Liebe
in echt.
Zwei sind besser als einer allein.
Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf.
Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen,
wärmt einer den anderen.
Einer allein – wie soll er warm werden?
(Kohelet 4, 9-12)
BASTEI ENTERTAINMENT



Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Einband- und Innengestaltung sowie Illustrationen: Constanze Guhr
Satz: Schaffer Grafik und Satz, Hofheim a. Ts.
Gesetzt aus der Museo Slab/Londrina Solid
Datenkonvertierung E-Book: Datamatics Global Services Limited
ISBN 978-3-8387-5613-4
Sie finden uns im Internet unter
www.luebbe.de

Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Mara Andeck
Alles, was du über Romantik, Küsse und
Traumprinzen wissen solltest
mit Illustrationen von Constanze Guhr
Inhalt
Einleitung — Sex oder Liebe?
6
Was ist Liebe?
14
Gibt es Liebe überhaupt?
14
Wenn die Chemie stimmt
20
Drei Bausteine der Liebe
26
Vom ersten Sex bis zum siebten Himmel —
Liebe in Zahlen
30
Können Zahlen lügen?
30
Der kleine Unterschied in Zahlen
34
Wer, wie, was? Liebe allgemein
38
Erste Liebe
46
Liebe wissenschaftlich — rosarote Zeiten
52
Wissenschaftlich denken, wissenschaftlich lieben
52
Wo und wie man Mr Right findet
58
Richtig flirten
72
Verliebtheit und Liebe
84
Let’s talk about Sex!
94
Was der Liebe Würze gibt
102
4
Liebe wissenschaftlich — wenn’s ernst wird
112
Wenn Herzen schmerzen — Liebeskummer
112
Und wo bleibt die Moral? Vom richtigen Küssen
und anständig Sein
130
Was Paare zusammenhält
146
Und zum Schluss: Liebe in echt
164
Anhang
168
Der große Flirt-Test mit Auswertung
168
Leckere Rezepte für einen romantischen Abend
zu zweit
180
Fundstellen für Referate
188
5
Einleitung — Sex oder Liebe?
Es geschah in Schottland am 10. April 1848, nach einem
rauschenden Fest: In seiner Hochzeitsnacht erschrak der
Künstler John Ruskin so heftig, dass ihm die Lust auf Sex für
den Rest seines Lebens verging. Grund für Ruskins Panik war
der Anblick seiner nackten Braut Effie, genauer gesagt, der
Anblick von Effies Schamhaar.
John Ruskin war selbst ein haariger Mensch, er trug eine
wallende Mähne und einen Rauschebart. Man kann also
nicht davon ausgehen, dass er grundsätzlich ein Problem
mit Haaren hatte. Nackte Frauenkörper allerdings kannte der
29-Jährige bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Museen, in denen
er antike Statuen betrachtet hatte. Und die waren am ganzen
Körper marmorweiß, glatt und unbehaart. Effie nicht.
Ein Sex- und Aufklärungsbuch hätte John Ruskin eine
Menge Ärger erspart. (Und Effie natürlich auch!)
Heutzutage ist das anders. Niemand wird erwachsen, ohne
irgendwann zu erfahren, wie nackte Menschen aussehen.
Selbst wenn man es wollte, könnte man das nicht schaffen.
Woher die Babys kommen, erfahren Kinder schon im Kinder-
garten. Und sobald sie in der Schule Lesen gelernt haben,
sind ihrem Wissensdurst
dank Bravo und Internet
keine Grenzen mehr
gesetzt. Vermutlich
könnten viele Lehrerinnen
und Lehrer schon von
Fünftklässlern in dieser
Hinsicht viel lernen.
Aufklärungsbücher sind für viele Teenies heutzutage also
ungefähr so nützlich wie ein drittes Nasenloch. Deswegen ist
dies auch kein Aufklärungsbuch.
Was dieses Buch enthält
Wir sind heutzutage
zwar gut über Sex
aufgeklärt, aber bei
der Liebe ist das
Wissenschaftliche Erkenntnisse
anders. Über sie
zum Thema Liebe
erfährt man in
Viel zum Lachen
Kindergarten und
Grafiken und Bilder
Schule nichts, was
Na gut. Natürlich geht es
einem weiterhilft –
auch um Sex.
zumindest nicht im
Und um Romantik
Unterricht.
