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In alten Zeiten, vor vielen hundert Jahren war ein maurischer König, Aben Habuz genannt, der über das Königreich Granada regierte. Er war ein in Ruhestand versetzter Eroberer, das heißt, ein Mann, der in seinen jüngeren Tagen ein stetes Raub-und Plünderleben geführt hatte, und nun, da er schwach und alt geworden, sich nach Ruhe sehnte und nichts mehr wünschte, als mit aller Welt in Frieden zu leben, seine Lorbeern zu wahren und sich der Besitzungen ruhig zu erfreuen, die er seinen Nachbarn entrissen hatte.
Es begab sich aber, daß dieser sehr vernünftige und friedliche alte König es mit jungen Nebenbuhlern zu thun hatte; Prinzen, welche von seiner frühern Leidenschaft für Ruhm und Kampf erfüllt und geneigt waren, ihn wegen den Schulden, die er bei ihren Vätern gemacht, zur Rechenschaft zu ziehen. Auch gewisse ferne Distrikte seiner eigenen Länder, welche er während der Tage seiner Kraft sehr hochfahrend behandelt hatte, zeigten jetzt, da er sich nach Frieden sehnte, große Lust, sich aufzulehnen und drohten, ihn in seiner Hauptstadt zu umzingeln. So hatte er auf allen Seiten Feinde und da Granada von wilden und rauhen Bergen umgeben ist, welche den annähernden Feind verstecken, war der unglückliche Aben Habuz in einem steten Zustande der Unruhe und des Wachens, indem er nicht wußte, auf welcher Seite die Feindseligkeiten ausbrechen würden.
Vergebens baute er sich Wartthürme auf den Bergen, stellte er Wachen bei jedem Engpaß mit dem Befehle auf, die Annäherung eines Feindes zur Nachtzeit durch Feuer, bei Tag durch Rauch zu verkünden. Seine behenden Feinde vereitelten alle Vorsichtsmaßregeln und pflegten aus irgend einem unbeachteten Paß hervorzubrechen, verwüsteten ihm das Land unter der Nase und machten sich dann mit den Gefangenen und der Beute davon in die Berge. War je ein friedlicher und ruhiger Krieger in einer unbehaglicheren Lage?
Während Aben Habuz durch diese Schwierigkeiten und Störungen gequält wurde, kam ein alter arabischer Arzt an seinen Hof. Sein grauer Bart ging ihm bis auf den Gürtel und er hatte jedes Zeichen des höchsten Alters, und doch hatte er fast den ganzen Weg von Egypten zu Fuß gemacht, ohne einen andern Beistand, als einen mit Hieroglyphen gezeichneten Stab. Sein Ruf war ihm vorangegangen. Er hieß Ibrahim Ebn Abu Ajeeb, hatte, wie man sagte, seit den Tagen Mahomed’s immerwährend gelebt und sollte der Sohn von Abu Ajeeb, dem letzten der Gefährten des Propheten seyn. Als Kind war er dem siegreichen Heer Amru’s nach Egypten gefolgt, wo er viele Jahre geweilt und bei den egyptischen Priestern die verborgenen Wissenschaften, besonders Magie, studirt hatte.
Ueberdies hatte er, wie es hieß, das Geheimniß gefunden, das Leben zu verlängern, wodurch er zu dem hohen Alter von mehr als zweihundert Jahren gekommen, obgleich er, da er das Geheimniß erst in seiner Greisenzeit entdeckt hatte, nur seine grauen Haare und Runzeln erhalten konnte.
Dieser wundervolle alte Mann wurde von dem König in Ehren gehalten, denn, wie alle ausgelebten Könige, schenkte auch er den Aerzten eine ausgezeichnete Gunst. Er hätte ihm eine Wohnung in seinem Palast angewiesen, aber der Sternkundige zog eine Höhle an der Seite des Hügels vor, der sich über Granada erhebt und derselbe ist, auf welchem seitdem die Alhambra gebaut wurde. Er ließ die Höhle erweitern, so daß sie einen geräumigen Saal bildete, an dessen Decke eine runde Oeffnung war, durch welche er, wie aus einem Brunnen den Himmel beobachten und die Sterne selbst am hellen Mittag sehen konnte. Die Wände dieses Saals waren mit egyptischen Hieroglyphen, mit cabalistischen Symbolen und mit den Sternbildern in ihren Kreisen bedeckt. Diesen Saal verzierte er mit mancherlei Geräthschaften, welche von geschickten Handwerkern Granada’s unter seiner Leitung gefertigt worden, deren geheime Eigenschaften aber ihm allein bekannt waren.
Nach einer kurzen Zeit wurde der weise Ibrahim der vertrauteste Rath des Königs, der ihn in jedem dringenden Falle um seinen Rath anging. Aben Habuz schalt eines Tags auf die Ungerechtigkeit seiner Nachbarn und beschwerte sich über die rastlose Wachsamkeit, welche er üben müsse, um sich gegen ihre Einfälle zu sichern; als er geendigt hatte, schwieg der Astrolog eine Zeitlang, dann sagte er: »Wisse, o König, daß ich während meines Aufenthaltes in Egypten ein großes Wunder sah, das einer der alten heidnischen Priester erdacht hatte. Auf einem Berge, über der Stadt Borsa, wo man das große Thal des Nils überschauen konnte, war die Figur eines Widders und darüber die eines Hahns, die beide, aus gegossenem Erz gefertigt, sich auf einem Stifte drehten. Wenn dem Lande ein Einfall drohte, so drehte sich der Widder in der Richtung des Feindes und der Hahn krähte, worauf die Bewohner der Stadt sofort Kunde von der Gefahr und von der Richtung erhielten, in welcher sie sich näherten und bei Zeiten Vorsorge treffen konnten, sie abzuwehren.«
»Gott ist groß!« rief der friedfertige Aben Habuz; »welch ein Schatz wäre ein solcher Widder, der sein Auge auf diese Berge umher richtete, und dann solch ein Hahn, der zur Zeit der Gefahr krähte. Allah Akbar! wie sicher würde ich in meinem Palast mit solchen Schildwachen auf der Höhe schlafen.«
Der Astrolog wartete, bis die Verzückungen des Königs nachgelassen hatten und fuhr dann fort.
