Das kriminell gute Thriller Paket Februar 2019: 1400 Seiten Spannung
Published by Alfred Bekker präsentiert, 2019.
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Das kriminell gute Thriller Paket Februar 2019: 1400 Seiten Spannung
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Kubinke und die Memoiren
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MATUS RACHE
Personen
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sein letzter Fehler
Die Hauptpersonen
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Sand im Mund
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
Liebe unter Piranhas
Ein Schwan stirbt selten allein
Personen
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Anna verschwindet
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KILLER IN DER NACHT
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Die Hauptpersonen des Romans:
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Archibald Duggan und zwei Whisky mit Gift
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Bei Vollmond kommt der Werwolf
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Further Reading: 10 Mörder im August - Zehn Krimis auf 1200 Seiten
Also By Alfred Bekker
Also By Horst Bieber
Also By Horst Bosetzky
Also By Walter G. Pfaus
About the Author
About the Publisher
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von Horst Bieber, Alfred Bekker, Uwe Erichsen, Walter G. Pfaus
Der Umfang dieses Buchs entspricht 1400 Taschenbuchseiten.
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Kubinke und die Memoiren
Horst Bieber: Matus Rache
Horst Bieber: Sein letzter Fehler
Horst Bieber: Sand im Mund
Horst Bieber: Liebe unter Piranhas
Horst Bieber: Ein Schwan stirbt selten allein
Horst Bieber: Anna verschwindet
Uwe Erichsen: Killer in der Nacht
Horst Boesetzky (-ky): Archibald Duggan und zwei Whisky mit Gift
Walter G. Pfaus: Bei Vollmond kommt der Werwolf
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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Ein Harry Kubinke Kriminalroman
von Alfred Bekker
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EIN MANN WOLLTE EIN brisantes Buch veröffentlichen und war vorher umgelegt worden. Jetzt mussten die Kommissare Harry Kubinke und Rudi Meier seinen Mörder finden. Und der Mann, auf dessen brisanter Lebensgeschichte das Buch beruhen sollte, war ebenfalls umgebracht worden.
Zwei Morde, ein Buch und viele offene Fragen...
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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Ein Mann wollte ein brisantes Buch veröffentlichen und war vorher umgelegt worden. Jetzt hatten mein Kollege Kommissar Rudi Meier und ich das Problem, dass wir seinen Mörder finden mussten.
Und der Mann, auf dessen brisanter Lebensgeschichte das Buch beruhen sollte, war ebenfalls umgebracht worden.
Zwei Morde, ein Buch und viele offene Fragen.
Und dabei war der Mörder in beiden Fällen ein alter Bekannter.
Ein alter Bekannter mit einer eindeutigen Handschrift.
Wir nannten ihn, den ‘Killer mit der Delle’.
Nicht deswegen, weil er selbst eine Delle gehabt hätte. Da war unseres Wissens keine körperliche Deformation, die man so hätte bezeichnen können, obwohl wir eigentlich über sein Aussehen gar nichts wussten.
Aber mit dem Namen, unter dem dieser Killer bekannt war, hatte sein Aussehen nichts zu tun.
Der bezog sich auf etwas anderes.
Alles, was wir nämlich von ihm hatten, waren die Projektile, die er benutzt hatte. Projektile, die an Tatorten gefunden worden waren und in Leichen gesteckt hatten.
Und diese Projektile wiesen eine ganz spezielle, charakteristische ‘Delle’ auf, die durch irgendeine Besonderheit der Tatwaffe verursacht wurde. Unsere Ballistiker hatten den Unbekannten also daher den ‘Killer mit der Delle’ genannt und da wir bis heute seinen Namen nicht kannten, benutzten wir eben diesen.
Der Killer mit der Delle war höchstwahrscheinlich ein Lohnkiller, der mutmaßlich für diverse Auftraggeber aus dem kriminellen Milieu Auftragsmorde verübt hatte.
Und jetzt standen eben zwei weitere Namen auf seiner Opferliste.
Es wurde Zeit, dass er aus dem Verkehr gezogen wurde.
Aber dazu mussten wir ihn erstmal kriegen.
Die andere Sache, die uns beschäftigte, war die Frage, wer den Killer mit der Delle wohl beauftragt haben mochte.
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Der Killer mit der Delle hatte zuvor zwei Kiez-Größen umgebracht: Jimmy Talabani und Rasul Abu-Khalil, Anführer zweier Libanesen-Gangs. Jimmy hatte seinen Vornamen übrigens von seiner urdeutschen Mutter, die auf diese Weise ihre Spur in der Familien-Saga der Talabanis hinterlassen hatte.
Jetzt suchten wir natürlich nach Zusammenhängen.
Hingen die Morde mit diesen kriminellen Bandenchefs mit denen an Felmy und vielleicht zwei anderen Fällen zusammen, die wir im Moment zu untersuchen hatten? Mit den Morden an dem zwielichtigen Privatdetektiv Amadeo Felmy und dem Sensations-Reporter Arthur Malkowski nämlich?
Dass es derselbe Killer war, stand fest.
Ob es derselbe Auftraggeber war, wussten wir nicht.
Es lag durchaus nahe, aber wir wussten es eben nicht.
Im Moment sprach einiges für einen gewissen Alex Jermakov als Auftraggeber der Morde. Jermakov war Mitglied der Berliner Russen-Mafia und Leute wie die Abu-Khalis oder die Talabanis waren für ihn Konkurrenten und Feinde im Schattenbusiness der Bundeshauptstadt.
Verwunderlich war dabei nur, dass der Killer mit der Delle offenbar keinerlei Skrupel hatte, mit Talabani und Abu-Khalil seine ehemaligen Auftraggeber umzubringen.
Eigentlich machte man so etwas nicht.
Selbst diese Schweinehunde hatten noch sowas wie einen Ehrenkodex.
Aber diesen beurteilten offenbar nicht alle Angehörigen der Lohnkiller-Zunft gleich.
Okay dachte ich.
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Es gab da wohl einige, die ganz froh waren, dass die Memoiren des Privatdetektivs Amadeo Felmy, aufgepeppt in Buchform gebracht vom Profi-Schreiber und Sensationsreporter Arthur Malkowski wohl niemals erscheinen würden, denn die Manuskriptdatei war unauffindbar.
Verschwunden.
Rudi und ich waren mit einer Mitarbeiterin der Agentur verabredet, die Malkowskis Buch an einen Verlag bringen wollte.
“Malkowski hat so tief in allen möglichen Sumpflöchern herumgewühlt, dass man sich nicht wundern muss, dass das jemandem nicht gepasst hatte”, meinte mein Kollege Rudi während der Autofahrt. “Und mit der brisanten Lebensgeschichte dieses Schnüfflers Amadeo Felmy hatte er sich genau das Richtige ausgesucht, um in tausend Fettnäpfchen zu treten.”
“Amadeo Felmy dürfte eine der schillerndsten Figuren sein, die es in Berlin in den letzten dreißig Jahren gegeben hat”, meinte ich.
