Western Sammelband 8 Romane: Der Outlaw und andere Western
Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.
Title Page
Western Sammelband 8 Romane: Der Outlaw und andere Western
Copyright
In Salt Creek ist der Teufel los | Western von W. W. Shols
Copyright
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Legenden des Wilden Western (1- 6) | Sechs Western von Pete Hackett
Rächer ohne Gnade
Der Outlaw
Und dann nahm er den Stern
Christopher Columbus Slaughter
Dave Mathers Weg
Nur ein dreckiger Bandit
Über den Autor
Die Zeit gehört uns - Tied is all us‘n | Ein Auswanderer-Roman | von Hendrik M. Bekker
Copyright
Kapitel 1: Was Besseres als den Tod finden wir allemal
Kapitel 2: Die Neue Welt
Kapitel 3: Ein Zuhause muss man sich erschaffen
Kapitel 4: Wessen Land, wessen Rechte?
Kapitel 5: Die Schlacht um Neu Ulm
Kapitel 6: Gerechtigkeit
Epilog
Further Reading: 10 Marshal Western August 2016
Also By Pete Hackett
Also By W. W. Shols
Also By Hendrik M. Bekker
About the Publisher
![]() | ![]() |
Dieses Buch enthält folgende Western:
W.W.Shols: In Salt Creek ist der Teufel los
Pete Hackett: Rächer ohne Gnade
Pete Hackett: Der Outlaw
Pete Hackett: Und dann nahm er den Stern
Pete Hackett: Christopher Columbus Slaughter
Pete Hackett: Dave Mathers Weg
Pete Hackett: Nur ein dreckiger Bandit
Hendrik M. Bekker: Die Zeit gehört uns
––––––––
ES IST NACHT IN SALT Creek City, als Slim Lowdon und Jack Spencer in die Stadt einreiten. Beide freuen sich auf einen angenehmen Abend im Saloon. Doch diese Freude ist ihnen nicht vergönnt, wie sie sehr schnell feststellen müssen. Sie werden von ein paar Rowdies aus ihrem Hotel vertrieben. Auch im Saloon ist man den beiden nicht freundlich gesinnt. Hier wird Jack hinterhältig von Curt Humper erschossen.
Slim erfährt, dass es in dieser Stadt nur ein Gesetz gibt – und dieses heißt Ted Harper. Slim ist entschlossen, seinen Freund zu rächen. So lässt er sich zum Marshal von Salt Creek City ernennen ...
![]() | ![]() |
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© Cover by Firuz Askin
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
![]() | ![]() |
Der Umfang dieses Buchs entspricht 130 Taschenbuchseiten.
Es ist Nacht in Salt Creek City, als Slim Lowdon und Jack Spencer in die Stadt einreiten. Beide freuen sich auf einen angenehmen Abend im Saloon. Doch diese Freude ist ihnen nicht vergönnt, wie sie sehr schnell feststellen müssen. Sie werden von ein paar Rowdies aus ihrem Hotel vertrieben. Auch im Saloon ist man den beiden nicht freundlich gesinnt. Hier wird Jack hinterhältig von Curt Humper erschossen.
Slim erfährt, dass es in dieser Stadt nur ein Gesetz gibt – und dieses heißt Ted Harper. Slim ist entschlossen, seinen Freund zu rächen. So lässt er sich zum Marshal von Salt Creek City ernennen ...
![]() | ![]() |
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© Cover by Hugo Kastner, 2018
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
![]() | ![]() |
Es war Nacht in Salt Creek City, als Slim Lowdon und Jack Spencer in die Stadt einritten. Es war eine Nacht, die guttat, weil die Sterne leuchteten, die unerträgliche Hitze einem lauen Wind gewichen war, und weil sie ihnen die Stadt brachte. Als die Dämmerung hereinbrach, hatten sie ein letztes Mal auf den Hügeln gehalten. Salt Creek City lag wie der Preis für lange Entbehrungen vor ihnen.
„Da unten gibt’s Whisky und Tanzmädchen“, hatte Jack versonnen gesagt.
„Und eine Poststation“, war Slims Antwort gewesen. „Ich müsste endlich mal 'ne Karte nach Hause schreiben.“
Bei den Worten „nach Hause“ war es Jack Spencer durch und durch gegangen. Er und Slim Lowdon waren die besten Freunde, die mehr gemeinsam hatten als nur ein Pferd und einen Colt. Aber in einem unterschieden sie sich: Wenn Slim von zu Hause sprach, konnte Jack nur an Dinge denken, die er für immer verloren hatte.
Slim Lowdon merkte sofort, dass seine Bemerkung nicht geeignet war, die Stimmung des Freundes zu heben. Er ritt deshalb an der Post vorüber, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Erst als ein Schild mit der Aufschrift „HOTEL HOLLBORN“ unübersehbar vor ihnen auftauchte, zügelte er seinen hochbeinigen Rappen. Jack Spencer nickte nur, und sie stiegen aus den Sätteln. Sie banden die Pferde an den Hitchtrail. Slim trat als Erster durch die Schwingtür und stellte beruhigt fest, dass diesem Hotel kein Saloon angeschlossen war. Der Empfangsraum strahlte eine wunderbare Ruhe aus. Rote Teppiche schluckten den Klang der Schritte. Roter Plüsch auf Sesseln und Wänden dämpfte die Stimmen.
„Merkwürdig“, murmelte Jade hinter ihm.
„Was meinen die Herren?“, fragte ein Mann, der sich lautlos aus dem Schatten einer Nische schälte. Er sah aus wie ein Lakai.
„Merkwürdig“, wiederholte Jack ungeniert. „Ich hätte nicht gedacht, ein so vornehmes Haus in Salt Creek zu finden. Aber es ist mir gerade recht, Mister.“
„Wir versprechen Ihnen, am Eingang immer die Stiefel gut abzutreten“, spann Slim den Faden weiter. „Können wir ein Doppelzimmer haben?“
„Für wie lange?“
Das Achselzucken der beiden Fremden bewies, dass Mr. Hollborn keine genaue Antwort erwarten durfte. Dennoch blieb er freundlich und zuvorkommend.
Sie stiegen eine Treppe hoch und bezogen Zimmer 4. Anschließend sattelten sie die Pferde ab und brachten sie in den Stall. Mr. Hollborn brachte das Futter persönlich bis an die Krippen.
„Schon gut, Gentleman“, wehrte Jack ab und nahm ihm den Haferkorb aus den Händen. „Wir sind keine Gents aus Philadelphia. Wir versorgen unsere Tiere selbst ...“
Der Mann ging rückwärts und katzbuckelnd aus dem Stall. Dabei rannte er gegen den Pfosten und entschuldigte sich für den Schmerz, den er dabei empfand.
„Komischer Kauz“, murmelte Jack, als es der Hotelier nicht mehr hören konnte.
Auf Zimmer 4 wechselten sie die Hemden, wuschen und rasierten sich.
Draußen fielen plötzlich zwei Schüsse, und Lärm drang zu ihnen herauf. Jack öffnete das Fenster. Er musste sich weit hinauslehnen, um ein Stück von der Hauptstraße sehen zu können. Trotzdem konnte er nichts erkennen. Nur der Lärm war noch lauter geworden, und Slim verlangte, dass er das Fenster wieder schloss.
