Verlag C.H.Beck
Von 1643 bis 1648 tagte in Münster und Osnabrück ein völlig neuartiger Friedenskongress. Es gelang, drei der vier eng miteinander verzahnten langjährigen Kriege zu beenden, was bereits von den Zeitzeugen als «Weltwunder» bezeichnet wurde. Der Westfälische Frieden besteht aus zwei komplementär aufeinander bezogenen Friedensschlüssen. Zum einen verhandelten der Kaiser, die Reichsstände und Schweden in Osnabrück das Friedensinstrument vom 6. August 1648, zum anderen der Kaiser, die Reichsstände und Frankreich in Münster das Friedensinstrument vom 24. Oktober 1648. In diesem Band wird auch der komplexe Prozess bis zum Friedensschluss geschildert, der jahrzehntelang parallel zum Dreißigjährigen Krieg verlief. Als größter Erfolg kann sicher der Religionsfrieden angesehen werden, der einen weiteren Religionskrieg im Reich verhinderte. Der Westfälische Frieden steht damit für eine deutsche Friedenstradition, die weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Siegrid Westphal ist seit 2004 Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück und Direktorin des dortigen Interdisziplinären Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN). Ihre Forschungsschwerpunkte sind zum einen die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, insbesondere die Verfassungsgeschichte und die Geschichte der höchsten Gerichtsbarkeit in vergleichender europäischer Perspektive, und zum anderen die kulturhistorische Friedensforschung. Ihre zahlreichen Publikationen befassen sich darüber hinaus mit der Reformation und der Konfessionalisierung, der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Adelsforschung und der Landesgeschichte.
I. Prolog
II. Krieg und Frieden von 1618 bis 1645
1. Rahmenbedingungen und verfassungsrechtliche Voraussetzungen
2. Verlauf der Friedensprozesse
1619 bis 1629
1629 bis 1635
Der Prager Frieden von 1635
1635 bis 1641
1640/41
1641
1641 bis 1645
III. Der Kongress beginnt
1. Verhandlungsstädte
2. Verhandlungsparteien: Die Gesandtschaften
3. Verhandlungsmodus
4. Kriegsziele und Friedensvorstellungen
IV. Die zentrale Verhandlungsphase 1645 bis 1648
1. Der Krieg im Hintergrund
2. Verhandlungsziele
3. Die Verhandlungen
November 1645 bis Juli 1647
Juli 1647
August 1647 bis Oktober 1648
Die letzten Hürden
V. Die Friedensinstrumente
VI. Reaktionen, Wirkungen und Wahrnehmungen
Zeitleiste
Auswahlbibliographie
Personenregister
Am 6. August 1648 war es endlich so weit. Nach rund fünf Jahre währenden Verhandlungen in Münster und Osnabrück und einer letzten Beratung der Reichsstände (Kurfürsten, Fürsten und Reichsstädte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses begaben sich die Gesandten um zehn Uhr in das schwedische Quartier auf die Große Domsfreiheit, wo die schwedischen und kaiserlichen Vertreter bereits warteten. Alles war entsprechend den zeremoniellen Anforderungen der Zeit vorbereitet. Die Anordnung der Tische und Stühle sollte die politische Rangordnung abbilden, gleichzeitig aber das Friedenschließen zwischen gleichberechtigten Parteien ermöglichen.
Eine von dem Sachsen-Weimarer Gesandten Georg Achaz Heher überlieferte Skizze gibt das Geschehen wieder. Die kaiserlichen Gesandten saßen an der Längsseite des Saales an einem Tisch mit dem Rücken zum Fenster, links von ihnen waren die schwedischen Gesandten platziert. Auch für die Vertreter der Reichsstände waren eigene Tische aufgestellt worden, ebenso für die Sekretäre und Protokollanten. Die ranghöheren Vertreter saßen auf bequemen Armsesseln, während sich die Rangniederen mit Hockern ohne Rücken- und Armlehnen begnügen mussten. Obwohl die Versammlung rund sechs Stunden dauerte, sieht man auf den Tischen nur Tintenfässer und Papier abgebildet – keine Getränke oder Speisen.
