Am Erbstreit sind nicht immer die Erben, sondern oft der Erblasser selbst schuld.
Das Gesamtvermögen der Deutschen hat den kaum vorstellbaren Wert von 7 Billionen EUR erreicht. Jahr für Jahr stehen Vermögenswerte von rund 50 Milliarden EUR zur Übertragung an. Der weitaus größte Teil davon entfällt auf Grundbesitz.
Die Frage, ob Immobilienvermögen noch zu Lebzeiten oder erst von Todes wegen auf die nächste Generation übertragen werden soll, ist eine der wichtigsten Entscheidungen im dritten Lebensabschnitt eines Menschen.
Den Beteiligten sind die Konsequenzen dieser weit tragenden Entscheidung nur selten voll bewusst, da häufig übereilt und ohne neutrale, kompetente Beratung gehandelt wird. Nicht selten werden zudem ältere Menschen zu einer lebzeitigen Übertragung ihrer Immobilien mit mehr oder weniger überzeugenden Argumenten gedrängt.
Nach einer EMNID-Umfrage haben nur 29% der Deutschen eine letztwillige Verfügung errichtet. Ursache hierfür sind unreflektierte Verdrängung, Aberglaube oder die Maxime „Nach mir die Sintflut“.
Nachlassimmobilien gehen deshalb in der Regel aufgrund gesetzlicher Erbfolge auf eine Mehrheit von Erben über. Interessengegensätze innerhalb dieser Zwangsgemeinschaft führen häufig zu Streit, der vor Gericht mit großer Härte und Erbitterung ausgetragen wird.
Eine kluge und vor allem vorausschauende Nachlassplanung kann Steuernachteile, Streit unter Angehörigen und die Zerschlagung des Familienvermögens vermeiden. Dieser Ratgeber vermittelt das notwendige Wissen hierzu.
Das Bundesministerium der Justiz stellt für interessierte Bürgerinnen und Bürger aktuelle Gesetze und Rechtsverordnungen kostenlos im Internet bereit: www.gesetze-im-internet.de.
VIIhre Anregungen und Hinweise zu diesem Buch sind uns jederzeit willkommen. Unsere Anschrift finden Sie auf folgenden Websites:
Manfred Hacker: www.Advocatio.de
Bernhard F. Klinger: www.Advocatio.de
München, im November 2018 |
Manfred Hacker |
Bernhard F. Klinger |
Viele Immobilieneigentümer stehen vor der schwierigen Frage, ob sie bereits zu Lebzeiten Grundbesitz auf Kinder, Enkelkinder oder sonstige Angehörige übertragen sollen. Unabhängig von der Motivation ist es zwingend notwendig, die Chancen und Risiken einer lebzeitigen Zuwendung von Grundbesitz gegeneinander abzuwägen. Dies setzt die Kenntnis der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sowie der steuerlichen Grundlagen voraus. Dabei werden den nachfolgenden Überlegungen lediglich Immobilien im Privateigentum zugrunde gelegt.
Der Begriff der „vorweggenommenen Erbfolge“ ist nicht allgemein definiert. Unter „vorweggenommener Erbfolge“ versteht man in der Regel alle (jedenfalls teilweisen unentgeltlichen) Vermögensübertragungen unter Lebenden, die in der Erwartung vorgenommen werden, dass der Erwerber im Erbfall das Vermögen ohnehin erhalten würde. Mit der lebzeitigen Zuwendung von Immobilien können verschiedene Ziele erreicht werden:
Die Bestimmungen für die Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften sind im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, im Bewertungsgesetz sowie in einer Vielzahl von Richtlinien und Hinweisen geregelt. Letztere enthalten praxisnahe Fallbeispiele und bieten deshalb auch für den steuerlichen Laien hilfreiche Informationen. Wer sich mit dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht näher befassen möchte, dem werden die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Hinweise in der Taschenbuchausgabe „Erbschaftsteuerrecht“, Beck-Texte im dtv empfohlen. Einen weiteren Bereich regelt die Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung(ErbStDV). Dort wird vorgegeben, dass und wie die Versicherungsunternehmen, die Banken, die Gerichte, die Standesämter und die Notare die Schenkungen, ggf. den Sterbefall, dem Finanzamt anzeigen müssen. Die Notare müssen dabei unter Angabe des Wertes der Zuwendung, wofür sie die Beteiligten zu befragen haben, eine Abschrift der Schenkungsurkunde dem Finanzamt übermitteln, auch wenn die Schenkung teilweise entgeltlich ist.