„Kümmere dich nicht um den Zirkus draußen! Ich will meine Ruhe haben.“
„Das will ich auch. Aber in einer Stadt, wo dauernd geschossen wird, ist das ein frommer Wunsch.“
„Es werden Betrunkene sein, die die Sterne ansingen ...“
Zur Antwort hörte Slim Lowdon fünf weitere Schüsse. Vier davon fielen kurz hintereinander. Der fünfte folgte nach einer kurzen stillen Pause. Dann brach unter ihrem Fenster ein Höllenlärm los. Dazwischen erklang der Hufschlag eines galoppierenden Pferdes. Dann fiel noch ein Schuss. Und dann war es merkwürdig still. Man konnte einige Männerstimmen hören. Sie waren aber immer noch nicht deutlich genug.
„Wenn dieser Lärm anhält, werde ich mich beschweren“, grollte Jack.
„Tu das!“, nickte Slim trocken und spuckte auf den Stiefel, den er zum Putzen in die Hand genommen hatte. Jack trat an den Spiegel und kämmte sich bereits zum dritten Mal.
„Für wen machst du dich eigentlich so schön?“, fragte Slim, als er beim zweiten Stiefel anfing. „Ich denke, du wolltest dich beim Wirt beschweren.“
„Und anschließend in einen Saloon gehen. Ich denke, du kommst mit. Offenbar feiern die Cowboys aus dem County ein Fest.“
In diesem Moment kam der Lärm von unten aus dem Haus.
„Ein sehr merkwürdiges Fest“, meinte Slim Lowdon. Innerhalb von zehn Sekunden trat er in seine frisch geputzten Stiefel, schnallte den Coltgürtel um und tippte Jack auf die Schulter. „So, und jetzt werden wir uns gemeinsam beschweren. Aber geh etwas zart mit Mr. Hollborn um! Er sieht aus wie einer, der bei einem lauten Wort gleich in Ohnmacht fällt.“
„Mir scheint, er hat Sorgen“, sinnierte Jack Spencer.
„Man kann ihn ja mal fragen ...“
Die Treppe nach unten war durch einen Absatz geteilt. Am Knick verharrten die beiden Freunde unwillkürlich. Zunächst waren sie noch unbemerkte Zuschauer, da der dicke Läufer auf den Stufen das Geräusch ihrer Schritte verschluckt hatte.
In der Rezeption standen drei wilde Burschen, wie man sie sich wilder nicht vorstellen konnte. Ihre Kleidung war zerlumpt, an ihren Stiefeln klebte der Dreck eines langen Trails, und die Lehmklumpen auf dem Teppich verrieten, dass sie bei ihrer Ankunft noch eine Menge mehr Dreck mitgebracht hatten. Dreck am Stiefel und Dreck am Stecken. So verwahrlost konnten ehrliche Menschen gar nicht aussehen.
Die Haustür stand offen, und es zog ein wenig in der Halle. Mr. Hollborn, der sonst bestimmt auf derartige Kleinigkeiten achtete, stand jedoch vor wesentlich schwierigeren Problemen. Die drei Fremden hatten ihn hinter seinem Tresen festgenagelt. Ihre bedrohliche Haltung genügte völlig, Hollborn in die Defensive zu drängen. Den Colt gegen ihn zu ziehen, wäre die reine Vergeudung gewesen.
„... Sie haben nicht mehr viel Zeit, es sich zu überlegen“, sagte gerade einer der Burschen, von denen Slim und Jack nur die breiten Rücken sehen konnten, während Hollborn an der Wand lehnte und sie mit weit geöffneten Augen anstarrte. „Noch fünf Sekunden ...“
Offenbar lief gerade ein Ultimatum ab.
„Da ... dort!“, stammelte Hollborn. „Dort kommen sie selbst.“
Die drei nahmen den Wirt keineswegs für voll, sonst hätten sie seine Worte für einen Trick halten müssen. So aber drehten sie sich geruhsam um und sahen nach dem Treppenabsatz hinauf.
Mindestens zwei von ihnen gaben sich überrascht. Wahrscheinlich hatten sie Männer in Stadtkleidung erwartet und wunderten sich nun doch ein wenig. Allerdings zeigten sie sich nicht sichtlich beeindruckt. Mit geputzten Stiefeln und rasierten Gesichtern wirkten Jack und Slim auf den ersten Blick nicht gefährlicher als zwei Salonschützen. In ihrer abwartenden Haltung sahen sie aus wie zwei Schaufensterpuppen aus einem Boardinghouse.
Aber ganz gleich, wie die Einzelheiten lagen, Slim Lowdon fand, dass es nicht gut war, diesen Zustand zu verlängern. Er nahm nun auch die letzten Stufen und blieb fünf Schritte vor den Fremden stehen. Ohne sich umzusehen, wusste er, dass Jack dicht bei ihm war.
„Wünscht uns jemand zu sprechen, Mr. Hollborn?“
Wie er bei der Frage an den Tramps vorbeisah, war es schon eine Beleidigung.
„Wir brauchen Ihren Zimmerschlüssel, Mister“, sagte einer der Drei mit farblosem Grinsen. Er hatte eine niedrige Stirn über den vorgewölbten Augenbrauen. Die Augen selbst lagen so weit zurück, dass man sie im Schatten der Stirnhöhle kaum sah. Das schwarze Haar stand strähnig nach allen Seiten.
„Well“, nickte Slim freundlich. „Warten Sie, bis wir ausziehen, Mister! Wir bleiben kaum länger als drei Wochen.“ Damit wollte sich Slim abwenden und den Schlüssel auf den Tresen legen. Im selben Augenblick schoss eine Hand vor. Das konnte ein Angriff auf den Schlüssel oder mehr sein. Auf jeden Fall war es eine Herausforderung.
Slim griff mit der Rechten nach dem Arm, legte ihn im Umdrehen über seine Schulter und ließ den Angreifer mit einem Salto zu Boden gehen. Die Hände der beiden finsteren Gefährten stießen automatisch nach unten auf die Colts. Doch Jacks Waffenbrüderschaft zählte mehr. Er hatte einen ähnlichen Verlauf des Gespräches erwartet und stand schon mit gezogenem Revolver bereit. Deutlich warnte das Geräusch, das entsteht, wenn der Daumen den Hammer spannt.
„Finger weg!“ Mehr brauchte Jack nicht zu sagen. Die Hände der Rowdies zuckten zurück, als hätten sie in Feuer gefasst.
Der Mann am Boden rappelte sich auf. Er schnaufte wie ein angeschossener Puma, blieb aber in lauernder Stellung stehen.
„Wenn Sie ein Anliegen haben, so tragen Sie es mit dem Mund vor!“, erklärte Slim Lowdon. „Die Sprache verstehen wir nämlich genauso gut.“
„Sie haben unser Zimmer belegt“, behauptete der Mann, der auf dem Teppich gesessen hatte. Er war wohl der Sprecher des Trios. Er überbot die beiden Genossen an Größe um gut zwei Zoll, hatte breitere Schultern und das weitaus finsterste Gesicht von ihnen.
