präsentiert von
Anke Engelke und Bastian Pastewka

Anke Engelke und Bastian Pastewka als
Volksmusikpaar Anneliese und Wolfgang Funzfichler,
eine zum Schreien glaubwürdige Parodie!
Ihre Auftritte in ›Fröhliche Weihnachten‹, zweifach
ausgezeichnet mit dem Deutschen Comedypreis,
sowie bei der Gala zum Deutschen Fernsehpreis und
bei ›Wetten, dass..?‹ sind längst TV-Kult.
Dies ist ihr erstes und bislang bestes Buch.

»… ein Parforce-Ritt über die Äcker des Gala-Unwesens,
weite Felder fürwahr. Rasante Rollenwechsel, brüllende Komik,
detailliert ersonnene und sorgfältigst zelebrierte Katastrophen ...
Das hat Klasse jenseits der reinen Blödelei.«
Aus der Begründung der Jury für den Grimme-Preis

Chris Geletneky, geboren 1972.
Nach einem erfolgreich abgebrochenen Studium der Theater-,
Film- und Fernsehwissenschaft in Leipzig und Berlin zieht er nach
Köln, um hier als Comedy-Autor zu arbeiten. Er wird Headwriter
und Creative Producer u.a. von ›Freitag Nacht News‹, ›Ladykracher‹,
›Pastewka‹ und ›Fröhliche Weihnachten‹ – obwohl er gar nicht weiß,
was ein »Creative Producer« genau macht. Sein erster eigener
Roman ist bis jetzt weder veröffentlicht, noch geschrieben, wird
aber seiner Meinung nach ein größerer Erfolg als die Bücher von
Mark Werner. Chris Geletneky lebt, schreibt und grillt in Köln.

Mark Werner, geboren 1969,
studierte Germanistik und Geschichte. Gegen Ende des Studiums
hat er die Idee, einmal einen richtigen Beruf auszuüben, wird dann
aber Autor und schreibt als Headwriter Drehbücher für TV-Erfolge
wie ›Ritas Welt‹, ›Nikola‹, ›Alles Atze‹ und ›Mein Leben & Ich‹.
Im Gegensatz zu Chris Geletneky hat er schon zwei Romane
veröffentlicht: ›Hölle, all inclusive‹ (auch als Hörbuch, Sprecher:
Michael Kessler) und ›Knautschzone‹. Mark Werner lebt, arbeitet
und kärchert im Bergischen Land bei Köln.

Beide sind sich einig, dass dies ihre letzte Zusammenarbeit
war, es sei denn, Mark Werner schreibt den ersten Roman von
Chris Geletneky.

Chris Geletneky
Mark Werner

präsentiert von

Anke Engelke & Bastian Pastewka

SCHERZ

Mehr zu Wolfgang und Anneliese und
ihrer großen Deutschlandreise auf
www.wolfgang-und-anneliese.de

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

Satz: grape.media.design
ISBN 978-3-10-402277
eBook Entwicklung: book2look Publishing

Fotos:
Andreas Berl
babiradpicture/Roman Babirad
Boris Breuer
Brainpool/Guido Engels
Brainpool/Jörg Carstensen
ddp images/Jörg Koch
face to face/Pool53
fotolia
Getty Images
grape.media.design.
Istockphoto
Voller Ernst
www.rhein-feuerwerk.de

Illustrationen:
Sandra Milli, grape.media.design.

Der Inhalt

Seite 8

_ _ Vorwort der Funzfichlers

Seite 12

_ _ Zwei Leben – eine Legende: Die Funzfichlers

Seite 24

_ _ Die Reiseroute

Seite 26

_ _ Tour 1 Romantik-Route

Seite 58

_ _ Tour 2 Badische Weinroute

Seite 82

_ _ Tour 3 Nibelungen-Route

Seite 104

_ _ Tour 4 Moselwein- und Riesling-Route

Seite 134

_ _ Tour 5 Eifel-Route

Seite 176

_ _ Tour 6 Rhein-Berg-Märchen-Route

Seite 216

_ _ Tour 7 Grüne-Küsten-Route

Seite 248

_ _ Tour 8 Seen-Alleen-Bäume-Route

Seite 286

_ _ Tour 9 Klassiker-Route

Seite 320

_ _ Epilog

Anneliese schreibt

Vorwort der Funzfichlers

Grüß Gott, liebe Leser,

Deutschland – das Land, in dem wir leben, lieben, singen, tanzen und Freude haben. Und in dem wir irgendwann auch sterben werden. Zumindest hoffe ich, dass ich in meiner Heimat das Zeitliche segnen werde. Und dass ich nach Wolfgang abtreten darf, um wenigstens noch ein paar schöne Jahre zu haben. Aber das gehört vielleicht nicht hierher.

In diesem Buch wollen wir versuchen, Ihnen unsere Heimat ein Stückchen näher zu bringen. Wann immer Wolfgang und ich durch die Lande reisen, um unsere Lieder zu singen, Sportplätze, Gemeindesäle und Autobahnabschnitte einzu- weihen oder unsere fröhlichen TV-Sendungen zu meistern, stellen wir jedes Mal fest, wie wenig die Menschen über ihr eigenes Heimatland wissen. Selbstredend – der Hamburger kennt sein Hamburg, der Dortmunder sein Dortmund und ein Passauer den Straßenstrich hinter der tschechischen Grenze, aber was weiß der Münchner von Bremen? Was der Quedlinburger von Köln? Und was der Alt-Kölner von Neukölln? So gut wie nichts.

Dabei gibt es so viel zu entdecken: Wunderschöne Hoch- und Mittelgebirge, verwunschene Seenlandschaften, National- und Kulturparks, prachtvolle Kirchen, Burgen und Schlösser und natürlich verträumte Dörfer und pulsierende Städte. Und die Überraschung ist: All das gibt es zum Teil auch hier bei uns in Deutschland!

Denn mal ehrlich: Was sind die Gärten der Alhambra schon gegen das beein- druckende Spreewald-Biosphären-Reservat? Was sind die Pyramiden von Gizeh gegen unsere imposante Lange Anna auf Helgoland? Und was ist das Taj Mahal schon gegen den berühmten Silbersee in Bitterfeld?
Es ist doch ein Hohn, dass fast jeder Deutsche die Hauptstadt von Mallorca in- und auswendig kennt, aber nur jeder Zehnte schon einmal die schöne Tradition des geselligen Treibens rund um den 1. Mai in Berlin-Kreuzberg miterlebt. Und das ist immerhin unsere Bundeshauptstadt.

