Es herrschte das uralte, wilde und immerwährende Konzert. Das Zirpen der Zikaden, Affengekreisch, das Rauschen der Wipfel und tausend andere Naturgeräusche erfüllten die Steppe am Rand des Dschungels. Die Gräser wiegten sich leicht, weniger des Windes als der flirrenden Hitze wegen. Sie entwich in den blassblauen Himmel, an dem ein gleissender Punkt sichtbar wurde. Ein leises Brummen war zu hören, wurde lauter und zerschnitt das Klangbild der Natur. Der Punkt entpuppte sich als Flugzeug, das zum Sinkflug ansetzte. Es war eine brandneue Junkers 52, die holpernd landete und in weitem Umfeld Gras und Sträucher zu Boden wehte. Sie kam an einem grossen, von Menschenhand abgemähten Kreuz zum Stehen. Der Motor erstarb, die Luke öffnete sich, ein Mann zwängte sich durch die Öffnung und sprang zu Boden. Er war gross und drahtig und streckte ausgiebig die Glieder. Er trug Knickerbockerhosen und einen weissen Tropenhelm. Aus seiner beigen, in der Taille zugeschnürten Jacke zog er ein Taschentuch, mit dem er die Schweissperlen vom Gesicht abtupfte und setzte eine Brille auf die Nase. Auf ein Zeichen mit dem Kopf sprangen einer nach dem anderen fünf Männer aus der Maschine, ähnlich gekleidet wie der erste. Sie vertraten sich die Füsse, spähten in die Umgebung und schienen nach etwas Ausschau zu halten. »Da«, schrie einer und zeigte mit ausgestrecktem Finger an eine dichtbewachsene Stelle. Ein krauser grauer Haarschopf kam zum Vorschein, dann ein Gesicht mit breiter Nase und schliesslich erhob sich ein Eingeborener aus dem Steppengras. Ein zweiter tauchte auf, ein dritter und ein vierter. Eine Weile standen sich die beiden Gruppen reglos gegenüber und beobachteten einander. Die Eingeborenen hatten ein seltsam zeitloses Aussehen. Ihre Augen strahlten gleichzeitig etwas Primitives wie Weises aus. Sie wirkten furchtlos, gelassen, ja fast etwas gelangweilt.
Einer der Ankömmlinge, ein Mann mit dünnem Schnurrbart, Bürstenschnitt und umgehängtem Karabiner, trat auf die Eingeborenen zu. Er sprach sie in ihrer Sprache an. Eine Weile wurde verhandelt und gestikuliert, dann trat der Drahtige hinzu. Er sprach seinen Begleiter mit »Schneiter« an und liess sich das Gespräch übersetzen.
»Sagen Sie ihnen, dass sie es erhalten, wenn sie uns helfen.«
Schneiter übersetzte, die gedrungenen Einheimischen steckten die Köpfe zusammen, nickten und das Geschäft war perfekt.
Schneiter führte einen der Männer zum Drahtigen hin, fasste dessen Hand und streckte sie seinem Gegenüber zu.
»Das ist der Doktor«, sagte er auf deutsch, und wiederholte: »Doktor.« Der Doktor fasste die Hand, schüttelte sie und lächelte. Sofort wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst und er befahl die Leute zur Arbeit. Er war der Kommandant der Gruppe, die damit begann, das Flugzeug zu entladen. Bei den Männern, die aus Deutschland angereist waren, klappte alles wie am Schnürchen. Die Eingeborenen stellten sich etwas unbeholfen an, aber unter Schneiters straffen Anweisungen trugen sie schliesslich Stangen und Planen, Lebensmittel und die verschiedensten Geräte ins Feld, während die Weissen ein Camp errichteten. An diesem tropisch heissen 13. Januar 1945 begann die »Expedition Mantodea».
Es wurde Abend, bis alles eingerichtet war. Vier Giebelzelte standen in Reih und Glied, mit langen Heringen im staubigen Boden verankert, davor ein paar Feldtische, ein Holzherd und ein Kühlschrank, der mit dem nahen Flugzeug verkabelt war. Petroleumlampen an eigens dafür eingetriebenen Holzpflöcken spendeten Licht in der hereinbrechenden Nacht. Die Laute des Urwaldes, dessen Umrisse sich abzeichneten, wurden spärlicher. Der Geruch von gebratenen Kartoffeln vermischte sich mit der scharfen Ausdünstung des Steppengrases. An den Tischen sassen die Männer, redeten und tranken, während das Essen garte.