Und das war nicht untertrieben. Ein Privatermittler mit dubiosen Kontakten in die Berliner Unterwelt, zu Prominenten und zur Politik. Er hatte für die Verhaftung eines libanesischen Clan-Führers gesorgt, aber man war sich nicht sicher, ob er nicht in Wahrheit auf der Lohnliste seines ärgsten Konkurrenten stand. Dubiose Waffendeals, Wiederbeschaffung von geraubten Kunstgegenständen mit gesetzwidrigen Mitteln und ein totgeprügelter Erpresser von Prominenten - all das und noch viel mehr stand in einem losen Zusammenhang mit Felmy.
Zuletzt war er eitel geworden und hatte sich überlegt, dass es doch schade war, wenn von diesem aufregenden, schillernden Leben nichts weiter blieb als ein volles Bankkonto. Also hatte er Malkowski bereitwillig Auskunft gegeben, damit der ein Buch über ihn schrieb.
Über wen ein Buch geschrieben wurde, der hatte es geschafft.
Wer schreibt, der bleibt, hieß es. Aber noch mehr galt das für diejenigen, über die geschrieben wurde.
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Angesichts des Staus in Berlin Mitte war Autofahrt vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Strenggenommen standen wir nämlich die meiste Zeit.
Aber wir wollen mal nicht spitzfindig sein.
Jedenfalls nicht in diesem Punkt.
Wir fuhren zu unserer Verabredung.
Lydia Jaspersen wartete dort bereits auf uns. Sie trank einen Cappuccino und sah fragend in unsere Richtung, nachdem wir eingetreten waren.
Wir zeigten ihr unsere Ausweise und Rudi stellte uns kurz vor, bevor wir uns zu ihr an den Tisch setzten.
Lydia Jaspersen nahm daraufhin das Exemplar des Börsenblattes des deutschen Buchhandels, das verabredungsgemäß auf dem Tisch gelegen hatte, an sich und rollte es zusammen. „Sie sind spät dran!“
„Tut mir leid, aber der Verkehr...“, begann Rudi, aber sie schnitt ihm gleich das Wort ab.
„Sagen Sie bloß, Sie arbeiten den ersten Tag in Berlin, Herr...“
„Kommissar Meier.“
„Kommen wir zur Sache“, schaltete ich mich ein. „Sie haben sich an unsere Dienststelle gewandt.“
“Sie sah mich an.
“Kubinke war Ihr Name, nicht wahr?”
“Ja.”
“Haben Sie auch einen Vornamen?”
“Kommissar wäre mir Recht.”
“Ich verstehe. Distanzierter Typ.”
“Sagen Sie am Besten einfach, was Sie uns erzählen wollten.”
“Sicher.”
“Wir sind gespannt.”
“Sie kommen gerne schnell zur Sache!”
“Das ist richtig.”
Lydia Jaspersen nickte, trank ihren Cappuccino aus und beugte sich dann etwas vor. Ihre Stimme klang gedämpft. „Arthur Malkowski wollte aus den pikanten Erinnerungen von Amadeo Felmy ein Buch machen“, begann sie.
„Sie sagen das so, als wäre dieses Buch noch gar nicht geschrieben worden!“, wandte ich ein.
„Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie weit Arthur mit seine Arbeit bereits vorangekommen war. Ich war seine Ansprechpartnerin innerhalb der Agentur und er hatte mir versichert, dass die Arbeit in wenigen Tagen abgeschlossen ist. Arthur wollte vorher keine Zeile davon aus der Hand geben, was ich auch verstehen kann. Es gibt immer undichte Stellen, auch in Agenturen und Verlagen. Und natürlich wollte Arthur verhindern, dass sich schon im Vorfeld jemand juristisch auf ihn einschießen kann, um das ganze Projekt zu verhindern.“
„Aber es gab schon einen Verlag?“, fragte ich.
„Wir haben das Projekt aufgrund eines Exposés verkaufen können.“
„Wir nehmen an, dass die Morde an Arthur Malkowski und Amadeo Felmy mit dem Inhalt des Manuskripts zu tun haben könnten!“
„Ja, Ihre Vermutung trifft vielleicht zu. Auch wenn ich Ihnen nichts Schriftliches vorlegen kann, habe ich doch mit Arthur regelmäßig über den Fortgang der Arbeiten gesprochen. Und dabei tauchte ein Name auf, der besonders brisant ist.“
„Und da wäre?“
„Johann Feldmann.“
Sie flüsterte diesen Namen fast nur noch und ich glaubte im ersten Moment, mich verhört zu haben.
„Sie sprechen von dem angehenden Bundestagsabgeordneten?“, hakte ich nach.
„Abgeordneter oder nicht, diese Frage werden die Wähler wohl ziemlich eindeutig beantworten, falls die Manuskriptdatei doch noch irgendwo auftaucht und das Buch erscheinen kann!“
„Wieso?“
„Amadeo Felmy hatte offenbar ein paar ziemlich brisante Details über Feldmann zu berichten, für den er übrigens auch eine Zeitlang als Bodyguard gearbeitet hat. Feldmann ist ja eigentlich Anwalt. Noch vor ein paar Jahren hat er sich von einigen Mafiagrößen regelmäßig mit Kokain und Call Girls versorgen lassen und hat ihnen dabei geholfen, ihre Drogengelder auf juristisch möglichst unangreifbare Weise zu waschen. Das ist Jahre her, heute ist Feldmann biederer Familienvater und ich könnte mir denken, dass er auf seine wilde Zeit nicht mehr gerne angesprochen werden möchte.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Feldmann würde sich nie selbst die Hände schmutzig machen, aber er hätte noch immer die nötigen Kontakte, um so etwas erledigen zu lassen.“
„Mehr als eine Vermutung ist das jetzt aber nicht“, stellte Rudi fest.
„Amadeo Felmy hat Feldmann vor ein paar Jahren, als dessen zweite, saubere Karriere gerade begonnen hatte, einen Erpresser vom Hals geschafft und genau diese Geschichte hätte neben all den anderen Eskapaden auch Eingang in das Buch gefunden. Arthur hat das erwähnt. Es hätte mit Sicherheit einen Vorabdruck in einer großen Zeitung gegeben und Feldmann wäre weg vom Fenster gewesen.“
Wenn es stimmte, was Lydia Jaspersen uns da gerade sagte, dann bekam der Fall vielleicht eine völlig andere Wendung.
Der Haken war nur, dass es keine greifbaren Beweise für diese Theorie gab.
„Wer soll dieser Erpresser gewesen sein und wie hat Amadeo Felmy ihn zum Schweigen gebracht?“, fragte ich.
Lydia Jaspersen sah nervös auf die Uhr. „Ein bisschen Arbeit muss doch noch für Sie bleiben oder finden Sie nicht?“, gab sie etwas spöttisch zurück. „Arthur hat mir keine Einzelheiten gesagt, aber soweit ich mir das zusammenreimen kann, war es wohl eine Mischung aus Einschüchterung und Gewalt.“
Lydia erhob sich, nahm ihre Handtasche und steckt das gerollte Exemplar des Börsenblattes des DEutschen Buchhandels hinein. Ihre Mittagspause schien zu Ende zu sein. „Damit wir uns richtig verstehen: Ich will da nicht mit hineingezogen werden und falls Sie in der Agentur Krach schlagen...“
„Und dass wir uns ebenfalls richtig verstehen: Das wird sich wohl kaum vermeiden lassen, Frau Jaspersen!“, unterbrach ich sie.