»Nachdem der siegreiche Amru (möge er in Frieden ruhen) die Eroberung Egyptens vollendet hatte, blieb ich bei den alten Priestern des Landes, lernte die Gebräuche und Zeremonien ihres Götzenglaubens kennen und suchte mich in den Besitz der geheimen Weisheit zu setzen, wegen welcher sie so berühmt sind. Ich saß eines Tags an den Ufern des Nils und unterhielt mich mit einem alten Priester, als dieser auf die mächtigen Pyramiden zeigte, die sich wie Berge aus der benachbarten Wüste erhoben. »Alles, was wir dich lehren können,« sagte er, »ist nichts gegen die Weisheit, die in jenen mächtigen Gebäuden aufbewahrt wird. In dem Mittelpunkt der mittlern Pyramide ist ein Grabgemach, in welchem die Mumie des Hohenpriesters eingeschlossen ist, welcher dieses erstaunliche Gebäude errichten half; und bei ihm ist ein wundervolles Buch der Weisheit vergraben, welches alle Geheimnisse der Kunst und Magie enthält. Dieses Buch war Adam nach seinem Fall gegeben worden und kam dann von Geschlecht zu Geschlecht auf Salomon den Weisen, welcher durch seine Hülfe den Tempel von Jerusalem baute; wie er in den Besitz des Erbauers der Pyramiden gekommen, ist dem allein bekannt, der alles weiß.«
»Als ich diese Worte von dem egyptischen Priester gehört hatte, entflammte sich mein Herz, in den Besitz dieses Buchs zu gelangen. Ich hatte über die Dienste vieler Krieger aus unseren siegreichen Heeren und über eine Anzahl Eingebornen zu gebieten; mit diesen ging ich an’s Werk und öffnete die dichte Masse der Pyramide, bis ich, nach großer Mühe, auf einen ihrer innern und verborgnen Gänge kam. Diesen folgte ich und beschritt ein furchtbares Labyrinth, durch das ich in das Herz der Pyramide und grade in das Grabgemach kam, wo die Mumie des Hohenpriesters seit Jahrhunderten lag. Ich öffnete die äußern Umhüllungen der Mumie, löste ihre manchfachen Umschläge und Binden und fand endlich das kostbare Buch auf ihrer Brust. Ich faßte es mit zitternder Hand und suchte aus der Pyramide zu kommen, indem ich die Mumie ihrem dunkeln und stillen Grabe überließ, um dort den Tag der Auferstehung und des Gerichtes zu erwarten.«
»Sohn des Abu Ajeeb,« rief Aben Habuz, »du hast viele Länder gesehen und wunderbare Dinge beobachtet; allein wozu nützt mich das Geheimniß der Pyramide und das gelehrte Buch des weisen Salomon?«
»Wohl kann es dir nützlich werden, o König! durch das Studium dieses Buches unterrichtete ich mich in allen magischen Künsten und habe über den Beistand der Geister zur Förderung meiner Plane zu gebieten. Das Geheimniß des Talismans von Borsa ist mir daher bekannt und ich kann einen solchen Talisman, ja, einen von noch höherer Kraft fertigen.«
»O weiser Sohn des Abu Ajeeb,« rief Aben Habuz, »ein solcher Talisman wäre besser als alle Wartthürme auf den Hügeln, und als alle Wachen an den Grenzen. Gib mir einen solchen Schirm und alle Reichthümer meiner Schatzkammer sollen zu deinem Befehle seyn.«
Der Astrologe begab sich sogleich an die Arbeit, um den Wünschen des Königs Genüge zu thun. Er ließ auf der Höhe des königlichen Palastes, welcher auf dem Scheitel des Albayan-Hügels stand, einen großen Thurm bauen. Dieser Thurm ward von Steinen erbaut, die aus Egypten gebracht worden und, wie man sagte, von einer der Pyramiden genommen waren. In dem obern Theil des Thurms war ein runder Saal, dessen Fenster nach allen Punkten des Compasses sahen, und vor jedem Fenster war ein Tisch, auf welchem, wie auf einem Schachbrett, ein kleines Heer von Reiterei und Fußvolk nebst einem Ebenbild des Potentaten, der in jener Richtung herrschte, alle aus Holz geschnitzt, aufgestellt waren. Für jeden dieser Tische war eine kleine Lanze da, nicht dicker als eine Nadel, auf welcher gewisse chaldäische Charaktere gegraben waren. Dieser Saal wurde stets verschlossen gehalten; die Thüren waren von Erz und das Schloß von Stahl; der Schlüssel dazu befand sich in des Königs’ Händen.
Auf der Spitze des Thurms war die auf einem Stiften befestigte Bronzstatue eines maurischen Reiters, mit einem Schild in dem einen Arm und seine Lanze senkrecht tragend. Das Gesicht dieses Reiters war der Stadt zugewendet, als wache es über sie; wenn aber ein Feind sich näherte, wandte sich die Statue in dieser Richtung und legte die Lanze wie zum Angriff ein.
