gern ein solches Schnappbisserl gehabt; aber niemalen hat er können Zweck und Ziel erreichen, weil selbe sich allemal unter ihren Schild verborgen. Als er nun die Schildkrott in alle Höhen geführt und sie sich gewunschen, daß sie auch möcht Federn und Flügel haben, um in der Höhe zu schweben, da läßt er sie auf einen harten Felsen herunterfallen, wordurch ihr Schild oder Haus völlig zerschmettert und sie folglich dem Adler zum Raub worden.
Ein Bauer verwunderte sich über der Schiffleute Kühnheit, daß sie einem so schwachen Holz Leib und Leben anvertrauen, indem sie so oft beides an den wilden Meerklippen einbüßen; darum fragte auf eine Zeit dieser Bauer einen Schiffer, wo sein Vater sei gestorben. Dieser antwortet: »Auf dem Meer.« Der Bauer fragt ferners, wo denn sein Groß- und Übergroßvater gestorben seien. Als der Schiffmann wiederum antwortete: »Auf dem Meer«, so sprach der Bauer: »Wie kannst du dann so närrisch sein, daß du dich dem Meer vertrauest, das dir deinen Vater, Großvater und Übergroßvater hinweggenommen?« Der Schiffsmann fragte hinwider den Bauern, wo denn sein Vater und Großvater gestorben seien. Der Bauer antwortete: »Auf dem Bett.« Da sagte der Schiffsmann: »Warum bist du dann ein so großer Narr, daß du alle Nacht in dasselbe Bett gehst, worauf deine Voreltern gestorben? Darum siehst du, Bauer, daß es nichts schadet, man sterbe, wo man woll, wenn man nur selig stirbt!«
Viel, die durch des Henkers Hand sterben wegen begangner Missetaten, sterben glückseliger als einige, die im Bett unter den umstehnden Verwandten ihren Geist aufgeben.
O, wie mancher Bruder zeigt sich wie jener Bauer gegen den Fuchs, der, vom Jäger mit Hunden gehetzt, zu allem Glück sich in eine Bauernscheuer salviert, auch den Bauern aufs schönst gebeten hat, er möge seinen armen Fuchsbalg schützen, und zwar mit dem hohen Versprechen und Schwören gebeten: es solle hinfüro weder von ihm selber noch seiner ganzen fuchsischen Casada und Sippe seinen Hühnern ein Leid geschehen. Der Bauer ließ sich überreden und versteckt ihn unter das Stroh. Bald hernach kam der Jäger und fragt den Bauern, ob er nit hab gesehen einen Fuchsen vorbeistreichen. Der Bauer antwortet: »Da und da hab ich ihn gesehen hinauslaufen«, winkte aber indessen mit den Augen, daß er hier unterm Stroh verborgen liege, was zwar der Fuchs, so unterm Stroh in größten Ängsten hervorsah, wohl, der Jäger aber nit vermerkte, so nur auf die Wort und Wegweisung des Bauren achthatte. Als nun der Jäger hinweggegangen, deckte der Bauer den Fuchsen auf und ließ ihn laufen, sprechend: »Mein lieber Fuchs, du kannst mir und sollst mir dein Lebentag dankbar sein, auch deiner Zahlung nachkommen; denn durch meine Wort hab ich dich beim Leben erhalten.« – »Ja«, sagt der Fuchs hinwieder, »dein Mund war zwar gut; aber dein Augenwinken dank dir der Teufel!«
Das ist die Art vieler falschen Brüder, die sich mehrmalen ganz redlich und gut zeigen mit dem Maul, unterdessen in der Still einen verfolgen und nach dem Seinigen trachten. Dergleichen Exempel ist die halbe Welt voll.