Die zweite Säule neben dem ErbStG ist das Bewertungsgesetz. Das Bewertungsgesetz regelt, welchen steuerlichen Wert ein Vermögensgegenstand hat. Welchen Wert ein geschenkter Geldbetrag von 100.000 EUR hat ist klar, nämlich 100.000 EUR. Wird aber einem Kind ein Grundstück geschenkt, steht sein steuerlicher Wert nicht ohne weiteres fest. Das Bewertungsgesetz (BewG) enthält Regelungen, nach denen der Wert des geschenkten Grundstücks festgestellt wird. Zum Bewertungsgesetz sind – wie nicht anders zu erwarten – auch umfangreiche Bewertungsrichtlinien und Hinweise ergangen. Diese sind ebenfalls in den Beck-Texten im dtv enthalten.
Wenn der Schenker oder der Beschenkte in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (sogenannte Inländereigenschaft) hat, findet immer deutsches Schenkungsteuerrecht Anwendung. Deutsches Schenkungsteuerrecht findet darüber hinaus auch Anwendung, wenn deutsche Staatsangehörige sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht kommt es nicht in erster Linie darauf an, ob der Schenker oder der Beschenkte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Schenkt also ein in München wohnender Amerikaner, somit Inländer, seiner österreichischen Freundin ein Grundstück in Südfrankreich, dann findet deutsches Schenkungsteuerrecht Anwendung. Unter welchen Voraussetzungen nunmehr ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, wird für das Steuerrecht in der Abgabenordnung bestimmt.
Eine beschränkte persönliche Steuerpflicht liegt vor, wenn weder der Schenker noch der Beschenkte seinen Wohn- oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat, also kein Inländer ist, aber der Schenkungsgegenstand sich in Deutschland befindet. Dieser Fall liegt vor, wenn zum Beispiel ein dauerhaft in Frankreich lebender Franzose seiner ebenfalls in Frankreich lebenden Ehefrau eine Eigentumswohnung in Berlin schenkt. Dieser Vorgang löst auch in Deutschland Schenkungsteuer aus.
Schenkungen mit Auslandsbezug können einer Steuerpflicht in zwei oder mehreren Staaten unterliegen. In dem oben genannten Beispiel könnte es sein, dass auch Frankreich vom Ehemann oder von dessen Ehefrau Schenkungsteuer verlangt, auch wenn die Wohnung in Berlin liegt. Eine dadurch eintretende Doppelbesteuerung soll durch Doppelbesteuerungsabkommen verhindert oder minimiert werden. 5Diese Abkommen sind völkerrechtliche Verträge mit deren Hilfe die Staaten vermeiden, dass bei demselben Steuerpflichtigen dieselbe Schenkung durch gleichartige Steuern mehrfach belastet wird. Dies kann dadurch erfolgen, dass der Staat, in dem sich die Immobilie befindet, auf eine Besteuerung verzichtet oder diese einschränkt oder dadurch, dass der Wohnsitzstaat des Schenkers auf die Schenkungsteuer verzichtet oder dass eine im Ausland angefallene Schenkungsteuer auf die Steuer in Deutschland angerechnet wird.
Doppelbesteuerungsabkommen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bestehen derzeit mit folgenden Staaten:
Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich wurde gekündigt, weil Österreich die Schenkungsteuer abgeschafft hat.
Nach § 7 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wird als Schenkungjede freigebige Zuwendung unter Lebenden definiert, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine Schenkung liegt aber nicht nur in der Übereignung von Sachen, sondern auch in der Gewährung eines anderen Vermögensvorteils, zum Beispiel die unentgeltliche Wohnungsüberlassung oder der Erlass von Forderungen.
BEISPIEL: Eltern haben ihrem Kind ein Darlehen in Höhe von 30.000 EUR gewährt. Irgendwann verzichten sie auf die Rückzahlung. In dem Verzicht liegt eine Schenkung. Eine Schenkung liegt auch dann vor, wenn der Schenkungsvorteil nicht direkt vom Schenker kommt. Übertragen zum Beispiel Eltern der Tochter einen Bauplatz im Werte von 100.000 EUR und verpflichten dieses Kind, einen Ausgleich in Höhe von 50.000 EUR an ihren Bruder zu zahlen, dann liegt schenkungsteuerlich in Höhe von 50.000 EUR eine Schenkung der Eltern an ihren Sohn vor.
Keiner Besteuerung unterliegt die Zuwendung eines Familienheimes unter Ehegatten. Zum Familienheim gehört nicht nur das Einfamilienhaus, sondern auch eine von den Eheleuten selbst genutzte Eigentumswohnung. Steuerbefreit ist auch die Hingabe eines Geldbetrages an einen Ehegatten, um ein Familienheim im Sinne des Gesetzes zu kaufen. Schenkt also der Ehemann seiner Ehefrau 600.000 EUR, damit diese am neuen ersten Wohnsitz in München eine gemeinsame Eigentumswohnung (mittelbare Grundstückszuwendung) kauft, löst diese Schenkung keine Steuern aus. Allerdings wird das Finanzamt prüfen, ob die Wohnung tatsächlich gekauft wurde und ob der Wohnungskauf auch Kosten in Höhe von 600.000 EUR ausgelöst hat. Die vom Gesetz verlangte Selbstnutzung schließt auch die Nutzung einer Garage und Nebenräume ein. Die Nutzung auch zu anderen als Wohnzwecken ist unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist, zum Beispiel durch die Nutzung eines Arbeitszimmers. Die unentgeltliche gewerbliche oder freiberufliche Mitbenutzung der Immobilie ist auch dann unschädlich, wenn die Wohnnutzung überwiegt.
Geldzuwendungen unter Lebenden, die einer Pflegeperson für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhält, sind steuerbefreit. Hierbei ist allerdings hinsichtlich der Höhe dieser Zuwendung § 37 des Sozialgesetzbuches XI zu beachten. Die dort genannten Deckelungsbeträge werden immer wieder angepasst.
Steuerbefreit bleiben auch Zuwendungen, die zum Zwecke des angemessenen Unterhaltes oder zur Ausbildung des Bedachten erfolgen.
Steuerbefreit sind auch Gelegenheitsgeschenke, die zu den üblichen Jahresfesten und Ereignissen gewährt werden, zum Beispiel zu Weihnachten, Geburtstag, Hochzeit, Examen etc. Eine Höhe ist dabei nicht festgelegt, richtet sich aber nach den individuellen Vermögensverhältnissen der Vertragsparteien.
Mietshäuser zu Wohnzwecken sind nur mit 90 % ihres Wertes anzusetzen. Wird das Haus auch noch gewerblich genutzt, ist nur der auf die Wohnnutzung entfallende Anteil begünstigt.
Die in der folgenden Tabelle genannten Freibeträge beziehen sich auf das Verwandtschaftsverhältnis des Schenkers zum Beschenkten, wenn also der Beschenkte der Ehegatte, das Kind, der Enkel usw. des Schenkers ist. Die Erbschaft- und Schenkungsteuerklassen sind so anzuwenden, dass vom steuerpflichtigen Erwerb der persönliche Freibetrag abgezogen wird und nur noch der eventuell verbleibende Rest zu versteuern ist.
Steuer- |
Personenkreis |
Freibe- |
I |
Ehepartner und eingetragener Lebenspartner |
500.000 EUR |
Kinder, Stiefkinder, Kinder verstorbener Kinder und Stiefkinder |
400.000 EUR |
|
Enkelkinder |
200.000 EUR |
|
Eltern und Großeltern im Erbfall |
100.000 EUR |
|
II |
Geschwister, Neffen und Nichten, Stiefeltern, Schwiegereltern, geschiedene Ehepartner, Eltern und Großeltern im Falle einer Schenkung |
20.000 EUR |
III |
Alle übrigen Personen (zum Beispiel Tanten, Onkel); Zweckzuwendungen |
20.000 EUR |
Die Steuerklassen haben übrigens nichts mit den Lohnsteuerklassen zu tun. Aus den Steuerklassen ergibt sich lediglich das verwandtschaftliche Verhältnis zum Schenker. So gehören zur Steuerklasse I der Ehegatte und das Kind, zur Steuerklasse II die Eltern (außer bei Erwerb im Todesfall, dann Steuerklasse I) und Geschwister und zur Steuerklasse III alle Personen, die nicht zu den Steuerklassen I und II gehören, insbesondere also die Personen, mit denen der Schenker nicht verwandt ist, zum Beispiel der Lebensgefährte.
Die in der Tabelle genannten Wertgrenzen sind so zu lesen, dass ein steuerlicher Wert bis 75.000 EUR in Steuerklasse I mit 7 % zu versteuern ist. Ist der steuerliche Wert höher als 75.000 EUR (zum Beispiel 80.000 EUR), ist der Gesamtbetrag mit 11 % zu versteuern und nicht – wie man auch annehmen könnte – bis 75.000 EUR mit 7 % und die Differenz von 75.000 EUR bis 80.000 EUR mit 11 %.
Erwerb |
Steuerklasse I |
Steuerklasse II |
Steuerklasse III |
(in EUR) |
|
|
Alle übrigen Personen |
bis 75.000 |
7 % |
15 % |
30 % |
bis 300.000 |
11 % |
20 % |
30 % |
bis 600.000 |
15 % |
25 % |
30 % |
bis 6 Mio. |
19 % |
30 % |
30 % |
bis 13 Mio. |
23 % |
35 % |
50 % |
bis 26 Mio. |
27 % |
40 % |
50 % |
über 26 Mio. |
30 % |
43 % |
50 % |
9BEISPIEL: Dem Kind wird von der Mutter ein Hausgrundstück im steuerlichen Wert von 450.000 EUR geschenkt. Hiervon wird der Freibetrag von 400.000 EUR abgezogen. Zu versteuern sind also nur noch 450.000 EUR./. 400.000 EUR = 50.000 EUR. Der Steuersatz beträgt in diesem Fall 7 %. Zu zahlen sind 3.500 EUR. Allerdings können auch noch Erwerbskosten, zum Beispiel Notarkosten, Kosten des Grundbuchamtes vom Wert des Erwerbs abgezogen werden. Aber nur, wenn diese Kosten auch der Beschenkte gezahlt hat.
Liegt der Wert des steuerlichen Erwerbs nur ganz knapp über 75.000 EUR (zum Beispiel 75.500 EUR), sind grundsätzlich 75.500 EUR mit 11 % (= 8.305 EUR) zu versteuern. Die Anwendung des nächst höheren Steuersatzes wird in derartigen Fällen als Härte empfunden. Diese Härte ist nach § 19 Absatz 3 ErbStG zu mindern beziehungsweise auszugleichen. In welchem Umfang ein Ausgleich vorzunehmen ist, ergibt sich aus nachfolgender „Tabelle der Härte der Ausgleichszonen“ der Finanzverwaltung nebst anschließender „vereinfachter Berechnung“.
Wertgrenze gemäß § 19 Absatz 1 ErbStG |
Härteausgleich gemäß § 19 Absatz 3 ErbStG bei Überscheiten der letztvorhergehenden Wertgrenze bis einschließlich … EUR in Steuerklasse |
||
EUR |
I |
II |
III |
75.000 |
– |
– |
– |
300.000 |
82.600 |
87.400 |
– |
600.000 |
334.200 |
359.900 |
– |
6.000.000 |
677.400 |
749.900 |
– |
13.000.000 |
6.888.800 |
6.749.900 |
10.799.900 |
26.000.000 |
15.260.800 |
14.857.100 |
– |
Über 26.000.000 |
29.899.900 |
28.437.400 |
– |
10BEISPIEL: Ist anhand der Tabelle zu den Härteausgleichszonen festgestellt, dass ein Härteausgleich zu erfolgen hat (in dem Beispiel 75.500 EUR), genügt es – bei Steuersätzen bis 30 % – zwei Beträge zu addieren.
Steuer bei der letztvorhergehenden Wertgrenze (75.000 EUR x 7 %) |
im Beispiel: |
5.250 EUR |
50 % des die Grenze überschreitenden Betrags (500 EUR) |
im Beispiel |
+ 250 EUR |
Festzusetzende Steuer |
im Beispiel |
5.500 EUR |
Bei Steuersätzen über 30 % sind 75 % des die Grenze überschreitenden Betrags dazuzurechnen.
Die persönlichen Freibeträge entstehen alle 10 Jahre neu. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass sich alle 10 Jahre die Freibeträge automatisch kumulieren würden, also einem 30-jährigen Kind schon ein Freibetrag von 3 × 400.000 EUR (= 1.200.000 EUR) zustehen würde. Vielmehr ist es so, dass nicht ausgenutzte Freibeträge „verfallen“ und einem Kind nur ein Freibetrag für die Übertragung des Vermögens in den letzten 10 Jahren zusteht.
BEISPIEL: Wenn der Vater seiner Tochter vor 11 Jahren ein Grundstück im steuerlichen Wert von 400.000 EUR geschenkt hat, dann spielt diese Schenkung keine Rolle mehr, wenn er jetzt eine erneute Schenkung vornimmt. Der Vater könnte also weiteres Vermögen im steuerlichen Freibetrag von 400.000 EUR auf seine Tochter übertragen. Wegen des Ablaufs der 10 Jahre steht der Tochter der Freibetrag von 400.000 EUR wieder zu und Schenkungsteuer ist nicht zu zahlen. Hat der Vater die erste Schenkung vor 9 Jahren vorgenommen, ist der Wert beider Schenkungen zu addieren und davon nur einmal der Freibetrag abzuziehen. Durch eine gezielte Schenkung unter Beachtung des 10-Jahresrhythmus können somit nach 10 Jahren und einem Tag 800.000 EUR von jedem Elternteil auf jedes Kind steuerfrei übertragen werden
Grundsätzlich ist auch eine Übertragung auf minderjährige Kinder zulässig, allerdings müssen in diesem Zusammenhang zusätzliche Überlegungen angestellt werden. So ist zum Beispiel zu beachten, 11dass die Familienkrankenversicherung eines minderjährigen Kindes entfallen kann, wenn es eigene Einkünfte hat. Je nach Art der Schenkung kann auch die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich werden, zum Beispiel bei der Schenkung einer Eigentumswohnung.
Die Bewertung von Grundvermögen richtet sich für die Zwecke des ErbStG nach dem Bewertungsgesetz. Ziel des Gesetzes ist es, die steuerlich festgestellten Grundstückswerte so weit wie möglich an die wirklichen Grundstückswerte heranzuführen. Der Einheitswert eines Grundstücks spielt für die schenkungsteuerliche Bewertung keine Rolle.
Zuständig für die gesonderte Feststellung des Grundstückswertes ist das Lagefinanzamt, also das Finanzamt, in dessen Zuständigkeitsbereich sich das Grundstück befindet. Das Lagefinanzamt stellt den steuerlichen Wert des Grundstücks in einem Feststellungsbescheidfest. Dieser ist für die Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Finanzamtes verbindlich. Wer mit dem festgestellten steuerlichen Wert des Grundstücks nicht einverstanden ist, muss gegen diesen Feststellungsbescheid Einspruch einlegen und nicht gegen den Schenkungsteuerbescheid. Wird der Feststellungsbescheid geändert, muss auch der Schenkungsteuerbescheid geändert werden. Auf den Feststellungsbescheid des Lagefinanzamtes ist deshalb ein besonderes Augenmerk zu richten.
Jede steuerliche Wertfeststellung eines Grundstücks setzt die Kenntnis des amtlichen Bodenrichtwertes voraus. Dieser Wert ist nichts anderes als der Quadratmeterpreis für ein unbebautes Grundstück. Die Bodenrichtwerte werden von den Gutachterausschüssen nach den Regelungen des Baugesetzbuches ermittelt und sind jedermann zugänglich. Die Gutachterausschüsse sind deutschlandweit und flächendeckend eingerichtet. Jede größere Stadt hat einen eigenen Gutachterausschuss. Sie können aber auch bei Behörden oder für mehrere Behörden zentralisiert eingerichtet sein.
12Expertentipp
Jeder Bürger hat gegen den Gutachterausschuss einen Auskunftsanspruch nach § 196 Absatz 3 BauGB.
Für die steuerliche Grundstücksbewertung ist maßgeblich der aktuelle Bodenrichtwert. Richtwerte sind Durchschnittswerte, die sich für ein Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Lage- und Nutzungsverhältnissen ergeben. Im Einzelfall ist aber immer zu prüfen, ob das zu bewertende Grundstück hinsichtlich der Lage und der Nutzungsmöglichkeiten mit den gebietstypischen Grundstücken in seinen wesentlichen Merkmalen übereinstimmt.
BEISPIEL: Es kann durchaus vorkommen, dass eine Einfamilienhausbebauung gebietstypisch ist, aber wegen der Randlage des konkret zu bewertenden Grundstücks eine andere bauliche Ausnutzung zulässig ist oder aufgrund einer baulichen Ausnahmegenehmigung oder der tatsächlichen Bebauung eine andere von dem Durchschnittsgrundstück abweichende tatsächliche Ausnutzung vorliegt. Wurde etwa in einem Einfamilienhausgebiet ein Dreifamilienhaus errichtet, dann ist nicht der gebietstypische Bodenrichtwert maßgeblich, sondern ein dem Dreifamilienhaus angepasster Bodenrichtwert. Die Berechnung des Bodenrichtwertes erfolgt für diesen Fall nach ErbStR B 179.2.
Ist der Verkehrswert niedriger als der vom Finanzamt festgestellte Wert, ist der Verkehrswert nach den Wertverhältnissen zum Schenkungszeitpunkt festzustellen, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 198 BewG). Allerdings muss der Steuerpflichtige regelmäßig das Gutachten eines Sachverständigen oder das Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses einholen. Die Kosten des Gutachtens muss der Steuerpflichtige selbst tragen.
Für die Bewertung von unbebauten Grundstücken wird der Bodenwert ermittelt, der sich unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands des Grundstücks aus der Fläche des Grundstücks und dem Bodenwert laut Richtwertkarte der Gutachterausschüsse ergibt.
13BEISPIEL: Die Mutter M möchte ihrer Tochter einen Bauplatz schenken. Der Bauplatz hat eine Größe von 998 qm, der aktuelle amtliche Bodenrichtwert beträgt 540 EUR/qm. Das Grundstück hat folgenden steuerlichen Wert:
998 qm × 540 EUR/qm |
= |
538.920 EUR |
Abrundung nach §139 BewG |
= |
538.500 EUR |
Nach § 182 BewG sind die vorgenannten Objekte nach dem Vergleichswertverfahrenzu bewerten. Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise, § 183 Absatz 1 BewG. Primär ist also ein Vergleichspreisverfahren durchzuführen. Anstelle davon können von den Gutachterausschüssen auch mitgeteilte Vergleichsfaktoren und geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, herangezogen werden, § 183 Absatz 2 BewG. Die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art werden nach § 183 Absatz 3 BewG im Vergleichswertverfahren nicht berücksichtigt.
Im Vergleichswertverfahren erfolgt eine Bewertung von Grundstück und dem sich darauf befindlichen Gebäude als Einheit. Der am Markt erzielbare Wert wird aus Kaufpreisen anderer vergleichbarer Grundstücke abgeleitet. Liegen Vergleichskaufpreise nicht vor, kommen die oben erwähnten Vergleichsfaktoren ins Spiel, zum Beispiel der Quadratmeterpreis je Wohn- oder Nutzfläche, wenn dieser ermittelbar ist. Am ehesten dürften in Großstädten Vergleichsfaktoren veröffentlicht werden. Wenn Vergleichswerte nicht vorliegen, sind Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser im Sachwertverfahren zu bewerten, § 183 Absatz 2 BewG.
14BEISPIEL: Bewertung (vereinfacht) einer Eigentumswohnung in München auf der Basis der Daten des zuständigen Gutachterausschusses (Jahr 2017):
Objektdaten
Vergleichsdaten
Ausgehend vom durchschnittlichen Objektwert errechnet sich der Grundbesitzwert für das zu bewertende Wohnungseigentum ohne Garage oder Stellplatz wie folgt:
Nach dem BewG sind im ErtragswertverfahrenMietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt-genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, zu bewerten.
Beim Ertragswertverfahren ist zum einen der Bodenwert entsprechend der Ermittlung der Werte für unbebaute Grundstücke zu ermitteln sowie der Wert der baulichen Anlage nach den Erträgen (Gebäudeertragswert). Bodenwert und Gebäudeertragswert sind zu addieren, wobei die Bodenwertverzinsung vorab bei der Ertragsberechnung abgezogen wird.
Übersicht „Ertragswertverfahren“
Bodenwert (entspricht dem Wert des unbebauten Grundstückes gemäß § 179 BewG, also Grundstücksfläche × zuletzt ermitteltem Bodenrichtwert).
Gebäudeertragswert: Jahresrohertrag gemäß § 186 BewG = vereinbarte Jahresmiete (Mietausfälle mindern den Rohertrag nicht, ggf. übliche Miete ohne Betriebskosten. Nötigenfalls ist die übliche Miete für vergleichbare Räume zu schätzen. Sollte ein Mietspiegel vorliegen, kann dieser zugrunde gelegt werden.)
. /. Bewirtschaftungskosten nach § 187 BewG. Diese bestehen aus nachhaltig entstehenden Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis, allerdings nicht die konkret für das individuelle Objekt festgestellten Kosten, sondern pauschaliert. Stehen Daten des Gutachterausschusses hierzu nicht zur Verfügung, sind die Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 BewG zu ermitteln.
= Reinertrag des Grundstückes
. /. Bodenwertverzinsung nach § 185 Absatz 2 BewG: Liegen Zinsangaben des Gutachterausschusses nicht vor, sind die Pauschalen gemäß § 188 Absatz 2 S. 2 BewG anzusetzen (5 % für Mietwohngrundstücke, 5,5 % für gemischt-genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, 6 % für gemischt-genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 % und 6,5 % für Geschäftsgrundstücke).
x Vervielfältiger nach § 185 Absatz 3 BewG i.V. m. Anlage 21
= Gebäudeertragswert
Um den Ertragswert zu berechnen, müssen alle bewertungsrelevanten Daten gesammelt werden. Nach Feststellung der bewertungsrelevanten Daten wird in folgendem Beispiel der steuerliche Wert einer gemischt genutzten Immobilie berechnet.
16BEISPIEL: Die 55-jährige Mutter als Alleineigentümerin eines Mehrfamilienhauses überlegt, dieses an ihre beiden Kinder im Jahr 2018 zu je ½ schenkungsweise zu übertragen.
Eckdaten: (Mehrfamilienhaus = Mietwohngrundstück)
Anschrift
Grundbuch von ………, Blatt …
Grundstücksgröße: |
2016 qm |
Bodenrichtwert: |
550 EUR/qm |
GFZ: |
1,0 |
Umrechnungskoeffizient: |
|
Baujahr des Gebäudes: |
1972 |
Außenmaße: |
Geschosse: 2 |
Vermietbare Fläche, insges.: |
569 qm |
Wohnfläche: |
569 qm |
Gewerbefläche: |
0 qm |
Anzahl der Garagen: |
der Stellflächen: |
Prozentuales Verhältnis zwischen Wohn- und Gewerbeflächen: |
|
Nettokaltmiete (Rohmiete) pro Jahr: |
58.000 EUR |
Bewirtschaftungskosten:
Liegenschaftszins:
Vervielfältiger nach § 185 Absatz 3 und Anlage 21 BewG:
Bodenwert:
550 EUR/qm × 2.016 qm = 1.108.800 EUR
Angepasste GFZ: = –
Gebäudewert:
Rohertrag/Jahr |
58.000 EUR |
|
Bewirtschaftungskosten: |
= |
. /. 15.660 EUR |
Grundstücksreinertrag |
= |
42.340 EUR |
Verzinsungsbetrag Bodenwert – Liegenschaftszins |
= |
. /. 55.440 EUR |
Gebäudereinertrag |
0 EUR |
17Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, dass der Gebäudewert gerade bei älteren Gebäuden auf größeren Grundstücken nicht den Wert erreicht, der für die Verzinsung des Bodenwerts zugrunde gelegt wird. Einen negativen Gebäudereinertrag gibt es nicht. Damit ist der Gebäudereinertrag mit 0 EUR anzusetzen, so dass es auf eine Kapitalisierung der Restnutzungsdauer nicht mehr ankommt (Vervielfältiger nach Anlage 21 BewG). Erst wenn der Grundstücksreinertrag (kurz: jährliche Miete abzüglich Bewirtschaftungskosten) den Betrag in dem Beispiel von 55.440 EUR übersteigen würde, käme die Kapitalisierung zum Tragen.
Damit ist für die steuerliche Bewertung der Immobilie „nur“ der Bodenwert zugrunde zu legen, also 1.108.800 EUR.
Steuerbefreiung für vermietete Wohnräume
Anteil Wohnraumfläche |
= 100 % |
Bodenwert |
= 1.108.800 EUR |
Abschlag 10 % nach § 13d ErbStG |
= 110.880 EUR |
begünstigtes Vermögen |
= 1.108.800 EUR |
Sofern sich nunmehr die Mutter noch Nutzungsrechte vorbehält, zum Beispiel den Nießbrauch oder Wohnungsrechte, würden diese mindernd abgezogen werden und die Immobilie würde gänzlich ohne den Anfall der Schenkungsteuer übertragen werden können, da jedem Kind jeweils der Freibetrag von 400.000 EUR zu Gute kommt.
Nach dem BewG ist bei Anwendung des Sachwertverfahrens der Wert des Gebäudes (Gebäudesachwert) getrennt vom Bodenwert zu ermitteln. Sonstige bauliche Anlagen, insbesondere Außenanlagen und der Wert der sonstigen Anlagen sind regelmäßig mit dem Gebäudewert und dem Bodenwert abgegolten. Der Bodenwert und der Gebäudesachwert ergeben den vorläufigen Sachwert des Grundstücks. Dieser ist zur Anpassung an den gemeinen Wert mit einer Wertzahl nach § 191 BewG zu multiplizieren.
Bei der Ermittlung des Gebäudesachwertes ist von den Regelherstellungskosten des Gebäudes auszugehen. Regelherstellungskosten sind die gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächeneinheit. Der Gebäuderegelherstellungswert ergibt sich durch Multiplikation der jeweiligen Regelherstellungskosten mit der Bruttogrundfläche des 18Gebäudes. Die Regelherstellungskosten sind in der Anlage 24 Teil II und III zum BewG enthalten. Die Werte aus Anlage 24 werden durch die marktüblichen gewöhnlichen Herstellungskosten und den vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindex aktualisiert, soweit dies zur Ermittlung des gemeinen Wertes erforderlich ist.
Nach dem BewG ist vom Gebäuderegelherstellungswert eine Alterswertminderung abzuziehen. Diese wird regelmäßig nach dem Verhältnis des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag zur wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 zum BewG bestimmt. Sind nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes verlängert oder verkürzt haben, ist von einem entsprechenden früheren oder späteren Baujahr auszugehen. Der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert ist regelmäßig mit mindestens 30 % des Gebäudeherstellungswertes anzusetzen.
Der Bodenwert und der Gebäudesachwert ergeben zusammengerechnet den vorläufigen Sachwert. Dieser wird nunmehr mit einem vom Gutachterausschuss festgelegten oder einer gesetzlichen Wertzahl multipliziert. Diese finden sich in der Anlage 25 zum BewG.