Als dieser Talisman fertig war, wurde der König ganz ungeduldig, seine Kraft zu erproben und sehnte sich eben so sehr nach einem Einfall, als er je nach Ruhe geseufzt hatte. Sein Wunsch wurde bald erfüllt. Eines Morgens frühe brachte die Schildwache, welche den Thurm zu bewachen hatte, die Nachricht, das Gesicht des bronzenen Reiters sey gegen die Berge von Elvira gewendet und seine Lanze zeige genau nach dem Paß von Lope.
»Laßt die Trommeln und Trompeten zu den Waffen rufen,« sagte Aben Habuz. »ganz Granada soll sich bereit machen.«
»O König,« sagte der Astrologe: »beunruhige deine Stadt nicht und laß deine Krieger nicht zu den Waffen rufen; wir bedürfen den Beistand des Heeres nicht, um dich von deinen Feinden zu befreien. Entlasse deine Diener und laß uns allein in den geheimen Saal des Thurmes gehen.«
Der alte Aben Habuz stieg, sich auf den Arm des noch ältern Ibrahim Ebn Abu Ajeeb lehnend, die Thurmtreppe hinan. Sie schlossen das eherne Thor auf und traten ein. Das Fenster, welches gegen den Paß von Lope sah, war offen. »In dieser Richtung,« sagte der Astrologe, »liegt die Gefahr: nähere dich, o König, und betrachte das Geheimniß des Tisches.«
König Aben Habuz näherte sich dem anscheinenden Schachbrett, auf welchem die kleinen hölzernen Bilder aufgestellt waren, als er zu seinem Erstaunen bemerkte, daß sie alle in Bewegung waren. Die Rosse bäumten und hoben sich, die Krieger schwangen ihre Waffen, und man hörte das leise Klingen von Trommeln und Trompeten und das Schallen von Waffen und das Wiehern der Rosse; aber alles nicht lauter und deutlicher als das Summen von Bienen oder den Sommerfliegen in das schläfrige Ohr dessen tönt, der am Nachmittag im Schatten liegt.
»Sieh, o König,« sagte der Astrologe, »einen Beweis, daß deine Feinde jetzt eben zu Felde gezogen sind. Sie müssen durch jene Berge, durch die Engpässe von Lope, vorgerückt seyn. Wenn du einen panischen Schrecken und Verwirrung unter sie bringen und sie ohne Blutverlust in die Flucht jagen willst, so triff diese Bilder mit dem Knopf dieser magischen Lanze; willst du aber Mord und Blutbad unter ihnen anrichten, so triff sie mit der Spitze.«
Ein schwarzgelber Streif flog über das Gesicht des friedlichen Aben Habuz, er faßte die kleine Lanze mit zitternder Hast und schwankte an den Tisch, während sein grauer Bart vor freudiger Erwartung wackelte. »Sohn des Abu Ajeeb,« rief er aus. »Ich denke, wir wollen ein wenig Blut sehen.«
Bei diesen Worten stach er einige der Zwergengestalten mit der Lanze und bearbeitete andere mit dem dicken Ende, worauf die erstere todt auf den Tisch fielen, die übrigen aber sich gegen einander wandten und ein buntes Gefecht begannen.
Es kostete den Astrologen Mühe, der Hand des friedlichsten aller Monarchen Einhalt zu thun und ihn von einer gänzlichen Vernichtung seiner Feinde abzuhalten; endlich vermochte er es über ihn, den Thurm zu verlassen, worauf eine Streifwache in das Gebirg gegen den Paß von Lope gesandt wurde.
Diese kehrte mit der Nachricht zurück, ein christliches Heer sey durch das Herz der Sierra, fast bis Angesichts von Granada vorgedrungen, wo aber unter den Kriegern ein Zwiespalt ausgebrochen sey. Sie hätten ihre Waffen gegen einander gekehrt und sich nach einem großen Blutbad über die Grenze zurückgezogen.
Aben Habuz war außer sich vor Freude, daß sich die Kraft des Talismans so erprobt hatte. »Endlich,« sagte er, »werde ich ein ruhiges Leben führen und habe alle meine Feinde in meiner Gewalt. O weiser Sohn des Abu Ajeeb, was kann ich dir als Lohn für solch eine Wohlthat bieten?«
»Die Bedürfnisse eines alten Mannes und eines Philosophen, o König, sind gering und einfach; gewähre mir nur die Mittel, meine Höhle zu einer wohnlichen Einsiedelei einzurichten und ich bin zufrieden.«
»Wie edel ist die Entsagung des wahrhaft Weisen!« rief Aben Habuz aus, innerlich hoch erfreut über das Wohlfeile der Belohnung. Er ließ seinen Schatzmeister kommen und gebot ihm jede Summe zu zahlen, die Ibrahim fordern würde, um seine Einsiedelei zu vollenden und einzurichten.