Sie sah mich einen Augenblick lang an, während sich auf ihrer Stirn eine Falte bildete, die ihren Ärger eindrucksvoll dokumentierte. „Sie setzen meinen Cappuccino sicher auf Ihre Spesenrechnung, nicht wahr?“
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Rudi und ich genehmigten uns einen Bagel in einem Stehcafé und fuhren dann zurück zur Dienstelle.
Auf dem Flur trafen wir den Kollegen Karlheinz Brakowski. Er kam gerade aus Kriminaldirektor Hochs Büro und grüßte uns knapp. „Ich höre, dass Ihre Ermittlungen gute Fortschritte machen“, meinte er.
„Wie man's nimmt“, sagte ich. „Aber soweit ich weiß, spielt Ihre Abteilung in diesem Fall keine offizielle Rolle mehr.“
„Ganz so sehe ich das nicht“, erwiderte Brakowski. „Schließlich gehen die meisten Hinweise aus der Bevölkerung bei uns ein und nicht an das BKA.“
„Hinweise?“, echote ich.
Ich dachte nur: Schön, dass wir davon auch mal was erfahren.
Aber mit der Zusammenarbeit unterschiedlicher Polizeibehörden und -abteilungen ist das eben so eine Sache.
Es ist eher die Ausnahme, als die Regel, dass das einigermaßen funktioniert.
Brakowski sagte: “Natürlich ist das meiste nur unbrauchbare Wichtigtuerei und es bedeutet einen großen Aufwand, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber manchmal findet sich so ein entscheidender Hinweis.“ Er nickte auf eine fast militärisch-zackige Weise. „Sie entschuldigen mich jetzt.“
Als wir Augenblicke später Kriminaldirektor Hochs Büro betraten, war unser Chef gerade dabei zu telefonieren. Allerdings hatte er trotzdem „Herein!“ gesagt und machte uns mit einem Handzeichen deutlich, dass wir bleiben sollten.
Mir fiel das Bild einer sommersprossigen Frau auf, das auf dem Konferenztisch lag.
Kriminaldirektor Hoch beendete sein Telefongespräch.
Er sah uns an.
Streng wie immer.
So war er nunmal.
Eine Säule des Rechtsstaats eben.
„Setzen Sie sich“, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Die Zeichnung sehen Sie ja. Wir haben die junge Frau in die Fahndung gegeben. Walter sitzt gerade daran, einige äußere Merkmale mit den Daten von Verhafteten und Verdächtigen abzugleichen, die in irgendeinem Zusammenhang mit Talabani oder Abu-Khalil stehen. Aber das ist nicht so einfach.“
Talabani und Abu-Khalil - zwei libanesische Clans aus dem Wedding, deren Mitglieder ihre Finger tief in kriminellen Geschäften hatten. Beide hatten Felmys Memoiren zu fürchten. Und beide standen im Verdacht, den ‘Killer mit der Delle’ bereits in der Vergangenheit das eine oder andere Mal engagiert zu haben.
Leider ohne, dass man ihnen das gerichtssicher nachweisen konnte.
Leider.
Aber es gilt nun mal der Grundsatz ‘im Zweifel für den Angeklagten.’
„Vom Typ her sieht sie nicht gerade so aus, wie die Frauen, die Abu-Khalil ansonsten in den Clubs beschäftigt, die er kontrolliert“, meinte Rudi.
“Aber wir wissen aus sicher Quelle, dass sie erstens in verschiedenen Abu-Khalil-Clubs beschäftigt war und zweiten, dass sie Kontakt mit Malkowski hatte”, sagte Kriminaldirektor Hoch.
“Seine Informantin in der Szene”, vermutete ich.
“Und sie kannte Felmy!”, gan Herr Hoch zu bedenken. “Nur ist sie leider im Moment nicht auffindbar.”
„Sie müsste doch eigentlich zu finden sein! Denn dass da ein Zusammenhang vorhanden sein muss, steht für mich völlig außer Frage! Und was haben Sie Neues?“
Rudi fasste ihm kurz zusammen, was unsere Ermittlungen an neuen Anhaltspunkten erbracht hatten.
Unser Chef vergrub seine Hände in den Taschen seiner Flanellhose und machte ein ziemlich nachdenkliches Gesicht. „Wir wissen inzwischen, dass Amadeo Felmy mal für Muhammad Abu-Khalil gearbeitet und Johann Feldmann einen Erpresser vom Leib gehalten hat... Das ist wirklich interessant! Aber damit nimmt der Fall auch eine andere Dimension an.“
„Wegen Abu-Khalil – oder deswegen, weil ein Kandidat für den Bundestag darin verwickelt ist?“
„Wegen beidem! Aber um ehrlich zu sein, dachte ich in erster Linie an Feldmann. Ein kleiner Anwalt, der es nach oben geschafft hat, so stellt er sich gerne dar. Aber er hat exzellente Verbindungen.“
„Stimmt es, dass er früher Mafia-Verbindungen hatte und sich von seinen Unterwelt-Freunden mit Kokain und Call Girls versorgen ließ?“
„Gerichtsverwertbar war da wohl nichts. Aber angenommen, jemand könnte belegen, dass der Anwalt der kleinen Leute in Wahrheit von der Mafia ausgehalten wurde, dann wäre das sicher das Ende für seine politische Karriere.“
„Wir könnten ihn ja vielleicht einfach mal einen Besuch abstatten.“
„Nein, nicht in diesem Stadium der Ermittlungen!“, widersprach Kriminaldirektor Hoch. „Das würde zu viel Staub aufwirbeln. Ich schlage etwas anderes vor.“
Rudi und ich wechselten einen kurzen, überraschten Blick.
„Wie lautet Ihr Vorschlag?“, fragte Rudi.
„Lassen Sie mich etwas telefonieren. Wir werden ihn hier vernehmen.“
„Wie Sie meinen, Herr Hoch“, sagte ich. „Ach, eine Frage hätte ich da noch. Was wollte eigentlich Karlheinz Brakowski hier?“
„Ist es so ungewöhnlich, dass sich der stellvertretende Chef der Berliner Kripo mit dem Chef einer BKA-Abteilung trifft?“
„Nein – aber falls er Sie über den Fortgang der Ermittlungen in unserem Fall ausgefragt haben sollte, zeigt das ein ungewöhnlich großes Interesse, würde ich sagen.“
Kriminaldirektor Hoch lächelte mild. „Erstens lasse ich mich nicht ausfragen und zweitens haben Sie recht. Er hat nach dem Stand unserer Ermittlungen gefragt.“
“Und warum?”
Kriminaldirektor Hoch sah mich verwirrt an.
“Wieso nicht? Er unterstützt unsere Ermittlungen.”