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Anneliese Funzfichler

Die traurige Wahrheit ist: Wir Deutschen kennen das Ausland inzwischen besser als unsere eigene Heimat. Dieses Buch ist ein Aufruf. Und der Aufruf lautet: Schauen S’ sich um, reisen S’ mit offenen Augen und Ohren und lernen S’ Ihre Heimat kennen – den malerischen Süden, den herzlichen Westen wie auch den rauen Norden!
Und natürlich auch den Osten.

Wir laden Sie ein, liebe Leser, auf einer Rundfahrt mit dem Wolfgang und mir Unser schönes Deutschland kennenzulernen. Und wenn Sie danach immer noch ins Ausland reisen wollen, dann hat Wolfgang etwas verkehrt gemacht. Es wär nicht das erste Mal.

Ihre Anneliese!

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Vorwort der Funzfichlers

Wolfgang schreibt

Deutschland –

schon das Wort zergeht auf der Zunge wie ein gut gegrillter Prager Saft- schinken auf dem Oktoberfest. (Aber nur der am Stand vom »Hammel- Schorsch«, beim »Plötzen-Peter« gegenüber wird der Schinken mit Rattenfleisch gestreckt – Obacht!)

Aber Deutschland, liebe Schlagerfreunde, das ist … nicht nur Bier und Schweinebraten, Deutschland, das steht auch für die schöne Natur, gutes Bier und, äh … gutes Bier. Sicherlich, schon für 200 Euro kann ich mich in einen Partyzug nach Ungarn setzen und mit einem Haufen fescher Maderl und billigem Alkohol den Plattensee auf links drehen. Doch erstens höre

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Wolfgang Funzfichler

ich gerade, dass das unmoralisch, peinlich und pubertär ist – was ich sowieso schreiben wollte –, und zweitens: Wer sich in Deutschland gut auskennt, der kann auch hier eine Menge Spaß haben. Wenn’s ihr versteht, was ich mein ...

Ich persönlich werd keinen Haufen Geld mehr zum Fenster raus- schmeißen, um in irgendwelche bratpfannenheiße Länder zu reisen, wo sich keiner die Mühe macht, meine Sprache zu sprechen. Und wo ich dann an langweiligen weißen Inselstränden liege, wo es mittags am Strandkiosk nicht mal eine anständige Mass oder wenigstens ein Leberkäsbrötchen gibt. Sobald ich die Sonntagszeitung einmal durchhab, starre ich nur noch auf die Wasseroberfläche; und die ist flacher als Annelieses Hintern. Na, vielen Dank, da bleib ich doch lieber daheim!

Und habt’s ihr schon mal von jemandem gehört, der für seinen Urlaub an der Mosel eine Malaria-Prophylaxe braucht? Eben, ich auch nicht. Deswegen können mir die ganzen exotischen Reiseziele auch gestohlen bleiben. Sicherlich, jedes Jahr im November flieg ich mit meinen alten Freunden nach Thailand – aber auch das ist nur deswegen schön, weil unsere Frauen da nicht mitfliegen. Wir könnten auch fünf Kilometer ins Nachbardorf fahren, bloß würden da die alten Besen ja spätestens nach zwei Stunden auf der Matte stehen und rumjammern, dass das Gartentor quietscht, es im Haus »so komisch nach Gas riecht« oder Gott weiß, was sonst noch. Drum fahren wir da hin, wo sie uns nicht erreichen können. Und das brauch ich dem geneigten männlichen Leser ja nicht lange zu erklären: Unter diesen Umständen wird jeder Urlaubsort zum Traumziel.

Kurzum: Warum in die Ferne schweifen, wenn man auch daheim ’nen gescheit’n Fetznrausch haben kann. Steigt’s also ein in unser Gute- Laune-Mobil, und bereist mit mir und der Anneliese ein unentdecktes Land: Deutschland.
Ich bin selbst ganz gespannt!

Prost!
Euer Wolfgang

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

wird am 11. September 1951 als jüngstes von 13 Kindern des Ehepaars Alois und Veronika Keck aus Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz geboren. Den Umstand, dass er der einzige Sohn unter 12 Schwestern ist, sehen viele als Grund für sein in späteren Jahren oft zwie- spältiges Verhältnis zu Frauen.

Wolfgangs Vater, Alois Keck, ein gelernter Finanzbuchhalter, der seinen Beruf jedoch nie ausübte, ist ein in Sulzbach-Rosenberg bekannter Spieler, Frauen- held und Deserteur. Sehr zum Ärger seines Vaters Oberst Gustav Keck, eines Veteranen des Ersten Weltkriegs, der bei der Schlacht an der Somme beide Beine verloren hatte, aber ohne Unterkörper von Frankreich bis Sulzbach- Rosenberg zurückkriechen konnte. Für diese übermenschliche körperliche und mentale Leistung (während der er leider auch durch die viele Reibung beide Arme verlor) wurde Gustav Keck nach dem Krieg mit bedeutenden militärischen Ehren bedacht. Umso größer ist Gustav Kecks Enttäuschung über das Verhalten seines Sohnes Alois, Wolfgangs Vater.

Anfang der 1930er Jahre lebt Alois Keck an der Ostsee und hat eine Affäre mit drei verheirateten Frauen gleichzeitig. Als die SS wenige Jahre später den Überfall auf den Sender Gleiwitz fingiert und Hitler dies zum Anlass nimmt, Polen zu überfallen, wird Alois von der Wehrmacht eingezogen, bevor er in sein geliebtes Sulzbach flüchten kann.

