Nettoeinkommen des Barunterhalts- |
Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB) |
Prozentsatz |
Bedarfskontroll- betrag (Anm. 6) |
||||
0–5 |
6–11 |
12–17 |
ab 18 |
||||
Alle Beträge in Euro |
|||||||
1. |
bis 1. 500 |
317 |
364 |
426 |
488 |
100 |
800/1.000 |
2. |
1.501–1.900 |
333 |
383 |
448 |
513 |
105 |
1.100 |
3. |
1.901–2.300 |
349 |
401 |
469 |
537 |
110 |
1.200 |
4. |
2.301–2.700 |
365 |
419 |
490 |
562 |
115 |
1.300 |
5. |
2.701–3.100 |
381 |
437 |
512 |
586 |
120 |
1.400 |
6. |
3.101–3.500 |
406 |
466 |
546 |
625 |
128 |
1.500 |
7. |
3.501–3.900 |
432 |
496 |
580 |
664 |
136 |
1.600 |
8. |
3.901–4.300 |
457 |
525 |
614 |
703 |
144 |
1.700 |
9. |
4.301–4.700 |
482 |
554 |
648 |
742 |
152 |
1.800 |
10. |
4.701–5.100 |
508 |
583 |
682 |
781 |
160 |
1.900 |
ab 5.101 nach den Umständen des Falles |
292 Anmerkungen:
1. Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar. Sie weist den monatlichen Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte, ohne Rücksicht auf den Rang. Der Bedarf ist nicht identisch mit dem Zahlbetrag; dieser ergibt sich unter Berücksichtigung der nachfolgenden Anmerkungen.
Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein. Anmerkung 6 ist zu beachten. Zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs aller Beteiligten – einschließlich des Ehegatten – ist gegebenenfalls eine Herabstufung bis in die unterste Tabellengruppe vorzunehmen. Reicht das verfügbare Einkommen auch dann nicht aus, setzt sich der Vorrang der Kinder im Sinne von Anm. 5 Abs. 1 durch. Gegebenenfalls erfolgt zwischen den erstrangigen Unterhaltsberechtigten eine Mangelberechnung nach Abschnitt C.
2. Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe entsprechen dem Mindestbedarf in Euro gemäß § 1612a BGB. Der Prozentsatz drückt die Steigerung des Richtsatzes der jeweiligen Einkommensgruppe gegenüber dem Mindestbedarf (= 1. Einkommensgruppe) aus. Die durch Multiplikation des gerundeten Mindestbedarfs mit dem Prozentsatz errechneten Beträge sind entsprechend § 1612a Abs. 2 S. 2 BGB aufgerundet.
3. Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind vom Einkommen abzuziehen, wobei bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens – mindestens 50 EUR, bei geringfügiger Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 EUR monatlich – geschätzt werden kann. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen die Pauschale, sind sie insgesamt nachzuweisen.
4. Berücksichtigungsfähige Schulden sind in der Regel vom Einkommen abzuziehen.
5. Der notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt)
– gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern,
293– gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden,
beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 800 EUR, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1.000 EUR. Hierin sind bis 360 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt kann angemessen erhöht werden, wenn dieser Betrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist.
Der angemessene Eigenbedarf, insbesondere gegenüber anderen volljährigen Kindern, beträgt in der Regel mindestens monatlich 1.200 EUR. Darin ist eine Warmmiete bis 450 EUR enthalten.
6. Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.
7. Bei volljährigen Kindern, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, bemisst sich der Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Tabelle.
Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, beträgt in der Regel monatlich 670 EUR. Hierin sind bis 280 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Dieser Bedarfssatz kann auch für ein Kind mit eigenem Haushalt angesetzt werden.
8. Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist vor ihrer Anrechnung in der Regel um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 90 EUR zu kürzen.
2949. In den Bedarfsbeträgen (Anmerkungen 1 und 7) sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren nicht enthalten.
10. Das auf das jeweilige Kind entfallende Kindergeld ist nach § 1612b BGB auf den Tabellenunterhalt (Bedarf) anzurechnen.
I. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des berechtigten Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder (§§ 1361, 1569, 1578, 1581 BGB):
1. |
gegen einen erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen: |
||
a) |
wenn der Berechtigte kein Einkommen hat: |
3/7 des anrechenbaren Erwerbseinkommens zuzüglich 1/2 der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Pflichtigen, nach oben begrenzt durch den vollen Unterhalt, gemessen an den zu berücksichtigenden ehelichen Verhältnissen; |
|
b) |
wenn der Berechtigte ebenfalls Einkommen hat: |
3/7 der Differenz zwischen den anrechenbaren Erwerbseinkommen der Ehegatten, insgesamt begrenzt durch den vollen ehelichen Bedarf; für sonstige anrechenbare Einkünfte gilt der Halbteilungsgrundsatz; |
|
c) |
wenn der Berechtigte erwerbstätig ist, obwohl ihn keine Erwerbsobliegenheit trifft: |
gemäß § 1577 Abs. 2 BGB; |
|
2. |
gegen einen nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen (z.B. Rentner): |
wie zu 1a, b oder c, jedoch 50 %. |
II. Fortgeltung früheren Rechts:
1. |
Monatliche Unterhaltsrichtsätze des nach dem Ehegesetz berechtigten Ehegatten ohne unterhaltsberechtigte Kinder:295 |
||
a) |
§§ 58, 59 EheG: |
in der Regel wie I, |
|
b) |
§ 60 EheG: |
in der Regel 1/2 des Unterhalts zu I, |
|
c) |
§ 61 EheG: |
nach Billigkeit bis zu den Sätzen I. |
|
2. |
Bei Ehegatten, die vor dem 3. 10. 1990 in der früheren DDR geschieden worden sind, ist das DDR-FGB in Verbindung mit dem Einigungsvertrag zu berücksichtigen (Art. 234 § 5 EGBGB). |
III. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des berechtigten Ehegatten, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse durch Unterhaltspflichten gegenüber Kindern geprägt werden:
Wie zu I bzw. II 1, jedoch wird grundsätzlich der Kindesunterhalt (Zahlbetrag; vgl. Anm. C und Anhang) vorab vom Nettoeinkommen abgezogen.
IV. Monatlicher Eigenbedarf (Selbstbehalt) gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen Berechtigten:
unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig |
1.100 EUR |
Hierin sind bis 400 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
V. Existenzminimum des unterhaltsberechtigten Ehegatten einschließlich des trennungsbedingten Mehrbedarfs in der Regel:
1. |
falls erwerbstätig: |
1.000 EUR |
2. |
falls nicht erwerbstätig: |
800 EUR |
VI.
1. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig:
a) |
gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten |
1.100 EUR |
b) |
gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern |
1.200 EUR |
c) |
gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen |
1.600 EUR |
2962. Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des Ehegatten, der in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebt, unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig:
a) |
gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten |
880 EUR |
b) |
gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern |
960 EUR |
c) |
gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen |
1.280 EUR |
(vergl. Anm. D I) |
Anmerkung zu I–III:
Hinsichtlich berufsbedingter Aufwendungen und berücksichtigungsfähiger Schulden gelten Anmerkungen A. 3 und 4 – auch für den erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten – entsprechend. Diejenigen berufsbedingten Aufwendungen, die sich nicht nach objektiven Merkmalen eindeutig von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen, sind pauschal im Erwerbstätigenbonus von 1/7 enthalten.
Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sog. Mangelfälle), ist die nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.
Der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt entspricht dem Zahlbetrag des Unterhaltspflichtigen. Dies ist der nach Anrechnung des Kindergeldes oder von Einkünften auf den Unterhaltsbedarf verbleibende Restbedarf.
Beispiel: Bereinigtes Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen (M): 1.350 EUR. Unterhalt für drei unterhaltsberechtigte Kinder im Alter von 18 Jahren (K1), 7 Jahren (K2) und 5 Jahren (K3), Schüler, die bei der nicht unterhaltsberechtigten, den Kindern nicht barunterhaltspflichtigen 297Ehefrau und Mutter (F) leben. F bezieht das Kindergeld.
Notwendiger Eigenbedarf des M: |
1.000 EUR |
|
Verteilungsmasse: |
1.350 EUR – 1.000 EUR = |
350 EUR |
Summe der Einsatzbeträge der Unterhaltsberechtigten: |
||
304 EUR (488 – 184) (K 1) + 272 EUR (364 – 92) |
798 EUR |
|
Unterhalt: |
||
K 1: |
304 × 350: 798 = |
133,33 EUR |
K 2: |
272 × 350: 798 = |
119,30 EUR |
K 3: |
222 × 350: 798 = |
97,37 EUR |
I. Angemessener Selbstbehalt gegenüber den Eltern: mindestens monatlich 1.600 EUR (einschließlich 450 EUR Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens, bei Vorteilen des Zusammenlebens in der Regel 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens. Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1.280 EUR (einschließlich 350 EUR Warmmiete).
II. Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes (§ 1615 l BGB): nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils, in der Regel mindestens 800 EUR.
Angemessener Selbstbehalt gegenüber der Mutter und dem Vater eines nichtehelichen Kindes (§§ 1615 l, 1603 Abs. 1 BGB): unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig: 1.100 EUR.
Hierin sind bis 400 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
Umrechnung dynamischer Titel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3 EGZPO: Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 1. 1. 2008). Dieser ist für die jeweils maßgebliche Altersstufe gesondert zu bestimmen und auf eine Stelle nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Prozentsatz wird auf der Grundlage der zum 1. 1. 2008 bestehenden Verhältnisse einmalig berechnet und bleibt auch bei späterem Wechsel in eine andere Altersstufe unverändert (BGH Urteil vom 18. 4. 12 – XII ZR 66/10 – FamRZ 2012, 1048). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist auf volle Euro aufzurunden (§ 1612a Abs. 2 S. 2 BGB). Der Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:
Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes (für das 1. bis 3. Kind 77 EUR, ab dem 4. Kind 89,50 EUR) oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3a EGZPO).