“Tja, so kann man das natürlich auch sehen.”
“Sehen Sie das etwa anders?”, fragte Kriminaldirektor Hoch und dabei zeigte sich auf seiner Stirn ein ganz besonderes Stirnrunzeln. Ein Stirnrunzeln, dass sehr spezifisch war und das ich in dieser Form bisher noch bei keinem anderen Menschen bemerkt hatte.
Ihm war meine Skepsis gegenüber dem ach so interessierten Kollegen Karlheinz Brakowski nicht entgangen.
Hoch und ich kannten uns inzwischen eine halbe Ewigkeit.
So lange war er schon mein Vorgesetzter hier in Berlin.
Und das bedeutete, dass er mich ziemlich gut einzuschätzen vermochte.
Ich ihn umgekehrt allerdings auch, wenngleich sich mein Chef immer große Mühe gab, alles, was in seinem Inneren vor sich ging, möglichst vor der Außenwelt zu verbergen.
“Ich bin vielleicht etwas zu misstrauisch geworden”, sagte ich.
“Ja, vielleicht”, nickte Herr Hoch.
“Eine Art Berufskrankheit. Man beginnt, das Gras wachsen zu hören.”
“Solange Sie nur das Gras wachsen hören und nicht auch noch damit beginnen, weiße Mäuse zu sehen, habe ich dagegen nichts einzuwenden, Herr Kubinke.”
“Na, dann.”
“Halten Sie trotzdem Ihre Augen offen und folgen Sie Ihrem Instinkt.”
“Dazu brauchen Sie mich nicht extra auffordern.”
“Ich weiß.”
“Es ist einfach so: Besonderes Interesse muss einen besonderen Grund haben. So denke ich jedenfalls, Herr Hoch. Mein Instinkt sagt mir das. Und der irrt sich selten.”
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Zwei Stunden später saß Johann Feldmann in einem unserer Vernehmungsräume. Er war allerdings nicht allein gekommen, sondern hatte insgesamt drei Anwälte mitgebracht. Eigentlich war er ja selbst Anwalt und sicher versiert genug, um eine Zeugenvernehmung ohne Hilfe hinter sich zu bringen, ohne sich dabei irgendeine juristische Blöße zu geben. Dieser Anhang diente ganz offensichtlich dazu, uns von vorn herein einzuschüchtern.
Außer Feldmann, seinen Anwälten und Kriminaldirektor Hoch waren auch Rudi und ich bei dieser Vernehmung anwesend.
„Wir haben ein paar Fragen an Sie, die Amadeo Felmy betreffen, der vor kurzem ermordet wurde“, begann ich. „Sie werden sich vermutlich an ihn erinnern.“
„Ich möchte zunächst daran erinnern, dass ich freiwillig hier bin und dass ich mir vorbehalte, nichts von dem, was hier gesagt wurde, vor Gericht zu wiederholen“, erwiderte Feldmann.
„Sie werden als Zeuge vernommen – nicht als Beschuldigter, das ist richtig. Aber das entbindet Sie weder von der Pflicht, auszusagen, noch von der Pflicht zur Wahrheit. Sie dürfen schweigen, falls die Gefahr besteht, dass Sie sich selbst belasten. Aber das ist auch alles.“
“Gelaber, Gelaber!”
“Nein, das ist kein Gelaber.”
“Ach, nein?”
“Das sind die rechtlichen Grundlagen unseres Gesprächs.”
“Schön, dass Sie das jetzt nochmal zusammengefasst haben.”
“Dann schießen Sie los.”
„Ein informelles Gespräch – das ist alles, wozu ich mich bereit erklärt habe!“, beharrte Feldmann.
Kriminaldirektor Hoch nickte mir zu.
„Also, wie ist das mit Herrn Felmy?“, fragte ich.
„Er ist tatsächlich mal für mich tätig gewesen, das ist richtig. Aber das ist schon Jahre her.“
„Aus einer recht authentisch wirkenden Quelle haben wir erfahren, dass in dem Buch, das Felmy zusammen mit dem Reporter Arthur Malkowski geschrieben hat, auch ein Kapitel Ihnen gewidmet war.“
„So?“, fragte Johann Feldmann und sein Gesicht verzog sich. Er trug ein dunkles Jackett zu einem weißen Hemd und einer Krawatte.
„Unser Mandant verlangt, dass ihm, der Text des Buches vorgelegt wird, bevor er sich dazu äußert“, meldete sich einer der Anwälte zu Wort. Es handelte sich um einen kleinen, kompakt wirkenden Mann mit dünnem Haarkranz.
„Das ist uns leider nicht möglich“, musste ich gestehen.
„Dann dürfte dieses Gespräch beendet sein, denn wir haben in diesem Fall nichts mehr zu besprechen, wenn ich das richtig sehe.“
„Das sehen Sie falsch!“, schritt nun Kriminaldirektor Hoch ein. „Wir haben Ihre Verwicklung in den Felmy-Fall bisher mit größtmöglicher Diskretion behandelt. Falls Sie hier und jetzt für einen Eklat sorgen, wird das schon deshalb nicht unter der Decke gehalten werden können, weil wir dazu eine Erklärung herausgeben müssten...“ Kriminaldirektor Hoch, der bisher gestanden hatte, ging zum Tisch, stützte sich mit den Händen ab und beugte sich etwas vor, während sein Blick Feldmann fixierte. „Ich dachte, nach unserem Telefongespräch wäre klar gewesen, dass Sie in unser aller Interesse sich kooperativ verhalten wollten!“
Der Anwalt mit dem Haarkranz wollte gerade wieder das Wort ergreifen, da hob Feldmann eine Hand und bedeutete ihm damit zu schweigen.
„Schon gut, ich brauche Ihre Unterstützung im Moment nicht, Herr Wilder.“
Der Anwalt zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen, Herr Feldmann.“
Der Anwalt verdrehte die Augen.
Ich auch.
Manchmal geschehen eben Dinge parallel.
Ich fand das erheiternd. Mein Kollege Rudi auch.
Aber sowohl Herr Feldmann als auch sein Anwalt schienen einen anderen Begriff von Humor zu haben.
So ist das eben.
Jedem Tierchen sein Plaisirchen - oder auch nicht.
„Nächste Frage, bitte!“, murmelte Feldmann und lehnte sich dabei zurück. Die arrogante Lässigkeit, die er dabei zur Schau stellte, gefiel mir ganz und gar nicht. Er lockerte noch etwas den Hemdkragen. Offenbar wurde ihm die Situation im wahrsten Sinn des Wortes etwas zu heiß.
Er rang erstmal nach Luft.
Wie eine alte Dampflok schnaufte er.
„Amadeo Felmy wollte ein paar wenig schmeichelhafte Dinge über Sie schreiben“, sagte ich.
“Meine Güte, ich bin nicht aus Zucker!”
„Es ging um Drogen, Callgirls und dergleichen.“
“Ja, und?”
“Ja, wie wär’s denn, wenn Sie uns dazu mal was sagen!”, meinte ich.
Er sah mich an wie ein Auto.
