3. Auflage Juni 2015

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Essence of Flycasting bei Club Pacific, San Francisco

Copyright © 1987 Mel Krieger

www.melkrieger.com

Fotos Copyright © 1987 Ben Blackwell

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe: Springforelle

Alle Rechte vorbehalten

Kein Teil dieses Buches darf ohne die schriftliche Genehmigung des Verlages photokopiert oder in irgendeiner anderen Form reproduziert werden.

Ausgenommen sind kurze Zitate zum Zweck der Rezension.

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

Illustrationen: Michael Felber

Design: Dorothee Menden

Grafische Bearbeitung 2. und 3. Auflage: Kathrin Jachmann

Herausgeber: Dr. Peer Doering-Arjes

www.Springforelle.de

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7392-7525-3

Für meine Studenten, Mentoren und Freunde, von denen viele alle diese Rollen zugleich erfüllt haben. Für meine großartigen Kinder, Sharon und Jan, und besonders für meine Frau Fanny.

Danksagung

Für zwei talentierte Freunde, die mehr Zeit und Mühe als ich in dieses Buch investiert haben. Danke Ben Blackwell und Nelson Ishiyama. Dies ist unser Buch.

Ich möchte auch A. J. McClane danken für sein großzügiges Vorwort. Und auch Karel Bauer, Ford Scott Rollo, Michael Felber, Mike Riedel und Mary Smiley.

Inhalt

  1. Die Mechanik des Fliegenwerfens
    • Die Position des Wurfwinkels; die Länge des Beschleunigungsweges und die Größe des Wurfwinkels; die Gestaltung der Wurfschlaufe; die Größe der Wurfschlaufe; die Form der Wurfschlaufe.
  2. Die Ausrüstung
    • Die Fliegenrute; die Fliegenrolle; die Flugschnur; das Vorfach; allgemeine Ruten-/ Schnurtabelle.
  3. Die Körperhaltung beim Fliegenwerfen
    • Der Griff; die Hand- und Armposition; die Fußposition; das Handgelenk beim Fliegenwerfen; Zusammenfassung.
  4. Der Rollwurf
    • Der Rückhand-Rollwurf; der Distanz-Rollwurf
  5. Der Überkopfwurf
    • Das Aufnehmen und Ablegen der Schnur; der Leerwurf; der Rückhandwurf; die Schnurhand; das Schießenlassen der Schnur.
  6. Die Anwendung von Kraft
    • Der variable Beschleunigungsweg; auf dem Rasen
  7. Die Fliegenrute
    • Die Biegsamkeit der Rute beim Fliegenwerfen; die Aktion der Rute beim Fliegenwerfen
  8. Der Doppelzug
  9. Die Drift der Fliegenrute und der Belgische Wurf
    • Der Belgische Wurf
  10. Die Präsentationswürfe
    • Der Wurf mit gestreckter Schnur; der Wurf mit loser Schnur; der Bounce Cast; der Schlangenwurf; der Fallschirmwurf; der Tuck Cast; der Reach Cast; der positive Bogenwurf; der negative Bogenwurf; der Anhieb
    • Schluss
    • Nachwort
    • Glossar

Foto: www.UweArens.de

Vorwort

Christopher Rownes FFF Fliegenwurflehrer www.christopherrownes.com

Nur ein außergewöhnlich begabter Lehrer ist in der Lage, nicht nur seine Schüler inspirieren und überzeugen zu können, dass der Weg zum Ziel genauso lohnend ist wie dessen Erreichen, sondern darüber hinaus auch selbst durch diese Aufgabe weiterhin zu wachsen und zu lernen.

Ich traf Mel das erste Mal in Spanien bei einem Fliegenwurfkurs. Ich war augenblicklich fasziniert davon, wie dieser Mann mit seinen Schülern umging. Mit großer Sensibilität und Differenziertheit fand er die beste Weise, wie er seine Schüler ganz individuell anleiten konnte, einige mit Worten, andere ließ er ganz feinsinnig die Dinge erspüren, die sie ans Ziel führen würden.