Jedoch gelingt es Alois, sich von der Truppe zu entfernen, noch bevor die Deutschen ihr erstes Einsatzziel in Polen erreichen. Zunächst gilt er als vermisst, dann als »gefallen« – doch seine Täuschung fliegt auf: Ein Jahr später taucht im Rathaus Sulzbach eine junge Frau aus Polen auf und behauptet, von einem Gefreiten mit dem Spitznamen »Kecki« Drillinge bekommen zu haben. Der deutsche Soldat habe ihr versprochen, Adolf Hitler umgehend zu töten, wenn sie ihn verstecken und nur eine Nacht mit ihm verbringen würde. Da der Gefreite jedoch am nächsten Morgen verschwunden war und auch nie wieder- kehrte (und offensichtlich auch Hitler nicht umbrachte), fordert die junge Frau nun entsprechende Unterhaltszahlungen ein. Auch in den folgenden Jahren erscheinen in nahezu allen europäischen Ländern vergleichbare Berichte junger

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Frauen, die offenbar Bekanntschaft mit dem »Kecki, dem charmanten Gefreiten aus Sulzbach-Rosenberg« gemacht hatten. Schätzungen zufolge soll Alois Keck mindestens 47 Kinder in 14 verschiedenen Ländern gezeugt haben.

Hitler persönlich soll im Dezember ’41, als er schließlich Wind von der Sache bekam, einen SS-Sondertrupp auf Alois Keck angesetzt haben: Er wollte ein Exempel an dem Mann statuieren, der ihn als Erster verraten hatte. Doch Alois Keck wird nie gefasst. Als Keck nach Kriegsende in seine Heimatstadt Sulzbach- Rosenberg zurückkehrt, feiert man ihn als Held. Die Menschen in der Oberpfalz lieben ihren Alois, der seine Flucht durch Europa und die Gründe dafür in seinen Berichten immer wieder ein wenig anders erzählen kann (siehe: »Ein Held kehrt heim – wie Alois Keck den Krieg beendete«, Sulzbach-Rosenheimer Allgemeine vom 4. September 1945). Besonders die Damen liegen Keck nun mehr zu Füßen denn je.

Am 7. September 1945 heiratet er Veronika Steinmoser, die 19-jährige Tochter des Sulzbacher Oberbürgermeisters, und neun Monate später empfängt sie ihre ersten Drillinge – Mädchen. Es folgen drei weitere Drillingsgeburten, erneut alles Mädchen. Da Alois Keck sich aber nichts sehnlicher wünscht als einen männli- chen Stammhalter, versuchen sie es weiter, bis endlich am 11. September 1951 der kleine Wolfgang das Licht der Welt erblickt.

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

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Wolfgang ist alles andere als ein Senkrechtstarter. Erst mit drei Jahren spricht er seine ersten Worte (»A Ruh is!« und »Will mehr Braten!«), ein Jahr später beginnt er endlich zu laufen. Bis heute ist Wolfgang Keck der einzige Schüler, der die erste Klasse der Sulzbacher Grundschule zweimal wiederholen musste, doch danach ist beim »Kecki« (alle männlichen Kecks wurden und werden »Kecki« gerufen) offenbar endlich der Groschen gefallen. Seinem späteren Biographen Paul Auster berichtet Wolfgang, er habe die ersten Klassen nur deswegen wie- derholt, um in der Schule nicht auch noch die Gesellschaft seiner zahlreichen Schwestern ertragen zu müssen.

Als Wolfgang sieben Jahre alt ist, macht der vergötterte Vater einen Ausflug mit ihm. Erzählungen zufolge nimmt Alois seinen Sohn im Biergarten eines Gasthofs in Ruppenricht mit den Worten zur Seite: »Mein Sohn, siehst du die ganzen jungen, schönen Frauen hier? Was meinst? Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass der Papa nur die Mama gern hat, hätte er dann noch so viele andere schöne Frauen auf die Erde geschickt?«

Klein-Wolfgang soll mit den Schultern gezuckt haben, doch Alois Keck streicht seinem Sohn liebevoll durchs Haar und verkündet: »Der Papa hat eine Aufgabe vom lieben Gott und deswegen muss er jetzt leider weg. Ab sofort bist du der Herr im Haus! Meinst, des schaffst?«
Klein-Wolfgang schüttelt den Kopf. Alois Keck gibt seinem Sohn einen letzten Kuss und verschwindet. Es ist das letzte Mal, dass Wolfgang seinen Vater sieht. Fortan ist Wolfgang der einzige Mann im Haus – eine Aufgabe, der er nicht immer gewachsen ist.

Um möglichst oft von zu Hause weg zu sein, legt sich Wolfgang zahlreiche Hobbys zu: Er lernt, Gitarre, Akkordeon und sogar Harfe zu spielen. Außerdem angelt er leidenschaftlich gerne, weil er die Ruhe dabei genießt. Besonders oft fischt er im Gössel-See, in dem aufgrund unterirdischer Schwefelquellen keine Fische leben. Zur gleichen Zeit entdeckt Wolfgang seine Liebe zu Bier und Obstbränden: Er beginnt, heimlich in der Scheune seines Onkels, des Windisch- Heiner, Bier zu brauen und eigenen Schnaps zu brennen. Das obergärige »Keck- Bräu« und der dazugehörige »Keckler« (ein über 90%iger Obstler) erfreuen sich in Sulzbach schnell großer Beliebtheit und lassen die Erblindungsrate in der damaligen Kreisstadt förmlich explodieren. Wolfgang verdient mit dem Verkauf der hochprozentigen Freudenspender sein erstes eigenes Geld – eine wichtige Erfahrung für den damals Elfjährigen.

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

Als Wolfgangs strengreligiöse Mutter von den Aktivitäten ihres Sohnes erfährt, verbietet sie ihm den Umgang mit Alkohol und steckt Wolfgang für den Rest seiner Schulzeit in das Kloster St. Hieronymus, dessen Mönche für ihren streng asketischen Lebensstil bekannt sind. Nur drei Monate nach Wolfgangs Eintritt in den Orden beginnt das Kloster plötzlich ebenfalls damit, selbstge- brautes Bier und selbstgebrannten Schnaps zu verkaufen. Als sechs Monate später ein päpstlicher Nuntius das Kloster inspiziert, herrschen dort »babylo- nische Zustände«: Die Mönche scheinen inzwischen Geschmack an weltlichen Genüssen gefunden zu haben. »Gegen das Kloster St. Hieronymus ist Sodom ein Ort der sakralen Besinnung«, schreibt der aufgebrachte Gesandte des Heiligen Stuhls nach seinem Besuch. »Und augenscheinlich ist der Novize Keck an diesem Umstand nicht ganz unschuldig.«

Papst Paul VI. persönlich untersagt Wolfgang daraufhin eine Laufbahn als Kirchendiener, woraufhin dieser in seine alte Schule zurückkehrt. Hier macht Wolfgang mit 18 Jahren den erweiterten Hauptschulabschluss. Seine Mutter überredet ihn zu einer Schreinerlehre bei ihrem Schwager, dem Urspichler-Sepp.