Dann machte er plötzlich eine heftige, wegwerfende Handbewegung. Eine Bewegung, die wohl ausdrückte, dass er diese ganze Angelegenheit am liebsten mit einem Wisch zum Verschwinden gebracht hätte.
Aber so einfach war das nicht.
Die Vergangenheit holte ihn jetzt ein. Und das schmeckte ihm nicht. Das konnte ich sogar bis zu einem gewissen Grad verstehen.
„Das mit dem Kokain liegt lange zurück“, sagte Feldmann. „Ich war jung und habe viel gearbeitet. Da bin ich nicht der einzige, der mal eine Nase voll genommen hat – aber das ist vorbei! Ich bin los von dem Zeug! Meine Güte, ich spende eine Menge Geld für Drogenrehabilitationszentren und setze mich für die Drogenaufklärung an unseren Schulen ein, was wollen Sie mehr?“
„Und was ist mit den Call Girls?“, hakte Rudi nach.
“Prostitution ist doch in Deutschland legal.”
“Das schon.”
“Na, also! Wie hätte man mich dann damit erpressen können?”
“Ja, die Frage ist nur, ob die Wähler das auch so locker sehen.”
„Für das, was Sie sagen, gibt es keine Beweise!“, erklärte Feldmann. „Und sollte irgendjemand auch nur ein Wort in diese Richtung veröffentlichen, wird er ganz bestimmt in den nächsten Jahren jede freie Minute vor irgendeinem Gericht verbringen müssen!“
„Worum ging es denn dann bei der Erpressung, aus der Ihnen Felmy herausgeholfen hat?“
Diese Frage traf offenbar eine wirklich wunden Punkt bei ihm. Ich konnte das daran erkennen, wie sich sein Gesicht veränderte. Es wurde ganz starr und sein Blick schien mich in diesem Moment regelrecht zu durchbohren.
„Das alles ist lange her. Sehen Sie, ich habe Ihnen schon gesagt, ich war jung und kein Kind von Traurigkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine!“
„Vielleicht erklären Sie uns das etwas genauer!“
„Ich denke gar nicht daran!“
„Herr Feldmann, es geht uns darum, den Mörder von Amadeo Felmy und Arthur Malkowski dingfest zu machen! Wenn das Enthüllungsbuch, das die beiden geschrieben haben, ein Kapitel über Sie enthielt, dann ist darin sicherlich auch von dieser Erpressung berichtet worden. Niemand weiß, wer noch davon erfahren hat – und niemand garantiert Ihnen, ob nicht doch noch irgendwo eine Kopie der Manuskriptdatei aus der Versenkung auftaucht. Für jemanden in Ihrer Position ist das eine Zeitbombe und wenn Sie die noch entschärfen wollen, dann ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt, um reinen Tisch zu machen!“
Feldmann lächelte. „Sie brauchen sich um mich und meine Karriere keine Sorgen zu machen, Herr...“
„Kubinke“, erinnerte ich ihn an meinen Namen, der ihm zwar genannt worden war, den er sich aber nicht gemerkt hatte. Oder hatte merken wollen.
Ich bin da nicht nachtragend.
Er beugte sich wieder etwas vor, schien einen Moment nachzudenken und sagte dann: „Also gut, ich werde es Ihnen sagen, worum es ging. Ein Verrückter hat gedroht, meine damalige Freundin so zuzurichten, dass sie sich selbst nicht wiedererkennt, wenn ich ihm nicht eine bestimmte Summe zahle...“
„Und das hat Felmy für Sie geregelt?“, hakte Kriminaldirektor Hoch nach.
„Ja.“
„Und wie?“
„Ich habe ihn nicht gefragt. Ehrlich gesagt, wollte ich das so genau auch gar nicht wissen.“ Er machte eine Pause und fuhr schließlich doch noch fort. „Ich nehme an, Felmy hat ihn ordentlich verprügelt. Dafür war er damals bekannt. Aber davon abgesehen, hat er einige Informationen über den Kerl gesammelt, die ihn in den Knast gebracht hätten, weil er einiges an kriminellen Geschäften laufen hatte. Naja, und so hatte ich ihn der Hand. Er hat es nicht noch einmal versucht, sich mit mir anzulegen oder mein Geld zu bekommen!“
„Wie heißt dieser Mann?“
Feldmann wandt sich. „Hören Sie, ist das wirklich so wichtig?“
„Das müssen Sie schon uns überlassen“, meinte Kriminaldirektor Hoch.
Feldmann zögertet. Dann winkte er einen seiner Anwälte zu sich. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr. Feldmann nickte anschließend. „Also gut, der Kerl hieß Norbert Barettko. Ein Junkie, der auf ein halbes Dutzend Drogen auf einmal stand und nicht genug davon kriegen konnte. Aber ich sehe nicht, wie Ihnen das weiterhilft, Amadeo Felmys Mörder zu finden!“
„Wir müssen einfach so viel wie möglich über jeden herausfinden, der ein Motiv haben könnte, Felmys Buch verhindern zu wollen. Die Datei ist verschwunden, das Laptop von Arthur Malkowski ebenfalls und daher nehmen wir an, dass das das eigentliche Ziel der beiden Morde war.“
„Und da denken Sie an so einen Junkie wie Norbert Barettko? Ich bitte Sie! Der liegt wahrscheinlich in irgendeiner Gosse und erwacht erst wieder zum Leben, wenn er sich die nächste Ladung Crack einschieben kann!“
„Wir dachten nicht an Barettko“, erwiderte ich kühl. „Sondern an Sie.“
„Schluss jetzt!“, fuhr erneut der Anwalt mit dem Haarkranz dazwischen. „Herr Feldmann hat nichts mehr zu sagen. Meine Herrschaften... Guten Tag!“
„Sie haben ein Motiv, Herr Feldmann“, fuhr ich unbeirrt fort. „Das können Sie nicht leugnen. Und wir würden Sie gerne von der Liste streichen, wenn die Fakten das hergeben! Aber dazu müssen Sie mit uns zusammenarbeiten.“
„Herr Feldmann, davon kann ich Ihnen aus juristischer Sicht nur abraten“, schaltete sich nochmals der Anwalt ein. Aber Feldmann machte eine wegwerfende Handbewegung. „Schon gut!“ Er wandte seine gesamte Aufmerksamkeit jetzt mir zu. „Was wollen Sie noch wissen, Herr Kubinke? Ich nehme an, wenn ich Ihnen für jeden beliebigen Zeitpunkt der letzten Wochen ein Alibi liefern kann, wird Sie das kaum zufriedenstellen, weil Sie ja vermuten, dass ich einen Killer beauftragt haben soll!“
„Waren Sie jemals in einem Lokal namens MAMMA MIA!!!, das einem gewissen Firat Amri gehört?“
“Was soll das sein? Eine Pizzeria, die einem Türken oder Araber gehört?” Er zuckte mit den Schultern. “Warum eigentlich nicht? Ich kenne auch eine Döner-Bude, deren Betreiber in Wahrheit Italiener ist...”
“Sie weichen aus!”
“Ach kommen Sie!”
