Drittes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Es war nicht eigentlich behaglich im Wirtshause Zum Lamm. Die wenigen Gäste, die zukehrten, trugen Schnee in die Stube, der zu schmutzigen Wasserlachen zerging, und von Hut und Mantel tropfte es auf den Boden, und es roch nach schlechten Zigarren und nassen Kleidern.

Die Lampe über dem Ofentische schwelte, und die dicke Kellnerin mußte immer wieder auf einen Stuhl klettern und den Docht herunterschrauben.

Bei dem kümmerlichen Lichte sah man den Schormayer in einer Ecke vor seinem abgestandenen Biere sitzen; und wer kam oder ging, redete ihn an.

Aber kein Gespräch wurde so lebhaft, daß nicht die Frau Wirtin schon am frühen Abend laut gähnte und die Kellnerin aus einem Winkel heraus als Echo mit Gähnen antwortete.

Wenn die Uhr rasselnd und ächzend, als wenn sie einen Kropf hätte, achtmal schlug, legte der Schormayer sein Geld für drei Halbe auf den Tisch und ging mit einem brummigen Gruße hinaus.

»Er kimmt jetzt jed’n Tag,« sagte die Wirtin, »und früherszeiten hat ma ‘n ganz weni g’sehg’n. Er muaß dahoam it viel Schön’s hamm.«

Und da hatte sie das Richtige getroffen.

Dem Schormayer verging ein Tag um den andern mit Langweile oder Verdruß; und er war recht übel daran, daß ihm sein Weib gerade vor dem Winter weggestorben war.

Er hatte wenig Arbeit, die ihm über seine Gedanken hätte weghelfen können; die Ernte war ausgedroschen, und im Holze war nicht viel zu tun; im Roßstall hantierte sein Lenz, und bei den Kühen schaute er nicht gerne nach, weil ihm die Ursula auf Schritt und Tritt nachging und jedesmal ein Geschrei mit der Stalldirne anhob.

Und es war ihm selber zuwider, wenn die Zenzi Augen auf ihn machte und ihn damit an eine Dummheit erinnerte, die ihm bloß im Rausche hatte geschehen können.

Davon wollte er nichts mehr wissen; und wäre die Tochter so gescheit gewesen, die Geschichte nicht immer aufzurühren, er hätte sie gern vergessen.

Aber von den Weibsbildern kann ja einer bloß Vernunft erwarten, wenn er sie nicht kennt.

Freilich redete sie darüber nicht offen, aber der Herrgott hatte auch ihr das Talent gegeben, daß sie versteckt und von hinten herum immer wieder auf die Sache kommen konnte.

Ging denn ein Mittag vorüber, ohne daß sie Streit in die Stube trug und hinter Schimpfen und Plärren ihm einen Brocken zu schlucken gab, den er am Geschmack recht wohl erkannte?

Wie sie der Magd die Schüssel hinschob und den Löffel hinwarf, hatte es auch für ihn eine Nutzanwendung, und in jeder Grobheit, mit der sie die Mahlzeit segnete, war ein spitziger Steften, der ihm ins Fleisch drang.

Nein, er hatte es nicht schön daheim, und wenn er auch wirklich nicht feinfühlig war, kam ihm das Haus doch leer und fremd vor. Die eigenen Schritte werden so laut, wenn man weiß, daß niemand auf sie horcht, der zu einem gehört; und da kriecht einem die kalte Einsamkeit ans Herz.

Zärtlichkeiten und schöne Worte braucht man wohl nicht; aber die Gewißheit, daß jemand um einen froh sein muß, hilft einem leicht einschlafen und wieder frisch aufwachen zur Arbeit.

Und das merkte der Schormayer überall, daß sein Kümmern und Anschaffen keine rechte Achtung fand.

Der Lenz widersprach ihm nicht und tat auch, was er ihm sagte; aber es war doch so, als wenn er nachprüfte, ob es ihm für das baldige Regiment paßte.

Eigenmächtigkeiten ließ sich der Lenz genug zuschulden kommen, und es war noch viel, wenn er hinterdrein dem Vater sagte, was für eine Arbeit er übertags getan hatte.

Das konnte dem Schormayer mitten bei der Nacht einfallen und ihm das Schlafen verleiden. War ihm damit nicht deutlich vor Augen gehalten, daß man ihn bloß zum Schein das Regiment führen lasse und gerade noch ein wenig Geduld mit ihm habe?

Da machte er sich zornige Gedanken darüber, ob er es so bald und so unabwendbar an sich kommen lassen müsse, daß ihm der Sohn das Regiment abnehme.

Freilich, wenn er es ruhiger betrachtete: wie sollte er es aufhalten können?

Sobald die Ursula aus dem Hause war, mußte eine Frau herein; und daß er noch einmal heiraten sollte, fiel ihm nicht ein.

In seinem Alter das Leben von vorne und mit schweren Verdrießlichkeiten und Zerwürfnissen anfangen, das konnte nicht gut ausfallen und hieß ins Ungewisse hineintappen. Auch war der Lenz fleißig und rechtschaffen und verdiente es wohl, den Hof so zu kriegen, wie er jetzt beisammen war. Nein, noch einmal heiraten wollte er nicht.