(Bisheriger Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) × 100 : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu
Beispiel für 1. Altersstufe
(196 EUR + 77 EUR) × 100 : 279 EUR = 97,8 %
279 EUR × 97,8 % = 272,86 EUR, aufgerundet 273 EUR
Zahlbetrag: 273 EUR ./. 77 EUR = 196 EUR
Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3b EGZPO).
(Bisheriger Zahlbetrag – 1/2 Kindergeld) × 100 : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu
299 Beispiel für 1. Altersstufe
(273 EUR – 77 EUR) × 100 : 279 EUR = 70,2%
279 EUR × 70,2 % = 195,85 EUR, aufgerundet 196 EUR
Zahlbetrag: 196 EUR + 77 EUR = 273 EUR
Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3c EGZPO).
(Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld) × 100 : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu
Beispiel für 2. Altersstufe
(177 EUR + 154 EUR) × 100 : 322 EUR = 102,7 %
322 EUR × 102,7 % = 330,69 EUR, aufgerundet 331 EUR
Zahlbetrag: 331 EUR ./. 154 EUR = 177 EUR
Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des Kindergeldes vor (§ 36 Nr. 3d EGZPO).
(Zahlbetrag + 1/2 Kindergeld) × 100 : Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe = Prozentsatz neu
Beispiel für 3. Altersstufe
(329 EUR + 77 EUR) × 100 : 365 EUR = 111,2 %
365 EUR × 111,2 % = 405,88 EUR, aufgerundet 406 EUR
Zahlbetrag: 406 EUR ./. 77 EUR = 329 EUR
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. und 2. Kind beträgt das Kindergeld derzeit 184 EUR, für das 3. Kind 190 EUR, ab dem 4. Kind 215 EUR.
1. und 2. Kind |
0 –5 |
6–11 |
12–17 |
Ab 18 |
% |
|||
1. |
bis |
1.500 |
225 |
272 |
334 |
304 |
100 |
|
2. |
1.501 |
– |
1.900 |
241 |
291 |
356 |
329 |
105 |
3. |
1.901 |
– |
2.300 |
257 |
309 |
377 |
353 |
110 |
4. |
2.301 |
– |
2.700 |
273 |
327 |
398 |
378 |
115 |
5. |
2.701 |
– |
3.100 |
289 |
345 |
420 |
402 |
120 |
6. |
3.101 |
– |
3.500 |
314 |
374 |
454 |
441 |
128 |
7. |
3.501 |
– |
3.900 |
340 |
404 |
488 |
480 |
136 |
8. |
3.901 |
– |
4.300 |
365 |
433 |
522 |
519 |
144 |
9. |
4.301 |
– |
4.700 |
390 |
462 |
556 |
558 |
152 |
10. |
4.701 |
– |
5.100 |
416 |
491 |
590 |
597 |
160 |
3. Kind |
0 – 5 |
6 – 11 |
12 – 17 |
ab 18 |
% |
|||
1. |
bis |
1.500 |
222 |
269 |
331 |
298 |
100 |
|
2. |
1.501 |
– |
1.900 |
238 |
288 |
353 |
323 |
105 |
3. |
1.901 |
– |
2.300 |
254 |
306 |
374 |
347 |
110 |
4. |
2.301 |
– |
2.700 |
270 |
324 |
395 |
372 |
115 |
5. |
2.701 |
– |
3.100 |
286 |
342 |
417 |
396 |
120 |
6. |
3.101 |
– |
3.500 |
311 |
371 |
451 |
435 |
128 |
7. |
3.501 |
– |
3.900 |
337 |
401 |
485 |
474 |
136 |
8. |
3.901 |
– |
4.300 |
362 |
430 |
519 |
513 |
144 |
9. |
4.301 |
– |
4.700 |
387 |
459 |
553 |
552 |
152 |
10. |
4.701 |
– |
5.100 |
413 |
488 |
587 |
591 |
160 |
301Ab 4. Kind |
0 – 5 |
6 – 11 |
12 – 17 |
ab 18 |
% |
|||
1. |
bis |
1.500 |
209,50 |
256,50 |
318,50 |
273 |
100 |
|
2. |
1.501 |
– |
1.900 |
225,50 |
275,50 |
340,50 |
298 |
105 |
3. |
1.901 |
– |
2.300 |
241,50 |
293,50 |
361,50 |
322 |
110 |
4. |
2.301 |
– |
2.700 |
257,50 |
311,50 |
382,50 |
347 |
115 |
5. |
2.701 |
– |
3.100 |
273,50 |
329,50 |
404,50 |
371 |
120 |
6. |
3.101 |
– |
3.500 |
298,50 |
358,50 |
438,50 |
410 |
128 |
7. |
3.501 |
– |
3.900 |
324,50 |
388,50 |
472,50 |
449 |
136 |
8. |
3.901 |
– |
4.300 |
349,50 |
417,50 |
506,50 |
488 |
144 |
9. |
4.301 |
– |
4.700 |
374,50 |
446,50 |
540,50 |
527 |
152 |
10. |
4.701 |
– |
5.100 |
400,50 |
475,50 |
574,50 |
566 |
160 |
Bevor es zu einer Scheidung kommt, haben sich die Eheleute meist schon faktisch getrennt. Gewöhnlich zieht einer der Partner, der es nicht mehr aushält, aus der ehelichen Wohnung aus und lebt bei Verwandten oder Bekannten oder mietet für sich ein Appartement. Das Gesetz nennt den Zustand der faktischen Trennung „Getrenntleben“. Das Getrenntleben ist das typische Vorstadium der Scheidung. Manchmal ziehen es die Partner gestörter Ehen aus gesellschaftlichen oder religiösen Gründen vor, von der Scheidung abzusehen, und machen das „Getrenntleben“ zu einem Dauerzustand.