„Sprechen Sie von Zimmer vier?“
„Genau!“
„Dann liegt ein Irrtum vor.“
„Eben! Und deshalb werden Sie verschwinden ...“
„Mr. Hollborn!“ — Slim wandte sich an den Besitzer. Der zuckte zusammen, als habe ihn ein Faustschlag getroffen. Slim wusste im Voraus, dass er mit Hollborns Auskunft so viel anfangen konnte wie ein Rind mit dem Colt. Trotzdem stellte er die Frage: „Mr. Hollborn, würden Sie uns sagen, worauf dieser Irrtum beruht?“
Der Hotelkeeper öffnete den Mund, bekam aber keinen Ton heraus.
„Unsere Mannschaft hat das ganze Hotel belegt“, übernahm der Schwarzhaarige wieder das Wort. „Mr. Hollborn hatte kein Recht, Sie einzulassen.“
„Als Besitzer dieses Hauses hat er immer ein Recht dazu. Aber das werden wir gleich haben ... Sie führen doch Buch über Ihre Bestellungen, Mr. Hollborn, nicht wahr?“
Der kleine Mann nickte mechanisch.
„Darf ich es einmal sehen?“
Zögernd griff Hollborn nach einer Kladde unter seinem Tresen, hielt sie aber mit beiden Armen vor der Brust fest, als Slim Lowdon die Hand danach ausstreckte.
„Die Herren sagen, wie es ist, Mr. Lowdon. Sie können meinen Worten glauben. Ich — ich hatte mich tatsächlich geirrt ... Vielleicht dachte ich auch, Sie gehören zu dieser Crew. Ich konnte ja nicht wissen, dass Sie Fremde sind. Es tut mir außerordentlich leid, dass ich Ihnen diese Unannehmlichkeiten bereiten muss. Vielleicht versuchen Sie es einmal nebenan in Barber's Saloon.“
„Soll das vielleicht heißen, wir müssen ausziehen?“, fragte Jack Spencer grollend. Slim warf ihm einen kurzen Blick zu, der ihn bremste. Hollborn zuckte nur mit der Schulter. Die lange Erklärung schien ihm den restlichen Atem geraubt zu haben.
„Schon gut, Mr. Hollborn“, sagte Slim höflich. „Wenn die Herren ein Vorrecht haben, ist natürlich nichts zu machen. Wir werden unsere Sachen herunterholen ...“
„Und die Pferde aus dem Stall, wenn ich bitten darf“, trumpfte der Schwarzhaarige auf.
Slim musste Jack erneut zurückhalten. Dann gingen sie nach oben und packten ihre geringe Habe zusammen.
„Warum hast du nicht in das Bestellbuch gesehen?“, erkundigte sich Jack Spencer wütend, während er seine Decke mit einem Riemen schnürte. „Du weißt doch genau, dass Hollborn gelogen hat.“
„Natürlich hat er gelogen.“
„Ist das eine Antwort auf meine Frage? Mit den drei Burschen wären wir ohne weiteres fertiggeworden.“
„Wir mit ihnen schon. Sie aber anschließend auch mit Hollborn. Ich möchte das Männlein nicht auf dem Gewissen haben.“
„Verstehe! — Aber derlei Rücksichtnahmen haben auch ihre Grenzen.“
„Wir gehen zu Barber's. Können uns ja auf Hollborns Empfehlung berufen. Im Übrigen sei vorsichtig! Die Drei haben zwar ihren Willen durchgesetzt, aber sie werden nicht vergessen, dass ich den Schwarzhaarigen auf den Fußboden gelegt habe.“
Sie gingen zu ihren Pferden und holten sie aus dem Stall. Von den drei Tramps waren nur zwei vor dem Haus zu sehen. Sie banden ihre Pferde von der Haltestange und führten sie in den Hof.
„Viel Glück bei der Quartiersuche“, rief ihnen einer zu. Außer dieser boshaften Bemerkung unternahm man nichts gegen die beiden Fremden. Aber das war gerade genug. Viel mehr als diese Demütigung darf sich ein Westman nicht gefallen lassen, wenn er nicht gerade auf jede Anerkennung verzichtet.
Drei Häuser weiter, auf der Mainstreet, lag Barber’s Saloon. Sie banden die Pferde an und sahen sich zunächst ein wenig um. Es war auffallend still geworden. Niemand ließ sich blicken, den man für den vorangegangenen Lärm verantwortlich machen konnte.
„Diese Stadt scheint alle drei Minuten ihr Gesicht zu wechseln“, meinte Jack. Slim antwortete, dass ihm der Lärm aus dem Saloon gerade reiche, und dass er sich gar nicht wohlfühle bei dem Gedanken, in dieser Radaubude übernachten zu müssen. Doch es blieb ihnen nichts anderes übrig.
Sie stießen die Schwingtür auf und traten in den Gastraum. Im selben Augenblick wäre ihnen der Schwarzhaarige fast auf die Füße getreten. Er drängte sich an ihnen vorbei und warf ihnen einen Blick zu, in dem so ziemlich alles lag, was an Unverschämtheiten in Frage kommt.
Slim und Jack kümmerten sich nicht um ihn. Er verließ ja das Haus. Für sie war wichtiger, was sie im Saloon erwartete. Und das war keineswegs erfolgversprechend.
Der Tramp war noch nicht ganz draußen, als der Lärm im Drinkroom plötzlich stark abebbte. Die Gesichter drehten sich ausnahmslos zur Tür, als habe ein Zirkusdirektor eine Glanznummer angekündigt. Dieser Empfang war für Fremde ausgesprochen verdächtig, denn wer interessiert sich schon für neue Gäste, wenn sie so unauffällig eintreten wie Slim und Jack?
Es war wie ein Spießrutenlauf, der Jacks Blut noch mehr zum Kochen brachte.
Hinter dem Tresen sahen sie den Barkeeper in einem karierten Flanellhemd. Er war gerade damit beschäftigt, seine heruntergerutschten Ärmel aufzukrempeln. Es konnte Zufall sein. Aber so sieht einer aus, der sich zu einer Schlägerei fertig macht. Die Figur des Mannes hatte eine unverkennbare Tendenz in die Breite. Er war ein ganz schweres Kaliber, der jeden erdrückt, den er erst einmal unter sich bekommen hat.
Als ob ein Regisseur dafür gesorgt hätte, standen zwei Hocker in der Mitte frei. Das Loch am Schanktisch sah wie eine Falle aus. Doch wie dem auch war, Slim und Jack steuerten darauf zu, setzten sich und forderten einen Whisky.
Ihre Stimmen klangen verhältnismäßig laut, weil sich die übrigen Gäste in Schweigen hüllten.
Slim und Jack warfen sich einen kurzen Blick zu. Sie wussten genau, wem sie das zu verdanken hatten. Der Schwarzhaarige war hier gewesen. Ohne Zweifel hatte er für die richtige Stimmung gesorgt.
Zu ihrer Überraschung schien jedoch alles gutzugehen. Der Wirt ließ sich zwar viel Zeit mit seinen Ärmeln, griff dann aber schließlich doch nach der Flasche und schenkte die bestellten Gläser ein. Slim und Jack prosteten sich zu, und an den Tischen begann man wieder zögernd zu reden.
„Noch einen?“, fragte der Dicke. Jack meinte, dass es schon wieder hinterhältig klang, schwieg aber.
Slim bestellte für jeden ein Glas Bier. Als sie einen Schluck genommen hatten, fuhr er fort: „Wir brauchen ein Zimmer. Für drei Nächte etwa, Mr. Barber. Ich hoffe, Sie haben etwas frei?“
„Tut mir leid, Mister. Es ist alles besetzt.“
Barber hatte noch nicht ausgesprochen, als sich wieder das kalte Schweigen über den Raum legte. Die Gespräche verstummten wie abgeschnitten.