Aber gerade, weil er über eine kleine Weile nichts mehr zu sagen hätte, sollte ihn der Sohn nicht jetzt schon daran erinnern.

Und er sagte ihm, daß er noch auf dem Bock säße und kutschiere und noch lange nicht neben dem Wagen herlaufen wolle; und wenn der Lenz meine, er könne ihm das Sitzbrett wegziehen, dann solle er blaue Wunder erleben.

Da war dann freilich ein verdrießliches Gesicht mehr in der Stube, und neben der keifenden Ursula setzte der Sohn grobe Ellenbogen auf den Tische und stach wütend in die Schüssel hinein. Diesen Zuständen ging der Schormayer gerne aus dem Wege und hockte sich lieber neben die gähnende Lammwirtin; und das beste davon war, daß sein Haus im Schlafen lag, wenn er heimkam.

Eines Abends aber sah er schon von weitem Licht in der Küche brennen, und auf des Nachbarn Hauswand lag der breite Schatten einer Weibsperson.

In der üblen Hoffnung, daß ihn noch ein Gespräch mit seiner Tochter erwarte, trat er mürrischer wie sonst ein; und da klinkte auch schon eine Tür auf.

»Bischt as du, Vata?«

»Ja, wer sinscht?«

»I hätt’ di gern was g’fragt.«

»Frag halt!«

»Die Bas’n vo Arnbach hat ma’r a Botschaft tho, und i soll morg’n zu ihr umikemma, und es waar oana do.«

»Was für oana?«

»A so halt oana.«

»Fallt dera nix anders ei, daß sie jetza scho kuppeln muaß?«

»Ja no, weil ‘s halt da Prückl Kaschpa vo Hirtlbach waar, und an sellan geht ma’r it alle Tag auf.«

»Ko der it zu mir herkemma und bei mir frag’n, wia ‘s si g’hört?«

»Er werd no nix wiss’n vo dem, und er hot grad a G’schäft z’ Arnbach, und ‘s Basl moant, wann i drent waar, na kunnt mi vielleicht auf des sell aa ‘z red’n kemma.«

»Geh halt umi, vo mir aus!«

»I geh aa, wann d’ Zollbrechtin für d’ Aushülf’ kimmt.«

»Was für an Aushülf?«

»Dahoam halt.«

»I brauch’ koane. Z’weg’n dem verhungern mi net, bal du net do bischt.«

»Aaba’r i mog it, daß du alloa do bleibst.«

»Han?«

»I mog it, daß du alloa mit dem Weibsbild dahoam bischt.«

Der Schormayer rückte den Hut aus der Stirne und fragte ruhig:

»Wia red’st denn du mit dein Vata? Han?«

Ursula verzog greinend das Maul und stampfte auf den Boden.

»Weil ‘s wahr is!«

Aber da schrie er schon:

»Wia du mit mir red’st, frag i, du Herrgottsaggerament!«

»Ja, du wurd’ mi g’schimpft, und …«

»‘s Mäu halt, du Saufratz, du nixiga!«

Sie trat einen Schritt zurück, denn er zog die Hand auf.

»No mal sag’ so was, na fangst d’ aba’r oane, du Rotzlöffi, du! Schaug so was o!«

»Und i ho ‘s amal g’sehg’n …«

Da packte der Schormayer seine Tochter mit harten Fingern am Arme und schob sie zur Tür hin.

»Naus, sag i, und marsch in dei Bett!«

Sie schrie weinerlich auf.

»Laß mi do aus!«

»I wer di na scho auslass’n, di! Und dös mirk’ da: bei’n erst’nmal, wo’s d’ no mal frech bischt, muaßt d’ aus’n Haus! Du Kramp’n, du mistiga!«

Er gab ihr einen derben Stoß und warf die Tür hinter sich zu.

Sie blieb eine Weile im Hausflötz stehen und überlegte sich, ob sie gescheiterweise noch etwas sagen sollte, aber sie griff dann lieber, wie viele Frauenzimmer, zu einem Selbstgespräch, indes sie in ihre Kammer hinaufging:

»Und bal i s amal g’sehg’n ho, daß sie bei eahm sell g’hockt is auf a Ofabank, und ganz hibei is sie g’hockt, und d’ Red’ hat ‘s eahm aa verschlag’n, wia’r i in d’ Stub’n eina bi, und jetz wisset a bal gor nimma, was er mi allssammete hoaß‘n muaß. Und was i amal woaß, des sell woaß i.«

Und was die Ursula einmal wußte, das vergaß sie nicht und brummte es ins Kopfkissen hinein, bis der Unwille in Schlaf und Schnarchen überging.