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Zähneknirschend willigt Wolfgang ein. Doch nachdem er dem Urspichler-Sepp gleich an seinem ersten Arbeitstag versehentlich den Daumen und zwei Finger der rechten Hand abgetrennt hat, darf Wolfgang die Lehre vorzeitig beenden. Da die meisten seiner Schwestern mittlerweile volljährig und verheiratet sind, ist die Familie finanziell abgesichert, und so kann Wolfgang sich zunehmend der Musik widmen. Mit seiner ersten Kapelle, den »O’zapft Buam«, tritt er immer häufiger auf Volksfesten in Sulzbach und Umgebung auf.

Beim sog. Sulzbacher Saustechen – einem Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer mit einem speerartigen Wurfgeschoss die Mitte eines Kreises treffen müssen (noch wenige Jahre zuvor warf man in das Auge einer festgebundenen Sau), begegnet er zum ersten Mal einer jungen Frau aus Rosenberg, der anderen Seite der Stadt. Ihr Name: Anneliese Funzfichler.

Wolfgang ist sofort fasziniert von Annelieses fröhlicher Art, ihrem forschen Wesen und ihren beeindruckenden Vorderzähnen. Und das, obwohl sie aus Rosenberg und nicht aus Sulzbach stammt. Vielleicht sogar gerade deswegen. (Die Stadt Sulzbach und die Gemeinde Rosenberg schlossen sich 1934 zur Gemeinde Sulzbach-Rosenberg zusammen, pflegen jedoch bis heute eine nie begründete, aber tiefverwurzelte Feindschaft, die besonders auf den zahlreichen Stadtfesten in Form von ebenso zahlreichen blutigen Schlägereien zutage tritt.)

Wolfgang verliebt sich vom Fleck weg in die ungewöhnliche junge Frau und macht ihr noch am selben Abend stark angetrunken einen Heiratsantrag. Diesen zieht er jedoch Augenblicke später wieder zurück, als Anneliese gegen ihn beim Saustechen gewinnt. Wolfgang schwört noch heute, dass Anneliese »mehrfach klar übergetreten« hat. Es entbrennt eine zwei Tage dauernde Schlä- gerei zwischen Sulzbachern und Rosenbergern, das gerade wieder aufgebaute Rathaus brennt abermals ab, und Wolfgang und Anneliese haben den ersten handfesten Ehestreit, bevor sie überhaupt verheiratet sind.

Ein Jahr lang sprechen die beiden kein Wort miteinander, auch wenn sie mehrere Abende in der Woche gemeinsam in Gesellschaft verbringen. Haben seine Freunde Wolfgang bis dato für einen sturen Hund gehalten – in Anneliese hat er seine Meisterin gefunden.

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

ist die einzige Tochter des Kirchenorganisten und Komponisten Urs Funzfichler und dessen Frau Roswitha, geb. Grollberger. Roswitha war in Rosenberg nur als »die runde Rosi« bekannt und steht noch heute mit dem Rekord als schwerste Frau der Oberpfalz im Guinness Buch der Rekorde.

Seltsamerweise wog Roswitha Funzfichler bis zu ihrer Hochzeit nur 53 Kilo und galt als eine der schönsten Frauen Bayerns (auch Alois Keck soll mehrfach um ihre Gunst geworben und – so die

Gerüchte – sie auch mehrfach bekommen haben). Umso erstaunlicher, dass sie mit dem Tag ihrer Hochzeit rasant an Gewicht zulegte. Freunde berichten, dass sie an einem einzigen Abend so viel zugenommen habe, dass die Lederschnüre ihres Dirndls mit einem lauten Knall gerissen seien, was ihr den neuen Spitz- namen »Knallrosi« einbrachte.

Ihr Mann, Urs Funzfichler, erträgt die äußerliche Veränderung seiner Frau tapfer: Er findet Trost im Alkohol und einem zunehmend manischen Stil beim Orgel- spiel während der Sonntagsmesse. Viele der älteren Gläubigen waren davon überzeugt, der »Gehörnte persönlich« sei in Urs Funzfichler gefahren. In der Tat werden die Kompositionen der Kirchenlieder von Urs Funzfichler immer unzugänglicher. Der Musikhistoriker Prof. Hinrich-Andreas Grimm-Franck schreibt Jahrzehnte später in seinem Standardwerk Vom Wesen der deutschen Musik: »Wer glaubt, Free Jazz oder Zwölftonmusik seien als musikalische Form gewöhnungsbedürftig, der sollte sich einmal ein beliebiges Kirchenlied von Urs Funzfichler aus den späten 40er-Jahren anhören. Gegen Funzfichlers Oratorium ›Herr, warum strafst du deinen Diener‹ klingt jede Stockhausen-Komposition wie der ›Bi-Ba-Butzemann‹.«

Aufgrund ihrer Körpermaße bemerkt Roswitha Funzfichler nicht, dass sie im Frühjahr 1950 schwanger wird. Die Spekulationen über die biologischen Einzel- heiten der Zeugung werden noch über Jahre hinweg ein beliebter Zeitvertreib in den Wirtshäusern von Sulzbach-Rosenberg und Umgebung sein.
Am Heiligen Abend 1950 wird Anneliese Funzfichler während der Christmette zur Überraschung ihrer Mutter und der anwesenden Gemeindemitglieder geboren. Einige Gläubige sehen in der Geburt des Kindes die erneute Ankunft des

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Heilands, bis sich herausstellt, dass es sich um ein Mädchen handelt. Anneliese wird vor Ort getauft, und ihr Vater Urs spielt vor Glück zum ersten Mal seit vielen Jahren eine erträgliche Version des Chorals »Es kommt ein Schiff geladen«.
Roswitha ist das Geschehen so peinlich, dass sie sich für mehrere Wochen in ihr Zimmer verkriecht und beschließt, nichts mehr zu essen. Unerklärlicher- weise wird sie in dieser Zeit noch dicker, so dass in Sulzbach-Rosenberg das Gerücht umgeht, die Funzfichlers seien verflucht und die »Knallrosi« eine Hexe. Dazu sei angemerkt, dass vierteljährliche Hexenverbrennungen in Sulzbach- Rosenberg noch bis in die späten 1980er Jahre an der Tagesordnung waren. 1987 untersagt sie der damalige Oberbürgermeister dann offiziell, wofür er von den aufgebrachten Sulzbach-Rosenbergern umgehend aus dem Amt und mit brennenden Forken aus der Stadt gejagt wird.
Die Familie Funzfichler steht jedoch weiter fest zusammen. Irgendwann findet
sich auch Roswitha mit ihrem Übergewicht ab und widmet sich fortan nur noch der Erziehung ihrer einzigen Tochter.