Ein Japaner sass am selben Tisch wie der Doktor und fragte: »Nun, wie geht es weiter?«
»Sie erfahren es morgen, Koyo, lassen Sie uns nun essen und uns ausruhen.«
Der Doktor lächelte, und es war nicht auszumachen, ob dieses Lächeln freundlich oder säuerlich war.
Bald nach dem Essen wurden die Lichter gelöscht, man ging zu Bett, nur Schneiter hielt mit umgehängtem Gewehr Wache und hatte ein besonderes Augenmerk auf das »Negerzelt».
Es war noch dunkel, als sich der lange Hals des Doktors aus dem Zelt reckte. Irgendwie erinnerte er an eine Kröte, besonders an Tagen, an denen er missgelaunt war wie heute. Er kroch ins Freie und murmelte etwas von der verdammten Hitze, die auch nachts nicht nachliess. Er fluchte über die Moskitos, die ihn trotz des Netzes geplagt hatten und kratzte sich an Armen, Beinen und nahe der Unterhose, in der er erschienen war. Ein Mann namens Rüssler, der die dritte Wachablösung übernommen hatte, stand neben ihm und zog eine Taschenuhr aus der Hose. Es war kaum fünf Uhr vorüber.
»Was stehen Sie herum wie ein Ölgötze«, herrschte ihn sein Vorgesetzter an. »Machen Sie Kaffee!«
Während Rüssler am Herd hantierte, begab sich der Doktor zum Wassersack und wusch Gesicht und Körper. Er verschwand im Zelt und kam angezogen mit einem ledergebundenen Buch zurück. Er zündete eine Zigarette an, blies den Rauch gegen ein paar Mücken, die um die entfachte Petrollampe schwirrten, setzte sich an einen Tisch und schlug das Buch auf. Der bullige Rüssler hielt die Kanne in seiner prankenartigen Hand, schenkte dem Doktor Kaffee ein und trank selbst einen im Stehen.
Der Doktor machte Eintragungen in das Buch; wohl das eben Gefluchte und alles andere, was während dieser Expedition geschah. Nachdem er das Buch zugeklappt hatte, schien seine Laune etwas besser. Er befahl Rüssler, die Männer zu wecken.
Bei blutrotem Sonnenaufgang wurde gefrühstückt. Man redete kaum, Spannung lag in der Luft, denn bald würde der Kommandant den Zweck der Expedition erläutern und Anweisungen erteilen.
Der Doktor befahl Pichler, einem gedrungenen, dicklichen Mann, ein Dreibein und eine Zeichenmappe zu bringen. Der stille Pichler befleissigte sich unterwürfig, während der Rest der Männer das Geschirr abräumte, sich wieder an den Tischen versammelte und die Aufmerksamkeit ganz auf ihren Vorgesetzten richtete. Der stand neben dem Dreibein und schlug sich mit einem Stöckchen ungeduldig in die Handfläche. Die Eingeborenen sassen unbeteiligt im Gras und unterhielten sich so leise, wie man es Eingeborenen nicht zutrauen würde.
Der Doktor zog eine grossformatige Schwarzweiss-Fotografie aus der Mappe und stellte sie auf das Stativ. Er zeigte mit dem Stock darauf und fragte: »Was sehen Sie, meine Herren?«
Nach einer Weile angestrengten Beobachtens ergriff Schneiter das Wort: »Blätter?«
»Was noch?«
Nach längerem Schweigen kreiste der Doktor eine Stelle des Bildes rot ein.
»Kommt näher, Männer, was seht ihr hier?«
Stühlerücken, man ging zum Bild, betrachtete es eingehend, aber niemand sah etwas anderes als ein paar Äste mit Blättern.