„Schade“, sagte Slim Lowdon. „Sie haben offenbar gerade ein Fest in Salt Creek. Die Stadt ist überraschend stark belegt. Können Sie mir keinen Tipp geben, wo man es noch versuchen könnte?“
Der Dicke hob die schweren Schultern.
„Das müssen Sie schon selbst versuchen. Ich habe keine Ahnung.“
Im Saloon brach allgemeines Gelächter aus. Slim und Jack konnten gar nicht anders, als sich umzudrehen. Einige Gäste verstummten sofort wieder. Die meisten aber genierten sich nicht, ihren Spaß noch eine Weile auszukosten.
Slim Lowdon fixierte den größten Schreier, der mitten im Raum stand, die Daumen hinter den Gürtel gesteckt hatte und sich vor Lachen nach hinten bog.
Slim ging die wenigen Schritte auf den Kerl zu.
„Was kommt Ihnen an meiner Frage lächerlich vor, Mister?“
Der Bursche holte seinen Oberkörper nach vorn und schien etwas verdutzt, plötzlich angesprochen zu werden. Aber sein Erstaunen dauerte nicht lange, und der Anflug von Humor in seinem Gesicht wich einer bösen Angriffslust.
„Ich will Ihnen was sagen, Fremder! In Salt Creek sind bestimmt noch zehn Betten frei. Aber nicht für Sie! Man mag Sie hier nicht. Und deshalb empfehle ich Ihnen, zu verschwinden.“
Jack Spencer fuhr auf dem Absatz herum.
„Mr. Barber! Spricht dieser Mann die Wahrheit?“
„Fragen Sie ihn doch selbst!“
Jack hielt den Vorschlag des Keepers offenbar für vernünftig.
„Lass mich das machen, Slim!“ Er drängte sich an seinem Freund vorbei und stellte sich dicht vor dem arroganten Sprecher auf.
„Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie lügen, Mister. Aber wenn mir ein Hotelbesitzer erklärt, sein Haus sei belegt, so ist das seine Sache. — Wir werden eine bessere Lösung finden. Sie wohnen doch auch in der Stadt, nicht wahr?“
„Allerdings! Und wie ich hier wohne! Wenn Sie es genau wissen wollen, bei Hollborn, wo Sie gerade hinausgeflogen sind.“
„Well, dann werden Sie mir für die nächsten drei Nächte Ihr Bett zur Verfügung stellen ...“
Die Forderung kam so überraschend, dass selbst Slim Lowdon nicht sofort eingreifen konnte. Die Menge war plötzlich still wie ein Haufen Toter.
„Wenn Sie es wagen, meine Tür auch nur anzufassen, sind Sie im selben Moment ein toter Mann, Mister.“
„Sie irren, wenn Sie glauben, dass diese Sache an Ihrer Tür ausgetragen wird. Sie werden vielmehr sofort vor den Anwesenden als Zeugen erklären, dass Sie zu meinen Gunsten auf Ihr Bett bei Mr. Hollborn verzichten!“
„Ich bin Curt Humper, Mister. Damit Sie wissen, wer Sie heute noch töten wird“, erklärte der Revolvermann. „Wir werden es gleich hier austragen, wie Sie es gewünscht haben.“
Automatisch bildeten die Gäste eine Gasse. Einige zogen sich von den vorderen Tischen zurück. Wer zwischen den Bänken und der Theke stand, brachte sich an der hinteren Wand in Sicherheit.
Lediglich Slim Lowdon verharrte an seinem Platz. Er war plötzlich allein an der Bar. Aber das machte ihm nichts aus. Kein Mann wie Curt Humper schoss um einen Meter daneben. Von Jack ganz zu schweigen. Jack würde es schaffen. Selbst wenn Humper ein überdurchschnittlicher Schütze sein sollte. In Jack Spencer hatten sich schon viele getäuscht. Und ihre Verwunderung hatte dann nie sehr lange gedauert.
„Werfen Sie 'ne Münze, Barber!“, rief Humper. „Wenn sie den Boden berührt, schießen wir. Es geht nach dem Klingeln, Mister!“
„Ich heiße Jack Spencer“, sagte der Freund rau, aber ohne jede Furcht in der Stimme. An den Gesichtern der anderen las Slim ab, dass sie Jack für verrückt hielten. Er schien als einziger nicht zu begreifen, wer Curt Humper war.
„Ich heiße Jack Spencer! — Damit Sie wissen, wem Sie Ihr trauriges Ende verdanken ... — Es geht nach dem Klingeln!“
Barber zeigte die Münze und warf sie. Sie war noch in der Luft, als Humpers Revolver losdonnerte. Jacks Hand zuckte nach unten, denn sein Auge hatte den Verrat sofort erkannt. Aber er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, weil er es einfach für einen Irrtum halten musste, was sich Curt Humper leistete. Dann stand nur noch die traurige Verwunderung in seinen Augen.
Ein Schlag ging durch Jack Spencers Körper. Er drehte sich etwas zur Seite, knickte in den Kniekehlen ein und fiel auf den ausgetretenen Fußboden.
Totenstille herrschte nach dem Mord.
In Slim Lowdon krampfte sich alles zusammen. Er hatte schon manchen Freund verloren, aber keinen, der wie Jack Spencer gewesen war, und keinen, der wie er ermordet worden war.
Das einzige Lachen im Raum gehörte dem Mörder selbst. Es hätte verlegen klingen müssen, wenn Humper einen Rest von Ehre im Leib gehabt hätte. Aber es klang ganz anders. Es klang so, dass Slim alle Kräfte aufbieten musste, um nicht rot zu sehen.
Aus dem Hintergrund kam eine Stimme, die starken Alkoholgenuss verriet. Wahrscheinlich wagte sie sich nur deshalb hervor.
„Well, Curt! Das ist erst ein Toter. — Leg den Blonden daneben!“
So eklig dieser Scherz war, und so sehr der eine oder andere ihn für würdig fand, darüber zu lachen, es blieb still.
„Hände hoch!“, sagte Slim Lowdon plötzlich. Der 45er lag schon in seiner Hand. Der Hammer war gespannt. Slim war jetzt im Vorteil, weil Humper seine Waffe gesenkt hielt. Die Bewegung nach oben hätte seinen Tod bedeutet. Aber Humper hatte gar nicht den Ehrgeiz, zu schießen. Nicht unter diesen Bedingungen. Er rettete sich in ein Lachen, das er offenbar selbst gern hörte. Die Hände ließ er unten.
„Sie belieben zu scherzen, Mister ...“
„Ich heiße Lowdon. Spencer durfte mich Slim nennen.“
„Lowdon? — Nie gehört! Sie glauben wohl, dass der Name Eindruck macht? — He, Gents, kennt jemand diesen Mr. Lowdon?“
Die Frage blieb ohne Antwort. Humper gab sie sich selber.
„Sie werden so unbekannt sterben, wie Sie gelebt haben, Mr. Lowdon. Ich werde nicht einmal eine Kerbe in meinen Revolver schnitzen, wenn Sie neben Ihrem Freund liegen. Und jetzt stecken Sie Ihre Kanone weg, damit wir reell anfangen können. Barber wirft wieder die Münze.“
Slim Lowdon ekelte sich vor dem langen Dialog mit diesem Menschen. Er war überhaupt kein Freund langer Reden, aber das Gesetz des Zweikampfes verlangte, dass er auch mit Worten nichts schuldig blieb.