Am Ende des Kurses gab es ein gemeinsames Essen mit Mel und er beendete es mit den Worten: „Bei anderen Spielen erreichen wir den Höhepunkt in jungen Jahren, nach 35 geht es beim Tennis nur noch bergab. Sie können das alles rationalisieren, aber die Reflexe werden geringer und die Schulter und der Ellenbogen werden müde. Beim Golf dauert es vielleicht bis 40 oder 45. Aber unser Sport ist ein außergewöhnlicher Sport! Ich verspreche Ihnen, Sie werden daran Spaß haben, solange Sie leben, Sie werden immer wieder neue Ebenen erreichen.“

Meine schönstes Angelerlebnis hatte ich an einem Fluss im herbstlichen Slowenien. Mel und ich fischten Seite an Seite und wateten langsam stromauf. Ich war fasziniert zu sehen, wie dieser Mann ohne jede Anstrengung den Fluss befischte. Es war reine Poesie. Er angelte mit solcher Anmut und Eleganz. In diesem Moment wurde ich von einer Forelle gestört, die meine Fliege schnappte. Nach einer Weile hielt ich den Fisch in meiner Hand und beobachtete dann, wie er in den Fluss zurückglitt. Mel rief mich zu sich hinüber und wir verweilten wortlos auf einem großen Felsen. In diesem Augenblick spürte ich die Energie des Flusses und dieses großartigen Mannes.

Als er mich vor einiger Zeit fragte, ob ich ihm nicht bei der deutschen Ausgabe seines Buches helfen wolle, war die Antwort klar. Für die Übersetzung des Buches konnte ich Peer Doering-Arjes gewinnen. Gemeinsam erarbeiteten wir diese Ausgabe.

Dieses Buch spricht für sich. Mel reduzierte es auf seinen Kern. Es ist brillant in seiner Einfachheit. Ein komplexes Konzept in seine einfachste Form zu bringen, ist eine der schwierigsten Anforderungen an die Kommunikation beim Lehren. Tight lines and tight loops!

Vorwort zur Originalausgabe

A. J. McClane

Das erste Mal traf ich Mel Krieger auf dieser weit entfernten Insel Tasmanien und ich schätze mich glücklich, dass sich unsere Wege kreuzten, zumal dieser umtriebige Angler Gullivers Reisen scheinbar als Reiseführer nutzt. Es gibt wenige Orte auf diesem Globus, die Mel nicht befischt hat und auch sein Club Pacific hat es sich zur Aufgabe gemacht, exotische Reisen rund um die Welt in dem gleichen gelassenen Stil zu betreuen, der so typisch für diesen Mann ist. Seine Begabung geht jedoch über das Fangen der Fische hinaus: Mel ist ein tadelloser Lehrmeister im Fliegenwerfen und Trainer einiger der Großen, einschließlich des augenblicklichen Weltmeisters Steve Rajeff, um nur einen zu nennen. Lehren jeder Art ist eine Kunstform und unter seinesgleichen ist Meister Krieger ein Lehrer par excellence.

Es gab die Zeiten, in denen es als „richtige Methode“ galt, mit der Fliege zu werfen, indem man dabei ein Buch fest unter die Achselhöhle klemmte und versuchte, den Rückschwung der Rute bei der Zwölf-Uhr-Position zu beenden, ohne das Buch fallen zu lassen oder nach oben zu gucken. Dies hat viele Angler hervorgebracht, die Experten darin waren, Stubenfliegen zu erschlagen, aber wenig dazu beigetragen, die Dynamik des mühelosen Werfens zu vermitteln. Was uns dieses Buch bietet, das vom Anfang bis zum Ende sorgfältig gelesen werden sollte, ist ein Destillat moderner Methodik, klar illustriert und prägnant erklärt. Ich habe Die Quintessenz des Fliegenwerfens zutiefst genossen und davon gelernt, und ich halte dieses Buch für ein „Muss“ sowohl für den Anfänger als auch für den alten Hasen.

Einführung

Ich bin mir sicher, die meisten von Ihnen wünschen sich, dieses Buch könnte Sie im Handumdrehen zu einem hervorragenden Fliegenwerfer und -fischer machen. Wenn dies irgendwie möglich wäre, würden Sie die aufregendsten, unterhaltsamsten und sportlichsten Erfahrungen unserer Passion verpassen, weil das Lernen befriedigender sein kann als die Beherrschung des Werfens. Fliegenwerfen ist eine einmalige Gelegenheit zu wunderbaren Lernerfahrungen. Ich beneide diejenigen von Ihnen, die gerade anfangen und respektiere alle, die weiterhin lernen wollen.

