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VORWORT
DAS ERSTE VIERTEL
DAS ZWEITE VIERTEL
DAS DRITTE VIERTEL
DAS LETZTE VIERTEL

VORWORT

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Ein Abenteuer seltsamster Art, das ich in einfa­cher sehlichter Form im folgenden wiedergeben will, brachte mir den Schöpfer des komischen Romans, Don Miguel de Cervantes Saavedra, so nahe – wie ich’s mir immer gewünscht hatte. Ich hoffe, dass der grosse Spanier durch die Erzählung meines Abenteuers auch dem geneig­ten Leser so nahe gebracht wird – wie mir selbst. Ich habe mich im äusserlichen an die Art des Don Quichotte angelehnt. Da ich aber na-turgemäss meine Erzählung nicht dem spani­schen Meisterwerk entsprechend in vier Bänden niederlegen konnte, so habe ich mich darauf be­schränkt, das vorliegende Buch in vier Kapitel zu teilen. Statt der Kapitelzahlen habe ich Buchsta­ben gewählt – und zwar in jedem Viertel die neun Buchstaben, die im Namen des spani­schen Dichters enthalten sind; diese Ovations­manier war bekanntlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sehr gebräuchlich -und schien mir darum hier erlaubt zu sein.

Charlottenburg, 23. März 1904 Der Verfasser

DAS ERSTE VIERTEL

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C
Handelt von der Schmiede und von den starken Schmiedegesellen.

Dunkelrot ging der Vollmond über den Wiesen auf. Aber nur die obere Hälfte des Vollmondes war sichtbar. Und das machte sich sehr geheim­nisvoll. Ich kam vor die grosse Schmiede des Herrn Sandmann und sah den Herrn Sandmann vor seiner Türe stehen, die Pfeife rauchen und in die Abenddämmerung hineinschauen. In der grossen Schmiede glühten dunkelrot auf zwanzig Ambossen starke Eisenstangen. Und starke Schmiedegesellen schlugen mit ihren Bei­len auf die dunkelrot glühenden Eisenstangen los, dass die Funken nur so rumspritzten. Ich begrüsste den Herrn Sandmann und sagte leise: »Könnten Sie mir nicht ein paar Spanier, die vor dreihundert Jahren in Spanien die Ta-gesgrössen vorstellten, aus der Unterwelt her­aufholen?« »Da sind Sie«, versetzte jener ruhig, »vor die richtige Schmiede gekommen. Das wollen wir gleich besorgen.« Und der Herr Sandmann befahl seinen Ge­sellen, mit dem Hämmern aufzuhören, Hess mich in die Schmiede hinein und Hess die gros­sen Türen gleich hinter mir zuschliessen. Dann wurden die Ambosse etwas zur Seite geschoben, und die zwanzig Gesellen mussten sich mit zentnerschweren Stampfeisen im Kreise aufstellen. Der Herr Sandmann erweiterte den Kreis, bis er einem Eiumriss ähnlich sah, und Hess dann seine Gesellen den Erdboden zerstampfen – aber so, dass alles bullerte. Und dann gab’s einen Knacks in der Mitte, und die Erde brach auf, und ich sah eine Lanze und ein umgestülptes Seifenbecken – das hob sich immer höher – und darunter sah ich dann den alten Don Quichotte de la Mancha, hinter ihm Sancho Pansa und vor ihm den Dichter Cervantes. Alle drei sassen auf dem Rücken des alten Rosinante, der jedoch schneeweiss und so gross wie zwei alte Elefanten war. Die Schmiedegesellen verzogen keine Mie­ne. Ich aber war sprachlos.

E
Handelt von den drei alten Spaniern, die von ih­rem weissen Pferde langsam heruntersteigen.