„Sie hätten keine Chance, Humper, nachdem ich gesehen habe, dass Sie nicht offen kämpfen können. Ich würde nicht auf den Klang der Münze hören, sondern schießen, sobald Sie ziehen. Ich wäre immer noch schneller als Sie. Aber der Tod auf diesen Brettern ist zu schade für Sie. Sie werden einen langen Weg zum District Town haben und über Ihre Sünden nachdenken können. Man wird Sie zum Strick verurteilen, und Sie werden tagelang vorher wissen, dass es dann und dann zu Ende ist. Ich habe ein Dutzend Zeugen in diesem Raum, dass es kein ehrliches Duell war, sondern gemeiner Mord. Sie nehmen jetzt die Hände hoch und machen nur die Schritte, die ich Ihnen gestatte. Bald werden Sie beim Marshal landen, der das übrige ...“
Die Zuschauer schienen darauf gewartet zu haben, dass sie Gelegenheit zu einem neuen Heiterkeitsausbruch bekamen. Jetzt war sie offenbar da, ohne dass Slim Lowdon begriff. Curt Humper tat ihm den Gefallen, ihn aufzuklären.
„Der letzte Marshal dieser Stadt starb vor sieben Wochen. Es war der vierte in diesem Jahr. Seitdem weiß der keuscheste Knabe in Salt Creek, dass Marshals und Friedensrichter hier überflüssig sind. — Und jetzt hören Sie mit Ihrer scheinheiligen Predigt auf, Lowdon! Ich will das Loch in Ihrer Stirn sehen.“ Humper stieß den Colt in den Holster und trat zwei Schritte zurück. Die rechte Hand hielt drei Zoll neben dem Kolben.
„Barber, die Münze! Lass es klingeln!“
Slim nickte.
„Well, Humper, wenn Sie keinen Marshal haben, werde ich seine Arbeit übernehmen. Sie können dann gleich ausprobieren, ob meine Worte eine leere Drohung waren. Sie sterben für den Mord an Jack Spencer, weil Sie leider nur einmal sterben können. Alle anderen Schandtaten nehmen Sie ungesühnt mit auf den unbekannten Weg.“
„Er spricht wie ein Seelsorger“, schnaubte Humper wütend, und Slim fand, dass er einen Teil seiner Überlegenheit verloren hatte. Offenbar machte es ihn nervös, dass sein gemeiner Trick nicht mehr zog. Doch der Verrat konnte von jeder anderen Seite kommen. Slim fühlte sich kaum wohler in seiner Haut als der Mörder. Er hatte zwar Vertrauen zu seiner Hand und zu seinem Auge, aber er gehörte nicht zu denen, die sich überschätzen.
Ich muss an Jack denken, sagte er sich. Ich muss wissen, dass ich es für ihn tue.
Er stand genau neben Jack Spencer, der nicht mehr zusehen konnte, wie sein bester Freund den Versuch unternahm, die Schandtat an ihm zu sühnen.
„Stell dich hin zum Sterben!“, schnaubte Humper, dem Slims Bewegungen zu langsam waren.
„Fang schon an, Humper! Hier bleibe ich. Du kannst dir nicht noch aussuchen, von wo dich dein Schicksal ereilt.“
„Well, wie du willst! — Barber, die Münze!“
Es schien alles so abzulaufen wie bei Jack Spencer. Barber nahm denselben Silberdollar. Doch diesmal wartete Humper nicht solange, bis das Geldstück in die Luft flog. Wer ihn nicht kannte, musste denken, dass seine Hand einem Kurzschluss unterlag. Nur Slim dachte nicht mehr über die Hintergründe nach, die vor mehr als dreißig Zuschauern ein solches Schauspiel ermöglichten.
Er registrierte die Bewegung des Gegners, und noch bevor Humpers Hand nach unten stieß, wusste er, wann der kritische Moment kommen würde. Alle sahen auf Humper, der zweifellos wieder den Anfang machen würde. Alle sahen, wie der Colt in seine Hand sprang und nach oben kam. Alle hörten den Schuss und den zweiten wie einen Nachhall.
Alle sahen Curt Humper stürzen und sein Leben aushauchen. Slim Lowdon aber stand breitbeinig neben Jack Spencer und hauchte gegen den Rauch aus der Mündung seiner Waffe. Alle sahen, wie er nachlud und die 45er in den Holster steckte.
![]() | ![]() |
Slims Blick glitt über die Männer. Keiner sagte etwas. Aber wohin er sah, wandte man die Gesichter ab und drehte Gläser in den Fingern. Entweder schlummerte hier ein allgemeines schlechtes Gewissen, oder Humper war so sehr verhasst gewesen, dass niemand für ihn aufstand.
„Was habe ich zu zahlen, Mr. Barber?“
Der Wirt nannte den Preis und steckte das Geld ein. Slim hob Jacks schweren Körper auf die Schulter, der ihm seltsam leicht vorkam. Er fragte sich, ob die Seele dieses Mannes so gewichtig gewesen sein mochte. Dann stand er draußen am Hitchtrail und legte Jack über den Sattel, in dem er so oft aufrecht gesessen hatte. Er band die Pferde los und ritt aus der Stadt. Erst nach zwei Meilen hielt er an. Jack besaß einen kleinen Feldspaten, mit dem Slim das Grab schaufelte.
Er hatte kaum begonnen, als er Geräusche vernahm. Er hielt mit der Arbeit inne und richtete sich auf. Die Sterne spendeten wenig Licht. Ein Schatten ließ sich höchstens erkennen, wenn er sich auffällig bewegte. Aber es gab keinen Schatten, außer denen, die hierher gehörten.
Das Geräusch verstummte, nachdem Slim aufgehört hatte, zu graben. Er glaubte schon, sich geirrt zu haben, als plötzlich in seiner Nähe eine Stimme erklang.
„Hallo, Mr. Lowdon! Wo sind Sie?“
Eine merkwürdige Falle, wenn es eine sein sollte. Falls sich jemand berufen fühlte, Humpers Tod zu rächen, hätte er nicht bis auf diesen Hügel mitzureiten brauchen. Slim wartete noch eine Weile. Dann kam die Stimme noch einmal: „Mr. Lowdon! Ich weiß, dass Sie hier sind. Melden Sie sich! Ich muss Sie unbedingt sprechen. Mein Name ist Rock Madson.“
„Was wollen Sie?“, fragte Slim misstrauisch.
Der Fremde kam näher. Er hatte einen langen Gegenstand in der Hand, der an eine Winchester erinnerte. Aber es war nur ein Spaten.
„Hier, nehmen Sie den, Lowdon! Damit geht es schneller und leichter.“
Der Mann, der sich Madson nannte, war etwa gleichaltrig mit Slim. Nicht viel über dreißig.
„Ein Spaten? Womit verdiene ich das, Mr. Madson?“ Slims Stimme klang immer noch misstrauisch, „Ein Trick?“
„Jedes Ding hat seinen Preis, Lowdon. Freundschaft, Ehre, Angst, Häuser, Felder, Weiden, Pferde, Rinder ... der Mensch ...“
„Hm ...“
Das klang etwas seltsam. War auch Madson seltsam, oder gab er sich nur so?