Aber auch sonst gab es noch Geräusch im Hause; denn unten flog ein Stiefel an die Kammertür, und ein Fluch wurde länger wie der andere, bis die Müdigkeit den Zorn wegräumte und dafür dem Schormayer einen schweren, astreichen Block unter die Säge schob. Und oben klinkte leise eine Tür ins Schloß, und barfuß tastete jemand über ein knarrendes Brett und schloff heimlich und still ins warme Nest zurück und schaute noch eine Weile mit nachdenklichen Augen zur Decke hinauf.

Dann drehte sich die Zenzi gegen die Wand und schickte den letzten Gedanken zwei Türen weiter, zur Ursula hinüber: »Wart, du Luada!« sagte sie beim Einschlafen.

Sechstes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Ganz nüchtern war der Schormayer selbst nicht mehr, wie er nun am Waldrande dahinging und mit dem Stecken fröhlich an die Baumstämme schlug. Alles, was er an diesem Tage erlebt hatte, war ihm ein rechtes Gaudium gewesen, und seine Fröhlichkeit war nicht trocken gelegt. Wie das schieche Weibsbild einmal grantig und einmal zutulich gewesen war, und sich gleich gar schon ausrechnete, was sie mit ihren Kindern tun werde! »Für den Fall, daß ‘s eppas wurd’ mit ins zwoa.« Freilich. Her und am Baum nauf! Das hätte er sich ja so gedacht! Ein zuwideres Frauenzimmer aus dem Hause hinaus, und noch das grimmigere dafür herein, und schlechte Tage, einen für den anderen, bis zum letzten.

Was sie dem Tretter versprochen haben mußte, daß der gar so bärig auf die Heirat wurde? Und wie schnell sich die verstanden hatten! Han?

Ein paar Minuten war er draußen geblieben, und da waren sie schon einig. Die Limmerischen auch. Für die hätte wohl auch geschwind was abfallen sollen; und der Zahler wäre er, der Schormayer, gewesen. Jetzt hockten sie gewiß noch beieinander und rechneten dem schiechen Weibsbild vor, was es für ein Glück machen könne auf dem größten Hof von Kollbach mit gutding hundert Tagwerk Grund, sechs Roß und an die vierzig Stück Vieh. Da könnte die Kaltnerin den Hintern gar stolz drehen, wenn sie als Bäuerin in dem allerschönsten Sach herumginge und alles kommandierte und ihre scharfe Stimme ertönen ließe. Was die sich bloß einbilden! Braucht gar nix, als nur gerade wollen, und das Weibsbild hockte sich mit seinen fünfzehntausend Mark – oder nein, bloß mit der Hälfte! – als Schormayerin nach Kollbach hinein.

Aber das war hernach lustig gewesen, wie er sie alle miteinander zwei Stunden lang an der Nase herumgeführt hatte, und den ganz gescheiten Tretter erst recht. »Du muaßt it glaab’n, daß i was davo hab! Vo mir aus derfst du gnua ledi bleib’n, und zweg’n dem bin i um koan Pfenning net ärmer.« Hat sie dir nichts versprochen hinter der Tür, und meinst du, andere Leute sind dümmer wie du? Du Tröpferl! – Hopp auf! Ein vorspringender Ast streifte dem Schormayer den Hut vom Kopfe, und da war er auch schon am Walde vorbei und stand auf der Höhe oberhalb Kollbach. Er strengte die Augen an und schaute nach der Richtung, wo sein Haus lag. Kein Licht schimmerte darin.

War die Ursula noch nicht daheim, oder lag sie schon im Bett?

Und wenn sie daheim war und nicht ihn und nicht die Zollbrechtin gefunden hatte, dann mußt sie die Augen aufgerissen haben. Herrgott, sie hätte ihn heute sehen sollen beim Limmer in Weichs, wie sich vier Leute die schönste Mühe mit ihm gaben und ihm wie einem jungen Hochzeiter um den Bart gingen. Bist doch nicht ganz und gar der alte Dadädl und Austragler, der für nichts mehr gut ist auf der Welt! Muß doch noch was sein an dir, wann die Weibsbilder liebreich werden, daß sie dir gefallen! Wer weiß, ob der Prückl Kaspar heute drüben in Arnbach der Ursula so schön getan hatte wie ihm die Kaltnerin, der die Augen glanzig wurden vor hoffnungsvoller Erwartung!

Jawohl, du Schneegans, das hättest du dir nicht einfallen lassen, daß der Vater die Zollbrechtin hinauswürfe und auf die Brautschau ginge und beim erstenmal ein Weibsbild an der Angel hätte! – Die Vorstellung, wie er heute aber schon auch alle Mitmenschen, und seine Tochter am allermeisten, hinters Licht geführt hatte, machte den Schormayer immer noch fröhlicher, und er stolperte seelenvergnügt in seinen Hof. Der Hund schlug an.

»Sei staad, Russel! Kennst d’ mi net?«

Da schloff der Schnauzl in seine Hütte zurück, und der Bauer holte unter einem Steine den Schlüssel heraus und sperrte auf.

Er tappte schwer in das Hausflötz und tastete etwas unsicher nach der Stubentür. Jetzt knarrte oben im Gang ein Brett, und ein Licht blitzte auf.