“Beantworten Sie meine Frage: Waren Sie schonmal in diesem Lokal?”
„Ich glaube nicht. Ich esse fast nur auswärts, seit ich in der Politik etwas zu bewegen versuche. Glauben Sie, da kann ich mir jedes Lokal merken, in dem ich so tun muss, als würde es mir schmecken?“
„MAMMA MIA!!! mit drei Ausrufungszeichen.“
„Dann lautet die Antwort nein, denn etwas so Bescheuertes wäre mir im Gedächtnis geblieben.“
„Kannten Sie Jimmy Talabani?“
“Der ist jetzt auch tot, oder?”
“Ja.”
“Na, sowas!”
“Also - kannten Sie ihn?”
“Ich habe von ihm gehört. Aber haben viele. Der Talabani-Clan ist ja durchaus bekannt.”
“Weiter!”
Er atmete tief durch und lehnte sich zurück. „Fangen Sie jetzt wieder mit den alten Geschichten an?“
„Ja oder nein?“
„Sagen wir: Ich kannte ihn flüchtig. Es gab da mal einen Club, in den ich früher öfter gegangen bin. Ich glaube, ich habe mal einen von Talabanis Angestellten vor Gericht vertreten, weil ein betrunkener Gast sich beschwert hat, dass er zu grob angefasst wurde. Aber das ist wirklich schon lange her.“
„Haben Sie Amadeo Felmy in diesem Club kennen gelernt?“
„Nein, wie kommen Sie darauf? Der ist mir empfohlen worden als jemand, der diskret arbeitet. War wohl ein Irrtum, wie sich später herausgestellt hat. Aber ich nehme an, dass dieser Reporter ihm den Floh mit dem Buch ins Ohr gesetzt hat. Und wahrscheinlich brauchte Felmy auch Geld...“
„Sie scheinen die Sache mit dem Buch ja doch sehr intensiv verfolgt zu haben“, stellte Rudi klar.
„Hören Sie, ich hatte keine Ahnung, dass er auch über mich schreiben wollte! Ich dachte, es ginge da eher um die Prominenten, die er zeitweilig begleitete.“
„Sie sind inzwischen auch ein Prominenter“, gab Rudi zu bedenken.
„Tut mit leid, mehr kann ich dazu nicht sagen.“
„War es zufällig Muhammad Abu-Khalil, der Ihnen Felmys Dienste vermittelt hat?“
„Ja, der war es!“, gab Feldmann genervt zu und lockerte die Krawatte gleich noch etwas mehr.
„Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Abu-Khalil?“, hakte ich nach.
„Jahre her. Das muss gewesen sein, als dieser Talabani umgebracht wurde und es erst so schien, als würde nun die Justiz vielleicht gegen den Abu-Khalil-Clan ermitteln. Muhammad hat mich gefragt, ob ich ihn vertreten würde, aber ehrlich gesagt hatte ich damals schon andere Pläne und habe das abgelehnt. Seitdem sind wir uns nicht mehr begegnet.“
“Schön, dass Sie sich plötzlich wieder erinnern können!”, sagte ich.
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RUSSIAN SHOP stand auf dem Lieferwagen. Darunter die russische Version in kyrillischen Buchstaben. Letztere war nicht ganz fehlerfrei, weil der Lackierer keine Ahnung von diesen Schriftzeichen gehabt hatte, aber dafür hatte er einen Sonderpreis gemacht.
Alex Jermakov fuhr auf einen Parkplatz an der Autobahn ein paar Kilometer nördlich von Oranienburg.
Jermakov hielt und stellte den Motor ab. Es war niemand hier. Er sah auf die Uhr, stieg aus und ging ein paar Schritte auf und ab.
Wenig später bog ein Van vom Highway ab. Er hatte getönte Scheiben. Man konnte nicht in den hinteren Teil des Wagens sehen, nur die Scheiben der eigentlichen Fahrerkabine waren von normaler Durchsicht.
Am Steuer saß eine Frau mit roten Haaren.
Na endlich!, dachte Jermakov.
Der Van hielt. Die hintere Tür öffnete sich selbsttätig.
„Ich habe gesagt, dass ihr pünktlich sein sollt!“, ätzte Alex Jermakov. „Wisst ihr was, eigentlich hätte ich meinen Preis pro Minute, die ich hier schon herumstehe, erhöhen sollen. Sagen wir um...“
„Die Video-Aufzeichnung!“, verlangte eine krächzende, heisere Stimme.
„Erst das Geld!“, verlangte Jermakov.
Ein braunes Kuvert wurde Jermakov aus dem Inneren des Vans entgegen geworfen. Jermakov fing es sicher auf und öffnete es. Er zählte die Geldscheine, die darin enthalten waren.
„Jetzt du!“, forderte die Stimme.
Jermakov blickte auf und steckte das Geld dann weg. „Ich betrachte das als erste Rate!“, grinste Jermakov. „Ich nehme an, dass das der Beginn einer längerfristigen Zusammenarbeit ist.“
„So was in der Art hatte ich schon befürchtet!“, wisperte es aus dem Van heraus.
Jermakovs Gesicht erstarrte zu einer Maske des Schreckens. Aus dem Innern des Vans zuckte Mündungsfeuer aus einem Schalldämpfer hervor. Zweimal machte es kurz hintereinander plop. Alex Jermakovs Körper zuckte wie unter Schlägen. Einen Augenblick stand er wie erstarrt da. Seine Hand steckte in der Seitentasche des verwaschenen Field Jacketts, das er trug. Offenbar hatte er noch eine Waffe daraus hervorreißen wollen. Ein Schuss löste sich, als Jermakovs Hand sich im Augenblick seines Todes um den Griff seines kurzläufigen Revolvers krampfte. Der Schuss ging durch den Jackenstoff hindurch und fuhr zwei Handbreit vor der Tür des Vans in den Betonboden des Parkplatzes.
Dann brach Jermakov zusammen und schlug der Länge nach zu Boden. Ein dumpfes Geräusch entstand dabei. Der Mann im Wagen stieg aus. Er trug eine Lederjacke mit der Aufschrift NOVA STAR an der Schulter. Darunter war ein weißer Stern zu sehen. Der Mann schraubte den Schalldämpfer von der Waffe herunter und steckte anschließend beides ein. Dann nahm er das Geld wieder an sich.
„Mach schon, wir müssen hier weg!“, rief die Rothaarige am Steuer.
„Einen Moment noch!“, murmelte der Mann mit der Lederjacke. Dann zog er sich Latexhandschuhe über und kniete neben dem Toten nieder. „Ich bin gleich fertig!“, versprach er.
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Rudi und ich waren bereits auf dem Weg in den Feierabend. Wir überlegten, ob wir noch irgendwo eine Kleinigkeit essen gehen sollten, aber irgendwie hatte keiner von uns so richtig Appetit.
„Die Vernehmung von Feldmann war ja wohl ein Schlag ins Wasser“, meinte Rudi.