„Graben Sie damit, Lowdon! Ich denke, Sie wollen es selber tun.“
„Ja, natürlich — danke, Madson!“
Der Fremde blieb bei ihm stehen, bis das Grab ausgehoben war. Dann half er Slim, Jack Spencer in die Grube zu legen. Mit dem kleinen Handspaten schaufelte er ein wenig Erde mit hinein.
„Es ist nicht viel, aber Sie werden es hinter sich haben wollen.“
„So schnell kriegt man’s nicht hinter sich, Madson. Es gibt Menschen, die vergisst man sein Leben lang nicht und wenn man bis Montana reitet.“
„Sie haben gesagt, dass er Ihr Freund war. Bei Barber, meine ich.“
„Sie waren bei Barber?“
„Ja, ich habe alles mit erlebt. Ich saß ganz hinten. Aber das soll keine Entschuldigung sein. Auch wenn ich vorn gesessen hätte, wäre Ihr Freund jetzt tot. Sie werden nicht nach Montana reiten, wie?“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Freund und Freund ist oft zweierlei. Kannten Sie ihn schon lange?“
Slim schien nicht zu merken, dass auf seine Frage eine neue gekommen war. Er gab Madson die Schaufel zurück.
„Nochmals Dank, Mr. Madson. — Ich kannte Spencer seit dem Krieg. Er hat mir zweimal das Leben gerettet. Einmal im Krieg und später. Wir sind immer mal wieder nach Hause gegangen. Das heißt, ich ging nach Hause. Er hatte keins mehr. Er war allein. Deshalb trafen wir uns jedes Mal wieder. Auch dann, wenn wir kein Geld brauchten ... Ich meine, wenn ich kein Geld brauchte. Zu Hause geht's mir finanziell besser. Aber Jack brauchte dann und wann Geld. Und mich brauchte er eigentlich immer. Einmal hat er zu mir gesagt, zwischen unserem Abschied und unserem Wiedersehen wäre er scheintot. Er begänne immer erst zu leben, wenn ich wieder da wäre ... Er brauchte mich. Heute am nötigsten, und im entscheidenden Augenblick habe ich versagt.“
„Sie konnten nichts machen, Lowdon. Das Gesetz des Westens ließ keine andere Möglichkeit zu, und Sie konnten nicht wissen, dass Humper ein Schwein war. Aber Sie haben es ihm heimgezahlt und Spencer gerächt.“
„Gerächt? — Das kann man nicht wieder gutmachen. Nicht mit einem Totschlag den anderen. Salt Creek hat Jack auf dem Gewissen, wenn ich von mir selbst absehe. — Aber warum erzähle ich Ihnen das? Es wird Sie kaum interessieren ...“
„Im Gegenteil, es interessiert mich sehr. Und nicht nur aus reiner Anteilnahme, obwohl Sie mir glauben müssen, dass mir jedes einzelne Schicksal zu Herzen geht. Wenn man die Hintergründe erfährt, ist es noch schlimmer. — Salt Creek ist die Hölle geworden. In Salt Creek ist der Teufel los, Lowdon.“
„Den Eindruck hatte ich auch. Sie dagegen ...“
„Warum sprechen Sie nicht weiter? Wollten Sie sagen, dass ich die Ausnahme wäre?“
„So ungefähr. Ich kenne Sie zwar nicht. Aber der erste Eindruck sagt mir, dass Sie nicht hierher passen.“
„Wir sollten es umgekehrt sagen, Lowdon. Die anderen passen nicht hierher. Es gibt keine schlimmere Stadt im ganzen Westen, sage ich Ihnen. Ich weiß nicht, wie es kommt, dass man bis zum Gouverneur hinauf duldet, dass das Recht so mit Füßen getreten werden kann.“
„Im freien Westen gilt die Selbstverwaltung. Sich selbst verwalten, heißt, sich selbst helfen. Sind Sie der einzige, dem der Zustand nicht passt?“
„Es waren mehr ... anfangs. Vielleicht gibt es auch heute noch welche. Sie werden es bloß vergessen haben, aus reinem Selbsterhaltungstrieb, denn die, die nicht vergessen wollten, wurden dazu gezwungen. Sie leben nicht mehr ...“
„Um mir das zu sagen, sind Sie mir nachgeritten?“
Slim erhielt keine Antwort. Rock Madson ging einfach weg, in die Nacht hinein, und ließ ihn stehen. Doch kurz darauf kam er zurück, mit einem Schecken an der Leine.
„Entschuldigung, Lowdon! Ich habe nur mein Pferd geholt. Was werden Sie jetzt machen?“
Vor wenigen Minuten war der Mond aufgegangen. Die Nacht war nicht mehr so schwarz und undurchsichtig. Slim glaubte sogar, erkennen zu können, dass Rock Madson rotes Haar hatte.
„Ich möchte noch ein schlichtes Holzkreuz errichten“, überlegte er. Die Idee schien ihm erst jetzt in den Sinn zu kommen, weil Madson danach fragte. „Man könnte zwei Äste zusammenbinden und zwischen ein paar Steine stellen. Aber Jack Spencer hat mehr verdient. Er soll ein geschreinertes Kreuz haben, mit seinem Namen darauf.“
„Sie werden also noch eine Weile in der Gegend bleiben?“
Slim nickte. „Wenigstens so lange, bis das Kreuz fertig ist.“
„Well“, sagte Madson. „Ich werde Ihnen helfen. Sie können mein Werkzeug benutzen. Sie können auch solange bei mir wohnen.“
„Das ist nett von Ihnen, Madson. Aber jetzt sagen Sie endlich, warum Sie das alles für mich tun?“
„Steigen Sie auf! Wir reiten nach Hause. Ich kann es Ihnen unterwegs verraten.“
Sie stiegen in die Sättel. Madson nahm einen Weg, der noch weiter von der Stadt wegführte. Es ging genau nach Westen.
„Es sind sieben Meilen bis zu meiner Ranch. Sie ist noch sehr klein, obwohl das freie Land dahinter ausreichte, eine Großranch daraus zu machen ...“
„Und warum vergrößern Sie sich nicht?“
„Ja, Lowdon, das liegt allein an Ted Harper, der in diesem County die Macht hat. Zu mir gehören zwei Weidemänner. Zu Harper dreißig. Und wenn man's genau nimmt, gehören auch die anderen Kleinrancher zu ihm. Weil sie nicht anders können. Er unterdrückt sie zwar, aber er lässt ihnen noch etwas Freiheit, solange sie nach seiner Pfeife tanzen.“
„Und wonach tanzen Sie?“
„Das frage ich mich selbst. Von Rechts wegen ist das Land hinter mir frei. Harper hat offiziell keine Claims dort genommen. Aber keiner wagt es in Besitz zu nehmen, weil Harper sagt, es gehöre ihm.“
„So, er sagt es einfach. — Und warum gibt es keinen Marshal mehr in Salt Creek?“
„Erstens, weil Harper ihn für überflüssig hält. Zweitens, weil sich niemand mehr für den Posten findet. Die Weidemänner bringen eine Menge Geld in die Stadt. Den Stadtleuten geht es deshalb gut, solange kein Unrecht an einem ihrer Familienmitglieder geschieht. Aber ich weiß, dass ihnen die Angst bis zum Hals steht. Keiner hat mehr den Mut, noch ehrlich zu sein.“
„Ich weiß, was Sie meinen. Humper konnte Jack Spencer ermorden und hätte im Ernstfall vor dem Richter nicht einmal Zeugen gegen sich gehabt. Sie waren doch dabei, Madson. Sie haben gesehen, dass Humper schoss, bevor die Münze den Boden berührte. Was hätten Sie gemacht, wenn ich Sie als Zeugen zitiert hätte?“
„Ich weiß es nicht. Die Wahrheit zu sagen, ist nicht immer leicht. Auf jeden Fall hätte ich vorher meinen Besitz aufgeben und meine Schwester in Sicherheit bringen müssen.“
„Ihre Schwester?“
„Ja, sie lebt bei mir und führt den Haushalt.“
Es war gegen Mitternacht, als sie auf der Madson-Ranch ankamen. Sie bestand aus einem einzigen Haus. Wohnung, Stall, Schmiede und Bunkhaus befanden sich unter einem Dach.