»Hö! Urschula, bischt as du?«

»Na, i bin ‘s.«

»Ah, d’ Zenzi! Bischt du no auf?«

»I bi scho g’leg’n, aba i bin aufg’stanna, wia’r i di g’hört ho.«

»Is na d’ Urschula no it dahoam?«

»Na. Sie is no it kemma.«

Zenzi war bis zur Stiege vorgegangen, und da sah sie der Schormayer im Unterrock und Hemd oben stehen; sie hielt ein Kerzenlicht, das sie mit der Hand gegen den Zug schützte, und der Schein fiel auf ihr Gesicht und die bloßen Schultern.

Irgend etwas trieb den Schormayer dazu, daß er die Stufen hinaufging und nun auf einmal neben der Dirne stand und sie an der Schulter faßte.

»Herrgott, du bischt aba g’stellt!«

»Jessas, dös wenn d’ Ursula wisset!«

»Was paß denn i auf de auf?«

»Du paßt scho auf! Host d’ mi ja de ganz Zeit nimma o’schaug’n derfa!«

»A was! Dös is grad a so g’wen!«

»Laß ‘s guat sei! Hör auf!«

»Teufi no a nei! Aba du bischt sauber g’wachs’n!«

»Hör auf, sag i!«

»Sei g’scheit, Madl!«

Dem Schormayer ging der Atem schwer, und die heiße Gier stieg ihm zu Kopf, und er kam ins Ringen mit dem üppigen Frauenzimmer. Da losch das Licht aus.

»Jessas na! Jetz is d’ Kirz’n aa no ausganga!«

»Was braucha denn mir a Liacht?«

»Geh abi in dei Stub’n!«

»I mag it, und i bleib amal bei dir!«

»Na, dös derfst it!«

»Jo, sag i! Herrgott, wo bischt denn?«

Die Zenzi war ihm entwischt, und er hörte sie auf dem Gange, und da schnappte eine Türklinke ins Schloß, und ein Riegel wurde vorgeschoben.

Der Schormayer tappte im Dunkeln vorwärts. Er stieß mit dem Fuße an seinen Stock, den er hatte fallen lassen, und dann suchte er an der Wand, bis er die Magdkammer fand. Die Tür war verschlossen.

»Zenzi, mach auf!«

Er horchte und hielt den Atem an, weil er vor seinem eigenen Schnaufen nichts hörte.

Drinnen kicherte es.

»Geh, Madl, sei g’scheit und laß mi eini! Es reut di g’wiß it!«

Wieder war es still.

»Du, paß auf! Wann’s d’ mi eini laßt, is dei Schad’n net.«

Da antwortete die Zenzi endlich.

»Na, dös sell derf it sei!«

»Warum it? Auf wen hamm denn mir aufz’pass’n?«

»Was that’n denn deine Leut’ sag’n?«

»Dös is mir wurscht. Jetz mach amal auf!«

»Geh abi! D’ Urschula ko all’ Aug’nblick kemma!«

»Vo mir aus kimmt s’, wann s’ mag. Und bals d’ jetzt net aufmachst, tritt i d’ Tür ei!«

»Jessas na! Gib do an Ruah!«

»Himmisaggerament!« Der Schormayer rannte wütend gegen die Tür.

Da raschelte es in der Kammer, der Riegel wurde leise zurückgeschoben, und der Bauer fiel beinahe über die Schwelle der sich öffnenden Tür.

»Du bischt aba wild!« sagte Zenzi vorwurfsvoll. »Und jetz gehst abi!«

»Jetz wer i geh! – Freili!«

Mit festen Griffen hielt er die Dirne.

»Loß do aus! I muaß ja d’ Tür zuasperr’n!«

Er hielt sie am Arme, indessen sie die Kammer verriegelte, und dann umfaßte er sie und drängte sie vor.

»Na, du bischt oana! Aba na! Aba na!«

*

Eine Stunde später rumpelte ein Fuhrwerk in den Hof.

Zenzi fuhr auf und stieß den Bauern, der angekleidet neben ihr lag, unsanft an.

»D’ Urschula is kemma!«

Der Schormayer brummte unwillig und wachte nicht auf.

»Jessas na! Jetz flackt a do, und de ander muaß scho glei herob’n sei!«

Sie schrie ihm halblaut ins Ohr: »Du, d’ Urschula is do!«

Er gab keine Antwort und schnarchte weiter.

»Dös werd it schlecht!« seufzte die Magd und horchte hinaus.

Indem war aber die Ursula schon ums Haus herumgegangen und zur Küche hereingekommen. Sie machte Licht und schaute nach der Wanduhr.