Den vielfach überlieferten Schilderungen nach verlas der kaiserliche Gesandte Isaac Volmar den ausgehandelten Vertragstext bis vier Uhr nachmittags, wobei an verschiedenen Stellen noch Änderungen vorgenommen wurden. Als alles berichtigt war, standen die Versammelten auf. Dann erfolgte die als Osnabrücker Handschlag bekannt gewordene Besiegelung des Friedens. Die Gesandten des Kaisers und der schwedischen Krone sowie für das Reich der kurmainzische und der kurbayerische Vertreter «gaben einander die hand und versprachen stipulata manu, daß hiemit der friede allerdings geschloßen und in dem instrumento pacis lauter nichts mehr geendert werden sollte». Damit war im «nahmen des Allerhöchsten» zwischen dem Kaiser, Schweden und dem Reich «der hocherwünschete friede» geschlossen worden, der unter dem Namen Instrumentum Pacis Osnabrugense (IPO) in die Geschichtsbücher einging und einen von zwei komplementären Vertragstexten des Westfälischen Friedens bezeichnet.
Dieser erste Vertrag bildete das Resultat komplexer Aushandlungsprozesse, die vor allem die Reichsreligionspolitik betrafen und mehrfach zu scheitern drohten. So war es im Juni/Juli des Vorjahrs zu einer schweren Krise gekommen, als der kaiserliche Legationsführer Maximilian Graf von Trauttmansdorff nach mühsamen Verhandlungen enttäuscht aus Münster abgereist war. Er hatte zuvor einen Friedensentwurf vorgelegt, der die Ansprüche der Kronen Schweden und Frankreich befriedigen, die Streitfragen innerhalb des Reiches lösen sowie den Reichsreligionsfrieden erneuern sollte. Trauttmansdorffs Vorschläge trafen allerdings auf massiven Widerstand, der zu seiner Abreise beitrug. In der Folge formierte sich eine konfessionsübergreifende «Dritte Partei» gemäßigter Reichsstände, welche die Verhandlungen auf Basis seines Friedensentwurfs fortsetzte.
Als im Mai 1648 die ebenfalls in Münster verhandelnden Gesandten der niederländischen Generalstaaten und Spaniens einen Vertrag zur Beendigung des eng mit dem Dreißigjährigen Krieg vernetzten Achtzigjährigen Krieges (1566–1648) ratifizierten, war die Friedensbereitschaft – angesichts des unentschiedenen und fortgesetzten Kriegsgeschehens – auch bei den Parteien des Dreißigjährigen Krieges sehr hoch. Die Gesandten der Dritten Partei hatten für die mit den europäischen Kriegszielen verflochtenen komplexen Fragen des Reichs unkonventionelle Lösungen unter Umgehung der nicht kompromissbereiten Verhandlungsführer gesucht.
Damit war zwar der entscheidende Schritt für das Reich getan, allerdings stand die Verständigung zwischen dem Kaiser und Frankreich noch aus, das größte Hindernis für einen Friedensvertrag unter allen am Dreißigjährigen Krieg beteiligten Mächten. Wieder waren es die kompromissbereiten Reichsstände, die den Kaiser zur Annahme der französischen Friedensbedingungen zwangen. Der aus dem Haus der österreichischen Habsburger stammende Kaiser Ferdinand III. hatte sich gegenüber den spanischen Habsburgern unter König Philipp IV. verpflichtet, Letztere im spanisch-französischen Krieg (1635–1659) zu unterstützen. Da sich abzeichnete, dass die ebenfalls in Münster geführten spanisch-französischen Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen würden, war Frankreich daran gelegen, ein rechtlich verbindliches Verbot für den Kaiser und die österreichischen Habsburger zu erwirken, das Bündnis der beiden habsburgischen Linien fortzusetzen. Dieses sogenannte Assistenzverbot für Spanien stellte aus kaiserlicher Sicht einen Affront dar, aber die Reichsstände machten dem Kaiser deutlich, dass er bei einer Ablehnung im Reich isoliert sei, was drastische Konsequenzen für seine Stellung und seine Territorien haben werde. Der Kaiser lenkte schließlich ein, so dass am 24. Oktober 1648 nicht nur der Osnabrücker, sondern auch der Münstersche Friedensvertrag (Instrumentum Pacis Monasteriense, IPM) zwischen dem Kaiser, dem Reich und Frankreich unterzeichnet werden konnte.