Madson wies Slim ein kleines Zimmer an, in dem ein sauberes Bett stand.
„Schlafen Sie gut, Lowdon! Wir werden morgen weitersehen. Ich habe gutes, trockenes Holz für Ihr Kreuz ...“
Beim Frühstück sah Slim Lowdon zum ersten Mal Gritt Madson, Rocks Schwester. Sie war bestimmt nicht viel älter als zwanzig. Ihrem blonden Haar fehlte der Stich ins Rötliche wie bei ihrem Bruder, aber sonst sah sie ihm sehr ähnlich. Die blauen Augen waren klar wie ein Bergsee.
Sie gab ihm die Hand, redete freundlich mit ihm über belanglose Dinge, war aber sonst sehr zurückhaltend. Sie fragte nicht, was er wolle, woher er käme und sprach auch nicht von der Schießerei in Salt Creek. Je länger Slim sie ansah, umso mehr hatte er den Eindruck, dass es weit und breit keine Sorgen geben könne.
Noch während sie aßen, kamen zwei Reiter auf den Hof. Es waren Jeff Coleman und Harry Wolfe, Madsons einzige Weidemänner, die in der Nacht das Vieh bewacht hatten. Rock winkte ihnen zu.
„Kommt herauf und setzt euch, wenn ihr noch etwas essen wollt! Wir haben Besuch.“
Der Frühstückstisch war auf der überdachten Veranda gedeckt. Coleman und Wolfe schritten die drei Holzstufen hinauf und blickten etwas überrascht auf Slim.
,,Sind Sie etwa Mr. Lowdon?“, fragte Jeff Coleman.
„Ich hoffe. Sie haben nichts dagegen ...“
„Das muss der Chef entscheiden. Aber wenn Sie ein ehrliches Wort vertragen, Mister, es ist nicht gut, dass Sie hier sind.“
„Was soll das heißen?“, fragte Gritt Madson schnell, und der friedliche Ausdruck ihres Gesichtes war wie weggewischt, als sie Coleman ansah,
„Das soll heißen, dass Ted Harper hinter unserem Gast her ist. Er hat gestern Harpers besten Mann erschossen.“
Das Mädchen wusste offenbar nichts davon. Sie sah verwundert von ihrem Bruder zu Jeff Coleman und von Harry Wolfe zu Slim.
„Ist das wahr?“
Rock Madson erzählte nun, was geschehen war, und Gritt stellte fest: „Mr. Lowdon hat recht gehandelt. Wer das bezweifelt, kann die Ranch sofort verlassen.“
Jeff zuckte nervös mit den Augenbrauen.
„Niemand von uns will Mr. Lowdon ins Unrecht setzen. Im Stillen sind wir alle froh, dass endlich jemand Harper beweist, dass seine Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber ihr wisst alle, was geschieht, wenn Harper herausfindet, dass Lowdon bei uns ist.“
„Keine Sorge, Mr. Coleman“, sagte Slim schleppend. „Ich werde nicht lange bleiben. Ihr Chef hat mir erlaubt, dass ich ein Holzkreuz für Jack Spencer zimmere. Das wird nur ein paar Stunden dauern. Und dann verschwinde ich.“
Rock Madson schob sich zwischen Slim und Coleman.
„Das Gespräch gefällt mir nicht, Partner. Als ich Mr. Lowdon einlud, wusste ich genau, was ich tat. Ich brauchte auch nicht zu warten, bis sich die Sache herumspricht und Harper seine Drohungen im County verbreiten lässt. Nachdem Harper mit seinen wilden Männern das Land bisher erfolgreich tyrannisiert hat, kann er gar nicht anders, als Lowdon zu jagen. Aber unser Gast ist selbst Mann genug, um das zu wissen. Er hat zu gut geschossen, als dass es nicht dem einen oder anderen Revolvermann einfallen würde, auszuprobieren, ob Lowdon wirklich so gut ist wie sein Ruf. — Habe ich recht, Lowdon?“
„Natürlich! Es war mir von vornherein klar, dass es so kommen musste. Nur wusste ich nicht, wohin Humper gehört und wer er war. Vielen Dank für die Aufklärung.“
Die beiden Weidereiter setzten sich und ließen sich von Gritt Madson heißen Kaffee einschenken. Slim drehte sich eine Zigarette und sah den anderen beim Essen zu. Später führte ihn Rock Madson in die Werkstatt.
„Hier haben Sie Holz, Eisen und Werkzeug. Ich werde Sie ein paar Stunden allein lassen müssen. Wir sehen uns heute Mittag wieder.“
Madson ritt mit seinen Leuten auf die Weide. Außer Slim war nun nur noch Gritt im Haus.
Er suchte ein blankes trockenes Brett aus und schnitt es in zwei ungleiche Teile. Mit einem Nagel riss er dann die Stelle an, wo der Querbalken hingehörte. Danach arbeitete er mit einem Stemmeisen die Fugen. Mit fünf Schrauben gab er dem Kreuz Halt.
Nun zündete er das Schmiedefeuer an und machte einen Nagel glühend. Mit ungelenker Schrift brannte er den Namen „Jack Spencer“ in den Querbalken. Sonst nichts.
Das Kreuz war fertig, und er stellte es an die Wand, um es zu begutachten. Er ging ein paar Schritte zurück. Als er stehenblieb, hörte er jemanden kommen. Er drehte sich um. Es war Gritt Madson.
Er sah sofort wieder auf das Kreuz, als hätte er sie nicht gesehen. Aber sie stand genau schräg hinter ihm.
„Es ist ein schönes Kreuz“, lobte sie. Sie sagte es so schlicht und ehrlich, dass er ihr nicht böse sein konnte, obwohl es ihn störte, dass ihm jemand bei dieser Arbeit zusah. Das Kreuz für Jack war allein seine Angelegenheit. Es war ein Stück von seinem belasteten Gewissen, das niemanden etwas anging. Auch nicht dieses Mädchen.
Weil er nicht sprach, fuhr sie fort: „Es ist bald fertig, nicht wahr?“
„Es ist schon fertig ... Oder, meinen Sie, es fehlt noch etwas?“
„Natürlich fehlt noch etwas. Ich weiß nur nicht, was. Wenn es mir einfällt, werde ich es Ihnen sagen.“
Ihm lag eine Antwort auf der Zunge, die er aber herunterschluckte. Verwirrt ging er zum Kreuz und legte es noch einmal auf die Hobelbank.