»Elfi vorbei!«

Da hatte sie sich doch ein wenig lang verhalten beim Ratschen mit der Base und dem Prückl Kaspar, der ihr nicht übel gefallen hatte. Und er war auch gar nicht dagegen, die Schormayertochter zu nehmen; denn so fünfzehntausend Mark auf die Hand kriegte nicht eine jede mit. Ihr Sonstiges an Vorzügen hatte die Base auch redlich herausgestrichen, so daß der Kaspar sie frischweg eingeladen hatte, mit der Base auf Hirtlbach hinüberzufahren und sein Anwesen anzuschauen. Bis man alles gesehen hatte, war es Abend geworden, und hernach zog sich in Arnbach bei der Base wiederum der Diskurs in die Länge, denn es mußte alles beredet werden, bis sie dann endlich der Vetter heimfuhr.

»Schon elfi durch!« Der Vater schlief wohl längst und hörte sie nicht.

Ursula schaute sich in der Küche um und bemerkte mit Wohlgefallen, daß die Zollbrechtin sauber aufgeräumt hätte. Es war alles an seinem Platze, wie sie es verlassen hatte.

Sie nahm nun das Licht und ging die Stiege hinauf. Was war nun das? Vor ihrer Tür lag ein Stock; und wie sie ihn aufhob; sah sie, daß es dem Vater der seinige war.

Wie kam jetzt der herauf?

Sogleich war ihr Verdacht geweckt, und sie überlegte, wie sie den Alten zur Rede stellen werde.

Da kam ein leises Geräusch aus der Nebenkammer. Leise schlich sie vorwärts und horchte.

Es war wie Schnarchen und hörte plötzlich auf.

Ursula blieb auf ihrem Posten und drückte das Ohr an die Tür.

Und wirklich, es war wieder ein tiefes Schnarchen, das schnell erstickte und in ein Brummen überging. Denn drinnen hielt Zenzi ihre Hand dem Schormayer auf Maul und Nase, und er wehrte sich dagegen.

Jetzt klopfte Ursula.

»Zenzi!«

Keine Antwort.

»Zenzi, hoscht g’hört!«

Eine schlaftrunkene Weiberstimme gab an.

»Wos is denn?«

»Mach auf!«

»Han?«

»Aufmacha sollst!«

»Zu wos denn? I schlof ja scho!«

»Dös sell sag i dir nacha, z’weg’n was. Jetz mach amal auf, und g’schwind!«

»Loß mi do schlafa! Wann mi an ganz’n Tag arbet, derf mi do aa’r amal sein Ruah hamm!«

»Stehst d’ it auf?«

»Na! I mag it, i möcht schlafa.«

»So? Dös ander werst na morg’n hör’n!«

Zenzi gab keine Antwort.

Da schrie Ursula zornig: »I woaß, wer bei dir drin is!«

»Wo herin? Bei mir is durchaus gar neamd!«

»Ja, lüag no! Du Loas, du abscheilige! Aba morg’n schmeiß i di naus, daß d’ draußd lieg’n bleibst, du schlecht’s Mensch, du!«

»Mei Ruah laß mi! Derf mi net amal in da Nacht sei Rauh hamm?«

»De kriagst na morg’n! Und der sell si schama! Pfui Deifi! Pfui Deifi!«

Von ihrem Schreien wachte der Schormayer doch auf. Er rumpelte auf.

»Was is denn? Wo bin i denn?«

»Bscht!« machte Zenzi und flüsterte ihm ins Ohr: »D’ Urschula is drasd und hot wos g’spannt.«

Aber Ursula war schon in ihre Kammer gegangen, und auf dem Bettrande sitzend, fing sie zu heulen an.

»Da hört sie do allssammete auf! A so a Schand!«

Derweilen rieb sich ihr Vater den Schlaf aus den Augen und wollte aufstehen. Zenzi hielt ihn zurück.

»Bleib no a wengl do, bis sie schlaft; net daß s’ di no’mal hört!«

»I will in mei Bett«, brummte er.

»Na ziahg aba d’ Stiefeln aus, wann’s d’ scho abi gehst!«

Das vertrauliche Getu war ihm so zuwider, daß er darüber nüchtern wurde; und ein heftiger Zorn stieg in ihm auf, über sich und über das Weibsbild, und am meisten über die Ursula.

»Dös Luda hat ihra Nas’n überall’n drin, und ‘s Mäu kunnt s’ net halt’n, de!« fluchte er vor sich hin.

»Ja, die übersiecht nix«, sagte Zenzi.

Ihre Zustimmung erinnerte ihn, daß er mit der Person da, mit seiner eigenen Magd, Heimlichkeiten hatte, und er wurde erst recht unwirsch.

»Laß mi naus!« befahl er grob.

»Aba d’ Stiefln ziahg aus!« bat sie.

»Dös geht di nix o! I schliaf in mein Haus net umanand wia ‘r a Diab.«

Er war schon bei der Tür und öffnete sie.

»Thua mir a paar Zündhölzeln her!«

Sie gab ihm eine Schachtel und sagte schmeichelnd: »Sagst d’ mir na koa pfüad Good?«

»Guat Nacht jetz, und laß mi geh’!«

Er strich ein Zündholz an und ging laut durch den Gang und fest über die Stiege, daß jede Stufe knarrte.

Eine helle Wut war in ihm.

Das sollte die Ursula erst noch sehen, ob er sündhaft und demütig wegschliche!