»Bei genauem Hinsehen können Sie ein Tier sehen, ein Tier, das sich als Blatt getarnt hat.«
Ein Raunen ging durch die Gruppe. Tatsächlich war ein Kopf, zwei Augen und ein Körper zu erkennen, der dem Blatt, auf dem es sass, täuschend ähnlich war. Die spinnenartigen, gereckten Beine waren kaum von den Verästelungen der Pflanze zu unterscheiden. Der Doktor entnahm der Mappe ein zweites Bild, das einen Pfad mit verdorrtem Laub zeigte. Auch hier war bei genauem Hinsehen ein Tier zu erkennen, das die zerknitterte Form des Laubes angenommen hatte und ebenso gut getarnt war wie das erste. Der Doktor zeigte weitere Fotos derselben Art. Auf einem war das Tier einer Baumrinde zum Verwechseln ähnlich, auf einem anderen glich es einer Blume, dann wieder war es kaum von einem kleinen Ast zu unterscheiden.
»Was Sie hier sehen, meine Herren, ist eines der raffiniertesten Erzeugnisse der Evolution und womöglich älter als der Saurier«, begann der Doktor seinen Vortrag.
»Es handelt sich um eine Mantodea, zu deutsch Fangschrecke. Die in unseren Graden vorkommende Art wird Gottesanbeterin genannt, weil ihre Fangarme an zum Gebet gefaltete Hände erinnern. Das ist aber keineswegs ihr Zweck. Nähert sich ein Beutetier, setzt die Gottesanbeterin blitzschnell zum Sprung an und quetscht dem Opfer mit den kräftigen, stachelbewehrten Fängen das Leben aus dem Leib. Das Insekt erreicht eine Körperlänge von sieben bis sechzehn Zentimetern und gehört zur Spezies der Heuschrecken. Was sie aber mitnichten davon abhält, ihre Artgenossen zu verspreisen.«
Die Augen des Doktors glänzten während der Ausführungen, und er fuhr fort: »In unserer Heimat gibt es nur eine Art dieses Insektes, das sonst wärmere Regionen vorzieht. Insgesamt existieren davon laut neuesten Forschungen etwa zweitausend Arten. Im Gegensatz zu uns Menschen«, fügte er mit spitzem Mund an, »bei denen es nur zwei Rassen gibt, nämlich die deutsche Herrenrasse und die Untermenschen, wie wir ja wissen. Hier im Dschungel vermutet man hundert bis zweihundert verschiedene Fangschreckenarten. Alles brutale Jäger, die auch eigene Genossen nicht verschonen, und das einzige Insekt, das in der Lage ist, bei Gelegenheit auch mal ein Säugetier, zum Beispiel eine Maus, mit ihren scharfen Fängen zu erlegen. Im übrigen frisst das Weibchen nach der Paarung den Gatten auf.«
Der Doktor machte eine Pause, zündete eine Zigarette an und sah in die Runde.
»Die Suche nach diesem Tier, meine Herren, ist Ziel unserer Expedition. Es ist ein einziges, sehr seltenes Exemplar, das wir aufspüren müssen.«
»Und was tun wir damit?«, fragte Schneiter.
»Wir werden es fressen.« Das Gesicht des Doktors verzog sich zu einem breiten Grinsen.
Seine Gedanken schweiften zurück zu jenem Tag, der der Grund für diese Expedition werden sollte: Bei einem eher zufälligen Besuch im naturhistorischen Museum in Berlin stiess er in einer kaum beachteten Ecke, in der antike afrikanische Skulpturen ausgestellt waren, auf eine seltsame, schwarze Statuette, kaum dreissig Zentimeter hoch, die seine Aufmerksamkeit erregte. Denn sie stellte eine Mischung aus Mensch und Stabheuschrecke dar, wie er noch nie zuvor gesehen hatte. Er umkreiste die Vitrine, in der dieses Exponat stand und fand auf der Rückseite winzig kleine eingravierte Schriftzeichen, die er keiner ihm bekannten Hieroglyphe zuordnen konnte. Obwohl das Objekt in tadellosem Zustand war, musste es schon sehr alt sein.
Anderntags traf er sich mit dem Kurator des Museums mit einer Weisung von höchster Stelle, ihm das Artefakt für eingehendere Studien auszuhändigen.
Bis tief in die Nacht brütete er täglich über die Bedeutung der Hieroglyphen. Nach zwei Wochen schallte ein unüberhörbares Heureka durch sein Labor. Er konnte kaum fassen, was er herausfand.
Sofort meldete er seine Erkenntnis dem Führer, und so kam es zu dieser aussergewöhnlichen Mission.