Anneliese entwickelt sich prächtig: Mit sechs Monaten kann sie laufen, mit acht Monaten beginnt sie zu sprechen, und bevor sie mit drei Jahren in den Kin- dergarten kommt, kann sie bereits lesen und schreiben. Anneliese ist die erste Schülerin in Sulzbach-Rosenberg, die gleich zwei Klassen überspringt und sofort in die dritte Klasse eingeschult wird. Dort ist sie in sämtlichen Fächern über- ragend. Nur mit dem Sportunterricht hat die kleine Anneliese ihre Schwierigkeiten.

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

Endgültig schwört sie allen körperlichen Betätigungen ab, nachdem ihr in der neunten Klasse beim Reckturnen vor der versammelten Schülerschaft das Hemd herunterrutscht und man sie fortan die »Mückenstich-Lisl« nennt. In diesem Ereignis sehen viele später den Grund für Annelieses zahlreiche Brust-OPs bei dem umstrittenen kapverdischen Schönheitschirurgen Dr. Yalla- yalla. Wahrscheinlich war auch Wolfgang Keck an besagtem Tag in der Turnhalle anwesend, dafür spricht jedenfalls eine Aktennotiz des Direktors Hermann Schrammlbacher: »Etliche Schüler schienen angetrunken zu sein. Offenkundig hat ein Schüler selbstgebrautes Bier verteilt. Habe da so einen Verdacht …«

1966 macht Anneliese Funzfichler als jüngste Schülerin Bayerns ihr Abitur. Die Eltern unterstützen Annlieses Vorhaben, an der Universität Nürnberg Medizin zu studieren, aber kurz bevor sich die Tochter immatrikulieren will, nimmt sie am Sulzbacher Saustechen teil und lernt dort einen jungen Mann kennen, der wie schon sein Vater und Großvater von allen nur »der Kecki« genannt wird.
Trotz ihres fast einjährigen Streits nach Annelieses Triumph beim Saustechen schafft es Wolfgang, Anneliese das Medizinstudium auszureden. Zitat Wolfgang Keck: »Studieren is was für Deppen!« Doch Wolfgang ist nicht der einzige Grund,

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weshalb Anneliese nie ein Studium beginnt: Kurz nach dem Saustechen erleidet Annelieses geliebter Vater Urs beim Orgelpfeifen-Putzen einen Herzinfarkt, als er vom Küster erfährt, dass Wolfgang Keck um die Hand seiner Tochter angehalten hat.

Anneliese bleibt in Rosenberg, um ihren Vater zu pflegen. Im Oktober 1968 erliegt Urs Funzfichler einem weiteren Infarkt – kurz nachdem Wolfgang ihn bei einem Besuch gefragt haben soll, ob er ihm nicht seinen nagelneuen Opel Rekord verkaufen würde, den er ja sowieso nicht mehr fahren könne.

Noch heute spekulieren die Rosenberger, ob der zweite Infarkt mit diesem Vorschlag zu tun gehabt hat oder nicht. Der von Wolfgang zu Hilfe gerufene Arzt kann jedenfalls nur noch den Tod des alten Funzfichler feststellen. Für Anneliese und ihre Mutter bricht eine Welt zusammen. Rätselhafterweise verliert Roswitha Funzfichler vom Todestag ihres Mannes an rapide an Gewicht.
Ein halbes Jahr später versöhnen sich Wolfgang und Anneliese. Die inzwischen wieder gertenschlanke »Knallrosi« gibt zähneknirschend ihre Zustimmung zu einer »Bindung, die Gott sicher so nicht gewollt hätte«.

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Zwei Leben – eine Legende: die Funzfichlers

Wolfgang und Anneliese ziehen zusammen. Bald schon entdecken sie die gemeinsame Leidenschaft für schwere Bratensoßen, Katalogbestellungen und für die Musik. Oft begleitet Wolfgang seine Anneliese mit der Harfe, während sie unter der Dusche singt. Aus diesen freien Improvisationen wird später unter anderem die berühmte »Bärenpolka« entstehen. Schon bald treten die beiden auch öffentlich auf: Anlässlich der dritten Scheidung seiner siebt- ältesten Schwester Irmgard spielen Wolfgang & Anneliese ein umjubeltes ca. 40-minütiges Konzert, das immerhin schon zur Hälfte aus Eigenkompositionen besteht und stilecht in einer großen Schlägerei endet, als der Ex-Schwager im Publikum gesichtet wird. Beflügelt vom öffentlichen Zuspruch, kauft Wolfgang beim »Antennen-Gustl«, dem örtlichen Elektrofachgeschäft, ein Tonbandgerät, mit dem er die ersten Lieder von »Wolfgang & Anneliese« auf Magnetspur bannt. Diese legendären frühen Aufnahmen werden über 30 Jahre später im Londoner Auktionshaus Christie’s als The Antennen-Gustl Bootlegs von einem unbe- kannten Bieter aus dem Ausland für weit über fünf englische Pfund ersteigert. Schnell wird aus dem Hobby ein Beruf: Bereits 1969 erscheint ihre erste LP Die große Schlachtplatte der Volksmusik und schafft es auf Anhieb in die volks- tümliche Hitparade des Bayerischen Rundfunks, wo sie immerhin zwei Wochen lang auf Platz 14 steht.