Er schlug seine Tür zu und zog sich aus und schmiß sich ins Bett. Wenn es eine Dummheit war, dann war es eine Dummheit, und fertig!

Die Ursula hörte ihn gut, und sie mochte es seinen Schritten anmerken, daß er nicht reumütig und sanft gestimmt war.

Sie unterdrückte ihren Wunsch, ihm etwas nachzurufen, und hörte vor Staunen auf zu weinen.

»Da schaug her!« brummte sie. »Der schamt si gar it amal!«

Achtes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Es war jetzt eine Krankheit im Schormayerhause, an der alle leiden mußten; und sie waren still und mißmutig und so feindselig, daß auch die gleichgültigsten Worte wie Grobheiten klangen und wie Beleidigungen vom andern gespürt wurden. Wenn sie beim Essen zusammensaßen, merkte jedes das Unbehagen des andern und stärkte daran sein eigenes, und die Löffel klapperten lauter, und die Gabeln stachen spitziger wie ehedem. Über Mittag wurde selten etwas geredet, und der Knecht, der Hansgirgl, der erst ein paar Tage nach dem Streite aus dem Krankenhause zurückgekommen war, wußte sich zuerst in der schweigenden Gesellschaft nicht zurechtzufinden und rumpelte bei jedem mit seinen unbefangenen Fragen an, bis er merkte, daß hier keine Unterhaltung aufkommen konnte. Die Ursula stellt die Schüsseln unfreundlich und hart auf den Tisch, der Lenz schlang sein Essen so schnell hinein, daß man sah, wie gerne er wieder hinaus wollte, und der alte Schormayer schnitt ein grimmiges Gesicht und führte den Löffel so widerwillig zum Maul, als hätte er bittere Arzneien zum Einnehmen.

Kein Mannsbild hätte sich als Ursache und Gegenstand so vielen Hasses im Gleichgewicht gehalten, aber Zenzi war, wie manche ihres Geschlechtes, mit einer gewissen Lust am Kleinkrieg begabt und fand in der unbehaglichsten Stimmung immer noch stille Freude an der verhaltenen Wut ihrer Feindin Ursula. Sie erzählte auch gerne und unbefangen von den Erlebnissen im Stalle, daß die Scheck stiere und die Prittlbacherin in der Milch nachlasse und die Hoferin gewiß und wahr aufgenommen habe. Wie ihre Stimme aber niemals ein Echo weckte, gab sie das Reden allgemach auf und begnügte sich, schmatzend und kauend durch einen vortrefflichen Appetit stilles Ärgernis zu erregen.

»Woaßt du, was de hamm?« fragte sie einmal der Hansgirgl.

»Was soll’n denn de hamm?«

»No, dös siecht do a Blinda, daß s’ wia Hund und Katz leb’n. Da is do eppas fürkemma!«

»Ko scho sei; mi bekümmert dös gar nix. Auf Liachtmeß geh’n i a so.«

»So? Du gehst? Warum nacha?«

»Weil i halt an andern Deanst möcht; allawei dös nemlinge is it schö’.«

»Aha! Freili, a bissel an Abwechslung mag a nieda Mensch.«

Der Hansgirgl war hell genug, daß er die Kündigung der Zenzi mit allem andern, was er sah, in Zusammenhang brachte; und ein paar Tage später erlebte er in der Küche einen Streit, der ihm ein Licht aufsteckte.

Wie er frühmorgens seine Kaffeesuppe trank, kam auch die Zenzi herein, und die Ursula schob ihr den Hafen hin, wie man keinem Hund das Fressen vorsetzt. Nah dem ersten Löffel spuckte die Zenzi heftig aus.

»Da is ja a Petrolium drin!«

»Na is halt oans drin«, sagte die Ursula.

»Allssammete is do it guat gnua für an Deanstbot’n; und bal i mei Arbet richtig mach’, derf i aa a richtig’s Ess’n valanga.«

»Für so a Mensch thuat ‘s leicht was.«

»So? Thuat’s leicht was? Dös will i sehg’n, ob i dös sauf’n muaß! Da probier ‘s amal, Hansgirgl, ob da koa Petrolium it drin is!«

»Mein’ Kaffee feit nix«, sagte der Knecht gleichmütig.

»Probier ‘s grad amal! Dös is ja ausg’schamt, daß mi oan so was gibt!«

»Dös is mei Sach it.«

»Aba i woaß scho, was i thua«, schrie die Zenzi und eilte mit ihrem Hafen zur Türe hin.

Ursula vertrat ihr den Weg.

»Was willst du thoa? Wo mögscht du hi?«

»Zu’n Bauern geh’n i eini, und der muaß amal sehg’n, wia du mit die Deanstbot’n umgehst!«

Ursula riß ihr den Hafen aus der Hand und schüttete den Inhalt auf den Boden.

»So, jetz geh eini zu dein’ liab’n Bauern und zoag eahm dein’ Kaffee!«

Zenzi riß die Tür auf und wollte hinaus, aber da trat der Lenz ein.