Ohne sich seine Gedanken anmerken zu lassen, wandte er sich wieder der Gegenwart zu. Das Lausbubengesicht verriet, dass er nicht mehr als dreissig, fünfunddreissig Jahre zählte. Der Ausdruck verhärtete sich aber sofort wieder. Er wies Schneiter an, die Eingeborenen zu holen. Er hielt ihnen alle Bilder unter die Nase, die in der Mappe lagen, und fragte: »Welche war es?«
Die Farbigen berieten, kratzten ihr graues Haar und schienen etwas ratlos zu sein. Sie sprachen mit Schneiter.
»Sie können sich nicht mehr erinnern, es sei schon zu lange her, sagen sie.«
Der Stock des Doktors sauste auf den Kopf eines der Schwarzen nieder, er presste die Lippen zusammen und zischte: »Sie sollen sich gefälligst anstrengen, wenn sie erhalten wollten, was sie so sehnlichst wünschen.«
Aber es half nichts. Trotz mehrmaligem Durchsehen der Fotos und scharfen Worten des Doktors war das Resultat nach drei Stunden mager. Die Eingeborenen konnten lediglich einige Arten ausklammern, die es nicht gewesen sein konnten, ebenso wurde klar, dass die Bildergalerie unvollständig war.
Der Doktor wischte sich den Schweiss von der Stirn und setzte eine Feldflasche an, die ihm gereicht wurde. »Wir werden also ausschwärmen und alle Exemplare einsammeln, die wir finden. Jeden Meter Savanne und Dschungel werden wir durchkämmen, wenn nötig versetzen wir das Lager in den Urwald, um weiter vordringen zu können.« Bei dieser Vorstellung verzog er säuerlich den Mund.
Noch einmal fragte Schneiter, was denn mit dem Insekt bezweckt werden solle.
Sein Vorgesetzter erinnerte an die absolute Geheimhaltung des Projektes, und dass er deshalb vorerst nicht mehr dazu sagen könne. Nur soviel: Es gehe bei der Expedition um die Erhaltung der arischen Rasse, um das Leben des Führers, um die Zukunft des Reiches und der Welt schlechthin.
»Männer«, schloss er seinen Vortrag, »im Vergleich zu unserer Mission ist die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen ein Pappenstiel. Aber es muss gelingen! Und wir müssen uns beeilen, die Zeit drängt. Jede Minute des Tages ist kostbar. Mit Hilfe dieser … Untermenschen« – er wies auf die Eingeborenen – »werden wir uns im Dschungel zurechtfinden.«
Er sah zum Himmel. Die Sonne stand schon tief. Da hier in Zentralafrika der Tag nur acht Stunden dauerte, war an ein Vordringen ins Gehölz nicht mehr zu denken. Der Doktor redete einige Worte mit Schneiter, dieser gab einen Befehl an Pichler weiter, der zum Flugzeug eilte und mit einem kurzen Fernrohr für jeden Mann zurückkam. Wenigstens sollten die wenigen Stunden bis zum Eindunklen genutzt werden, um zu üben. Ein Teil Männer durchstreifte gebückt die Savanne, das Fernrohr auf den Boden gerichtet, den sie absuchten. Pichler und ein junger Blondschopf machten sich daran, das Nachtessen zuzubereiten. Die Eingeborenen entfachten etwas abseits ein Feuer und kochten Reis und Wurzeln.
Der Doktor ging zum Flugzeug, wo er den Motor eine Weile laufen lassen wollte, um die Batterie aufzuladen und um sich selbst mit Frischluft aus der Ventilation abzukühlen. Schneiter hielt ihn zurück: »Die Neger sind nur bereit, uns zu helfen, wenn sie ihren Lohn sofort bekommen.«
»Ha!«, entfuhr es dem Doktor. »Um damit abzuhauen. Sagen Sie ihnen, dass es bei uns zivilisierten Menschen üblich ist, erst zu säen und dann zu ernten.«
»Und wenn sie sich weigern?«
»Papperlapapp, sie haben gar keine Wahl, sie sind von uns abhängig, ihr Lohn ist ihnen zu wichtig.«
So war es. Die Ureinwohner fügten sich und kauten an ihren Wurzeln. Der Doktor verschwand im Flugzeug, liess den Motor tuckern und führte sein Logbuch.