Auf Befehl des Astrologen mußten nun verschiedene Kammern in den harten Felsen gehauen werden, welche eine Reihe Gemächer bildeten, die mit seinem astrologischen Saal zusammenhingen; er ließ jene mit üppigen Ottomanen und Divans zieren und die Wände mit den reichsten Seidenzeugen von Damaskus bekleiden. »Ich bin ein alter Mann,« sagte er, »und kann meine Knochen nicht mehr auf steinernen Lagern ruhen lassen, und diese feuchten Mauern müssen eine Bekleidung haben.«
Auch Bäder ließ er einrichten und versah sie mit allen Arten von Wohlgerüchen und aromatischen Oelen;»denn ein Bad,« sagte er, »ist nothwendig, um der Spröde des Alters entgegenzuarbeiten und der durch Denken eingeschrumpften Gestalt Frische und Federkraft zu geben.«
Er ließ die Gemächer mit unzählbaren silbernen und crystalnen Lampen behängen, die er mit wohlriechenden, nach einem von ihm in den egyptischen Gräbern gefundenen Recept gefertigten Oele füllte. Dieses Oel war seiner Natur nach unverbrennlich und verbreitete einen sanften Glanz wie das gemäßigte Tagslicht. »Das Licht der Sonne,« sagte er, »ist zu lebhaft und grell für das Auge eines Greises und das Lampenlicht ist den Studien eines Philosophen angemessener.«
Der Schatzmeister des Königs Aben Habuz seufzte über die Summen, die täglich gefordert wurden, um diese Einsiedelei einzurichten und brachte seine Klagen vor den König. Aber das königliche Wort war gegeben: Aben Habuz zuckte die Schultern. »Wir müssen Geduld haben,« sagte er: »dieser alte Mann hat seine Idee von dem Aufenthaltsort eines Philosophen dem Innern der Pyramiden und den ausgedehnten Trümmern Egyptens entlehnt; aber alles hat ja ein Ende und so auch die Einrichtung seiner Höhle.«
Der König hatte recht; die Einsiedelei ward endlich fertig und bildete einen prachtvollen unterirdischen Palast. »Ich bin jetzt zufrieden,« sagte Ibrahim Ebn Abu Ajeeb zu dem Schatzmeister: »ich will mich in meine Zelle verschließen und meine Zeit den Wissenschaften weihen. Ich begehre nichts mehr, nichts, als einen unbedeutenden Zeitvertreib, um mich in den Zwischenstunden der geistigen Arbeit zu zerstreuen.«
»O weiser Ibrahim, fordere, was du willst: ich bin gehalten, dir alles für deine Einsamkeit Nöthige zu liefern.«
»Dann wünschte ich einige Tänzerinnen zu haben,« sagte der Philosoph.
»Tänzerinnen?« wiederholte der erstaunte Schatzmeister.
»Tänzerinnen,« erwiederte der Weise ernsthaft: »wenige werden hinreichen, denn ich bin ein alter Mann und ein Philosoph, von einfachen Sitten und leicht zufrieden zu stellen. Sorge aber, daß sie jung sind und schön anzuschauen; denn der Anblick der Jugend und der Schönheit ist für einen alten Mann erfrischend.«
Während der Philosoph, Ibrahim Ebn Abu Ajeeb, seine Zeit so weise in seiner Einsiedelei hinbrachte, führte der friedfertige Aben Habuz in seinem Thurme furchtbare Kriege dem Bild nach. Es war höchst rühmlich für einen alten Mann von ruhigen Sitten, wie er, sich das Kriegführen zu erleichtern und im Stand zu seyn, in seinem Gemache sich damit zu ergötzen, daß er ganze Armeen wie eben so viele Schwärme Fliegen, verjagte.
Er schwelgte eine Zeitlang in der Befriedigung seiner Launen und neckte und beleidigte sogar seine Nachbarn, um sie zu Einfällen in sein Land zu verleiten; allein allmählig wurden sie der wiederholten Unfälle müde und endlich wagte es keiner mehr, sein Gebiet zu überschreiten. Viele Monden blieb der bronzene Reiter auf dem Friedensstand, die Lanze in die Luft emporhaltend, und der würdige alte König fing an, den Abgang seines gewohnten Zeitvertreibs schmerzlich zu empfinden und über die einförmige Ruhe verdrüßlich zu werden.
Endlich drehte sich eines Tages der Reiter plötzlich rundum, ließ seine Lanze sinken und deutete auf die Berge von Guadix. Aben Habuz eilte in seinen Thurm, allein der magische Tisch in jener Richtung blieb ruhig; kein einziger Krieger bewegte sich. Ueber diesen Umstand in Ungewißheit, schickte er einen Trupp Reiter aus, um das Gebirge zu durchspähen und sich auf Kundschaft zu legen. Nach einer Abwesenheit von drei Tagen kamen sie zurück.
»Wir haben jeden Bergpaß durchsucht,« sagten sie »aber nicht ein Helm ward sichtbar, nicht ein Speer. Alles was wir auf unserm Streifzug gefunden haben, war ein christliches Fräulein von ungemeiner Schönheit, welche in der Mittagszeit an einem Brunnen schlief und die wir als Gefangene mit uns weggeführt haben.«
»Ein Fräulein von ungemeiner Schönheit!« rief Aben Habuz aus und seine Augen funkelten vor Erregung: »laßt sie vor uns führen.«
Das schöne Fräulein wurde sonach vor ihn geführt. Sie war in die ganze reiche Pracht gekleidet, welche zur Zeit der arabischen Eroberung bei den gothischen Spaniern herrschte. Perlen von glänzender Weiße waren in ihre Rabenlocken geflochten; Juwelen funkelten auf ihrer Stirne und wetteiferten mit dem Glanz ihrer Augen. Um den Hals hatte sie eine goldene Kette, an welcher eine silberne Leyer befestigt war, die an ihrer Seite hing.