»Was geit ‘s da?«

»Dera Loas da waar da Kaffee it guat gnua, und zum Vatern möcht s’.«

»Und i laß ma ‘s it g’fall’n! Da müaßt ja oans krank wern aa no in dem Haus!«

»Du! Sei it so frech!« sagte der Lenz drohend.

»Da waar mi frech, bal mi si net vagift’n laßt! Laß mi außi! I geh’ zu’n Bauern.«

Lenz nahm Zenzi beim Arm und führte sie zu der hinteren Tür, die ins Freie ging.

»Da gehst außi, und zu’n Vatern kimmst du it! Und drah mir da it lang auf, sinscht hast d’ as mit mir z’ thoa!«

Er gab ihr einen leichten Schub und schloß hinter ihr zu.

»Was is dös g’wen mit ihran Kaffee?« fragte er die Schwester.

»A Petrolium hat sie außag’schmeckt. Vielleicht is oans drin g’wen. Was woaß i!«

»Dös sell sollst d’ bleib’n lass’n. Dös hat jetzt koan Werth gar it.«

»Bal s’ ‘n it mag, braucht s’ ‘n ja it saufa!«

»Laß ‘s guat sei und red’ nix mehr über dös und gib ihr dös richtig Ess’n, so lang s’ da is.«

Er gab ihr mit den Augen einen Wink und ging hinaus.

Hansgirgl hatte sich aus diesem Auftritt einiges entnommen und kannte sich beiläufig schon recht gut aus.

Er trank seine Kaffeesuppe ruhig und bedachtsam; und wie er fertig war, schleckte er den Löffel sauber ab.

Ursula hielt ihn noch auf.

»Du, Hansgirgl, hörst du gar nix, daß de sell recht schimpft über mi?«

»De Zenzi?«

»Ja.«

»Da hon i no gar nia nix g’hört.«

»Geh weita, du sagst as g’rad it.«

»Na, i müaßt lüag’n; sie hot si no gar nia auslass’n gegen meiner.«

»Bal sie ‘s aba thuat, na glaabst ihr nix! Dös is a ganz a schlecht’s Weibsbild.«

»I gib ihr scho koan Audienz, bal si amal mit so was kam, und überhaupts: was mi nix o’geht, um dös sell bekümmer’ i mi ganz weni.«

»Mi sagt g’rad, woaßt d’, daß d’ di auskennst.«

»Is scho recht nacha. Guad Morg’n!«

Draußen pfiff Hansgirgl leise durch die Zähne. »Aha! Da hat ‘s was! ›Zu dein’ liab’n Bauern‹, hat de ander g’sagt. Schau! Schau!«

Der Schormayer hatte das Streiten wohl vernommen, aber er wunderte sich nicht darüber. Das war klar und ausgemacht, daß die Weibsbilder miteinander hakeln mußten; und wenn es nicht gar zu dick kam, wollte er sich nicht einmischen. Sonst brannte das Feuer lichterloh. Pfüat di Good!

Und das war auch gewiß, daß er die Ursula so bald als möglich ausheiraten mußte; denn sie würde keinen Frieden geben, und wenn die Zenzi schon lange aus dem Hause wäre.

Das tröpfelt immer noch; das hört nicht auf.

Er tauchte den Kamm ins Wasser und strich sich damit die Haare nach vorne.

Wurden auch schon dünn, sackerisch dünn, und der graue Esel schaute überall heraus.

Vierundfünfzig Jahre.

In der Stadt heißen sie es das beste Alter, aber heraußen denken sie anders.

Wird bald Feierabend sein, Bauer; und eine Zeit kommt, die nicht schön ist.

Im Austrag sitzen, jeden Brocken vorgezählt kriegen und überall im Weg und zu nichts mehr nutz sein. Kann sich einer ja ausrechnen, wie der Herr Sohn sich aufspielt, wenn er erst einmal am Regiment ist, und hat sich vorher nicht halten können. Die Geschichte mit dem Lenz wurmte ihn, und er wurde nicht fertig damit.

Daß die Kinder mit dem Alter nicht an Zärtlichkeit zunehmen, weiß man freilich, und es muß auch nicht jedes Wort fei sein, aber den Vater kotzengrob in die Ecke schieben und ihm mit einer Anzeige drohen, den Streit aus dem Haus hinaustragen – dasselbige war ein wenig viel getan.

Daß es den Lenz hinterher vielleicht gereut hatte, machte nichts anders, und wenn er den Hof einmal in Händen hielt, würde er dem Vater am Ende den Streit heimzahlen. Er traute ihm nicht mehr, und er wollte sich gut vorsehen. Am Ende war es wirklich das beste, wenn er sich mit einem guten Austrag nach Dachau verzog.

Ein Häusel mieten oder kaufen und allein sein mit einer richtigen Person, die ihm aufwarten konnte. Der Blank Andrä von Happach hatte es so gemacht und hockte dort noch heute zufrieden und guter Dinge. Unterhaltung konnte man genug finden; aufs Gericht gehen und den Verhandlungen zulusen, auch fleißig Messen und Rosenkränze aufsuchen, seinen Diskurs haben mit allen möglichen Leuten; und wenn man ins Wirtshaus wollte, hatte man die Auswahl.