Die Nacht brach herein. Der Kommandant lag noch eine Weile wach, während aus dem Eingeborenenzelt Schnarchen drang und auch die Männer, die zu zweien nebenan lagen, schon schliefen. Draussen waren das Zikadengezirpe und die Schritte des Blondschopfs Karl zu hören, der die erste Wache schob. Er war Adjutant des Doktors und hatte mit seiner ganzen Überredungskunst – und nach langem Zögern seines Chefs – erwirkt, ihn auf diese Expedition begleiten zu dürfen.
Während er patrouillierte, seine blauen Augen mal hierhin, mal dorthin richtete, um jedes auffällige Geräusch, jede ungewöhnliche Bewegung auszumachen, dachte er mit Ehrfurcht an den Doktor, und mit Stolz daran, dass er bei einem so wichtigen Unternehmen dabei sein durfte. Er verehrte seinen Vorgesetzten über alle Massen. Der Doktor war nicht nur ein hervorragender Biologe und Hirnforscher, er kannte auch den Führer persönlich, der diese Mission höchstselbst angeordnet hatte. Wie sollte da ein Student von kaum zwanzig Jahren nicht in Ehrfurcht erstarren.
Der Doktor war dem gefügigen Karl wohlgesinnt, empfand fast etwas wie Vatergefühle für ihn und ergötzte sich an dessen kräftiger, arischer Gestalt. Diese Rasse galt es zu retten, in seiner Hand lag das Schicksal Abertausender und gar der Verlauf der Geschichte.
Mit diesen aufgeräumten Gedanken schlief der Doktor ein.
Noch vor dem ersten Vogelruf zog die kleine Karawane tags darauf Richtung Dschungel durch das raschelnde Steppengras. Voran schritten die Eingeborenen, vollgepackt mit Proviant und Utensilien. Ihre Hand umklammerte eine Machete. Hinter ihnen trottete das Forscherteam, mit Fernrohr und Schmetterlingsnetz bewehrt, in ihrem Gurt stak eine Pistole. Der Doktor starrte ununterbrochen auf einen Kompass, obwohl erst spärliches Dämmerlicht darauf fiel. Bald trafen sie auf vereinzelte Büsche, die ersten Bäume und Farne. Sie drangen in das Dickicht des Urwaldes ein. Nun begann die Arbeit. Bevor die Eingeborenen den Weg freischlugen, wurden Bäume, Sträucher, Blumen und Erdreich penibel nach Exemplaren der Gottesanbeterin abgesucht. Die Eingeborenen standen daneben und kauten Ingwer. Dann ging es ein paar Machetenschläge weiter. Pichler war eifrig bei der Sache, suchte in gebückter Haltung den Boden ab, stolperte über einen Wurzelstrang, der ausserhalb des engen Sehbereichs des Fernrohrs lag und schlug der Länge nach hin. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich den Fuss.
»Sie Narr«, herrschte ihn der Doktor an. »Weshalb glauben Sie, haben Sie ein Fernrohr und keinen Feldstecher; muss ich denn alles zweimal sagen?«
»Damit das eine Auge stets auf die Umgebung gerichtet sein kann«, murmelte Pichler kleinlaut. Er rappelte sich auf und ging humpelnd weiter.
»Wehe, Sie haben sich verletzt«, schnarrte der Doktor, aber das letzte Wort blieb ihm im Hals stecken. Gebannt starrte er auf Pichlers Rücken. »Stillgestanden!«, zischte er. Pichler erstarrte. An seinem Hemd hing eine rotbraune Gottesanbeterin in Lauerstellung.
»Nicht rühren!«, befahl der Doktor, und sein Schmetterlingsnetz sauste auf Pichlers Rücken, der den Befehl trotz des schmerzhaften Schlages befolgte. Er wurde umringt von den Männern, die das Tier sorgsam in ein Einmachglas verstauten, das sie mit einem durchlöcherten Pergamentpapier und Schnur verschlossen.