Obwohl es sich um ein bloß tatsächliches Geschehen handelt, kommt dem Getrenntleben erhebliche rechtliche Bedeutung zu, über die man sich von vornherein Gedanken machen sollte.
Diese Fragen werden wir im Zusammenhang mit den einzelnen Trennungs- und Scheidungsfolgen näher behandeln. Wichtig ist, dass man von vornherein daran denkt. Denn oft bestimmen die Verhältnisse, die sich während des Getrenntlebens ergeben, auch die Scheidungsfolgen: Es werden Fakten geschaffen, die später schwer aus der Welt zu bringen sind.
BEISPIEL: Das Ehepaar Rühmann hat zwei Kinder von 11 und 8 Jahren. Der Mann zieht nach einem Streit aus der ehelichen Wohnung aus und wohnt bei seinen Eltern, in deren Haus genügend Platz ist. Die Kinder bleiben bei der Mutter und werden von ihr versorgt. Nach zwei Jahren wird Scheidungsantrag gestellt. Im Scheidungsverfahren beansprucht der Mann die Ehewohnung . Er möchte auch, dass die Kinder statt bei ihrer Mutter bei ihm leben.
Der Mann hat schon deshalb juristisch schlechte Karten, weil die Lebensverhältnisse sich in bestimmter Weise verfestigt haben. Es müssten schon außergewöhnliche Gründe vorliegen, die jetzt noch einen Wechsel in der Kindesbetreuung rechtfertigen könnten. Auch ein Wohnungswechsel wird der Frau kaum zugemutet werden, schon wegen der Kinder, die nicht aus ihrem sozialen Bezugsfeld gerissen werden sollen.
Weiteres BEISPIEL: Frau Schmolke war vor ihrer Eheschließung mit Herrn Schmolke als Grundschullehrerin tätig, nach der Heirat hat sie die Berufstätigkeit aufgegeben. Nach 20 Ehejahren erfolgt die Trennung. 3Frau Schmolke nimmt nun eine Tätigkeit als Verkäuferin in einer Boutique auf. Diese Tatsache kann für ihren Unterhaltsanspruch bei einer späteren Scheidung von Bedeutung sein. Wenn Frau Schmolke in ihrem erlernten Beruf als Lehrerin keinen Arbeitsplatz findet, so wird es um die Frage gehen, ob ihr auch eine Tätigkeit als Verkäuferin zugemutet werden kann. Dabei kommt es unter anderem auf die Ausbildung, die Fähigkeiten und eine früher ausgeübte Tätigkeit an, auch die ehelichen Lebensverhältnisse können eine Rolle spielen (§ 1574 Abs. 2 BGB). Dass Frau Schmolke schon während der Getrenntlebenszeit eine Tätigkeit als Verkäuferin aufgenommen hat, kann nun als Argument dafür dienen, ihr diese Tätigkeit auch nach der Scheidung zuzumuten. Denn auch die Zeit des Getrenntlebens gehört noch zur Ehe und den „ehelichen Lebensverhältnissen“!
Gerade weil das „Getrenntleben“ weitreichende Rechtsfolgen zeitigt, müssen seine Voraussetzungen klar bestimmt sein. Das Gesetz sagt: „Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt“ (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB). Schon die verwickelte Ausdrucksweise des Gesetzes deutet darauf hin, dass die Sache manchmal nicht einfach ist.
BEISPIEL: Frau Eiermann erkrankt schwer und muss für längere Zeit stationär behandelt werden. Herr Eiermann lebt in dieser Zeit allein in der Ehewohnung. Einmal in der Woche besucht er seine Frau im Krankenhaus und bringt ihr das Nötige. Mit der Zeit werden die Besuche etwas seltener.