Es enthält
Und leider ist auch
Weisheit.
das echte Leben
Zitate
in Sachen Liebe
manchmal kein guter
Lehrer. Da kann einfach viel zu viel schiefgehen: Eltern
streiten, trennen sich, lassen sich scheiden, finden neue
Partner und streiten sich mit denen auch wieder nur herum.
So will man selbst nie werden. Doch im eigenen Leben klappt
es mit der Liebe oft auch nicht wie erhofft. Vorbilder fehlen
und eigene Erlebnisse machen nicht gerade Mut.
Was tun?
Wenn man sich selbst auf die Suche macht und das Wort
Liebe bei Google eingibt, erhält man fast 300 Millionen
Ergebnisse, zu viel, um da noch durchzublicken.
Und wer dann ganz plötzlich vor der Liebe steht, kann
ähnlich fassungslos reagieren wie einst John Ruskin bei
Seitenzahlen, Überschriften etc.
7
Effies Anblick: Auch die Liebe ist nämlich nicht glatt und
makellos wie eine antike Statue.
Auf den folgenden Seiten geht es daher um Fragen wie: Wo
findet man den Richtigen oder die Richtige? Und wie erkennt
man, ob jemand richtig ist? Folgt man dem Motto: Gleich
und gleich gesellt sich gern? Oder gilt: Gegensätze ziehen
sich an? Wie flirtet man? Gibt es Tricks oder Liebestränke, die
dabei helfen? Woran erkennt man, ob Liebe echt ist? Und was
macht man, wenn die Liebe plötzlich vorbei ist? Kann man
sie noch retten? Und wenn nicht: War sie dann von Anfang
an nicht echt? Oder hat man etwas falsch gemacht?
Dieses Buch enthält keine Erfahrungsberichte von Liebes-
paaren und auch keine Ratschläge, wen oder wie man lieben
sollte. Es fasst zusammen, was Wissenschaftler über die Liebe
herausgefunden haben, es enthält die wichtigsten und die
witzigsten Ergebnisse aus Forschung und Wissenschaft.
Die wichtigsten, weil sie im Alltag hilfreich sind, und die
witzigsten, weil Wissenschaftler unter anderem auch festge-
stellt haben, dass Lachen nicht nur die Lachmuskeln lockert,
sondern auch das Denken. Wer also viel lacht, kann seine
Probleme besser lösen.
Und nicht nur das: Wer
viel und gern lacht, hat
auch weniger Probleme!
Lachen macht beliebt,
erfolgreich, gesund und
schön und ist daher sehr
hilfreich für ein erfülltes
Liebesleben.
8
Ist das echt wahr?
Ja. Der Wissenschaftszweig, der sich
mit dem Lachen befasst, hat sogar einen Namen: Gelotologie.
Aber was ist schon wahr? Es lohnt sich, an dieser Stelle kurz
über diese Frage nachzudenken. Achtung, jetzt wird es
philosophisch!
Wer ein Buch über Liebe liest,
Trotzdem. Es muss sein. Dieses Buch funktioniert nur, wenn
man vor dem Lesen den eigenen Kopf einschaltet. Und das
passiert genau jetzt. Also: Dranbleiben! Weiterlesen!
Nehmen wir einfach mal an, wir wären alle Ameisen. Dann
würden wir die Welt anders sehen. Schwarz-weiß, um genau
zu sein, wir wären nämlich farbenblind. Aber das würde uns
nicht bekümmern, wir wüssten ja gar nicht, dass es Farben
gibt. Keine andere Ameise hätte uns je von Rot, Blau, Gelb
oder Grün erzählt, und warum sollten wir über etwas nach-
denken, das wir nicht sehen und über das auch noch nie
jemand gesprochen hat?
sucht Tricks, um das Objekt
seiner Begierde möglichst schnell
zu erobern.
will wissen, warum Schluss ist.
fragt sich, ob es wahre Liebe über-
haupt gibt.
will philosophieren.