Die Eingeborenen konnten sich ein Kichern nicht verkneifen, zu sehr erinnerte das Treiben an ein kindliches Spiel. Obschon sie wussten, dass es das keineswegs war …
Stundenlang durchkreuzten sie die Wildnis, Äste schlugen ihnen um die Ohren, Moskitos pumpten sie voll mit Gift und das Gekreisch der Papageien hörte sich zuweilen an wie Hohngelächter. Einmal hob ein Eingeborener blitzschnell den Arm. Alle wussten, dass sie bewegungslos stehen bleiben mussten und keinen Laut von sich geben durften. Eine Machete teilte die Luft und dann den Kopf vom Rumpf einer Schlange. Der zuckende Leib wurde in einen Beutel aus Leder gestopft, der am Lendenschurz des Jägers hing.
Der Doktor erkundigte sich, ob es sich um eine Giftschlange gehandelt habe und das wurde bestätigt. Ekelerregt drehte er den blutigen Kopf im Sand mit dem Schuh um und wunderte sich, weshalb die Eingeborenen den Kadaver eingesteckt hatten.
Nur einmal machten sie Rast auf dem beschwerlichen Weg und verzehrten den mitgebrachten Proviant. Geschunden und übersät von Insektenstichen kehrten sie am Abend zum Lager zurück. Toyo, der Wach- und Küchendienst hatte und deshalb im Lager geblieben war, hob den Deckel von einem Topf und begrüsste die Ankömmlinge mit köstlichen Düften.
Mit Befremden bemerkte der Doktor, dass die Eingeborenen im Gras lagen, ausruhten und keinerlei Anstalten machten, sich etwas zuzubereiten.
Obwohl alle todmüde waren, kehrte nach dem Essen noch keine Ruhe ein. Ein Tisch wurde nahe einer Funzel aufgestellt. Auf der rauhen Holzplatte waren zwei Mausefallen in geringem Abstand voneinander festgeschraubt. Die Männer brachten Instrumente in einem klirrenden Packen herbei. Sie legten ein paar Zangen, eine feine Säge und anderes mehr auf den Tisch, auf den der Doktor seine Hände stützte. Ein Stuhl wurde ihm gebracht, er setzte sich, vor ihm lag das aufgeschlagene Logbuch. Die Gruppe umringte ihn. Er gab Anweisung, mit der »Auswertung« zu beginnen.
Immerhin sieben Gläser, in jedem eine Fangschrecke, wurden vor ihm aufgereiht. Keine schlechte Ausbeute für den ersten Tag. Die Schürfwunden und der Schweiss hatten sich gelohnt.
Der Doktor betrachtete jedes der Tiere eine Weile und machte Einträge dazu. Nachlässig hob er die Hand und sagte: »Die zuerst!« Vorsichtig wurde das Glas geöffnet und Karl klaubte mit einer langen Backenzange nach dem Insekt. Er hob es aus seinem Gefängnis und hatte sichtlich Mühe, das zappelnde Tier zu halten. Eine zweite Zange kam ihm zu Hilfe. Der Kopf wurde in die eine Mausefalle, der Schwanz in die andere gequetscht, sodass ein Entrinnen unmöglich war.
»Zersägen«, wies der Doktor an.
Schneiter folgte dem Befehl mit sichtlichem Vergnügen, es knirschte und kratzte, die Gottesanbeterin zuckte ein paar Mal und blieb dann reglos, zweigeteilt liegen. Die Fallen wurden geöffnet und die Teile vor den Doktor hingelegt. Er betrachtete sie eine Weile und sah dann fragend einen Eingeborenen von unten herauf an. Der schüttelte den Kopf und wischte den verstümmelten Körper in einen Eimer, der neben dem Tisch auf dem Boden stand.
Dasselbe wiederholte sich bei allen Exemplaren, die sie zweiteilten. Jedesmal schüttelte der Eingeborene den Kopf, das Insekt landete im Eimer.
Der Doktor zog die Brille aus und rieb sich die Augen. Er war nicht sehr enttäuscht, nur müde. Wer hätte schon am ersten Tag einen Erfolg erwartet? Immerhin suchten sie nach etwas, wovon die Menschheit seit Jahrtausenden träumte.
Bei den Deutschen gab es einen Umtrunk und eine Lagebesprechung. Die Eingeborenen entfachten ein Feuer und brieten sieben Gottesanbeterinnen und eine Schlange.