Wie komplex und schwierig die Situation bis zuletzt war, zeigt sich am Akt der Unterzeichnung, der fast noch gescheitert wäre, sich über den gesamten Tag hinzog und getrennt im jeweiligen Haus des Vertragspartners stattfand. Erst am Abend gegen neun Uhr erschienen die Legationssekretäre mit den Friedensinstrumenten im Bischofshof am Domplatz. Dieser Moment wurde mit dreimaligem Salutschießen der rund siebzig Kanonen auf den Wällen und mit dem Läuten aller Glocken in der Stadt begrüßt und gefeiert. Auch am darauffolgenden Tag zeigten Dankgottesdienste und ein Umritt mit Pauken und Trompeten der Bevölkerung den ersehnten Frieden an. Zum Symbol des Friedens avancierte schließlich die Figur des Postreiters, der aller Welt verkünden sollte, dass der so lange dauernde Krieg nun endlich beendet ist.
Dass ein Großteil der miteinander verwobenen Konflikte – Krise der Reichsverfassung, der deutsche Konfessionskonflikt und der europäische Mächtekonflikt zwischen dem habsburgischen Gesamthaus und seinen Gegnern – befriedet werden konnte, galt bereits den Zeitgenossen als wahres «Weltwunder» (Alvise Contarini) und verweist auf die außerordentliche diplomatische Leistung der Akteure.
Weder das Kriegsgeschehen im Dreißigjährigen Krieg noch die Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück lassen sich einfach erklären. Ihre Komplexität resultierte aus der engen Verflechtung von europäischen Auseinandersetzungen mit den politischen und konfessionellen Entwicklungen im Reich. So wurden parallel zum Dreißigjährigen Krieg der Achtzigjährige Krieg (1566–1648), der spanisch-französische Krieg (1635–1659), der Mantuanische Krieg (1628–1631) sowie die Konflikte im Ostseeraum, insbesondere der schwedisch-dänische Torstenssonkrieg (1643–1645) geführt, die jeweils eigene Wurzeln und Hintergründe hatten, aber aufs Engste mit dem Kriegsgeschehen im Reich vernetzt waren. Hinzu kam die stete Bedrohung durch das Osmanische Reich.
Es wurde um die Hegemonie in Europa gestritten, wobei Frankreich unter der Dynastie der Bourbonen und das Haus Habsburg miteinander um die Sicherung und Kontrolle von politischen, militärischen und wirtschaftlichen Einflusszonen, aber auch um die Frage des Rangs konkurrierten. Traditionell beanspruchte das Haus Habsburg, das die römisch-deutsche Kaiserwürde innehatte und neben Territorien des Reiches auch über Ungarn, die spanischen Königreiche (einschließlich Teilen Italiens) und überseeische Besitzungen herrschte, den Vorrang unter den europäischen Mächten. Frankreich befürchtete die Errichtung einer habsburgischen Universalmonarchie und sah die treibende Kraft in der spanischen Linie der Habsburger. Dieser Konflikt verschärfte sich im 17. Jahrhundert massiv. Beide Seiten nutzten jede Möglichkeit, die Gegenseite zu schwächen, wobei eine unmittelbare Konfrontation zunächst vermieden wurde. Kampfschauplätze waren der Achtzigjährige Krieg in den Niederlanden und in den zwanziger Jahren Italien. In den dreißiger Jahren verlagerte sich das Geschehen stärker auf das Reichsgebiet, wobei Frankreich zunächst indirekt über Subsidienzahlungen an Schweden in den Dreißigjährigen Krieg eingriff, ab 1635 den spanisch-französischen Krieg führte und dann an der Seite Schwedens am Kriegsgeschehen im Reich teilnahm.
Die europäischen Konflikte verliefen zunächst parallel zum Dreißigjährigen Krieg, überlagerten dann aber zunehmend den im Reich kriegsauslösenden Grundkonflikt von konfessionellen Spannungen und der klassischen verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Reichsständen über die Vorherrschaft im Reich.
Diese Entwicklung wird in der Geschichtsschreibung über den Dreißigjährigen Krieg häufig in vier Phasen unterteilt, die sich am jeweiligen Kriegsgegner der kaiserlichen Seite orientieren: Auf den böhmisch-pfälzischen Krieg (1618–1623) folgt der niedersächsisch-dänische Krieg (1623–1629), dann der schwedische Krieg (1630–1634) und schließlich der französisch-schwedische Krieg (1635–1648), der auch während der ab 1643 geführten Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück andauerte. Das Vier-Phasen-Modell gibt dem Kriegsgeschehen zwar eine Struktur, suggeriert aber auch, dass von 1618 an ununterbrochen Krieg geführt wurde, der sich von einem deutschen immer mehr zu einem europäischen Krieg entwickelte und schließlich nur noch durch einen Friedenskongress im europäischen Rahmen gezähmt werden konnte. Damit wird der Krieg als Normalzustand definiert. In eine ähnliche Richtung zielt auch die Bezeichnung des 17. Jahrhunderts als «bellizitäres Zeitalter» (Johannes Burkhardt). Träfe dies uneingeschränkt zu, könnte kaum nachvollzogen werden, dass es nach über dreißig Jahren schlimmster Kriegsgräuel möglich war, Frieden zu schließen. Um diese auch für die Zeitgenossen schon bemerkenswerte Tatsache nachvollziehen zu können, muss die Fixierung auf die Kriegsgeschichtsschreibung korrigiert werden.