9
Gesprochen – das ist hier nicht das richtige Wort. Wir
Ameisen würden nie miteinander sprechen, das könnten
wir gar nicht. Wir hätten am ganzen Körper Duftdrüsen und
wenn es etwas mitzuteilen gäbe, würden wir einfach einen
passenden Duftmix absondern, dann könnten die andern
riechen, was wir denken.
Wir würden auch niemals lachen. Aber vielleicht gäbe
es einen fröhlichen Geruch, den wir bei bester Laune
versprühen könnten, einfach so, aus Übermut.
Ob das für uns allerdings gesund wäre, ist wieder eine
andere Frage. Es könnte sein, dass wir mit solch sprühender
Laune andere Ameisen nerven, weil wir sie bei emsiger
Arbeit stören. Vielleicht mobben Arbeitsameisen solche
gutgelaunten Sprüher aus dem Ameisenstaat heraus. Für uns
als Ameise könnte »Lachen« also durchaus ungesund sein.
Welche Wahrnehmung der Welt ist nun wahr? Die mensch-
liche Art, das Leben zu sehen oder die Art, wie die Ameisen
die Welt erriechen?
Was dieses Beispiel zeigen soll: Es gibt keine absolute, immer
und für alle gültige Wahrheit. Gut, die Gesetze der Schwer-
kraft gelten vermutlich auch für Ameisen, und ein paar
weitere Naturgesetze auch. Aber die meisten unserer angeb-
lichen »Wahrheiten« gelten nicht einmal für alle Menschen
auf der Welt und nicht in jeder Situation.
Um das noch einmal an dem Beispiel mit dem Lachen zu
beweisen: Selbst wenn Wissenschaftler festgestellt haben,
dass Lachen Menschen beliebt macht, gibt es doch viele
Situationen, in denen man sich mit lautem Gelächter unbe-
liebt machen kann. Und manchmal gefährdet Lachen
sogar das Liebesleben. Es wäre zum Beispiel gar nicht gut
gewesen, wenn John Ruskin in der Hochzeitsnacht beim
Anblick seiner Braut gelacht hätte. Oder nehmen wir mal
das Hochzeitsvideo mit dem Titel »My waffle wedded wife«
10
auf YouTube als Beispiel: Ob wohl viele Männer vorm Altar so
gelassen bleiben würden wie Andrew Engstrom, dessen Braut
bei seinem Eheschwur vor Lachen fast umgefallen ist?
Wer dieses Buch liest, sollte also stets daran denken:
1. Nicht alles, was erforscht wird, ist richtig. Wissenschaftler
können sich irren. Sie haben einst herausgefunden, dass
die Erde eine Scheibe ist. Sie haben etwas später behauptet,
dass die Sonne bewohnt wird. Vor rund hundertzwanzig
Jahren haben sie berechnet, dass Menschen bei rasenden
Zugfahrten mit der Dampflokomotive ab Geschwindigkeiten
von fünfzehn Stundenkilometern ihr Sehvermögen verlieren
können. Irren ist menschlich.
2. Nicht alles, was erforscht wird, ist wichtig, selbst wenn
es richtig ist. Physiker haben beispielsweise kürzlich die
»Rapunzel-Formel« entdeckt: Wenn man weiß, wie dick,
wie elastisch und wie lockig ein Kopfhaar ist, kann man aus
diesen Daten errechnen, welche Form ein Pferdeschwanz
hätte, wenn man alle Haare zusammenbinden würde. Hier
irrt die Wissenschaft vermutlich nicht, aber trotzdem wird
diese Entdeckung den Lauf der Welt nicht ändern – um es
mal freundlich auszudrücken. Unfreundlicher könnte
man auch fragen: Wer will
das wissen?
3. Es gibt keine Check-
liste für die Liebe. Selbst
wer alles beachten würde,
was Wissenschaftler je
herausgefunden haben,
hätte keine Garantie für
11
Liebesglück. Denn erstens ist nur ein Bruchteil der Liebe
wissenschaftlich erforscht. Und zweitens kommt Wissen-
schaft bei einem so vielseitigen Thema wie Liebe einfach an
ihre Grenzen. Trotzdem bringt es etwas, wenn man all diese
Forschungsergebnisse kennt. Man sieht das Thema Liebe
mal aus einem anderen Blickwinkel und kann sich eigene
Gedanken dazu machen. Deswegen gilt bei der Lektüre dieses
Buches: selber denken! Und danach: selber lieben!