Das Team war nun schon fast drei Monate hier, ein Tag verlief wie der andere. Abends kamen die Männer müde nach Hause und mussten sich das ewige Kopfschütteln der Eingeborenen mitansehen, wenn die Auswertung gemacht wurde.
Karl stand auf einem Stuhl und liess aus einer Giesskanne Wasser auf den Doktor rieseln, der sich darunter duschte. Seine Haut war mittlerweile braungebrannt wie die aller Expeditionsteilnehmer. Das Gesicht gegerbt, der Blick vom vielen Beobachten noch stechender. Karl warf ihm ein Frottiertuch über, der Doktor zog sich an und begab sich ins Flugzeug.
Er sass über dem Logbuch, das Kinn in die Hände gestützt. Er kämpfte gegen aufsteigende Resignation. Hatte nicht er selbst das Beispiel der Stecknadel im Heuhaufen angeführt? Von Anfang an war klar gewesen, dass dieses Unterfangen schwierig und langwierig war. Musste er das Rennen mit der Zeit und der Natur, der er eines ihrer bestgehütetsten Geheimnisse und grössten Wunder entreissen wollte, aufgeben?
Nicht an Geduld und Durchhaltewillen fehlte es ihm. Aber sie hatten bereits den ganzen Umkreis, der in einem Tagesmarsch zu erreichen war, durchforstet. Genau dreihunderteinundzwanzig Stabheuschrecken hatten sie zerlegt. Für die Eingeborenen ergab das Sinn, für sie waren die Tiere Nahrung. Und wenn er offen war, musste er zugeben: so schlecht schmeckte das Insekt gar nicht. Einmal hatte er es gekostet; der Geschmack war dem von Hühnerfleisch durchaus ebenbürtig. Das war aber auch alles.
Wo sollten sie noch suchen? Bestimmt hatten sie bald alle der seltenen Tiere in ihrem jetzigen Wirkungsbereich ausgerottet.
Der Doktor machte einen Eintrag, dann einen Funkspruch in die Zentrale im fernen Deutschland. Danach rief er seine Leute zusammen. Die Staffelei wurde herbeigeschafft, eine Landkarte aufgespannt.
»Meine Herren, dies ist eine Karte des Gebietes, in dem wir uns befinden.« Der Doktor zeigte mit dem Stock auf einen Punkt am Rand eines grossen, grünen Flecks auf der Karte. »Was wir bis jetzt abgesucht haben, ist keinen Fliegendreck gross.«
Alle ahnten, was nun kommen würde.
Koyo stand auf und meldete sich zu Wort: »Wir können nicht weiterziehen, es fehlt an Wasser und Proviant.«
»Und frischem Mut, wie mir scheint – setzen! Sie … schlitzäugiger Anbiederer! In zwei Tagen brechen wir hier die Zelte ab und stossen dreissig Kilometer ins Innere des Dschungels vor.«
Koyo war beleidigt. Erstens wegen dem »Anbiederer«, und zweitens, weil seine berechtigten Einwände nicht beachtet wurden.
Am anderen Tag warf ein Flugzeug zwei Fallschirme ab mit Wasser, Lebensmitteln, Benzin, frischen Kleidern und einem Fass voll Schnaps.
Zwei Tagesmärsche in zügigem Tempo und ohne das lästige Fernrohr am Auge brachte die Gruppe in die Tiefen des Urwaldes. Sie fanden eine Lichtung, die zum Campieren geeignet war. Der Doktor vermisste einzig das kühle Fleugzeug, das nun weit entfernt am Rand des Dschungels stand.
Zwei Zelte und zwei Feldtische mussten genügen. Die Eingeborenen hatten draussen zu schlafen, die Männer pferchten sich unter einer Plane zusammen, nur der Doktor hatte ein Zelt für sich.
Nach dem Abendessen sass er am Tisch und brütete vor sich hin.
»Werden wir es schaffen?«, fragte Karl besorgt.
Der Doktor zuckte die Achseln. Pichler stand auf und stocherte mit dem Fuss in der Erde. Dann fasste er sich ein Herz und sagte: »Das hat doch alles keinen Sinn. Was quälen wir uns hier ab und zersägen hunderte dieser dämlichen Biester? Weshalb setzen wir uns nicht nach Bangui ab und richten uns mit einer neuen Identität ein bequemes Leben ein? Dort wären wir sicher. Ausserdem ist die Trockenzeit bald vorbei und damit unsere Chancen, das Insekt überhaupt noch zu Gesicht zu bekommen.«
Der stechende Blick des Doktors verriet ihm, dass er das besser nicht gesagt hätte.