Nicht der Krieg, sondern Friede im Sinne des prinzipiellen christlichen Friedensgebotes galt als Grundnorm des zwischenstaatlichen Verhältnisses in Europa und als umfassendes innerstaatliches Ordnungsmodell. Kriegsbegeisterung oder eine Verherrlichung des Krieges finden sich in der Publizistik und im politischen wie militärischen Handeln der Akteure des Dreißigjährigen Krieges deshalb nur selten. Es ging nicht darum, den Feind endgültig zu vernichten, und schon gar nicht darum, durch einen «Heiligen Krieg» die Konfessionsfrage zu lösen. Vielmehr wurde in der Kriegspropaganda immer wieder der eigene Friedenswille betont und Krieg als Mittel zum Frieden gerechtfertigt. Der Gegenseite aber wurde unterstellt, dass sie durch ihr Verhalten zur Fortsetzung des Krieges beitrage und letztlich für den Bruch des christlichen Friedensgebots verantwortlich sei. Für die Kriegsparteien war es von Bedeutung, gegenüber allen Seiten prinzipielle Friedensbereitschaft zu signalisieren und immer wieder das Gespräch mit dem Gegner zu suchen.
Ein wichtiges Ergebnis der Forschungen zum Westfälischen Frieden ist die Erkenntnis, dass Friedensverhandlungen nicht erst in Münster und Osnabrück begannen, sondern von Beginn des Krieges an auf bi- und multilateraler Ebene oder durch Vermittlung Dritter geführt wurden. Gerade in der Endphase des Krieges standen die Bemühungen um Friedensverhandlungen sogar im Vordergrund und sollten auf dem Schlachtfeld quasi erzwungen werden. Ohne diese permanente Gesprächsbereitschaft und gegenseitige Sondierung von Friedensbedingungen wäre eine Beendigung des langen und grausamen Krieges nicht möglich gewesen.
Für das Reich stand ein Modell zur Befriedung der konfessionellen und verfassungsrechtlichen Konflikte zur Verfügung, das sich lange Zeit bewährt hatte und von allen Reichsständen akzeptiert wurde. Es handelt sich um die Idee des Reiches als einer unter dem Ewigen Landfrieden vereinten Rechtsgemeinschaft, zu deren Schutz und Sicherheit seit 1495 eine Reihe von Institutionen und Mechanismen geschaffen worden war. Dieses System geriet durch die Reformation zwar in eine massive Krise, konnte aber durch Transformationen und Anpassungsleistungen vor dem Niedergang bewahrt werden. Letzten Endes wurde der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken im Rahmen der 1495 geschaffenen Landfriedensordnung gelöst. Dies zeigt sich am Augsburger Religionsfrieden von 1555, der den Ewigen Landfrieden erneuerte und damit den Rechtsgarantien der Friedensordnung des Reiches unterworfen wurde. Seine große Bedeutung wird daran deutlich, dass sich auf ihn bei allen im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges unternommenen Versuchen der Befriedung als Maßstab berufen wurde. Umstritten war allerdings, wie er auszulegen sei. Seit 1555 hatten sich verschiedene Lesarten und eine Reihe von Folgeproblemen ergeben, für die neue Lösungen gesucht werden mussten. Dies geschah jedoch immer mit Bezug auf die fundamentalen Regelungen des Augsburger Religionsfriedens, der – unter Ausklammerung der religiösen Wahrheitsfrage – die Parität von katholischer und lutherischer Konfession verankert und eine bikonfessionelle Verfassungsstruktur des Reiches geschaffen hatte. Das hatte zur Folge, dass das Kaisertum fortan keine verbindlichen kirchenpolitischen oder kirchlichen Kompetenzen mehr besaß, was zumindest aus Sicht der gegenreformatorisch gesinnten Kaiser einer Korrektur bedurfte.