Die Strahlen ihrer dunkeln leuchtenden Augen fielen wie Feuerfunken auf das verwitterte, aber noch brennbare Herz des Aben Habuz; die elastische Ueppigkeit ihres Ganges machte seine Sinne taumeln. »Schönste der Frauen,« rief er entzückt, »wer und was bist du?«
»Die Tochter eines der gothischen Fürsten, die erst vor kurzem noch über dieses Land geboten. Die Heere meines Vaters sind wie durch Zauberkraft in diesen Gebirgen zerstreut worden; er wurde in die Verbannung geschickt und seine Tochter ist eine Gefangene.«
»Hüte dich, o König!« flüsterte Ibrahim Ebn Abu Ajeeb, »dies kann eine der nordischen Zauberinnen seyn, von denen wir gehört haben, die die verführerischesten Gestalten annehmen, um den Sorglosen zu hintergehen. Mich dünkt, ich lese Hexerei in ihren Augen und Zauberkraft in jeder ihrer Bewegungen. Ohne Zweifel ist sie die Feindin, welche der Talisman angezeigt hat.«
»Sohn des Abu Ajeeb,« versetzte der König: »du bist, ich gebe es zu, ein weiser Mann, ein Zauberer nach allem was mir bekannt ist; allein auf Weiber verstehst du dich wenig. In dieser Kenntniß werde ich keinem Menschen weichen; nicht einmal dem weisen Salomon selbst, der Zahl seiner Weiber und Beischläferinnen ungeachtet. Was dieses Fräulein betrifft, so sehe ich nichts Böses an ihr; sie ist schön anzusehen und findet Gunst vor meinen Augen.«
»Höre, o König!« erwiederte der Astrologe. »Ich habe dir durch meinen Talisman zu manchem Siege verholfen, allein ich habe nie an der Beute Theil genommen. Gib mir darum diese verirrte Gefangene, um mich in meiner Einsamkeit an ihrer silbernen Leyer zu letzen. Ist sie wirklich eine Zauberin, so habe ich Gegenmittel, welche allen ihren Zauberkünsten Trotz bieten.«
»Wie, noch mehr Weiber?« rief Aben Habuz. »Hast du nicht bereits Tänzerinnen genug, dich zu letzen?«
»Tänzerinnen habe ich, es ist wahr, aber keine Sängerinnen. Ich möchte gern eine kleine Sängerschaft haben, um meinen Geist zu erfrischen, wenn er von den Mühen des Studierens getrübt ist.«
»Still mit deinen Einsiedler-Wünschen,« sagte der König ungeduldig. »Dieses Fräulein habe ich für mich ausersehen. Ich finde viel Behagen an ihr; grade solch Behagen, wie David, Salomons des Weisen Vater, an Abis Abigail der Sunamiterin.«
Ferneres Bitten und Warnen des Astrologen hatten nur eine entscheidendere Antwort des Königs zur Folge und sie schieden in großem Unwillen. Der Weise schloß sich in seine Einsiedelei ab, um über seine fehlgeschlagene Erwartung zu brüten; ehe er aber ging, warnte er den König nochmals, sich vor seiner gefährlichen Gefangenen zu hüten. Aber welcher verliebte Greis wird auf Rath hören? Aben Habuz gab sich der vollen Herrschaft seiner Leidenschaft hin. Sein einziges Trachten war, wie er sich in den Augen der gothischen Schönheit angenehm machen könne. Es ist wahr, durch Jugend konnte er sich nicht empfehlen, aber er hatte Schätze; und wenn ein Liebhaber alt ist, so ist er gewöhnlich freigebig. Der Zacatin von Granada wurde der kostbarsten Erzeugnisse des Morgenlandes beraubt; Seidenzeuge, Juwelen, Edelsteine, herrliche Wohlgerüche, alles was Asien und Afrika Reiches und Seltenes bot, wurde an die Prinzessin verschwendet. Alle Arten von Schauspielen und Festlichkeiten wurden zu ihrer Unterhaltung ersonnen; Gesang, Tanz, Turniere, Stiergefechte. Granada war eine Zeitlang der Schauplatz ununterbrochener Feste. Die gothische Prinzessin betrachtete alle diese Pracht wie jemand, der an solchen Glanz gewöhnt ist. Sie nahm alles als einen Tribut hin, den man ihrem Range oder vielmehr ihrer Schönheit schuldig war, denn die Schönheit ist in ihren Anforderungen sogar noch hochfahrender als der Rang. Ja, sie schien ein geheimes Vergnügen zu empfinden, den König zu Ausgaben zu reizen, vor denen sein Schatzmeister zitterte; und dann behandelte sie seine ausschweifende Freigebigkeit, wie etwas, das sich von selbst versteht. Der ehrwürdige Liebhaber konnte sich überdies bei allem seinem Eifer und seiner Großmuth nicht schmeicheln, einen Eindruck auf ihr Herz gemacht zu haben. Sie zürnte ihm nie, es ist wahr, aber sie lächelte auch nie. So oft er seiner Liebe das Wort reden wollte, schlug sie ihre silberne Leyer an. Es war ein geheimnißvoller Zauber in dem Klang. Augenblicklich fing der König an zu nicken; eine Schläfrigkeit überschlich ihn und er sank allmählig in Schlaf, aus welchem er wunderbar erquickt, aber für eine Weile vollkommen von seiner Liebe abgekühlt, erwachte. Seinem Werben war dies freilich nicht günstig; aber dieser Schlaf war stets von angenehmen Träumen begleitet, welche die Sinne des schläfrigen Liebhabers vollkommen fesselten; so fuhr er fort zu träumen, während ganz Granada über seine Bethörung spottete und über die Schätze seufzte, die für eine Leyer vergeudet wurden.
Endlich brach eine Gefahr auf das Haupt des Aben Habuz herein, vor der sein Talisman ihn nicht warnen konnte. Eine Empörung brach in seiner eignen Hauptstadt aus; sein Palast wurde von bewaffnetem Pöbel umzingelt, der sein und seines christlichen Schätzchens Leben bedrohte. Ein Funken seines alten kriegerischen Geistes erwachte in der Brust des Monarchen. An der Spitze eines Häufleins aus seiner Wache brach er heraus, jagte die Empörer in die Flucht und erstickte die Revolution im Keim.
Als die Ruhe wieder hergestellt war, suchte er den Astrologen, der sich immer noch in seiner Einsamkeit verschlossen hielt und an der bittern Rinde des Unwillens nagte.