Was erwartete ihn denn daheim in Kollbach? An jedem Zahltag ein Schimpfen über den unverschämten Austrag und Jammern, daß es der Sohn nicht erschwingen könne.

Jedesmal der Versuch, was abzuzwacken oder Schlechtes für Gutes herzugeben, und dieselbigen Kunststücke, mit denen man die unliebsamen Fresser in stille Wut bringt, daß sich ihre Tage verkürzen. Nur nicht angewiesen sein auf den guten Willen der Kinder! War eine Frau im Hause, hernach hetzte sie beim Schlafengehen und Aufstehen, wußte alle Tage was Neues zu finden und den jungen Bauern wegen seiner dummen Gutmütigkeit zu schelten. Und gab acht, daß verwässerte Milch und abgestandene Eier und immer das Schlechteste als Deputat hergegeben wurden. Streitest dann, ist der Teufel erst recht los, und du hast vielleicht den glücklichen Umstand, mit deiner Prozeßpartei Tür an Tür zu leben und einen heimlichen Krieg mit der Schwiegerin zu führen, der hundert Bosheiten einfallen, bis du selber auf eine einzige kommst.

Na – na, Lenz! Das wird sich der Schormayer noch genau überlegen, ob er sich dir mit Haut und Haaren ausliefert. Jetzt schon gar!

Hast ja ein scharfes Maulwerk zum Erbstück bekommen und kannst großmächtig aufdrahen, wie man’s gesehn hat.

Ein Roß, das leicht ausschlagt, muß ein schweres Kummet tragen und kurz eingespannt werden.

»Höh, was is?«

Die Zenzi stand draußen und klopfte ans Fenster.

Der Schormayer öffnete.

»Was is denn dös für a Modi? Was willst denn?« fuhr er sie grob an.

»An Viechdokta hob i vorbeigeh sehg’n, und weil mi d’ Scheck gar it g’fallt, hon i g’moant, ob er it herschaug’n soll.«

»Vo mir aus gnua! Aba muaßt du dös beim Fensta eina sag’n? Kunntst du it bei da Tür einakemma wia’r ander’ Leut?«

»I derf ja it.«

»Was derfst it?«

»Bei da Thür derf i it eini, weil mi da Lenz it laßt.«

»Geah! Hört’s auf mit de G’schicht’n!«

»G’wiß is wahr! Er hot mi bei da Kuch’l außig’schmiss’n; und, sagt a, bal i zu dir eina will, hot er g’sagt, na hon i ‘s mit eahm z’ thoa.«

»Kreuz Teufi! I wer scho mein Fried’ amal kriag’n! Was gengan mi denn enkere Streitereien o?«

»Jetzt sagst d’ as so, und z’erscht …«

»Du! Mach, daß d’ in Stall kimmst, und bal’s d’ ma wieda was z’ sag’n hoscht, gehst vorn bei da Hausthür eina. I mach scho, daß di neamd aufhalt.«

»Und bal er mi amal bei da Kuch’l außischmeißt, und, sagt a, wia’s d’ ma grad an Schritt einagehst, hat er g’sagt …«

Der Schormayer schlug das Fenster zu.

Stand nicht die Zollbrechtin am Brunnen und schaute herunter und wußte jetzt etwas ganz Merkwürdiges: daß die Dirn beim Nachbarn fensterln ging!

So eine Gans! Stellt sich brettbreit hin und sagt zum Fenster herein, daß der Tierarzt im Dorf ist. Als wenn sie weiß Gott was für ein Geheimnis zu bringen hätte!

Aber freilich: wird schon der Herr Lenz wieder strohgrob gewesen sein! Der Schormayer ging in die Küche. »Mein’ Kaffee!«

»Da is er!« sagte Ursula brummig und erhob die Tasse über den Herd hin.

»Vielleicht tragst d’ ‘n her am Tisch! Und schiebst d’ ‘n net zuawa wia’r a Hundsschüssel!«

»Ja no!«

Ursula war beleidigt, aber sie stellte den Kaffee doch recht manierlich vor den Vater hin.

»‘s Brot!«

Sie brachte einige Semmeln, und er tunkte sich Brocken ein; und während er sie kaute, warf er mißmutige Blicke herum.

Die Ursula machte sich daran, Teller und Schüsseln zu waschen; sie konnte dabei ihren Zorn aufweisen, indem sie das Geschirr tüchtig widereinander stieß.

»Du!«

»Wos?«

»San meine Hausthür’n bei’n Tag off’n?«

»Ob de Thür …?«

»Ob meine Hausthür’n bei’n Tag off’n san, frag i.«

»Freili san s’ off’n; wer soll s’ denn zuasperr’n?«

»Für was müass’n na meine Deanstbot’n beim Fensta zu mir einared’n, bal s’ was zu’n ausricht’n hamm?«