Ein Hauptproblem bestand zudem darin, dass die Anhänger der Lehre des Genfer Reformators Johannes Calvin im Reich nicht unter die Bestimmungen des Religionsfriedens fielen und um ihre Existenz bangen mussten. Nicht zuletzt deshalb zählten die calvinistischen bzw. reformierten Reichsstände zu den radikaleren Kräften im Reich, die ebenso auf eine Korrektur des Religionsfriedens, aber in ihrem Sinne drängten.
Der Augsburger Religionsfrieden hatte festgelegt, dass den Fürsten das Reformationsrecht (ius reformandi) in ihren Territorien zustehen sollte. Die geistliche Rechtsprechung war dadurch deutlich begrenzt und der Stand der konfessionellen Besitzverhältnisse auf das Jahr 1552 (Passauer Vertrag) festgelegt worden. Gleichzeitig hatte man mit dem Geistlichen Vorbehalt das Reformationsrecht in geistlichen Territorien eingeschränkt, indem man ihren Status als unveränderlich festschrieb und damit ihren Bestand schützte. Die Declaratio Ferdinandea, eine Schutzklausel für protestantische Landstände in geistlichen Territorien, fand dagegen keinen Eingang in den Religionsfrieden. In der Folge kam es zu heftigsten Auseinandersetzungen. Denn insbesondere die Calvinisten wollten die Schutzbestimmung für die katholische Kirche nicht tolerieren und forderten mit der Parole «Freistellung» die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts und die freie evangelische Religionsausübung, ohne dies jedoch auch den Katholiken zugestehen zu wollen. Die konfessionellen Besitzverhältnisse hatten sich außerdem seit 1552 zunehmend in Richtung der Protestanten verschoben. Die Katholiken forderten eine enge Auslegung des Augsburger Religionsfriedens, indem alle Veränderungen seit 1552/55 wieder rückgängig gemacht werden sollten. Der Augsburger Religionsfrieden sah aber auch mit der Parität für gemischtkonfessionelle Reichsstädte und dem Auswanderungsrecht für andersgläubige Untertanen (ius emigrandi) bereits Regelungen vor, die den Weg für eine friedliche Koexistenz von Konfessionen unter dem Dach des Reichs wiesen.
Der Augsburger Religionsfrieden war also sowohl der Ausgangspunkt von Streitigkeiten als auch Maßstab und Orientierung ihrer Befriedung. Dabei gingen diejenigen, die während des Dreißigjährigen Krieges einen Frieden für das Reich suchten, in Abhängigkeit der militärischen Konstellation ganz unterschiedlich vor. Von der einseitig katholischen Lesart über einen kaiserlich dominierten Kompromiss bis hin zu gleichberechtigt zwischen den Konfessionen und ständischen Gruppierungen ausgehandelten innovativen Ansätzen reicht das Spektrum der Entwicklung, die in die Religionsbestimmungen des Westfälischen Friedens (Art. V und VII IPO) mündete. Der Westfälische Frieden ist das Ergebnis eines langwierigen Aushandlungsprozesses mit großer Eigendynamik, bei dem unterschiedliche Vorstellungen vom Frieden aufeinanderprallten und letztlich ein Kompromiss auf der Basis älterer Friedensmodelle in Verbindung mit neuen während des Krieges entwickelten Lösungen gefunden wurde.
Eine erste Phase reicht von den gescheiterten Friedensverhandlungen in Eger (1619) bis zum Friedensschluss von Lübeck und dem kaiserlichen «Diktatfrieden» durch das Restitutionsedikt 1629. Die zweite Phase hat die Rücknahme des Restitutionsedikts zum Ziel und endet mit dem Prager Frieden von 1635. Von 1635 bis 1641 laufen parallele Bemühungen, einerseits den europäischen Konflikt zwischen den katholischen Mächten Frankreich und den beiden habsburgischen Linien durch Vermittlung des Papstes auf einem Kölner Kongress zu befrieden, andererseits auf der Basis des Prager Friedens separate Friedensschlüsse zwischen Kaiser und Reich mit Schweden und Frankreich zu erzielen, um das Reich endgültig zu befrieden. Beide Bemühungen scheiterten letztlich, aber im Zuge der Verhandlungen wurden die Rahmenbedingungen für einen allgemeinen Friedenskongress ausgehandelt, dessen Grundlagen dann im Hamburger Präliminarfrieden von 1641 festgelegt wurden. Von 1642 bis 1645 entbrannten schließlich heftige Auseinandersetzungen darüber, welche Themen verhandelt werden sollten und eng damit zusammenhängend welche Parteien auf dem Westfälischen Friedenskongress vertreten sein durften; insbesondere die sogenannte Admission der Reichsstände stand zur Disposition. Die eigentlichen Friedensverhandlungen begannen 1645, als die militärische Situation für die kaiserliche Seite nach der am 6. März 1645 verlorenen Schlacht bei Jankau keinen Spielraum mehr bot und sämtliche Reichsstände zu den Friedensverhandlungen zugelassen wurden. Die letzte Phase dauerte von der Ratifikation des Westfälischen Friedens bis zu den Beschlüssen des Nürnberger Exekutionstages (1649/50), der letzte auf dem Westfälischen Friedenskongress offengebliebene Fragen klären sollte.