Aben Habuz näherte sich ihm mit verhöhnendem Tone: »O weiser Sohn des Abu Ajeeb,« sagte er, »wohl hast du mir Gefahren vorhergesagt, welche die gefangene Schönheit veranlassen würde: sag mir darum auch, der du so schnell die kommende Gefahr erschaust, was ich thun muß, um sie zu vermeiden.«
»Entferne die ungläubige Maid von dir, die der Grund derselben ist.«
»Lieber lass’ ich von meinem Königreich,« rief Aben Habuz.
»Du schwebst in Gefahr, beide zu verlieren,« versetzte der Astrologe.
»Sey nicht rauh und zornig, tiefster aller Philosophen: bedenke das doppelte Unglück eines Königs und eines Verliebten und ersinne mir Mittel, mich vor den Uebeln, die mir drohen, zu schirmen. Ich frage nichts nach Größe, ich frage nichts nach Macht. Ich sehne mich nur nach Ruhe; hätte ich doch einen stillen Aufenthaltsort, wohin ich mich aus der Welt und allen ihren Sorgen, ihrem Prunk und ihrer Unruhe flüchten und den Rest meiner Tage der Ruhe und Liebe widmen könnte.«
Der Astrologe betrachtete ihn einen Augenblick aus seinen buschigen Augenbraunen hervor.
»Und was würdest du mir geben, wenn ich dir einen solchen Ort verschaffte?«
»Du möchtest deinen Lohn selbst bestimmen und es sollte, was es auch seyn mag, sofern es sich im Bereich meiner Macht findet, dein seyn, so wahr meine Seele lebt.«
»Du hast, o König, von dem Garten von Irem gehört, einem der Wunder des glücklichen Arabiens?«
»Ich habe von diesem Garten gehört; seiner ist in dem Koran gedacht, in dem Abschnitt, der »die Dämmerung des Tags« überschrieben ist. Ich habe überdies von Pilgern, die zu Mecca waren, wunderbare Dinge von ihm erzählen hören; allein ich hielt es für tolle Fabeln, wie Reisende, welche ferne Länder besucht haben, zu erzählen pflegen.«
»Setze, o König, die Erzählungen der Reisenden nicht herab,« erwiederte der Sternkundige ernsthaft; »denn sie enthalten kostbare Schätze des Wissens, aus den Enden der Erde zusammengebracht. Was den Palast und den Garten von Irem betrifft, so ist die allgemeine Sage wahr; ich habe sie mit meinen eignen Augen gesehen – höre auf mein Abentheuer, denn es steht mit dem Gegenstand deines Begehrens in Zusammenhang.
»In meinen jüngern Jahren, als ich ein bloßer Araber der Wüste war, führte ich die Kamele meines Vaters. Als wir durch die Wüste von Aden zogen, entfernte sich eines von den Uebrigen und war verloren. Ich suchte es mehrere Tage lang, allein umsonst, bis ich mich eines Mittags, ermüdet und kraftlos, niederlegte und unter einem Palmbaum, an einem kleinen Brunnen entschlief. Als ich erwachte, sah ich mich an den Thoren einer Stadt. Ich trat ein, und schaute prächtige Straßen, Plätze, Märkte; aber alles war stumm und ohne Einwohner. Ich wanderte umher, bis ich an einen herrlichen Palast mit einem Garten kam, der mit Brunnen und Fischteichen und Laubgängen und Blumen und Obststücken, mit köstlichen Früchten beladen, geziert war; aber immer war noch niemand zu sehen. Erschreckt durch diese Einsamkeit, eilte ich wegzukommen, und als ich aus dem Thore der Stadt war, und mich umkehrte, um alles noch einmal zu übersehen, war nichts mehr davon da, und nur die stumme Wüste breitete sich vor meinen Augen aus.
»In der Nähe begegnete ich einem alten Derwisch, der in den Sagen und Geheimnissen des Landes bewandert war, und erzählte ihm, was mir vorgekommen. »Dies,« sagte er, »ist der weitberühmte Garten von Irem, eines der Wunder der Wüste. Er zeigt sich nur manchmal einem Reisenden, wie dir, und erfreut ihn mit dem Anblick von Thürmen, Palästen und Gartenmauern, von reich beladenen Fruchtbäumen überhangen, und dann verschwindet er, und nichts bleibt als eine einsame Wüste. Und dieß ist seine Geschichte. Als in alten Zeiten dieses Land von den Additen bewohnt war, gründete der König Sheddad, der Sohn Ad’s, des Urenkels von Noah, eine prächtige Stadt hier. Als sie vollendet war, und er ihre Größe sah, schwoll sein Herz von Stolz und Anmaßung, und er beschloß, einen königlichen Palast mit Gärten zu bauen, welche mit allem wetteiferten, was in dem Koran von dem himmlischen Paradies berichtet würde. Allein der Fluch des Himmels traf ihn wegen seiner Anmaßung. Er und seine Unterthanen wurden von der Erde weggerissen, und seine glänzende Stadt, der Palast und die Gärten wurden unter einen steten Zauber gelegt, der sie jedem menschlichen Auge verbirgt, nur daß sie zu Zeiten gesehen werden, wenn man seiner Sünden unablässig eingedenk ist.«
»Diese Sage, o König, und die Wunder, die ich gesehen hatte, blieben meinem Gedächtniß stets gegenwärtig, und in spätern Jahren, als ich in Aegypten gewesen, und im Besitze des Wissens des weisen Salomo war, beschloß ich zurückzukehren, und den Garten des Irem wieder zu besuchen. So that ich, und fand ihn meinem gereifteren Blick erschlossen. Ich nahm von dem Palaste Sheddad’s Besitz, und brachte mehrere Tage in diesem kleinen irdischen Paradiese hin. Die Genien, die den Palast bewachen, waren meiner magischen Kraft unterthan, und entdeckten mir die Zauber, durch welche der ganze Garten gewissermaßen in’s Leben gerufen worden, und durch die er unsichtbar war. Solch einen Palast und Garten, o König, kann ich dir selbst hier auf dem Berge über der Stadt machen. Kenne ich nicht alle die geheime Zaubersprüche? und bin ich nicht im Besitz des Buches des Wissens Salomons des Weisen?«
»O weiser Sohn des Abu Ajeeb!« rief Aben Habuz, vor Begierde zitternd: »du bist in der That ein Reisender, und hast wundervolle Dinge gesehen und gelernt! Verschaffe mir ein solches Paradies, und fordre jeden Lohn, wär’ es auch die Hälfte meines Königreichs.«
»Ach!« versetzte der Andere: »du weißt, ich bin ein alter Mann und ein Philosoph, und leicht zufrieden gestellt; aller Lohn, welchen ich fordere, ist das erste Lastthier mit seiner Bürde, das in das magische Thor des Palastes eingehen wird.«
Der König bewilligte mit Freuden ein so mäßiges Begehren, und der Astrolog begann sein Werk. Auf dem Gipfel des Hügels, unmittelbar über seiner unterirdischen Einsiedelei, ließ er einen großen Thorweg, welcher in die Mitte eines starken Thurmes führte, errichten.