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Im Sommer jenes Jahres lädt Wolfgang seine Freunde und Bekannten zum jährlichen Ochsengrillen ein. Dort werden die beiden zum ersten Mal als Duo »Wolfgang & Anneliese« auftreten. Der gemeinsame Bekanntenkreis ist aller- dings größer als gedacht. Was als kleine Grillparty geplant war, wird letztlich zum größten Open-Air-Volksmusikfestival, das Deutschland in den 60er Jahren gesehen hat: »Schluckstock – drei Tage mit Fleisch, Bier & Musi« wird in die Geschichte Bayerns eingehen und Wolfgang & Anneliese den Weg für ihre unver- gleichliche Fernsehkarriere ebnen. Denn ihr erster Auftritt stößt auf überraschend großes Medieninteresse: Alle zwei Radiowellen des Bayerischen Rundfunks berichten zur Hauptsendezeit über das Großereignis, und Wolfgang & Anneliese

sind von einem Tag auf den anderen das Gesprächsthema in Deutschland. Sie gelten fortan als neue Lichtgestalten der Volksmusik: Ihr nächstes Album Der Leberkäse, die Musi und du landet direkt auf Platz 1 der deutschen Volks- musik-Hitparade und bleibt dort für sensationelle 73 Wochen. In dieser Zeit lernen Wolfgang & Anneliese den Fernsehproduzenten Jürgen Fantasy kennen, der mit bürgerlichem Namen Jochen Fantasy heißt und die beiden unter seine professionellen Fittiche nehmen soll.

Fantasy hat zuvor noch in der Schweinezucht gearbeitet, erkennt aber rechtzeitig das Potential des neuen Mediums Fernsehen und macht sich beim Bayerischen Rundfunk rasch einen Namen. 1971 produziert Fantasy die erste TV-Show, die den etwas sperrigen Titel Wolfgangs & Annelieses große Volksmusik-Gaudi – ein Abend mit guter Laune, Musik und extrem viel obergärigem Bier trägt und dennoch zu einem großen Erfolg wird: 12.000.000 Zuschauer sehen die Show allein in Bayern, in Gesamt-Deutschland sind es sogar 12.000.530.

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Die Reiseroute

Süden

Tour 1

_ _ Start in Sulzbach-Rosenberg, Romantik-Route
(Rothenburg o.d. Tauber, Tauberbischofsheim, Gramschatz)

Tour 2

_ _Badische Weinroute
(Karlsruhe, Neustadt a.d. Weinstraße, Worms)

Tour 3

_ _Nibelungen-Route
(Heidelberg, Grasellenbach, Michelstadt)

Tour 4

_ _Moselwein- und Riesling-Route
(Mainz, Eltville, Koblenz, Brodenbach)

Mitte

Tour 5

_ _Eifel-Route
(Daun, Gerolstein, Bad Neuenahr, Königswinter, Köln)

Tour 6

_ _Rhein-Berg-Märchen-Route
(Lindlar, Bad Pyrmont, Steinhuder Meer)

Norden/Nordosten

Tour 7

_ _Grüne-Küsten-Route
(Coppenbrügge, Emden, Travemünde)

Tour 8

_ _Seen-Alleen-Bäume-Route
(Kap Arkona, Neustrelitz, Werder (Havel), Spreewald, Wittenberg)

Osten/Südosten

Tour 9

_ _Klassiker-Route
(Thale, Erfurt, Jena, Erzgebirge, Bayreuth)

24

Nord

W

O

S

Opa Hinnerk

Hamburg

Travemünde

Coppenbrügge

Thale

Wittenberg

Mainz

Bayreuth

Heidelberg

Sulzbach-Rosenberg

Das kann tödlich sein!

Saustechen

Außer Wald
nix zu sehen

Köln

München

Berlin

Tour 8

Tour 7

Tour 6

Tour 9

Tour 4

Tour 3

Tour 5

Tour 2

Tour 1

25

26

Romantik-Route

Tour 1

Über Rothenburg o.d. Tauber,
Tauberbischofsheim, Gramschatz

27

Nord

W

O

S

Anneliese beim
Haarklempner

Ein Rekord bleibt
niemals liegen,
er macht höchstens
einen Boxenstopp.

Wolfgang beim Klettern

Gramschatz

Tauberbischofsheim

Rothenburg o.d. Tauber

Würzburg

Baden-Württemberg

Romantische
Straße

28

Romantik-Route

Das berühmte Saustechen

Bayreuth

Bayern

Nürnberg

START

Tour 1

Sulzbach-Rosenberg

München 78 km

Tschechien 0 km

29

Tour 1

Romantik-Route

Anneliese schreibt

Die Reise beginnt ... in Sulzbach-Rosenberg

nsere große Deutschlandreise muss leider etwas später als geplant beginnen, denn das einzige, was der Wolfgang entgegen meinen strikten Anweisungen gepackt hat, sind zwei Kisten Weißbier und ein riesiger Leberkäse, die er im Kofferraum unter einer Pferdedecke versteckt hat. Und jetzt sitzt Herr Graf schon gemütlich im Wagen, während ich für ihn den Koffer packe. Und glauben S' ja nicht, dass er mir antwortet, wenn ich aus dem Fenster rufe, ob er wenigstens seine Korrektursohlen eingepackt hat. Na ja, er muss schließlich schief gehen, meine Füße sind ja normal. Was Kleidung und Haushalt betrifft, benimmt der Wolfgang sich immer noch wie ein Kind. Und sonst eigentlich auch. Jeder, der schon einmal einen Witz von ihm gehört hat, weiß, wovon ich spreche: Wenn da nicht mindestens eine dicke Frau, ein Gynäkologe oder ein Pups drin vorkommt, erzählt er ihn erst gar nicht.

U

Gegen Mittag hab ich für den Herrn Pascha dann alles zusammengepackt und wir können endlich losfahren. Ich flehe Wolfgang ein letztes Mal an, es sich zu überlegen und NICHT mit dem alten Opel Rekord meines Vaters (Gott hab ihn selig, meinen herzensguten Papa) zu fahren, denn durch den haben wir schon Anfang der 70er Jahre nahezu jeden ADAC-Mitarbeiter Bayerns persönlich kennengelernt. Aber statt mir zu antworten, rollt er mit den Augen, dreht irgendeine grauslige Jammer-Musik auf volle Lautstärke und drückt aufs Gas. Ich sag nur: Augen auf bei der Partnerwahl…

So a Schmarrn. Mit den Zutaten Nonne, Gurke und Pferd
komm ich auch prima zurecht - Beweis folgt!