Es liegt kein „Getrenntleben“ vor. Solange noch Herr Eiermann die Wohnung als das gemeinsame Heim für sich und seine Frau behandelt, kann man noch nicht einmal von einer „Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft“ sprechen. Zudem ist der Trennungszustand von keinem der Ehegatten gewollt, sondern Folge der unerwünschten 4Krankheit. Gleiches gilt für sonstige Ereignisse, die ein Ehepaar ungewollt auseinander reißen, wie Krieg, Gefangenschaft oder die Verbüßung einer Freiheitsstrafe.
Doch auch gewollte Trennungen sind nicht immer „Getrenntleben“ im gesetzlichen Sinn.
BEISPIEL: Herr Müller ist Monteur bei einem Unternehmen, das industrielle Fertigungsanlagen herstellt. Er wird von seinem Arbeitgeber für zwei Jahre nach Kuweit geschickt, um dort am Aufbau großer Anlagen mitzuarbeiten. Während dieser Zeit bleibt Frau Müller in Deutschland in der ehelichen Wohnung zurück. Nach Ende der zwei Jahre will Herr Müller wieder nach Hause und zu seiner Frau zurückkehren.
Selbst wenn Herr Müller während der zwei Jahre nicht zu Besuch nach Hause kommt und selten telefoniert oder schreibt, liegt kein Getrenntleben vor. Zwar kann man zweifeln, ob es sich bei so langer Abwesenheit noch um eine „häusliche Gemeinschaft“ handelt. Möglicherweise ist die zeitweilige Trennung auch gewollt, z. B. wenn Herr Müller sich freiwillig nach Kuweit gemeldet hat, weil dort mehr verdient werden kann. Es fehlt aber das dritte Element des Getrenntlebens, nämlich die Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft – Herr Müller will ja wieder zurückkommen und Frau Müller ihn auch wieder aufnehmen.
Von Getrenntleben kann also nur die Rede sein, wenn die Aufhebung der häuslichen Lebensgemeinschaft gewollt ist und auf einer Ablehnung des ehelichen Zusammenlebens beruht. Freilich können auch ungewollte oder eheneutrale Trennungen sich zum Getrenntleben entwickeln. Schreibt im obigen Fall Herr Müller seiner Frau, er werde nicht mehr nach Hause zurückkehren, weil er sich in eine andere Frau verliebt habe, so beginnt damit das Getrenntleben – ebenso wenn Frau Müller ihren Mann wissen lässt, er solle bleiben, wo er ist, sie werde ihn nicht mehr in die Wohnung lassen.
Gewöhnlich entsteht das „Getrenntleben“ dadurch, dass ein Partner aus der Wohnung auszieht und der andere darin verbleibt. Die Ehegatten können es einfach dabei belassen, man kann dann annehmen, dass sie – wenigstens vorläufig – mit dieser Lösung einverstanden sind. Sie können auch ausdrücklich vereinbaren, wer die bisher gemeinsame Wohnung benutzt und wer sich ein anderes Zuhause suchen muss.
In Zeiten, in denen preiswerter Wohnraum knapp ist, entsteht freilich häufig Streit darüber, wer in der Wohnung bleiben darf und wer gehen muss. Es kann z. B. sein, dass die Frau zunächst auszieht, weil sie sich von ihrem Mann bedroht fühlt, gleichwohl aber erreichen will, dass der Mann die Wohnung verlässt. Oder ein Ehegatte, der die Trennung wünscht, möchte von vornherein erreichen, dass der andere die Wohnung räumen muss. Einigt man sich darüber nicht, so kann es zu einer gerichtlichen Entscheidung darüber kommen, wie das Getrenntleben durchzuführen ist (§ 1361b BGB sowie Maßnahmen aufgrund des Gewaltschutzgesetzes). Die Voraussetzungen eines solchen Vorgehens werden wir in dem Kapitel „Der Kampf um die Ehewohnung“ näher schildern. Es ist aber wichtig, von vornherein zu wissen, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Hilfe besteht. Bevor man auszieht, sollte man erwägen, ob nicht die Voraussetzungen für eine gerichtliche Regelung gegeben sind, die den anderen Teil aus der Wohnung weist. Das gilt vor allem für Frauen, die misshandelt wurden, namentlich wenn sie vermeiden wollen, dass die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung gerissen werden.
Nicht anzuraten sind eigenmächtige Maßnahmen, etwa das Austauschen der Türschlösser während der Abwesenheit des Partners, um so dessen Zutritt zu unterbinden. Der so „Ausgewiesene“ wird die Gerichte anrufen und hat prinzipiell das Recht auf Mitbesitz und Mitbenutzung der Wohnung. Generell gilt: Wer sich ins Unrecht setzt, verschlechtert für die weitere Auseinandersetzung seine Karten.
6Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass für denjenigen Ehegatten, der zum Zweck des Getrenntlebens freiwillig die bisherige Ehewohnung verlässt, eine überraschende Regelung gilt: Zu Lasten dieses Ehegatten wird unwiderleglich vermutet, dass er dem anderen das alleinige Nutzungsrecht an der Wohnung überlassen hat, wenn er nicht binnen von sechs Monaten nach seinem Auszug seine ernstliche Rückkehrabsicht dem anderen Ehegatten gegenüber bekundet (§ 1361b Abs. 4 BGB).
BEISPIEL: Herr Sterzl hält es bei seiner Frau, die ihn gleichgültig behandelt, nicht mehr aus. Nach einem Streit packt er das Nötigste und zieht zu seinen Eltern. Er möchte allerdings in die Ehewohnung zurückkehren, freilich erst dann, wenn seine Frau ausgezogen ist. Um die Chancen aufrechtzuerhalten, im Laufe der Trennung die Wohnung zu bekommen, muss Herr Sterzl seiner Frau binnen sechs Monaten nach seinem Auszug erklären (am besten per Einschreiben mit Rückschein), dass er in die Wohnung zurückzukehren beabsichtige. Verstreicht diese Frist ohne eine solche Erklärung, dann wird es so angesehen, als habe er das Nutzungsrecht an der Wohnung freiwillig seiner Frau überlassen.
Vieles an dieser missglückten Regelung ist unklar. Wichtig ist jedoch für die Rechtsberatung, die Vorschrift nicht zu übersehen: Wenn die 6 Monate ohne eine solche Erklärung verstrichen sind, gibt es jedenfalls während des Getrenntlebens keinen Anspruch mehr darauf, die Wohnung oder einen Teil davon zur alleinigen Nutzung zugewiesen zu bekommen, was immer vorgefallen sein mag und den Auszug veranlasst hat. Bedenklich ist, dass die Vorschrift auch für den Fall gewaltsamer Übergriffe keine Ausnahme vorsieht.
BEISPIEL: Frau Meier ist von ihrem Mann schwer misshandelt worden und flieht in ein Frauenhaus. Sie möchte in die Ehewohnung zurück, jedoch erst, wenn ihr Mann ausgezogen ist und wenn rechtlich einigermaßen sichergestellt ist, dass ihr keine Gewalt mehr droht (dazu unten S. 37 ff.). Zunächst bleibt sie vor ihrem Mann versteckt, weil sie von schweren Angstzuständen betroffen ist. Auch diese Frau müsste binnen 6 Monaten nach ihrem Auszug ihrem Mann erklären, dass sie in die Wohnung zurück wolle, wenn sie ihre Chance, die Wohnung allein zu erhalten nicht verlieren will. Das ist untragbar.
7Was aber muss derjenige, der auszieht, dem in der Wohnung verbleibenden Teil erklären, um seine Rechte an der Wohnung nicht zu verlieren? Das Gesetz spricht von „ernstlicher Rückkehrabsicht“, die geäußert werden muss. Gemeint ist damit nicht die „Rückkehr“ zum Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, sondern nur die Rückkehr in die Wohnung . Auch derjenige wahrt also die Frist, der binnen der sechs Monate den anderen auffordert, die Wohnung zu verlassen, weil er selbst die Wohnung haben möchte. Ferner wahrt auch derjenige die Frist, der rechtzeitig erklärt, einen Teil der Ehewohnung getrennt vom anderen bewohnen zu wollen.
Dass die bekundete Rückkehrabsicht „ernstlich“ sein muss, versteht sich eigentlich von selbst, doch könnte die Wortwahl des Gesetzes zum Legen von juristischen Fallstricken verleiten. So wird z. B. in der Rechtsliteratur gesagt, die Bekundung bloßen Interesses an der Wohnung („ich habe weiterhin Interesse an der Wohnung“, „ich habe weiterhin ein Recht an der Wohnung“) genüge nicht. Wichtig ist also die eindeutige Erklärung, dass man in die Wohnung zurückzukehren beabsichtige. Nicht nötig ist die Angabe eines konkreten Einzugstermins.
Wichtig
Die Fälle zeigen, dass schon bei dem Schritt zum Getrenntleben juristischer Rat vonnöten ist. Das Getrenntleben ist zwar ein bloß faktischer Zustand, in dem das Fortbestehen der Ehe noch in der Schwebe ist. Es hat aber bereits gravierende rechtliche Auswirkungen, die auch für Scheidung und Scheidungsfolgen bedeutsam sein können.
Häufig fehlt den trennungswilligen Ehegatten das Geld, um sich zwei Wohnungen leisten zu können. Deshalb ist nach dem Gesetz ein „Getrenntleben“ auch „innerhalb der ehelichen Wohnung“8 möglich (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB). Es geschieht dies in der Weise, dass die Räumlichkeiten unter den Eheleuten aufgeteilt werden, etwa in der Form, dass die Frau das Wohn- und Schlafzimmer bewohnt, während der Mann auf sein Arbeitszimmer beschränkt wird, das mit einer Schlafcouch ausgestattet ist. Dass Gemeinschaftsräume wie Küche und Bad von beiden benutzt werden, steht dem Getrenntleben nicht im Wege. Auch dass die Ehegatten sich gelegentlich begegnen oder sogar zur gleichen Zeit in der Küche ihr Frühstück einnehmen, hindert das Getrenntleben nicht, wenn es sich „als bloß räumliches Nebeneinander ohne persönliche Beziehung darstellt“.