Übrigens: Das Geschlecht spielt keine Rolle, wenn es um
Gefühle geht. Jungs lieben nicht anders als Mädchen, sie
werden nur oft anders erzogen und verhalten sich deswegen
manchmal unterschiedlich.
Es ist auch egal, wie sich ein Pärchen zusammensetzt. Junge
und Junge, Mädchen und Mädchen, Junge und Mädchen –
wenn es um Gefühle geht, ist das unwichtig. Liebe ist Liebe,
egal, wen man liebt.
12
13
Was ist Liebe?
»Liebe ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste
Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu
empfinden in der Lage ist.«
So steht’s bei Wikipedia. Und es gibt laut Internetlexikon
viele Arten von Liebe, für die das gilt: die zu Eltern und
Geschwistern oder zu Freunden zum Beispiel.
Davon soll dieses Buch aber nicht handeln. Wenn hier von
Liebe die Rede ist, dann ist immer ein Spezialfall gemeint:
die Liebe zu einem Partner, mit dem wir unseren Alltag,
unser Denken, unsere Zärtlichkeit und unsere Träume
teilen möchten. Mit Leib und Seele. Love. Amore. Amour.
Kærlighed. Rakkaus. Elska. Milosc. Ask. Wie immer man sie
nennen mag.
Aber was zeichnet diese spezielle Sorte Liebe aus? Was gehört
dazu? Gemeinsamkeiten? Unterschiede? Vertrauen? Sex?
Treue? Irgendwann Eheringe und Kinder?
Gibt es Liebe überhaupt?
Tatsächlich behaupten manche Wissenschaftler, Liebe sei
nichts anderes als eine romantische Erfindung. Menschen
seien Tiere ohne Fell, die von Genen und Hormonen
gesteuert würden. Das, was wir umgangssprachlich Liebe
nennen, ist dieser Theorie zufolge nichts anderes als eine Art
rosarot verzierter Fortpflanzungstrieb. Um diese Meinung zu
begründen, begeben sich solche Wissenschaftler gern zurück
in die Steinzeit, denn da haben sich unsere menschlichen
Gene angeblich herausgebildet.
14
15
Eine beliebte Erklärung für die Entstehung der Liebe in der
Steinzeit lautet so: Vor Millionen von Jahren entwickelten
sich unsere Vorfahren von Waldmenschen zu Steppenbewoh-
nern. Damit sie ihre Feinde übers hohe Gras hinweg besser
erspähen konnten, liefen sie irgendwann auf den Hinter-
beinen. Das brachte aber auch Nachteile mit sich. Die Weib-
chen konnten ihre Jungen jetzt nicht mehr in praktischer
Klammerhaltung auf dem Rücken tragen. Sie mussten sie in
den Arm nehmen und hatten die Hände nicht mehr frei.
Wie soll man so jagen oder kämpfen? Das geht nicht! Für die
Urzeit-Damen und ihren Nachwuchs war es plötzlich ein
Vorteil, wenn sie ein auserwähltes Männchen fest an sich
binden konnten, damit es bei ihnen blieb und diese Jobs
für sie übernahm. Auch die Steinzeit-Männer profitierten
davon, denn sie waren nur noch für ein einziges Weibchen
zuständig, anstatt für das ganze Rudel schuften zu müssen.
So ersparten sie sich eine Menge Stress.
Paare, die sich damals zusammentaten und zu zweit ihre
Jungen aufzogen, hatten also bessere Überlebenschancen
als Einzelgänger und konnten viele ihrer Nachkommen
durchbringen. So gaben sie dieses Verhalten weiter und das
war angeblich der Beginn von Liebe und Partnerschaft beim
Menschen.