Wolfgang, untersteh dich!

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Die Reise beginnt ... in Sulzbach-Rosenberg

Wolfgang schreibt

orgens, halb elf in Deutschland, genauer gesagt: in unserer schönen Heimat Sulzbach-Rosenberg. Gut gelaunt, den Schnauz gebürstet und mit einem kühlen Weißbier in der Hand sitzt euer verrückter Wolfgang hinterm Steuer des knallroten Opel Rekord von Vater Funzfichler (Gott hab ihn selig, den armen Irren) und wartet auf seine schlechtere Hälfte, die oben in unserem Schlafzimmer (also: in ihrem) steht und so laut vor sich hinkeift, dass man's wahrscheinlich noch in Amberg hat hören können. Also mache ich das, was ich immer mache, wenn die Anneliese ihre berühmten fünf Minuten hat (die sie ungefähr alle fünf Minuten hat, hehehe): die Ohren auf Durchzug stellen und ein weiteres Weißbier öffnen. Zur Erklärung für alle jugendlichen Leser: Ich bin selbstredend strikt gegen Alkohol am Steuer, aber ich habe ein ärztliches Attest, das beweist, dass mein Blutalkohol-Spiegel nach einem Weißbier niedriger ist, als wenn ich einen Löffel Hustensaft nehmen würde.

Nach dem dritten Weißbier (den Alkohol der ersten beiden habe ich inzwi- schen ja wieder abgebaut) stolziert Madame Funzfichler um 13:34 Uhr endlich aus der Haustür. Zum hundertsten Mal fragt sie mich, ob es denn wirklich eine gute Idee ist, mit dem alten Rekord zu fahren. Klar, mein Luxusweib würde sich natürlich lieber in eine dieser seelenlosen modernen Karossen setzen, die schon anfangen zu blinken und zu piepen, bevor man

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Tour 1

Romantik-Route

Wolfgang schreibt

auch nur einen Meter gefahren ist. So weit ist es nämlich schon gekommen in Deutschland, dass uns nicht nur unsere Frauen, sondern auch schon unsere Autos bevormunden: Regensensor hier, Einparkhilfe da, Lichtau- tomatik, Navigationssysteme, Anschnallhilfe – nicht mal selber Gas geben darf man, das übernimmt der gottverfluchte Tempomat. Weil alles voll- gestopft ist mit Elektronik und Computern. Keine zwei Kisten Bier passen mehr in so einen Scheißkarren. Und deswegen setz ich da auch keinen Fuß rein. Ein Wolfgang Funzfichler lässt sich von einem Automobil nicht sagen, wo er hinfährt - und schon gar nicht, wie er da hinfährt.

Und genau deswegen fahren wir auch mit dem guten alten Rekord: der mag zwar seine Macken haben (weil er Charakter hat), aber er hält die Gosch'n und unterwirft sich seinem Halter, so wie die Natur sich das ursprüng- lich mal gedacht hat. Und darum liebe ich diesen Wagen. Die Anneliese kann das natürlich nicht verstehen. Frauen sind einfach unfähig, eine emotionale Bindung zu alten Autos, Motorrädern oder Western in Techni- color aufzubauen. Aber mir ständig vorwerfen, ich könnte keine Gefühle zeigen …

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Die Reise beginnt ... in Sulzbach-Rosenberg

Wolfgang schreibt

Ich weiß – nächstes Mal nehm ich mehr! Hehehe.

Und ich hab mich schon gewundert, warum ich so schnell müde wurde.
Sag mal, spinnst du eigentlich? Wenn man das falsch dosiert, kann
das tödlich sein!

Also lege ich schnell die Kassette meines unterschätzten Solo-Albums »Endlich nur Wolfgang« von 1983 ein, stelle die Automatik auf D wie »Drauflosbrettern« und lasse die sechs Zylinder des alten Rekord ihren Dienst antreten. Endlich rollen wir durch unser wunderschönes Heimat- städtchen, vorbei am Familiensitz der Kecks in der Berliner Straße mit den barbusigen Engeln von 1765 im Giebel (die haben Schwager Anton und ich erst vor drei Jahren nach dem Vorbild unserer Nachbarin, der Moosach Christl, restaurieren lassen), an der Metzgerei Luber vorüber und dann ab auf die Landstraße. Ein, zwei Hasen dachten, sie wären von links nach rechts schneller als der Wolfgang pfeilgradaus, aber, hehe, da ham's falsch gedacht - morgen gibt's beim Luber Hasenbraten! Mei, zum Glück haben da schon die Schlaftabletten gewirkt, die ich der Anneliese in ihren Caro-Kaffee gemischt habe.

Vor der Nase eine Landstraße, unterm Hintern den guten alten Rekord und auf dem Beifahrersitz die schlafende Anneliese - was braucht ein Wolfgang mehr auf der Welt? Richtig: Keine schlafende Anneliese auf dem Beifahrersitz! Haha, Spaß muss sein.

Ich wünschte, der bekloppte alte Funzfichler könnte jetzt von seiner Gewitterwolke aus sehen, wie ich es mir hinter dem Steuer gemütlich mache. Der Mann konnte mich nämlich vom ersten Augenblick an nicht leiden. Und weil er wusste, dass ich in den Wagen mindestens so verknallt war wie in seine Tochter, hat dieser sadistische Orgel- Quäler in seinem Testament verfügt, dass der Rekord nur an uns vererbt wird, wenn der Name Funzfichler erhalten bleibt. Das muss man sich mal vorstellen: Erpressung vom Jenseits aus, das ist doch … eine Schande ist das! Ich könnt heut noch die Wände rauf kraxeln, so sehr regt mich das auf. So a Sack, a gschaftlhubriger war der …

Sauber, Papa!

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Tour 1

Romantik-Route

Anneliese schreibt

Wolfgang schreibt

Unterhosen vor Rothenburg

a, geh, lass mer die alten Wunden sich selber lecken. Jedenfalls wisst's ihr nun, wie der verrückte Wolfgang, der Kecki, zum min- destens so verrückten Wolfgang Funzfichler geworden ist. Und eins sag ich euch hier und jetzt: Den Opel Rekord werd ich bis an mein Lebens- ende fahren. Und jedes Mal, wenn ich hupe, soll's dem alten Funzfichler im Jenseits durch Mark und Bein gehen!