Auslöser des Krieges war der Aufstand der evangelischen böhmischen Stände gegen den aus dem Hause der österreichischen Habsburger stammenden böhmischen König Ferdinand, den späteren Kaiser Ferdinand II., der eine forcierte Rekatholisierungspolitik in den habsburgischen Territorien betrieb. Typisch für die Frühe Neuzeit überlagerten sich auch hier die politischen und konfessionellen Grundsatzfragen der Zeit, denn weder wollten die Stände Eingriffe in die konfessionellen Verhältnisse dulden noch eine stärker zentralistische Politik der österreichischen Habsburger tolerieren, die ihre Privilegien und politischen Mitspracherechte beschnitten hätte.
Nach dem Prager Fenstersturz (Defenestration) der Statthalter Ferdinands am 23. Mai 1618 wurde Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, ein Calvinist und Führer der protestantischen Union mit weitreichenden verwandtschaftlichen Bindungen nach England, Savoyen und in die nördlichen Niederlande, von den Ständen mehrheitlich zum böhmischen König gewählt. Ferdinand konnte Böhmen nicht aufgeben, ohne die habsburgische Stellung in Europa zu gefährden, und versicherte sich deshalb der Unterstützung der Katholischen Liga unter Führung Bayerns und der Hilfe der spanischen Verwandten.
Kursachsen versuchte zu Beginn des Jahres 1619 noch zwischen dem Kaiser und den böhmischen Ständen zu vermitteln und hatte bereits die kaiserliche Vollmacht erhalten, einen Waffenstillstand auszuhandeln und zu Verhandlungen nach Eger einzuladen, als der Habsburger Kaiser Matthias am 20. März 1619 starb und die sächsischen Verhandlungserfolge damit hinfällig wurden. Kursachsen stellte sich dann auf die kaiserliche Seite und unterstützte auch die Wahl Ferdinands zum Kaiser. Als sich selbst die protestantische Union für neutral erklärte, war das Schicksal des neuen böhmischen Königs und der aufständischen Adligen im Königreich Böhmen besiegelt. In der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 wurde die böhmische Armee vernichtend geschlagen. Friedrich V., seine Familie und der Hofstaat flohen – nachdem die Kurpfalz von den spanischen Truppen erobert worden und auch die Rückgewinnung durch Friedrich V. und seine Verbündeten gescheitert war – in die Vereinigten Provinzen der Niederlande. In Böhmen wurde ein hartes Strafgericht über die aufständischen Adligen gehalten sowie eine massive Rekatholisierung durchgeführt.
Damit hätte der Konflikt schon entschieden sein können, wenn nicht Bayern unter der Regierung Herzog Maximilians die Übertragung der Kurpfalz und der damit verbundenen Kurwürde von der pfälzischen auf die bayerische Linie der Wittelsbacher zur Bedingung für die militärische Unterstützung des Kaisers gemacht hätte. Im Januar 1621 wurde Friedrich V. geächtet und am 25. Februar 1623 dessen Gebiete sowie die Kurwürde auf Maximilian übertragen, was reichsrechtlich immer umstritten blieb. Damit war zudem eine schwere Hypothek verbunden, denn nicht zuletzt die Pfalzfrage (causa palatina) stand bis 1629 im Zentrum der Auseinandersetzungen und muss als Motor des Kriegsgeschehens gesehen werden. Sie sollte später zu den heftig umkämpften Streitfragen auf dem Westfälischen Friedenskongress gehören.