© 2012 Angela Gerrits
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published at epubli GmbH, Berlin
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ISBN 978-3-8442-2544-0
cover & digital editing:
timo kothes; www.e-texters.de
image:
fotolia.de / Viktar Ramanenka
Ich hatte mich so gefreut! Seit Wochen zählte ich die Tage bis zu den Sommerferien. Endlich Sonne, Strand und Meer. Keine Schule, keine Hausaufgaben, kein Regen. Nur dass meine beste Freundin Svenja nicht mitdurfte, hatte mich geärgert, aber Papa bestand auf einem richtigen Familienurlaub. Also flog ich mit ihm und Mama und meiner kleinen Schwester Nina alleine nach Italien. Das war zwar furchtbar langweilig, aber ich hatte beschlossen, mir meine gute Laune unter keinen Umständen verderben zu lassen.
Sie hielt genau bis zu dem Moment an, in dem wir in unserem Ferienappartement ankamen.
„Ich schlaf oben!“, kreischte Nina vergnügt, knallte mir ihren Rucksack vor die Füße und krabbelte die Leiter hoch.
Ich konnte Doppelstockbetten nicht ausstehen. Schon gar nicht, wenn ich sie mit meiner kleinen Schwester in einem winzigen Kinderzimmer teilen musste.
„Ich kann Doppelstockbetten nicht ausstehen“, muffelte ich, aber niemand hörte mir zu.
„Ist das herrlich!“, rief Mama entzückt und öffnete die Balkontür.
„Und alles inklusive“, sagte Papa zufrieden und legte die Arme um Mamas Schultern.
Mussten sie ausgerechnet jetzt rumturteln?
„Inklusive was?“, grummelte ich.
Papa nahm die schwarze Mappe vom Schreibtisch, schlug sie auf und las: „Inklusive Essen und Trinken, Poolbenutzung, Sport- und Freizeitangebot, Kinderspielpatz, hoteleigenem Strandabschnitt, Badetüchern, Sonnenliegen und Sonnenschirm, Teilnahme an der Verlosung eines romantischen Candlelight-Dinners im Wert von hundert Euro sowie des Internet-Cafés.“
Ich horchte auf. Immerhin, so konnte ich Svenja wenigstens berichten, dass sie nichts verpasste.
„Und Tretbootfahren auch?“ Nina zupfte an Papas Hemd.
Papa nickte. „Alles, mein Schatz. Alles bis auf unseren Kursus.“
„Kursus?“, fragte ich alarmiert.
Mama lachte. „Keine Sorge, das betrifft nur Papa und mich. Wir wollen nämlich Italienisch lernen. Ein Exklusivangebot des Hotels.“
Papa schnappte sich die Koffer, die in der offenen Eingangstür standen, und trug sie ins Schlafzimmer. „Ich wurde wie immer erst gar nicht gefragt.“
„Soll das heißen ... jeden Tag?“, hakte ich vorsichtig nach.
„Jeden Vormittag“, erklärte Mama. „Von zehn bis halb zwei. Morgen geht’s los.“
Meine Laune besserte sich schlagartig, denn was Mama erzählte, bedeutete, dass ich jeden Vormittag tun und lassen konnte, was ich wollte. Zum Beispiel faul in der Sonne liegen und zum Abkühlen zwischendurch mit den Füßen im Wasser plantschen und dann wieder faul in der Sonne liegen und immer so weiter. Herrliche Vorstellung! Dafür nahm ich sogar ein winziges Kinderzimmer mit Doppelstockbett und kleiner Schwester in Kauf.
„Das bedeutet, dass ihr beide jeden Vormittag tun und lassen könnt, was ihr wollt“, grinste Mama und zog die Augenbrauen hoch. „Innerhalb der Hotelanlage, versteht sich.“
„Und natürlich zusammen!“, rief Papa von nebenan.
Das fand ich gar nicht mehr herrlich. Ich sollte jeden Vormittag auf Nina aufpassen, während Mama und Papa sich vergnügten? Das hatten sie sich ja fein ausgedacht. Von wegen Familienurlaub!
„Kommt nicht infrage“, protestierte ich. „Da müsst ihr euch ’n anderen Babysitter suchen, ich hab nämlich Ferien!“
„Ich brauch keinen Babysitter!“, konterte Nina empört.
„Das meint Leonie nicht so“, versuchte Mama einzulenken und guckte mich flehentlich an. „Du hast jeden Nachmittag für dich, okay?“
Nina zog an meinem T-Shirt-Ärmel. „Gehen wir morgen früh Tretboot fahren? Dann lass ich dich auch nachmittags in Ruhe.“
Ich fragte mich, wie Nina ausgerechnet auf Tretbootfahren kam. Ich konnte mir keine langweiligere Urlaubsbeschäftigung vorstellen, die zugleich so anstrengend war.
„Mal sehen“, seufzte ich in der Hoffnung, dass Nina es sich bis morgen noch mal anders überlegen und faul in der Sonne liegen für eine prima Idee halten könnte.
„Avanti, avanti!“, scheuchte Mama uns am nächsten Morgen vom Frühstückstisch inmitten des riesigen Speisesaals auf. „Sonst kommen Papa und ich noch zu spät zum Unterricht!“
Nina kicherte, weil sie die Vorstellung, dass nicht sie und ich, sondern Mama und Papa zum Unterricht mussten, lustig fand.