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o, liebe Leser, kurz vor Rothenburg, mitten in Mittelfranken, da finden Sie das beschauliche Städtchen Ansbach. Tun S' da mal den Blinker raus, denn hier lohnt sich ein Stopp! In unserem Fall brauchten wir gar keinen Blinker setzen, denn die verdammte Karre ist kurz hinter dem Ortseingang schon das erste Mal liegen geblieben.

Aber wo wir schon im schönen Ansbach sind, schauen wir uns doch direkt ein bisschen um – denn hier lässt sich einiges entdecken. Deswegen gibt es an dieser Stelle auch den ersten Geheimfunz! (Das ist ein Funzfichler-Reisetipp, der unter uns bleiben muss. Sonst wird aus so einem Geheimfunz nämlich schnell ein Allgemeinfunz, der weit weniger Spaß macht, weil alle anderen schon vor einem da waren, verstehen S', was ich mein?)

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Unterhosen vor Rothenburg

Anneliese schreibt

Geheimfunz

Kaspar Hausers Unterhose –

Im Museum des fränkischen Städtchens Ansbach gibt es ein ganz besonderes Ausstellungsstück zu bestaunen. Die meisten werden die Geschichte vom Kaspar Hauser schon einmal gehört haben: Als 16-Jähriger tauchte er in Nürnberg auf, konnte nicht sprechen und außer seinem Namen nichts schreiben, benahm sich überhaupt »pudelnärrisch«, wie Zeitzeugen berichteten.

(Wenn ihr mich fragt – der Bursche hatte
einfach ein paar Obergärige zu viel intus.
Dann kann ich auch nicht mehr sprechen
und benehme mich "pudelnärrisch"! )

Später erzählte Kaspar Hauser, er sei sein Leben lang bei Wasser und Brot in einem kleinen Raum gefangen gehalten worden. Etliche Zeitgenossen hielten ihn für den 1812 geborenen Erbprinzen von Baden, den man gegen einen sterbenden Säug- ling ausgetauscht habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu ermög- lichen. Andere hielten ihn für einen Hochstapler.

Heute weiß man aus genetischen Untersuchungen, dass zumindest die Erbprinz-Legende nicht halt- bar ist.
Kaspar wuchs bei einem Pflegevater auf, lernte rasch sprechen, lesen und schreiben. Sein Schick- sal wurde in ganz Europa bekannt, nachdem 1829 ein Mordanschlag auf ihn verübt worden war. Auch hier gab und gibt es zweifelnde Stimmen, ob Hau- ser sich die Verletzungen nicht selbst beigebracht habe.
1833 kam Kaspar Hauser erneut schwerverletzt nach Hause. Angeblich von einem Treffen mit einem Unbekannten, der ihm seine Herkunft ver- raten wollte, ihn dann aber niedergestochen habe. Am Tatort im Ansbacher Hofgarten fand man einen geheimnisvollen Zettel in Spiegelschrift. Diesen Zet- tel kann man zusammen mit Kaspar Hausers Unter- hose (inklusive Blutfleck!) im Ansbacher Museum besichtigen. Wer also wissen will, was draufsteht auf dem Zettel (oder einfach nur seine Unter- hose wechseln möchte), der sollte den Weg ins Markgrafen-Museum finden.

Wo?

Markgrafen-Museum
Kaspar-Hauser-Platz 1
91522 Ansbach

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Der Franke

Tour 1   Romantik-Route

»Rothenburg ob der Tauber« – wer beim Klang dieses Namens nicht in romanti- sche Wallungen gerät, dem kann wohl selbst die Frau Pilcher nicht mehr helfen. Also mein Herz pumperte jedenfalls schon wie wild, als der Wolfgang mir auf der Straßenkarte zeigte, wo wir als Nächstes hinfahren. Ich hab dann zwar gemerkt, dass er nur von der schwarzen Rußwolke aus dem Auspuff ablenken wollte, aber in diesem Fall war meine Vorfreude einfach größer als mein Ärger.

Steht Holland für löchrigen Käse und mit Drogen zugedröhnte Jugendliche, so ist Rothenburg der Inbegriff einer mittelalterlichen Stadt. Herrliche alte Häuser, wo man geht und steht. Am malerischen Plönlein mit dem Siebersturm, da können S' gleich Ihre eigene Postkarte fotografieren, so schön ist das! Mein Tipp: auf Erinnerungsfotos immer mal alleine ins Bild stellen, dann braucht man nach der Scheidung nicht umständlich den Kopf vom Partner rausschneiden.
Rothenburg ob der Tauber liegt auf der sogenannten »Romantischen Straße«.

Wahrscheinlich standen hier früher nur Brauereien
und Freudenhäuser – daher der Name!

– im Rest von Deutschland zwiespältig gesehener Menschenschlag. Nicht-Franken verstehen den klassisch-fränkischen Humor nur selten. Brauch- tumsforscher haben inzwischen auch herausgefun- den, warum: Es gibt ihn nicht.
Der fränkische Witz zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht erzählt wird; er wird von Generation zu Generation in der gedanklichen Überlieferung weitergegeben. Umgekehrt ist dem Franken etwa typisch norddeutscher oder gar rheinischer Humor völlig fremd. Was auch daran liegt, dass der Franke sich selten mit Nicht-Franken abgibt, ja, allem Nicht-Fränkischen mit großem Misstrauen bis hin zur Abneigung begegnet.
Wer nun den Eindruck hat, der gemeine Franke sei ein düsterer und eigenbrötlerischer Geselle, dem sei gesagt: Der gemeine Franke ist ein düsterer und eigenbrötlerischer Geselle. Doch wie in jeder Region unseres schönen Deutschlands gibt es auch

hier Ausnahmen: Im Frankenland wird wie über- all viel Bier getrunken. Und genauso viel Wein. Etliche Franken besitzen sogar die Fähigkeit, beides

T durch das D sowie des Buchstabens K durch dasTommy trinkt gerne teures Gebräu im Frankenkrug.«

Der Franke isst zudem gerne und oft »Würsterl«. Vonden kleineren grundsätzlich mehr als von den größe-ren, denn er ist ein gerechter Mensch. Der Sinn des

Anneliese schreibt

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