„Wieso? Wir wissen jetzt, dass es zwischen Feldmann, Abu-Khalil und Talabani einen Zusammenhang gibt. Und er hatte ein sehr starkes Motiv, um Amadeo Felmy und Arthur Malkowski umzubringen beziehungsweise umbringen zu lassen.“
„Es wird so gut wie unmöglich sein, ihm das nachzuweisen, Harry. Und selbst wenn es uns wider Erwarten gelingen sollte, den Lohnkiller zu finden, der damit beauftragt wurde, sehe ich in diesem Punkt, schwarz.“
„Wenn dieser Lohnkiller bereit ist, eine Aussage zu machen, wandert Feldmann ins Gefängnis, anstatt eine Karriere als Abgeordneter zu beginnen!“
Ein Anruf aus dem Field Office erreichte uns. Unser Kollege Walter Stein war am Apparat.
„Ein gewisser Alex Jermakov ist erschossen auf einem Parkplatz nördlich von Oranienburg gefunden worden“, erklärte er uns. „Kalle und Hansi sind bereits am Fundort der Leiche. Aber es müsste dringend jemand zu Jermakovs Geschäft fahren! Dort hat sich offenbar ein Brandanschlag ereignet...“
„Wir sind schon unterwegs!“, versprach ich.
Ich trat das Gaspedal durch und schaltete die Sirene an. Bei der nächsten Gelegenheit bog ich ab.
„Was hältst du davon, Harry?“, fragte Rudi.
„Mir kam es gleich seltsam vor, dass der Kerl von der Snack Bar sich an die Rothaarige erinnern konnte, während Alex Jermakov angeblich nichts aufgefallen war!“
„Du meinst, er hat jemanden erkannt?“
„Entweder das – oder es gab doch eine Kamera im RUSSIAN SHOP, auf dem irgend jemand sehr gut getroffen wurde.“
„Warten wir es ab, Harry, auf welche Weise Jermakov in der Sache mit drinhängt.“
Als wir den RUSSIAN Shop erreichten, standen bereits mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei und der Feuerwehr vor dem offenbar ausgebrannten Gebäude. Eine schwarze Rauchsäule drängte aus einem der zerborstenen Fenster heraus.
Wir parkten den Wagen in einiger Entfernung, denn die Feuerwehr hatte alles weiträumig abgesperrt, um den Einsatzfahrzeugen freien Zugang zu ermöglichen.
Wir trafen auf Polizeihauptkommissarin Charlotte Döxter, deren Polizeirevier hier den Großteil der Einsatzkräfte stellte.
Mit Gasmasken ausgerüstete Männer der Feuerwehr versuchten unterdessen ins Innere des Gebäudes einzudringen.
„Was ist hier passiert, Kollegin?“, wandte ich mich an Charlotte Döxter.
„Wissen wir noch nicht genau. Die Kollegen der Feuerwehr sind sich sicher, dass Brandstiftung vorliegt. Angeblich soll durch ein schwer einsehbares Fenster, das zum Hinterhof ausgerichtet ist, eine Scheibe eingeschlagen worden ist und ein Brandsatz ins Gebäude geworfen sei.“
„Hat jemand den oder die Täter beobachten können?“
„Leider nein. Und der Besitzer des Ladens, ein gewisser Herr Alex Jermakov, konnte bisher auch noch nicht ausfindig gemacht werden.“
„Doch, das konnte er“, korrigierte ich. „Man hat ihn auf einem Parkplatz bei Oranienburg gefunden – mit einer Reihe von Kugeln im Leib.“
„Wieso sind wir darüber noch nicht informiert worden?“, wunderte sich Charlotte Döxter. Sie schien ziemlich ärgerlich darüber zu sein. „Ich möchte klarstellen, dass diesmal die Panne im Informationsfluss nicht bei uns passiert ist!“
„Ist gut möglich, dass der schwarze Peter diesmal irgendwo in unseren Reihen zu finden ist“, gab ich zu, was Lieutenant Döxter etwas besänftigte. „War schon jemand von Ihren Leuten in Jermakovs Privatwohnung?“
„Ja. Er wohnt eine Straße weiter und in dem Apartment sieht es ziemlich chaotisch aus. Die Tür stand offen, alles war verwüstet.“
„Ein Einbruch?“
„Ja, daran besteht kein Zweifel. Meine Kollegen haben die Wohnung vorerst versiegelt. Einer meiner Leute wird Sie begleiten.“
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Der Polizeimeister, der uns zu Jermakovs Wohnung brachte, hieß Brücker. Während wir gingen, telefonierte ich kurz mit Walter Stein und bat darum, dass man uns ein Team von Erkennungsdienstlern schickte. Das ganze Sache sah danach aus, dass hier um jeden Preis Beweise vernichtet werden sollten. Was den RUSSIAN SHOP anging, war zumindest dieser Zweck des Anschlags wahrscheinlich erfolgreich erfüllt worden.
Alex Jermakovs Wohnung hatte außer Küche und Bad noch zwei Zimmer, einer diente als Schlafzimmer, der andere war das Wohnzimmer. Überall herrschte ein unbeschreibliches Chaos, so als wäre alles durchwühlt worden.
„Fragen Sie mich nicht, wonach hier gesucht wurde“, meinte der Polizeimeister.
Ich zog mir Latexhandschuhe über. Der Anrufbeantworter blinkte. Vor einer halben Stunde hatte jemand hier angerufen – offenbar erst nachdem unbekannte Täter Jermakovs Wohnung verwüstet hatten. Jedenfalls hatte ich keinen Anlass zu vermuten, dass die Uhrzeitangabe des Gerätes nicht korrekt war. Ich lud die Anrufliste ins Menue, sodass sie in dem kleinen Display angezeigt wurde. Insgesamt dreimal war von derselben Nummer angerufen worden, jeweils im Abstand von fünf Minuten.
Ich drückte eine Taste und hörte die hinterlassenen Nachrichten ab.
„Alex, nimm endlich ab!“, sagte eine genervt klingende weibliche Stimme.
„Alex, verstehst du eigentlich nur Russisch oder was ist los? Wieso meldest du dich nicht?“, lautete die zweite Nachricht.
Die dritte bestand nur noch aus einem resigniert klingenden Seufzen.
„Sollten wir zurückrufen?“, fragte Rudi.
„Besser nicht“, meinte ich.
„Wieso?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Nenn es Instinkt, aber es könnte sein, dass wir die unbekannte Frau eher verscheuchen würden!“
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Die Adresse der Anruferin war mit Hilfe unserer Kollegen im Präsidium schnell herausgefunden.
Die Nummer gehörte zu einem Festnetzanschluss, der einer gewissen Chantal Meharis gehörte. Sie wohnte nur ein paar Blocks entfernt. Rudi und ich gingen das kurze Stück zu Fuß, denn rund um den RUSSIAN SHOP waren aufgrund der Löscharbeiten auch ein paar Nebenstraßen von der Polizei abgesperrt worden oder ohnehin durch Fahrzeuge blockiert, sodass das die schnellste Variante war.
Überwachungsanlagen oder einen Sicherheitsdienst gab es in diesem Haus nicht. Es wirkte sehr heruntergekommen. An den Wänden im Treppenhaus waren Graffiti zu sehen, die zum Teil bereits mit obszönen Sprüchen überschrieben waren.