Bei dem zwangsläufigen Zusammentreffen der Trennungswilligen in der Wohnung ist natürlich oft zweifelhaft, ob man wirklich von Getrenntleben sprechen kann. Getrenntleben scheidet jedenfalls aus, wenn noch ein gemeinsamer Haushalt geführt wird, wenn insbesondere die Frau den Mann noch mitversorgt oder wenn noch aus einer gemeinsamen Haushaltskasse gewirtschaftet wird. Kann sich ein Partner wegen einer Krankheit nicht selbst versorgen, so kann ihm der andere im notwendigen Umfang helfen, ohne das „Getrenntleben“ in Frage zu stellen; doch dürfen über die nötigen Hilfsmaßnahmen hinaus keine wesentlichen Beziehungen aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden.
BEISPIEL: Frau Meißner und ihr Mann wollen getrennt leben und teilen die Wohnung unter sich auf. Herr Meißner kommt mit der Situation psychisch nicht zurecht und verfällt dem Alkohol. Er kümmert sich nicht mehr um seine Angelegenheiten, räumt sein Zimmer nicht mehr auf, lässt dort Bierflaschen und Essensreste liegen und droht zu „vermüllen“. Um zu vermeiden, dass sich die Verwahrlosung des Zimmers auf die übrige Wohnung auswirkt, räumt Frau Meißner das Zimmer ihres Mannes auf. In solchem Fall ist trotz der Versorgungsleistungen der Frau die Fortdauer des Getrenntlebens zu bejahen.
Schwierig wird das Getrenntleben in derselben Wohnung, wenn gemeinsame Kinder da sind, die sowohl mit der Mutter als auch mit dem Vater weiterhin Beziehungen pflegen wollen. Hier gilt: Kontakte der Eltern mit ihren Kindern, mit denen sie ihrer Elternverantwortung9 entsprechen wollen, hindern das Getrenntleben nicht, sofern bei den Begegnungen nicht doch noch eine eheliche Beziehung zum Ausdruck kommt. Die Abgrenzungen sind hier im Einzelfall schwierig.
BEISPIEL: Frau Semmelweis und ihr Mann leben mit zwei Kindern (6 und 8 Jahre) in der ehelichen Wohnung getrennt. Die Kinder leben in den Räumen der Mutter. Sonntags nimmt die Familie noch gemeinsam das Mittagessen ein. Das geschieht, um zu vermeiden, dass die Kinder zu abrupt mit der Trennung konfrontiert werden; die Kinder sollen schonend auf die beabsichtigte Scheidung vorbereitet werden. Das OLG Köln (FamRZ 1986, 388) hat in einem ähnlichen Fall das Getrenntleben bejaht.
Wichtig
Wollen Eheleute in der Ehewohnung getrennt leben, so sollten sie dies klar vereinbaren und dann konsequent durchhalten: Kein gemeinsamer Haushalt, kein Haushaltsgeld mehr für gemeinsame Zwecke, kein Geschlechtsverkehr, auch kein gemeinsames Fernsehen, Beschränkung der Kontakte auf das absolut notwendige Maß!
Viele Ehepartner, darunter gerade die gutwilligen und sensiblen, werden das freilich nicht lange aushalten. Das ist aber dann auch ein Zeichen dafür, dass vielleicht die Ehe noch nicht unheilbar zerstört ist.
Das Gesetz möchte verhindern, dass die zerstrittenen Ehegatten mögliche Versöhnungsversuche nur deshalb unterlassen, weil damit das Getrenntleben unterbrochen würde. Denn das hieße: Misslingt der Versöhnungsversuch, so finge das Trennungsjahr neu zu laufen an, die Ehegatten müssten also wieder ein ganzes Jahr mit der Scheidung warten (§ 1565 Abs. 2 BGB). Darum ist bestimmt: Ein Zusammenleben10 auf kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, unterbricht oder hemmt die Getrenntlebensfristen nicht (§ 1567 Abs. 2 BGB).
BEISPIEL: Herr und Frau Abel haben sich getrennt, Herr Abel ist aus der ehelichen Wohnung am 1. April 2012 ausgezogen. Sie treffen sich gelegentlich in einem Restaurant zum Mittagessen, um ihre Situation zu besprechen. Dabei melden sich die ehelichen Gefühle wieder zurück. Das Ehepaar kommt überein, es noch einmal miteinander zu versuchen, Herr Abel zieht am 1. Dezember 2012 wieder in die eheliche Wohnung ein. Doch schon am 4. Dezember 2012 stellt das Paar fest, dass es nicht geht, Herr Abel zieht wieder aus.