»Da sind wir wieder mal aus dem Boden ge­stampft!« sagte der dicke Sancho Pansa. »Aber meine Herren«, fuhr er fort, »bringen Sie eine Leiter, damit wir langsam herunterstei­gen können. Ich wäre ja wohl imstande, an dem langen vollen Schweife des Rosinante hinabzu-klettern, aber mein Herr, der Don Quichotte de la Mancha, würde das Klettern nicht für ritterlich halten, und unserm Dichter, dem Herrn Cervan­tes Saavedra, dürfte das Klettern schwerfallen, da er ja seine linke Hand in der Schlacht bei Lepanto anno 1570 verloren hat; der ganze linke Arm ist ihm heute noch steif. Wäre der Ro­sinante nicht in den dreihundert Jahren so ge­wachsen, so wäre die Leiter natürlich nicht nö­tig. Ich glaube, dass nach dreitausend Jahren der Rücken des Rosinante so gross sein wird wie die Provinz la Mancha, so dass man Städte auf dem Rücken unsres unsterblichen Schimmers erbauen könnte.« Don Quichotte sagte ernst mit seiner knar­renden Stimme: »Mein Sohn Sancho, du bist hier nicht in einer Volksversammlung! Rede nicht immerzu -das schickt sich doch nicht.« Währenddem hatten die Gesellen die Leiter gebracht, und Cervantes stieg gewandt, wenn auch langsam, herunter. Unten angekommen, zog er gleich seinen Degen, so dass ich recht erschrak. Aber der spanische Dichter sagte zum Herrn Sandmann: »Bitte, lassen Sie den Degen putzen und schleifen. Unter der Erde rosten die Eisensachen immer noch; es ist recht unangenehm.« Währenddem stieg Don Quichotte sehr langsam und umständlich auf der Leiter herun­ter, da er durch Schwert, Schild und Lanze recht behindert wurde. Ich stellte mich nun dem Dichter Cervantes vor, indem ich meinen Namen sagte; wir nah­men dabei unsre Zylinder ab. Da rief der Sancho, der jetzt auch recht ge­mächlich auf der Leiter herunterstieg: »Mein Herr Cervantes trägt einen schrägen Zylinder vom Jahre 1604. Aus welchem Jahre stammt Ihr Zylinder?« Diese Frage war an mich gerichtet, und ich antwortete errötend: »Aus dem Jahre 1888!« Ich konnte nicht anders, da ich gewohn-heitsmässig stets die Wahrheit sage. Sancho aber bemerkte, als er den Erdbo­den betrat und auf mich zukam: »Ein sehr ehrwürdiges Alter hat auch Ihr Zylinder. Alle Achtung! Eine Jahreszahl mit drei Achten.« Da lachten die Schmiedegesellen im Chore. Und ich lachte mit.

R
Berichtet vom Hufbeschlag und von den Eisbei­nen und von der Jugend des Cervantes.

Don Quichotte wurde befragt, ob sein Ritter­schwert auch geputzt und geschliffen werden müsste, was jedoch der edle Ritter ernst vernein­te. Aber der Rosinante sollte neue Hufe be­kommen. »Die müssen gross sein!« rief der Herr Sandmann und Hess den Schimmel in den Hin­tergrund führen, allwo man gleich mit der schweren Arbeit begann. Sancho sagte nun zu den Schmiedegesel­len: »Meine Herren, kenne Sie vielleicht jene Tiere, die wir ohne Erbarmen »Schweine« nen­nen müssen?« Man bejahte das, und Sancho fuhr fort: »Dann geben Sie mir von diesen sogenann­ten Schweinen einige Eisbeine.« Er bekam das Gewünschte, zog sein Taschenmesser hervor und ass damit, als wenn er vierzig Tage gefastet hätte. Cervantes setzte sich neben mir auf eine Bank, und Don Quichotte stellte sich uns gegen­über und stützte sich mit beiden Händen auf seine Lanze und sprach: »Unser Dichter, Don Miguel de Cervantes Saavedra, war in seinem Leben ein handfester Herr, der nicht immer seinen Zorn mit seinem Witze bekämpfte. Zu Alcalä de Henares ward er am 9. Oktober 1547 geboren als der jüngste Sohn des Don Rodrigo de Cervantes und der Dona Leonor de Cortinas. Und gleich in seiner frühsten Jugend war unser Dichter so aufs Lesen erpicht, dass er auf der Strasse die weggeworfe­nen Papiere sammelte, und immerzu las, blos um seine Wissbegierde zu stillen. Die Folge da­von war natürlich, dass er schon im Knabenalter viele Sonette verfasste. Die Eltern leiteten seine Erziehung und zogen dann mit ihren Kindern nach Madrid.« Jetzt wurden dem Rosinante die neuen Hufe aufgeschlagen, und dabei machten die Gesellen einen solchen Spektakel, Dass Don Quichotte nicht weiterreden konnte und mit zorniger Miene zu seinem alten Pferde hinüber­blickte. Sancho Pansa, der Stallmeister, sass jedoch an einem Amboss und ass seine Eisbeine und liess sich nicht stören. Der Herr Sandmann stand neben dem Sancho und bewunderte dessen Esslust mit grossen Augen.

V
Don Quichotte redet weiter, während sich San­ cho auch dadurch nicht im Essen stören läßt.

Der spanische Ritter gebot den Schmiedegesel­ len, etwas weniger geräuschvoll zu arbeiten- was denn auch sofort geschah.
Danach redete der hagere Mann in der ei­ sernen Rüstung weiter, während sich Sancho Mostrich bringen Hess: