Kate Atkinson
Die Unvollendete
Roman
Aus dem Englischen von Anette Grube
Knaur e-books
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Das vollständige eBook erhalten Sie ab dem
3. September 2013.
Kate Atkinson, 1951 geboren, studierte Literaturgeschichte in Dundee und begann neben ihrer Arbeit in der Sozialbetreuung und als Teilzeitlehrerin zu schreiben. Sie steht mit ihren Romanen in England und den USA regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Für Familienalbum wurde sie mit dem angesehenen Whitbread First Novel Award ausgezeichnet. Ihr letzter Roman Das vergessene Kind wurde 2012 mit dem 3. Platz des Deutschen Krimipreises ausgezeichnet. Kate Atkinson lebt in Edinburgh.
Was wäre, wenn man sein Leben wieder und wieder leben könnte, bis man schließlich alles perfekt gemacht hätte? Wäre man dann ein glücklicher Mensch? Ursula Todd ist eine für ihre Zeit ganz besondere Frau: unabhängig, modern, realistisch. Mit Humor begegnet sie nicht nur ihrer skurrilen Familie, sondern auch den seltsamen Ereignissen in ihrem Leben. Wie jeder erlebt sie Situationen, in denen sie sich fragt: Was wäre, wenn? Was wäre geschehen, wenn sich ihre Teenagerliebe erfüllt hätte? Was wäre geschehen, wenn sie studiert hätte? Oder was wäre aus ihr geworden, wenn sie nicht in England, sondern in einem anderen Land aufgewachsen wäre? Wäre ihr Leben schrecklicher oder besser verlaufen? Doch anders als anderen Menschen bleibt es für Ursula nicht bei diesen Fragen. Ihr ist es gegeben, ihr Leben immer wieder zu korrigieren und damit jeden Fehler zu beseitigen. Dennoch erlebt sie Verlust, Verrat, Krieg und Tod. Was also soll diese Gabe? Ist es überhaupt möglich, sein Leben fehlerlos zu leben?
Die englische Originalausgabe erschien 2013
unter dem Titel »Life After Life« bei Doubleday, London.
Copyright © 2013 der eBook Ausgabe by Knaur eBook.
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Copyright © 2013 by Kate Costello Ltd.
Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe bei
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: Arcangel Images/David Ridley
ISBN 978-3-426-42381-3
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Für Elissa
Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts, ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: »Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen …!« – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: »Du bist ein Gott, und nie hörte ich Göttlicheres!«
Friedrich Nietzsche,
Die fröhliche Wissenschaft
Alles bewegt sich fort, und nichts bleibt.
Platon, Kratylus
»Was wäre, wenn wir die Chance hätten,
es noch einmal zu tun und noch einmal,
bis wir es endlich richtig machen?
Wäre das nicht wunderbar?«
Edward Beresford Todd
Ein Mief aus Tabakrauch und feuchtkalter Luft schlug ihr entgegen, als sie das Café betrat. Draußen regnete es, und Wasser zitterte noch wie empfindliche Tautropfen auf den Pelzmänteln einiger Frauen im Saal. Ein Regiment weißbeschürzter Kellner lief beflissen herum, um die Bedürfnisse der müßigen Münchner zu erfüllen – Kaffee, Kuchen, Klatsch.
Er saß an einem Tisch am anderen Ende des Raums, wie immer umgeben von Vasallen und Speichelleckern. Auch eine Frau war dabei, die sie noch nie zuvor gesehen hatte – eine stark geschminkte, dauergewellte Platinblonde –, dem Aussehen nach zu urteilen eine Schauspielerin. Die Blondine zündete sich eine Zigarette an, machte eine anzügliche Vorführung daraus. Alle Welt wusste, dass er züchtige, bodenständige Frauen vorzog, wenn möglich Frauen aus Bayern. Ständig und überall Dirndl und Wadenstrümpfe, Gott steh uns bei.
Der Tisch war reich gedeckt. Bienenstich, Gugelhupf, Käsekuchen. Er aß ein Stück Kirschtorte. Er liebte Kuchen. Kein Wunder, dass er so pastös aussah, andererseits erstaunlich, dass er kein Diabetiker war. Der leicht abstoßende Körper (sie dachte an Teig) unter den Kleidern war noch nie öffentlichen Blicken ausgesetzt gewesen. Kein männlicher Mann. Er lächelte, als er sie sah, erhob sich halb, sagte: »Guten Tag, gnädiges Fräulein«, und deutete auf den Stuhl neben sich. Der Schleimer, der darauf saß, sprang auf und machte ihn frei.
»Unsere englische Freundin«, sagte er zu der Blondine, die bedächtig Rauch ausblies und sie desinteressiert musterte, bevor sie schließlich sagte: »Guten Tag.« Eine Berlinerin.
Sie stellte ihre Handtasche, deren Inhalt schwer wog, auf den Boden neben ihren Stuhl und bestellte Schokolade. Er bestand darauf, dass sie den Pflaumenstreusel probierte.
»Es regnet«, sagte sie auf Deutsch, um etwas zu sagen.
»Ja, es regnet«, sagte er auf Englisch mit starkem Akzent. Er lachte, zufrieden mit seinem Versuch. Auch alle anderen am Tisch lachten. »Bravo«, sagte jemand. »Sehr gutes Englisch.« Er war gut gelaunt, tippte sich amüsiert lächelnd mit dem Zeigefinger gegen die Lippen, als horchte er auf eine Melodie in seinem Kopf.
Der Streuselkuchen war köstlich.
»Entschuldigung«, murmelte sie, langte hinunter in ihre Tasche und kramte nach einem Taschentuch. Die Ecken waren mit Spitze versehen, ein Monogramm mit ihren Initialen »UBT« war darauf gestickt – ein Geburtstagsgeschenk von Pammy. Sie tupfte wohlerzogen die Krümel von ihren Lippen und neigte sich erneut hinunter, um das Taschentuch in die Tasche zurückzustecken und den schweren Gegenstand, der darin lag, herauszunehmen. Den alten Armeerevolver ihres Vaters aus dem Ersten Weltkrieg, einen Webley Mark V.
Eine hundertmal geübte Bewegung. Ein Schuss. Auf die Schnelligkeit kam es an, doch nachdem sie die Waffe gezogen hatte und damit auf sein Herz zielte, war da ein Augenblick, eine in der Zeit schwebende Blase, als alles innezuhalten schien.
»Führer«, sagte sie und brach den Zauber. »Für Sie.«
Um den Tisch herum wurden Pistolen aus Holstern gerissen und auf sie angelegt. Ein Atemzug. Ein Schuss.
Ursula drückte ab.
Es wurde dunkel.