Es macht Spaß eine Fliege zu werfen, jede Ebene des Erlernten macht ungeduldig auf die nächste. Obwohl Entdeckungen für einen Neuling noch aufregender sind, erleben nicht nur die Anfänger Durchbrüche beim Fliegenwerfen. Daran wurde ich kürzlich bei einer Reise mit einem guten Freund in Argentinien erinnert. Mit 68 Jahren ist Jorge Donovan – ein ausgezeichneter Werfer und ein international bekannter Fliegenfischer – ein Mann mit festen Überzeugungen. Manchmal ist er auch stur. Viele Jahre weigerte er sich, die sogenannten Schussköpfe zu benutzen, bis zu jenem Tag, der noch nicht lange her ist. Eine steife Brise blies über die Pampas, als unsere kleine Gruppe einen großen Fluss mit Nymphen und Streamern befischte. Obwohl einige unserer Gruppe relativ unerfahrene Werfer waren, befischten sie das Wasser gut, indem sie Schussköpfe benutzten, die sie leicht 20 Meter weit warfen. Auf einer langen Kiesbank machten wir Mittagspause und während wir aßen, nahm Jorge, der den ganzen Morgen still zugeschaut hatte, meine Fliegenrute und begann zu werfen. Nach einigen frustrierenden Minuten entwickelte er ein Gefühl für die neue Schnur und begann gut zu werfen, jeden Wurf ein bisschen weiter als den letzten. Bald gelangen ihm Würfe weit über 30 Meter. Ich ging zu ihm und fragte ihn, was er über meine Ausrüstung dachte. „Nicht schlecht“, antwortete er ruhig, während er noch mehr Schnur von der Rolle zog. Dann entspannte er sich, richtete sich auf und fing an zu kichern, schließlich lachte er laut aus reiner Freude über seine neue Entdeckung.

Dieses Buch allein wird Sie nicht zu einem Fliegenwerfer machen. Der einzige Weg Fliegenwerfen zu lernen besteht in der Erfahrung, sich selbst beizubringen eine Fliege zu werfen. Anweisungen in diesem Lernprozess können Sie nur ermutigen und anleiten. Die meisten von Ihnen, die einen Wurfstil entwickeln, werden zehn bis zwanzig Stunden üben müssen, um einigermaßen geschickt zu werden und Schnur und Fliege gut genug zu beherrschen, um bequem fischen zu können. Es ist eine Phase ähnlich wie beim Tennis, wenn man an den Punkt kommt, an dem man mehr Zeit mit dem Spielen als beim Bälleaufsammeln verbringt.

Die Anleitungen in diesem Buch sind so aufgebaut, dass man vom grundlegenden zum fortgeschrittenen Fliegenwerfen und Präsentieren der Fliege gelangt. Obwohl jedes Kapitel versucht, ein Thema umfassend zu behandeln, basieren die meisten zu einem gewissen Teil auf der Information aus vorangegangenen Kapiteln. Ich empfehle Ihnen, das Buch ganz durchzulesen und erst dann an den verschiedenen Wurftechniken zu arbeiten. Ich habe versucht, die Quintessenz des Fliegenwerfens herauszuarbeiten – Prinzipien, die sowohl für den guten Werfer als auch für den Anfänger gelten. Ich wünsche Ihnen alles Gute beim Erlernen des Fliegenwerfens.

Sie werden mich etwas kennen gelernt haben, wenn Sie dieses Buch gelesen haben. Ich hoffe, dass sich unsere Wege eines Tages an einem schönen Forellenfluss kreuzen werden und ich Sie kennen lernen werde.

1

Die Mechanik des Fliegenwerfens

Bevor wir beginnen eine Fliege zu werfen, ist es nützlich etwas von der Mechanik – das Wie – eines Fliegenwurfes zu verstehen und was wir dabei erreichen wollen. Alle vollendeten Werfer, nutzen unabhängig von ihrem Stil dieselbe grundlegende Mechanik für einen guten Wurf. Falls Sie Probleme mit einigen mehr technischen Informationen in diesem Kapitel haben, seien Sie nicht besorgt. Lesen Sie es erst einmal durch und schauen sich die Illustrationen an. Später, wenn Sie die verschiedenen Würfe üben, werden Sie diese Informationen leicht verstehen. Halten Sie das Buch bereit und lesen Sie diese Kapitel noch einmal, während Sie üben.

Fast alle anderen Wurftechniken nutzen ein kompaktes Gewicht, das durch die Luft geschleudert wird und eine leichte Schnur hinter sich herzieht. Fliegenwerfen erlaubt uns, einen gewichtslosen Köder mittels des Gewichts der Schnur zu präsentieren. Man könnte annehmen, dass es mit einer schweren Fliege am besten funktioniert. Zum Glück ist dies nicht der Fall. In der Tat, je leichter die Fliege, um so einfacher ist es, mit der Fliegenrute zu werfen.

Eines der Wunder unseres Sports ist, dass wir eine praktisch gewichtslose Fliege – ein winziges Stück Feder – sechs, neun und 15 Meter weit werfen und sie so präsentieren können, als fiele eine Mücke auf das Wasser.

Elf Uhr bis ein Uhr ist nur einer der vielen Beschleunigungswege (Wurfwinkel), die Sie benötigen.