„Ich werde es imprägnieren. Haben Sie etwas Firnis da?“
Sie zeigte auf die Dose, und er nahm sie von der Wand. Während er das Holz strich, sagte sie: „Rock ist Ihnen gestern nachgeritten. Hat er Ihnen gesagt, was er von Ihnen wollte?“
„Noch nicht.“
„Sie können es sich aber denken?“
„Nein“, log er.
„Er will, dass Sie hierbleiben. Sie sind viel stärker als Rock, und er denkt wohl auch, Sie haben nichts zu verlieren außer Ihrer Ehre. Sie sind der Mann, den wir brauchen.“
„Ich weiß, was Sie meinen. Ich soll hingehen und Ted Harper erschießen. Sie hoffen, dann würde die Tyrannei in Salt Creek City aufhören.“
„Ob Harpers Tod allein genügt, weiß ich nicht. Aber wichtig wäre es schon, dass ihm das Handwerk gelegt wird.“
„Ist das Ihre Meinung?“
„Es ist die Meinung der Männer.“
„Und was denken Sie?“
„Es ist schade um jeden ehrlichen Mann, der sterben muss. Es wäre auch schade um Sie. Aber ich weiß, dass Sie nicht zurückkönnen. Sie fühlen sich schuldig wegen Jack Spencer, und Ihr Gewissen lässt sich nicht einfach damit beruhigen, dass Sie den Mörder getötet haben. Sie haben gesagt, die ganze Stadt wäre schuld. Sie hassen diese Stadt, Mr. Lowdon. Und deshalb weiß ich, dass Sie gegen sie kämpfen werden.“
Sein Lachen klang verkrampft.
„Sie wollen mich auf Ihre Art zum Bleiben veranlassen, Gritt. Das kann ich Ihnen nicht übelnehmen. Aber Sie haben sich getäuscht. Gewiss, Salt Creek ist ein Mördernest, aber die Leute, die dafür verantwortlich sind, sollen selbst damit fertig werden. Auch Sie und Ihr Bruder. Ich bin kein Held und Revolvermann ...“
„Was sind Sie denn, Slim?“
„Ich bin Techniker bei der Post in Little Rock gewesen. Im Krieg war ich Sergeant und ein schneller Schütze. Aber das ist sechs Jahre her ...“
„Und was sind Sie heute?“
„Ich habe Rinder getrieben zwischen Neu Mexiko, Texas und Arizona.“ Er zuckte mit der Schulter, als wüsste er nicht mehr weiter.
„Heute Mittag gibt es Linsensuppe“, sagte Gritt Madson plötzlich. „Ich hoffe, Sie wird Ihnen schmecken!“
„Natürlich, Linsen esse ich gern.“
Sie ging weg, und Slim hockte noch eine Stunde vor dem Holzkreuz, ohne etwas daran zu tun. Dann ging er unvermittelt in den Stall, sattelte seine Rappstute, band das Kreuz neben dem Sattelschuh fest und ritt nach Osten, wo Jack Spencers Grab lag.
![]() | ![]() |
Bei Tage sah das Grab öde und leer aus. Es lag zwar auf einem Hügel, doch zwanzig Schritte weiter wäre der Platz besser gewesen. Er hätte mehr Deckung zum Weg gehabt, der von tausend Hufen gezeichnet war. Jetzt stand nur ein kleiner Cottonwoodstrauch davor, und nicht einmal sehr günstig. Am Kopfende hätte er stehen müssen.
Slim sprang aus dem Sattel, band das Kreuz los und trug es an das Grab. Mit seinem Feldspaten grub er ein kleines Loch, stellte das Kreuz hinein und trat die Erde fest. Danach sammelte er ein paar schwere Steine und stützte damit den Pfahl.
Es wäre noch nicht fertig, hatte Gritt Madson gesagt. Slim wusste auf einmal, dass sie recht hatte. Doch auch ihm fiel nicht ein, was noch besser zu machen wäre. Auf das Grab müssten Blumen. Weil aber Blumen schnell verwelken, wäre vielleicht ein Salbeistrauch besser. Ein großer ...
Er bückte sich, weil ihn plötzlich ein Grasbüschel störte, das wie Unkraut auf dem Grabhügel stand. Im selben Augenblick fiel ein Schuss. Die Kugel bohrte sich ins Holz. Genau zwischen die Worte „Jack“ und „Spencer“.
Slim warf sich nieder und rollte sich sofort zur Seite. Ein zweiter Schuss bohrte sich in den Sand, wo er vor einer Sekunde noch gelegen hatte. Ein dritter Schuss peitschte durch seine Beine, als er aufsprang und ins nahe Unterholz hetzte.
Drei Schüsse aus einer Richtung - kein Zweifel, dass der Schütze auf dem großen Hickorybaum saß. Der Kerl musste ihn hier erwartet haben.
Slim hielt den 45er in der Hand. Die Winchester wäre besser gewesen, doch die steckte im Sattelschuh dreißig Schritte entfernt. Er gab drei Schüsse in den Baum ab, machte sofort wieder Stellungswechsel und lud die Trommel nach. Ohne Zweifel hatte er es mit einem Mann zu tun. Wären es mehrere gewesen, hätte ihm auch das größte Glück nicht mehr helfen können, und er wäre bereits ein toter Mann.
Sein blindes Feuer traf nicht. Solange er den Gegner nicht sehen konnte, war es sinnlos zu schießen. Vielleicht war es überhaupt sinnlos.
Der andere rührte sich nicht. Wie lange würde er es aushalten? Slim hatte den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt und lauschte. Endlich kratzte jemand schräg über ihm an einem Ast. Dem Burschen mussten die Beine einschlafen, wenn er die Stellung nicht wechselte. Slim kroch langsam und lautlos ein Stück weiter nach rechts. Nach jeder Bewegung kontrollierte er seine Deckung nach oben. Zum Glück war das Unterholz dicht genug. Der Gegner konnte den neuen Stellungswechsel kaum verfolgen.
Plötzlich erkannte Lowdon ein Bein. Der übrige Körper des Kerls steckte hinter dem Baumstamm. Aber das Ziel war gerade richtig.
Slims Schuss traf genau in den Absatz. Der Fremde schrie auf, hielt sich aber oben.
„Kommen Sie herunter! Ich habe Sie genau im Visier. Der nächste Schuss trifft eine empfindlichere Stelle!“
Der Mann rührte sich nicht. Slim sah das Bein nicht mehr, dafür aber ein winziges Stück Hemd. Es musste der linke Arm des Burschen sein.
Der nächste Schuss versengte den Flanellstoff.
„Das war die letzte Warnung, Mister. Ich zähle stumm bis zehn. Wenn Sie sich bis dahin nicht in Bewegung gesetzt haben, wird es Ernst.“
Slim war bei sechs, als der Mann den Abstieg begann. Sie trafen sich dicht beim Grab. Beide mit gespanntem Colt in der Hand, und beide mit gestreckten Armen. Der Wegelagerer war fast einen Kopf kleiner als Slim.
„Ich bin schneller als Sie“, wagte Slim zu behaupten. „Sie haben also keine Chance. — Lassen Sie den Revolver fallen!“