Weil aber im Alter von spätestens vier Jahren Jungmenschen
auch damals schon sicher laufen konnten, trennten sich die
Paare angeblich nach dieser Zeit wieder und gingen neue
Bindungen ein. Das zumindest behaupten einige Wissen-
schaftler. Sie glauben, wir Menschen seien deswegen gene-
tisch auf einen solchen Vierjahresrhythmus eingestellt und
deswegen sei heute noch die Scheidungsrate bei Menschen
im vierten Ehejahr am höchsten. Statt um Liebe und Glück
geht es unseren Genen nämlich auch heute noch nur um die
Aufzucht von Nachkommen.
16
Eine gewagte Behauptung, die sich durch nichts beweisen
lässt. Es gibt nämlich keine Aufzeichnungen aus der Stein-
zeit. Niemand hat damals mitgeschrieben, heimlich gefilmt
oder ein Handyfoto geschossen.
Und die Sache mit dem Vierjahresrhythmus lässt sich nicht
einmal für heutige Zeiten beweisen. Ein Liebespaar ist ja
meistens schon eine Weile zusammen, bevor es heiratet.
Warum sollte unsere genetische Uhr den Beziehungs-Count-
down ausgerechnet in dem Moment starten, in dem wir vor
den Altar treten?
Und es gibt noch einen weiteren Gegenbeweis: Wissen-
schaftler haben verliebte Testpersonen in Kernspintomo-
grafen geschoben. Mit solchen Geräten kann man
Aufnahmen von der Aktivität des Gehirns machen. Hirn-
regionen, die gerade arbeiten, benötigen nämlich mehr
Sauerstoff als weniger beanspruchte Regionen und das
können die Geräte sichtbar machen. Den Testpersonen
wurden Bilder ihrer Partner gezeigt. Ergebnis: Bei vielen
Paaren, die schon zwanzig Jahre und mehr zusammenlebten,
leuchteten im Gehirn noch immer dieselben »Verliebtheits-
regionen« auf wie bei Frischverliebten. Sie liebten sich also
nach zwei Jahrzehnten immer noch wie am ersten Tag.
17
Liebe früher: Als Menschen noch in Höhlen lebten
Was wissen wir wirklich über das Liebesleben unserer Ahnen?
Genau genommen – nichts!
Die ältesten Kunstwerke der Welt sind kleine Frauenfiguren aus
Mammutelfenbein und Stein. Menschliche Urahnen von uns haben
sie vor ungefähr 35 000 Jahren geschnitzt. Sie sind alle überaus
üppig, mit großen Brüsten, gewaltigen Bäuchen und kräftigen
Beinen. Das muss aber nicht heißen, dass Frauen damals so
aussahen oder dass Steinzeitmänner auf solche »Superweiber«
standen. Niemand weiß ja, wer diese Figuren geschaffen hat,
ob Mann oder Frau. Keiner weiß, wer dafür Modell stand und
für welchen Zweck sie gemacht wurden. Sind das nun stein-
Frauenträume? Hätten die Steinzeitdamen gern so ausgesehen?
Fanden sie das schön? Das wird man nie erfahren.
Fest steht nur: Fast alle uralten Steinfigürchen in Menschenge-
stalt zeigen Frauen. Vielleicht fanden Steinzeitmenschen Frauen
interessanter, weil sie Kinder bekommen konnten. Vielleicht
wussten Steinzeitmenschen einfach nicht, dass auch Männer bei
der Fortpflanzung eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht haben
sie Frauen deswegen besonders beachtet und verehrt.
Für diese Vermutung spricht, dass es einige Jahrtausende
später plötzlich auch männliche Figuren gab. Sie entstanden
etwa zum selben Zeitpunkt, als die ersten Menschen sesshaft
wurden und Viehzucht betrieben. Es könnte also sein, dass
die Menschen aus der Beobachtung ihrer Zuchttiere gelernt
hatten, wozu die Natur die Männchen erschaffen hat, und diese
Wunderwesen samt ihrem Zauberstab nun auch in Kunstwerken
verewigen wollten.
vor 35 000 Jahren
gewordene Männerträume? Sind es echte Frauen in der Schwan-gerschaft?
Sind es Fruchtbarkeitsgöttinnen? Oder vielleicht
2000 v. Chr.
1500 v. Chr.
1000 v. Chr.