Die beschwerte Schnur muss wie eine Peitsche vorwärts und rückwärts geworfen werden. Ich glaube, es war Jim Green, ein bekannter Rutendesigner und Werfer, der als Erster das Fliegenwerfen als ein Ausrollen der Schnur – vorwärts und rückwärts – in der Luft beschrieben hat. Diese Rollbewegung erzeugen wir, indem wir die Schnur durch die Luft schleudern, die Rute abrupt anhalten und die Schnur über die Rutenspitze abrollen lassen. Diese gesamte Bewegung – vom Anfang bis zum Ende – wird Beschleunigungsweg genannt. Der V-förmige Bogen zwischen der Anfangs- und der Endposition der Rute heißt Wurfwinkel. Die Form der Schnur beim Entrollen in der Luft wird Wurfschlaufe genannt.

Wenn Schülern des Fliegenwerfens der grundlegende Beschleunigungsweg erklärt wird, reden Lehrer oft von verschiedenen Positionen auf dem Zifferblatt, um relative Positionen in einem Wurfwinkel zu verdeutlichen. Beispielsweise benutzen Lehrer typischerweise die Phrasen „elf Uhr bis ein Uhr“ oder „zehn Uhr bis zwei Uhr“, um den V-förmigen Wurfwinkel zu beschreiben. Zu Beginn der Ausbildung eines Fliegenwerfers können solche festen Wurfwinkel nützliche Anhaltspunkte sein, weil sie eine einheitliche Form liefern, um das Timing, den Krafteinsatz und das Grundgespür für das Werfen zu lernen. Leider enden an diesem Punkt die meisten Instruktionen und viele Fliegenfischer versuchen fälschlicherweise ihr Leben lang den Rückschwung bei zwölf oder ein Uhr oder wo auch immer zu stoppen. Eine Anleitung, die sich auf diese festgelegten Wurfwinkel beschränkt, ist unvollständig. Gutes Fliegenwerfen und -fischen basieren auf der Variation sowohl der Position als auch der Größe des Wurfwinkels.

Parallelwurf – waagerechter Beschleunigungsweg

Hoher Vorschwung – Beschleunigungsweg nach hinten geneigt

Die Position des Wurfwinkels

Variieren Sie die Position des Beschleunigungsweges, um den Winkel des Wurfes zu ändern.

Gutes Fliegenwerfen setzt voraus, dass Rück- und Vorschwung sich auf derselben geraden Linie bewegen. Die Richtung dieser Geraden bestimmt die Position des Wurfwinkels. So erfordert ein Wurf parallel zum Wasser einen aufrechten Wurfwinkel (z. B. zwischen elf und ein Uhr oder zehn und zwei Uhr). Der gesamte Wurfwinkel muss nach hinten geneigt werden, um einen höheren Vorschwung, oder nach vorne geneigt werden, um einen höheren Rückschwung zu erreichen. Die Position des Wurfwinkels zu variieren ist nicht schwer zu erlernen und offensichtlich erforderlich für gutes Werfen und Fischen.

Hoher Rückschwung – Beschleunigungsweg nach vorne geneigt

Minimale Rutenkrümmung – kurzer Beschleunigungsweg

Stärkere Rutenkrümmung – langer Beschleunigungsweg

Die Länge des Beschleunigungsweges und die Größe des Wurfwinkels

Um die Rutenspitze entlang einer Geraden zu bewegen, müssen Sie die Länge des Beschleunigungsweges so wählen, dass er zum Grad der Rutenkrümmung passt.

Fliegenwerfen erfordert Beschleunigungswege und Wurfwinkel aller Längen und Größen. Um die Rutenspitze entlang einer Geraden zu bewegen (eine Notwendigkeit, wie Sie bald sehen werden), müssen Sie die Größe des Wurfwinkels so wählen, dass sie zum Grad der Rutenkrümmung passt. Der Grad der Krümmung einer Fliegenrute wird bestimmt durch: 1) das Gewicht, das Sie werfen (die Flugschnur), 2) die Menge der Kraft, die Sie einsetzen und 3) die Steifheit der Rute. Je größer die Krümmung der Rute, um so länger muss der Beschleunigungsweg sein, um die geradlinige Bewegung der Rutenspitze aufrechtzuerhalten. Die für den jeweiligen Wurfwinkel passende Kraftmenge herauszufinden, die die Rutenkrümmung bestimmt, ist einer der Schlüssel für gutes Fliegenwerfen. Dies bedeutet mit anderen Worten: ein kurzer Beschleunigungsweg für kurze Würfe und ein langer Beschleunigungsweg für weite Würfe. Dies werden Sie ganz natürlich lernen. Die einzige Gefahr besteht darin, dass Sie sich auf einen bestimmten Beschleunigungsweg festlegen.