Außerhalb war eine Vorhalle mit einem hohen Bogen, und innerhalb desselben ein Thor, welches starke Thüren schlossen. Auf den Schlußsteinen des Thores bildete der Astrologe mit eigener Hand die Gestalt eines großen Schlüssels ab; und auf den Schlußstein des äußern Bogens der Thorhalle, welcher höher war als der des Thores, grub er eine riesige Hand ein. Dieses waren zwei mächtige Zaubermittel, über welche er viele Sprüche in einer unbekannten Sprache murmelte.
Als dieser Thorweg fertig war, verschloß er sich zwei Tage in seinen astrologischen Saal, mit geheimen Beschwörungen beschäftigt; am dritten bestieg er den Hügel; und brachte den ganzen Tag auf dessen Gipfel zu. Spät in der Nacht kam er herab, und ging zu Aben Habuz. »Endlich, o König,« sagte er, »ist meine Arbeit vollendet. Auf dem Gipfel des Hügels steht einer der entzückendsten Paläste, die je der Kopf eines Menschen ersonnen, oder das Herz eines Menschen begehrt hat. Er umschließt kostbare Säle und Galerieen, prächtige Gärten, kühle Brunnen und duftreiche Bäder; mit einem Wort, der ganze Berg ist in ein Paradies umgewandelt. Gleich dem Garten des Irem steht er unter dem Schirm eines mächtigen Zaubers, welcher ihn dem Auge und dem Forschen der Sterblichen, mit Ausnahme derer entzieht, welche im Besitz des Geheimnisses seines Talismans sind.«
»Genug!« rief Aben Habuz vergnügt: »Morgen früh mit dem ersten Tageslicht wollen wir hinaufgehen, und Besitz nehmen.« Der glückliche König schlief diese Nacht nur sehr wenig. Kaum hatten die Strahlen der Sonne angefangen um den schneeigen Gipfel der Sierra Nevada zu spielen, als er sein Pferd bestieg, und, nur von wenigen auserwählten Dienern begleitet, einen steilen und engen Pfad emporstieg, der den Hügel heraufführte. Neben ihm ritt auf einem weißen Zelter die gothische Prinzessin, deren ganzes Gewand von Juwelen funkelte, während ihre silberne Leier um ihren Hals hing. Der Astrologe schritt an der andern Seite des Königs, und stützte sich auf seinen hieroglyphischen Stab, denn er bestieg nie ein Pferd.
Aben Habuz schaute auf, um die Thürme des Palastes über sich glänzen, und die umtaubten Terrassen der Gärten die Höhe entlang ziehen zu sehen; allein es zeigte sich ihm nichts der Art. »Das ist das Geheimniß,« sagte der Astrolog, »und die Schutzwache des Ortes; man kann nichts entdecken, bis man den zaubergebannten Thorweg überschritten hat, und in den Besitz des Ortes gesetzt ist.«
Als sie sich dem Thorweg näherten, hielt der Astrolog an, und zeigte dem König die mystische Hand und den Schlüssel auf dem Thor und dem Bogen. »Das ist der Zauber,« sagte er, »welcher den Eingang in dieses Paradies bewacht. Bis jene Hand herabreicht, und diesen Schlüssel ergreift, wird weder menschliche Macht noch Zauberkraft dem Besitzer dieses Berges etwas anhaben können.«
Während Aben Habuz mit offnem Munde und stummer Verwunderung diese mystischen Zauber anstarrte, schritt der Zelter der Prinzessin weiter, und trug sie durch das Portal in die Mitte des Thorweges.
»Sieh,« rief der Astrologe, »meinen versprochenen Lohn – das erste Thier mit seiner Bürde, das in das magische Thor eingehen würde.«
Aben Habuz lächelte über diesen, wie er glaubte, scherzhaften Einfall des alten Mannes; als er aber sah, daß es Ernst sey, zitterte sein grauer Bart vor Unwillen.