500 v. Chr.
heute
Noch ein bisschen später sind wohl die allerersten »Porno-
Bilder« in der Geschichte der Menschheit entstanden. In einer
Höhle im französischen La Marche fand man viele uralte Höhlen-
kritzeleien, darunter sogar eine Zeichnung von einem Paar beim
Sex, sie ist etwa 15 000 Jahre alt.
Aber haben sich die beiden geliebt? Oder nur fortgepflanzt? Das
lässt sich daraus nicht schließen.
Die Zeichnungen in der Höhle von La Marche wurden übrigens
lange für eine Fälschung gehalten, weil sie aussehen wie Kritze-
leien in einem Schulheft.
Sie sind aber wirklich echt. Ein Archäologe vermutet, dass die
Bilder von Jugendlichen stammen und so etwas wie Vorläufer
der heutigen Graffiti sind. Vielleicht haben dort also vor 15 000
Jahren picklige Teenies im Hormonrausch giggelnd die Höhlen-
wände bekritzelt – und wir stehen heute davor und fragen uns,
was sie uns damit sagen wollten.
Jahr 0
500 n. Chr.
1000 n. Chr.
1500 n. Chr.
2000 n. Chr.
Wenn die Chemie stimmt
Ja, gibt es sie denn nun, die wahre Liebe?
Ein Blick auf das Liebesleben der Höhlenmenschen bringt
zwar keine Klärung, aber vielleicht hilft es, wenn wir einen
Blick in die Labore von Biochemikern werfen. Ein paar von
ihnen halten Liebe nämlich ebenfalls für ein romantisches
Märchen. Sie meinen: Die Chemie muss stimmen, dann
klappt’s auch mit
der Paarung, und
um etwas anderes
geht es nicht. Und
Paarung funktioniert
beim Menschen so:
Menschliche Männ-
chen verströmen
mit ihrem Schweiß
Duftstoffe, die
fruchtbare Weibchen
in der Phase ihres
Eisprungs anlocken.
An der männlichen
Duftnote erkennt das
schnuppernde Menschenweibchen dann, welches Männ-
chen rein genetisch betrachtet am besten zu ihr passt. Wenn
die Genkombination für gesunden Nachwuchs günstig ist,
kommt im Gehirn ein chemischer Dominoeffekt in Gang.
Männchen und Weibchen produzieren plötzlich eine wahre
Flut des Glückshormons Dopamin, was sich anfühlt wie die
sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch. Gleichzeitig
sinkt der Serotoninspiegel im Gehirn und jetzt können die
beiden an nichts anderes mehr denken als an das Objekt
ihrer Begierde. Ein Mangel des Hormons Serotonin macht
20
Menschen nämlich geradezu zwanghaft zielstrebig.
Wer einmal vergeblich versucht hat, im Gespräch
mit einer frisch verliebten Freundin ein anderes
Thema als deren Schwarm anzusprechen, weiß,
was hier mit zwanghaft zielstrebig gemeint ist.
In den Adern des Pärchens kreist in diesem
Stadium auch das Stresshormon Adrenalin,
das die Leidenschaft anheizt und das Blut in
Wallung bringt. Dadurch wird ein weiteres
Hormon ausgeschüttet, Testosteron. Und
nun wollen beide Partner nur noch
eins: Sex.
Während sie sich also aufeinander-
stürzen, sich die Kleider vom Leib reißen
und für die Produktion von Nachwuchs sorgen, schüttet das
Gehirn beim Orgasmus schon das nächste Hormon aus,
Oxytocin. Das versetzt die beiden nach dem Sex in Kuschel-
stimmung. Jetzt empfinden sie rosarote Liebe füreinander,
wollen sich treu sein bis an ihr Lebensende und suchen schon
mal Vornamen für ihre Kinder aus. Und wenn sie nicht ge-
storben sind, rauschen ihre Hormone noch heute durch ihren
Körper und sie pflanzen sich fort, bis sie alt und grau sind.
21
Stimmt das wirklich? Werden wir ausschließlich von unseren
Hormonen gesteuert? Wenn man mal darüber nachdenkt,
kommen da schnell Zweifel auf. Genau genommen sieht man
ja eher selten Menschen, die nach dem ersten Schnupper-