Der Aufzug war defekt. Die Wohnung von Chantal Meharis befand sich im siebten Stock und so blieb uns nichts anderes übrig, als das Treppenhaus zu nehmen.
Schließlich standen wir vor ihrer Wohnungstür.
Ich betätigte die Klingel. Es gab zunächst keine Reaktion. Niemand öffnete, aber auf der anderen Seite der Wohnungstür war für einen kurzen Moment etwas zu hören. Ich glaubte, dass es Schritte waren. Irgendetwas fiel zu Boden. Dann herrschte Totenstille.
Ich drückte noch einmal den Klingelknopf.
Nichts.
„Frau Meharis?“, fragte ich. „Sind Sie zu Hause? Mein Name ist...“
Weiter kaum ich nicht, dann donnerte der erste Schuss aus der Wohnung heraus. Es war ein großes Kaliber. Der Schuss krachte durch die Tür, riss dabei ein Loch von der doppelten Größe einer Männerfaust in das Holz der Tür und zog anschließend seine Bahn genau zwischen Rudi und mir hindurch. Irgendwo in der Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Flures blieb das Projektil stecken.
Rudi und ich schnellten zur Seite – Rudi nach rechts und ich nach links.
„Verschwindet, ihr Scheiß-Kerle!“, rief eine helle Frauenstimme, worauf eine Folge von vier weiteren Schüssen durch die Tür schlug.
Rudi und ich hatten inzwischen beide unsere Dienstwaffen in den Händen.
Wir warteten zunächst einmal ab.
„Hier spricht das BKA!“, rief ich dann. „Sie haben keine Chance, die Wohnung zu verlassen! Legen Sie die Waffe nieder.“
„Bist du dir sicher, dass es keine Feuerleiter auf dieser Seite des Gebäudes gibt?“, flüsterte Rudi in meine Richtung.
„Nein!“, wisperte ich zurück.
Augenblicke lang hörten wir nichts.
„Frau Meharis!“, rief ich. „Geben Sie auf, wenn Sie nicht wollen, dass das in einem Blutbad endet!“
Zunächst kam keine Antwort.
Rudi sah mich an und schüttelte den Kopf. Er griff zum Handy, um Verstärkung anzufordern und dafür zu sorgen, dass Chantal Meharis tatsächlich nicht auf die Idee kam, über Fenster und Balkon doch noch die Wohnung zu verlassen.
„Sind Sie wirklich vom BKA?“, fragte jetzt die Stimme.
Ich hörte ein Geräusch, das so klang, als ob jemand ein Magazin nachlud. Manchmal hat man nur einen Sekundenbruchteil, um die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn mich mein Instinkt nicht getrogen hatte, dann war dies einer der wenigen Momente, in denen wir das Blatt schnell wenden konnten. Kurz entschlossen trat ich die Tür ein, ließ sie zur Seite springen und stand mit der Pistole in der Faust da. Der Lauf der Waffe war auf eine junge Frau gerichtet, die gerade damit beschäftigt war, eine Patrone in die Trommel eines Revolvers zu stecken. Sie erstarrte mitten in der Bewegung und starrte geradewegs in den Lauf meiner Waffe.
„Weg damit!“, verlangte ich.
Für einen Moment rührte sie sich nicht.
Ich schätzte sie auf Ende zwanzig. Ihr Haar war schulterlang und brünett. Eine Strähne hing ihr quer über das Gesicht. Die Augen waren weit aufgerissen und sie zitterte leicht. Sie schien große Angst zu haben.
Dann ließ sie endlich ihre Waffe sinken und legte sie vorsichtig auf den Boden.
Ich näherte mich ihr.
Rudi kam jetzt auch in den Raum. Im nächsten Moment legte er der Frau Handschellen an und nahm ihre Waffe an sich.
Wir führten Chantal Meharis ins Wohnzimmer.
Rudi klärte sie über ihre Rechte auf und erklärte ihr, dass sie verhaftet sei. Ganz gleich, was sich noch herausstellen würde – eine Anklage wegen eines bewaffneten Angriffs auf zwei BKA-Kommissare kam auf jeden Fall auf sie zu. Vermutlich zusätzlich eine Anklage wegen unerlaubten Waffenbesitzes.
Ich telefonierte kurz mit den Kollegen, damit jemand kam, der sie abholte.
„Ich wusste nicht, dass Sie BKA-Beamte sind“, sagte sie. „Es tut mir leid, es war nicht meine Absicht, auf Sie zu schießen.“
„Für wen haben Sie uns denn gehalten?“
„Für...“ Sie sprach zunächst nicht weiter.
„Hat Alex Jermakov Sie vor jemandem gewarnt? Und wie kommen Sie auf die Idee, dass diese Leute nicht nur Ihren Freund, sondern auch Sie jagen sollten?“
Sie schluckte.
„Vielleicht sollte ich jetzt einen Anwalt verständigen.“
„Nein, Sie sollten einfach mit der Wahrheit herausrücken, damit Sie nicht auch mit ein paar Kugeln im Körper auf einem Parkplatz aufgefunden werden, wie Alex Jermakov!“
„Was?“, flüsterte sie.
Ihr Gesicht war jetzt bleich wie die Wand.
„Ich weiß noch nicht genau, was das genau für ein Spiel ist, auf das Sie beide sich da eingelassen haben, aber spätestens jetzt sollten Sie erkannt haben, dass es zu groß für Sie ist!“, meinte ich.
Sie schluckte. „Ich habe es geahnt...“, murmelte sie. „Ich habe es geahnt, verdammt!“ Tränen rannen ihr das Gesicht. Dann fasste sie sich. „Machen Sie mich los!“, verlangte sie.
„Das ist gegen die Vorschriften“, erklärte ich ihr.
„Ich will Ihnen zeigen, worum es hier geht! Wenn Alex tot ist, kann es auch niemandem mehr schaden.“
„Es gibt sehr wohl eine Überwachungskamera in Alex' Laden, nicht wahr?“, stellte ich fest.
Sie nickte. „Die Dinger sind so klein, dass man sie nicht sieht.“
„Und nachdem Ihr Freund begriffen hat, dass der Van mit der rothaarigen Frau, der vermutlich darauf zu sehen ist, etwas mit dem Mord im MAMMA MIA!!! zu tun hat, hat er versucht, dieses Wissen zu Geld zu machen.“
„Wie gesagt, machen Sie mich los, dann zeige ich es Ihnen.“
Ich wechselte kurz einen Blick mit Rudi. Mein Kollege nickte.
„Okay, Harry!“
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Chantal Meharis führte uns in einen Nebenraum. Dort lag auf einem niedrigen Schreibtisch ein Notebook.
„Einen Augenblick!“, sagte Chantal Meharis während sie das Gerät hochfuhr. „Alex hat mir eine Kopie der Daten übergeben, die ich dann auf eine virtuelle Festplatte im Internet hochgeladen habe. Das war sozusagen unsere Lebensversicherung. Aber wie man sieht, hat sie nicht funktioniert.“