Da nun feststeht, dass der kurzfristige Versöhnungsversuch gescheitert ist, unterbricht er das Getrenntleben nicht. Die vier „Versöhnungstage“ werden sogar in die Getrenntlebensfrist eingerechnet, d. h. für das Gesetz haben die Abels auch vom 1. bis 4. Dezember „getrennt gelebt“, so dass am 1. April 2013 das Trennungsjahr abgelaufen ist.
Voraussetzung ist allerdings, dass der Versöhnungsversuch nur „kürzere Zeit“ gedauert hat. Das kann bis zu wenigen Wochen gehen. Ab zwei oder drei Monaten handelt es sich in der Regel nicht mehr um eine „kürzere Zeit“. Das bedeutet: Durch das versöhnungsbedingte Zusammenleben wird die Getrenntlebensfrist unterbrochen, bei erneuter Trennung beginnt die Frist neu zu laufen.
Das alles gilt auch, wenn die Ehegatten in derselben Wohnung , wie oben beschrieben, getrennt leben – auch hier kann es zu versöhnungsbedingtem Zusammenleben „über kürzere Zeit“ kommen, das bei seinem Scheitern als Getrenntleben angesehen wird. Häufen sich freilich die Versöhnungsversuche, was bei der räumlichen Nähe nicht verwundert, dann wird fraglich, ob es sich überhaupt um ein Getrenntleben oder vielmehr um ein krisengeschütteltes Zusammenleben handelt.
Mit dem Getrenntleben ist die Ehe rechtlich gesehen noch nicht am Ende. Die Partner sollten sich darüber klar sein, dass sie bis zur Rechtskraft der Scheidung rechtlich noch aneinander gebunden sind. Sie können also durchaus noch gegen eheliche Pflichten verstoßen, z. B. gegen die gegenseitige Pflicht auf Beistand und Rücksicht. Nicht die häusliche Trennung ist die entscheidende Zäsur, sondern die Scheidung!
Trotzdem entfaltet schon das Getrenntleben vielfältige Wirkungen: für die Ausübung der elterlichen Sorge (unten S. 74 ff.), in Bezug auf Wohnung und Hausrat (unten S. 37 ff.), für den Unterhalt (unten S. 108 ff.) und sogar im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung (unten S. 13, 234, 236).
Auf einige weitere Punkte soll schon hier hingewiesen werden. So verlieren die Partner mit Eintritt des Getrenntlebens die Ausübung der „Schlüsselgewalt“ (§ 1357 BGB).
Was die „Schlüsselgewalt“ ist, sei an einem BEISPIEL erläutert: Frau Seidel kauft bei dem Händler Traugott eine neue Waschmaschine, weil die alte schadhaft ist und sich eine Reparatur nicht lohnt. Herr Seidel weiß davon nichts. Bei Abschluss des Kaufvertrags ist Herrn Traugott unbekannt, dass Frau Seidel verheiratet ist, von Herrn Seidel ist nicht die Rede. Trotzdem wird aus dem Kaufvertrag nicht nur Frau Seidel, sondern auch Herr Seidel berechtigt und verpflichtet. Hat also Frau Seidel den Kaufpreis noch nicht bezahlt, so kann der Händler auch Herrn Seidel in Anspruch nehmen.
Die Schlüsselgewalt bedeutet: Aus Geschäften eines Ehegatten, die den angemessenen Lebensbedarf der Familie decken sollen, wird kraft Gesetzes auch der andere mitberechtigt und mitverpflichtet. Dieser Effekt tritt ein, auch wenn der andere Ehegatte keine Kenntnis von dem Geschäft hat. Auch ist es gleichgültig, ob der Vertragspartner weiß, dass er es mit einer verheirateten Person zu tun hat, und ob er die ehelichen Verhältnisse kennt. Grundgedanke des Gesetzes12 ist: Wer in der ehelichen Konsumgemeinschaft Nutznießer von Leistungen wird, soll auch dafür einstehen!
Vom Getrenntleben an entfällt die Ausübung der Schlüsselgewalt (§ 1357 Abs. 3 BGB). Da kein gemeinsamer Haushalt mehr besteht, wäre sie auch nicht gerechtfertigt.
BEISPIEL: Das Ehepaar Seidel trennt sich. Frau Seidel kauft nun für ihren Haushalt, in dem sie die Kinder versorgt, bei dem Händler Traugott einen Elektroherd. In diesem Fall ist Herr Seidel gegenüber dem Händler nicht mitverpflichtet, da der Kauf nach der Trennung getätigt wurde. Frau Seidel gegenüber kann Herr Seidel allerdings unterhaltsrechtlich verpflichtet sein, ihr den Herd zu finanzieren, doch erwächst daraus kein Recht des Händlers, von Herrn Seidel unmittelbar die Bezahlung zu verlangen.
Unter die Schlüsselgewalt fallen von vornherein keine Geschäfte, durch die das Getrenntleben hergestellt werden soll.