»Sohn des Abu Ajeeb,« sagte er streng: »welche Zweideutigkeit ist dies! Du kennst den Sinn meines Versprechens. das erste Lastthier mit seiner Bürde, welches in dieses Thor einschreiten würde. Nimm das stärkste Maulthier in meinen Ställen, belade es mit dem Kostbarsten, was mein Schatz enthält, und es ist dein; aber wage es nicht, deine Gedanken zu ihr zu erheben, die die Freude meines Herzens ist.«
»Was sollen mir die Schätze,« sagte der Astrologe verächtlich: »habe ich nicht das Buch Salomons des Weisen, und durch dieses den Schlüssel zu allen Schätzen der Erde? Die Prinzessin ist nach dem Vertrage mein; dein königliches Wort ist gegeben; ich spreche sie als mein Eigenthum an.«
Die Prinzessin blickte stolz von ihrem Zelter nieder, und ein leichtes Lächeln der Verachtung kräuselte ihre rosige Lippe während dieses Streites zweier Graubärte um den Besitz der Jugend und Schönheit. Der Zorn des Königs besiegte seine Klugheit. »Elender Sohn der Wüste,« rief er, »du magst in vielen Künsten Meister seyn; aber erkenne mich als deinen Meister, und wage es nicht, mit deinem König zu scherzen.«
»Mein Meister?« wiederholte der Astrologe: »mein König? der Beherrscher eines Maulwurfshügels will dessen Herrscher seyn, der im Besitz von Salomons Zauber ist? Lebe wohl, Aben Habuz, herrsche über dein winziges Königreich, und schwärme in deinem Narrenparadies; ich werde dich in meiner philosophischen Einsamkeit auslachen.«
Bei diesen Worten faßte er den Zügel des Zelters, stieß seinen Stab in die Erde, und sank mit der gothischen Prinzessin durch den Mittelpunkt des Thorgangs. Der Boden schloß sich über ihm, und keine Spur verblieb von der Oeffnung, durch welche er verschwunden war.
Aben Habuz war eine Weile von Staunen stumm. Als er sich erholt hatte, ließ er tausend Arbeiter mit Aexten und Spaten in den Boden graben, wo der Astrologe verschwunden war. Sie gruben und gruben, aber umsonst; der felsige Busen des Hügels widerstand ihren Werkzeugen, oder wenn sie ein wenig eingedrungen waren, füllte sich die Oeffnung wieder so schnell als sie gemacht worden war. Aben Habuz suchte den Eingang der Höhle am Fuße des Hügels, durch welchen man in den unterirdischen Palast des Astrologen gelangte; allein er war nirgends zu finden. Wo vorher ein Eingang gewesen, war jetzt die feste Fläche eines Urfelsen. Mit dem Verschwinden des Ibrahim Ebn Abu Ajeeb hörte auch die Wirkung seines Talismans auf. Der bronzene Reiter stand nun fest, sein Gesicht dem Hügel zuwendend, und mit dem Speer auf die Stelle deutend, durch welche der Astrolog verschwunden war, als ob dort der tödtlichste Feind von Aben Habuz noch weilte.
Von Zeit zu Zeit konnte man den Klang von Musik und die Töne einer weiblichen Stimme schwach aus der Tiefe des Hügels heraufschweben hören, und ein Landmann brachte eines Tages dem König die Kunde, er habe in der vergangenen Nacht einen Spalt in den Felsen gefunden, durch den er gebrochen sey, bis er in einen unterirdischen Saal sah, in welchem der Astrologe auf einem prächtigen Divan saß, schlummernd, und zu dem Klang der silbernen Leier der Prinzessin, die eine magische Gewalt über seine Sinne zu üben schien, nickend.
Aben Habuz suchte den Spalt in dem Fels, aber er war wieder geschlossen. Er erneuerte die Versuche, seinen Nebenbuhler aufzugraben, aber alles vergebens. Der Zauber der Hand und des Schlüssels war zu mächtig, als daß ihn menschliche Gewalt hätte lösen können. Der Gipfel des Berges aber, wo der versprochene Palast und Garten gelegen, blieb eine nackte Oede; das gepriesene Elysium ward entweder durch Zauberei vor dem Auge verborgen, oder es war ein bloßes Märchen des Astrologen gewesen. Die Welt nahm gutmüthig das letzte an, und viele nannten den Platz »des Königs Narrheit,« während andere ihn »des Narren Paradies« benamseten.
Um den Kummer des Aben Habuz zu erhöhen, machten die Nachbarn, welche er mit Trotz und Hohn behandelt, und, im Besitz seines schirmenden Reiters, nach Laune zu Grund gerichtet hatte, und die sahen, daß er nicht mehr im Besitz des Zaubers war, von allen Seiten Einfälle in sein Gebiet, und der Lebensrest des friedlichsten der Monarchen war ein Gewebe von Unruhen.
Endlich starb Aben Habuz, und wurde begraben. Jahrhunderte sind seitdem vergangen. Die Alhambra ist auf dem merkwürdigen Berge erbaut worden, und verwirklicht in gewissem Grade die mährchenhaften Freuden von Irem’s Garten. Der bezauberte Thorweg steht, indem ihn ohne Zweifel die magische Hand schirmt, noch vollständig, und bildet jetzt das Thor der Gerechtigkeit, den Haupt-Eingang zur Veste. Unter diesem Thor wohnt der Sage nach, der alte Astrolog in seinem unterirdischen Saal, und nickt auf seinem Divan, von der Silber-Leyer der Prinzessin eingewiegt.
Die alten Invaliden, welche die Wache an dem Thore haben, hören zuweilen in den Sommernächten die Töne, und nicken, der einschläfernden Kraft derselben weichend, ruhig auf ihren Posten. Ja, ein so schläfriger Einfluß beherrscht den Palast, daß man diese Wachen selbst bei Tag auf den Steinbänken der Thorhalle nicken oder unter den nahen Bäumen schlafen sieht, so daß es in der That der schläfrigste Posten in der ganzen Christenheit ist. Alles das, sagt die alte Legende, wird von Jahrhundert zu Jahrhundert währen, die Prinzessin wird die Gefangene des Astrologen bleiben, und den Astrologen wird die Prinzessin in magischem Schlummer halten, bis zum letzten Tag, wenn die geheimnißvolle Hand nicht den gefeiten Schlüssel ergreift, und den ganzen Zauber dieses behexten Berges aufhebt.