Es sind auf eine Zeit die Bäumer in einer gewissen Gesellschaft zusammengekommen, worbei ein jeder seine guten und herrlichen Qualitäten hervorgestrichen. »Ich«, sagte der Ölbaum, »trag eine so stattliche Frucht, daß ich die ganze Welt mit Schmieralien besteche, und ist niemand, der mir deswegen nit mit schmutzigem, d. h. fettem, Maul danken tut.« – »Ich«, sagte der Feigenbaum, »bin so keck, daß ich auch großen Fürsten und Herren die Feigen zeig und so ein Schnippchen schlag, und werd ich allemal perfekt und Präfekt unter dem Konfekt sein.« – »Ich«, sagte der Nußbaum, »trag eine so gute Frucht, daß man mir allerseits mit Prügeln nachstellt; auch bewahrt keiner seinen Kern so gut wie ich.« – »Was?« sagt der Apfelbaum; »mir laß ich an meiner Prärogativ und Vorrang nichts nehmen; denn ich und kein andrer ist's gewest, der dem ersten Menschen so gefallen.«
Wie sie nun so miteinander disputierten, fast um das Majorat wie die Apostel (Matth. Kap. 20, 24 ff.), da nehmen sie wahr, daß auch die Hopfenstang sich unter ihnen befind. »Pfui, Teixl!« sagten die Bäumer; »daß sich dieser Lumpenhund in unsre Gesellschaft mischt! Schau, schau, daß nit die Hopfenstang auch unter die ehrlichen Bäumer gehöre! Fort mit ihr zum Feuer!« – »Gemach, gemach«, sagt die Hopfenstangen; »es ist zwar wahr, und kann's nit leugnen: eine bloße und kahle, eine arme, nackende Tröpfin bin ich; ich gesteh's: keine Frucht trag ich nit wie ihr – es ist nur zu wahr; aber das tue ich: meinem Nächsten hilf ich! Der Hopf, der arme Tropf, mitsamt seinem bitteren Schopf müßte zugrund gehen, wenn ich nit wär. Also hilf ich ihm als meinem Nächsten!« – Worauf ist erkannt worden, daß auch dieser unter die Zahl und Gesellschaft der ehrlichen Bäumer könne gezählt werden.
Wahr ist's, daß mancher vor unserm Herrn inmitten der fruchtbaren Bäumer: der großen, meritierten und verdienten Heiligen stehen wird am Jüngsten Tag und bekennen: »Ja, mit solcher Frucht kann ich nit prangen wie diese: so rein und unbefleckt nit wie Antonius von Padua, so eifrig im Gebet nit wie Franciscus Seraphicus . . . wenig dergleichen, ja, schier gar nichts; aber das bisweilen hab ich, wie die Hopfenstang, gehabt: hab zuweilen meinem Nächsten Hülf geleistet und ihm aufgeholfen, bin den kranken Leuten mit Rat und Tat an die Hand gangen, hab ein armes Kind und Waiserl auferzogen und in Summa: dem Nächsten etwas Gutes getan.« – Ei, so wird Gott auch sagen: »Der hat das ganze Gesatz erfüllt; denn er hat seinen Nächsten geliebt wie sich selbst.«
Ein Bauer wollte einst etwas in die nächstgelegne Stadt tragen zum Verkaufen; unterwegs aber, wegen der schweren Last, tat er bei einem Felsen rasten, worin eine große Schlang versperrt gelegen. Wie diese den Bauern wahrgenommen, so fangt sie an, inständig zu bitten, er wolle doch sich ihrer erbarmen: »Ich bitt dich um Gottes willen, der dem Moses im Alten Testament befohlen, mich aus Erz und Glockenspeis auf eine hohe Säul zu setzen, ich bitt, ich bitt und bitt dich tausend- und tausendmal, hilf mir doch aus diesem Loch; denn ich, wegen des schweren Steins, nit kann herauskriechen.« – »Wie wirst du mich aber belohnen?« fragt der Bauer. »O mein herzallerliebster Mann, ich will dir den Dank geben, womit die Menschen die größten Guttaten pflegen zu bezahlen.« – »So sei's denn!« Der Bauer wälzt den großen Stein hinweg, so daß also die Schlang in die freie Luft gekommen und des langen Arrests entledigt worden. Wie sie sich nun in der Freiheit befunden, so will sie mit großer Gewalt den Bauern umbringen. »Holla!« schreit der Bauer, »was ist das? Soll das meine Belohnung sein um die große Guttat? Ist das der Welt Dank?« – »Ja«, spricht die Schlang; »die Menschen pflegen in der Welt das Gute mit dem Bösen zu vergelten, und solchen Weltdank hab ich dir versprochen.« – »Weißt du was, mein Schlang«, entschuldigt sich der Bauer, »ich bin ein einfältiger Mann und nit schriftgelehrt: ich will mich mit dir ohne gelehrte Zeugen in keine Disputation einlassen, sondern wir wollen andre suchen, die hierinfalls verständig urteilen werden. Ist es Sach (ergibt sich), daß ich unrecht hab, so will ich gern sterben.«
Begeben sich demnach beide, der Bauer und die Schlang, auf den Weg und treffen bald einen alten Schimmel, der nichts als Haut und Bein tragte. Dieser hatte seine Weid auf einem dürren Feld und war allbereits schon dem Schind-ophilo übergeben. »Willkommen, Herr Schimmel! Wie, daß Ihr Euch ganz alleinig auf diesem öden Feld aufhaltet? Aus was Ursachen ist der Herr nit zuhaus im Stall bei einer guten Haberkost?« – »Ach, meine Herren!« antwortet der Schimmel; »ihr dürft euch destwegen nit so stark verwundern; es ist schon allbereits der Welt ihr Brauch! Ich bin 30 Jahr bei einem Edelmann gewest, dem dieses Geschloß vor euern Augen zugehörig, hab ihm gedient, wie's einem redlichen Pferd zusteht. Ich weiß mich wohl zu erinnern, daß ich ihn im vorigen Türkenkrieg bei Komorn etlichmal hab vom Tod errettet. Jetzt, daß ich alt, schäbig und ganz kraftlos bin, hat er mich dem Schinder übergeben.« – »Siehst du's Bauer? Hast's vernommen, wie die Welt das Gute mit dem Bösen belohnt? Also, jetzt bring ich dich um!« sagt die Schlang. »Gemach!« bittet der Bauer, »gemach! Die Sach muß durch einen allein nit geschlichtet werden. Wenn mehrere dieses Urteils werden sein, alsdann will ich mich ganz urbietig ergeben.« – »Gut!« – Die zwei beurlauben sich vom Schimmel und nehmen ferners ihren Weg fort. Bald aber treffen sie einen Hund, der mit einem alten Strick an einem Zaun angebunden war. »Willkommen, Herr Melampus! Wie so melancholisch? Ihr müßt eine schlechte Kost haben, weilen Ihr so beindrechslerisch und knochendürr ausschaut! Wie kommt's, daß Ew. Hundheit also bei diesem Zaun sich befindet?« – »Ach!« seufzte der Hund, »das ist mein Lohn, daß ich meinem Herrn so getreu gedient hab. Was Strapaza hab ich in mancher Jagd und Hetz ausgestanden und ihm so mit eignen Zähnen manches Schnappbißl erhascht! Will geschweigen, daß ich Schelmen und Dieb mit meinem Wachen und Bellen nächtlicherweil hab abgetrieben. Anietzo, da ich alt, matt, müd und verdrossen bin, hat er mich an den Zaun binden lassen, und wird bald einer kommen, der mich erschießen muß.« – »Also!« sagt die Schlang, »Bauer, halt her; dein Handel ist nun verloren: zwei haben dich überstritten und besiegt.« – »Ei, nit so gäh, meine Schlang! Sofern der Dritt auch solcher Meinung wird sein, so will ich mich nachmals keineswegs weigern.«