Er erwiderte aber nichts, stand auf und verschwand im Zelt.
Wieder sausten die Macheten auf Äste und Lianen nieder, die Männer suchten mit ihrem Fernrohr Meter um Meter ab. Und doch schien heute etwas anders zu sein als sonst. Die Schwarzen gingen zielstrebiger vor und waren bei jedem Halt ungeduldig. Sie gestikulierten und trieben die Expedition in eine bestimmte Richtung, bis es dem Doktor zu bunt wurde. Er pfiff sie zurück und mahnte zur Geduld, denn heute hatten sie noch keine einzige Fangschrecke zu Gesicht bekommen. Die Eingeborenen wollten etwas einwenden, als blitzschnell eine Schlange aus dem Gebüsch schoss und einen der ihren ins Bein biss. Schweiss trat auf seine Stirn, er wurde blass, rang nach Atem und presste die Hände vor das Herz. Er krümmte sich und fiel schliesslich zu Boden, wo er von Krämpfen geschüttelt wurde. Anstatt ihm zu helfen, verfolgten die Eingeborenen die flüchtende Schlange.
Der Doktor fluchte und nestelte aus seiner Tasche eine Spritze mit Serum. Der Verletzte hatte sich aber bereits wieder erhoben, sein Gesicht hatte Farbe zurückgewonnen, und er rieb sich die Wunde, als ob es sich um einen Dornenkratzer handelte. Beim Anblick des wundersam Genesenen erhellte sich der Blick des Doktors und er nickte befriedigt. Mit Siegesgeschrei kehrten die anderen Ureinwohner zurück, einer von ihnen hielt das zappelnde Biest fest umklammert an Kopf- und Schwanzende.
»Gib her!«, befahl der Doktor. Er übernahm das Tier, hielt es in die Höhe und warf es Pichler zu mit den Worten: »Da, für Ihre Bangui-Pläne, Sie Möchtegern-Deserteur.«
Pichler schrie auf, versuchte die Schlange zu erhaschen und wurde in die Nase gebissen. Die Eingeborenen eilten herzu, einer fasste das Tier, der andere sog dem zitternden Pichler das Gift aus der Nase. Auch der Doktor trat herzu und verabreichte Pichler mit verächtlichem Gesicht das Gegengift.
»Wenn wir nicht auf Sie als Piloten angewiesen wären …« Er stand auf und spuckte neben Pichler auf den Boden.
Für heute war die Expedition zu Ende. Pichler musste auf einer notdürftig zusammengeschusterten Trage zum Lagerplatz zurückgebracht werden und hatte noch drei Tage Fieber, bis er wieder stehen konnte. Koyo hielt Wache am Krankenbett, während der Rest der Mannschaft der Arbeit nachging. Aber es zeigte sich auch an diesen Tagen keine einzige Fangschrecke. Der Doktor war höchst ungehalten. Er befahl, gleich am anderen Tag das Lager abzubrechen und in ein anderes Gebiet vorzustossen. Noch bei Dunkelheit machten sie sich mit Sack und Pack auf den Weg. Der Doktor blickte auf seinen Kompass und wies die Leute Richtung Nordwesten. Die Eingeborenen blieben stehen und machten keinerlei Anstalten, weiterzugehen.
»Was ist denn los?«, wandte sich der Doktor ärgerlich an Schneiter. Die Eingeborenen redeten durcheinander, sodass Schneiter Mühe hatte, ihre Sango-Sprache zu verstehen. Plötzlich aber blieb sein Mund offen und er starrte erst die Schwarzen, dann den Doktor an. Er wagte kaum, das Gesagte zu übersetzen.
»Sie sagen, dass wir besser dahin gehen sollen, wo es geschehen sei, an den Ort, wo sie das Tier gefunden haben.«
»Sie wissen es noch …?« Der Doktor rang nach Atem. Schneiter nickte. »Zehn Kilometer südlich des Flugzeuges, mitten in der Savanne.«
»Ja warum haben sie denn das um Himmels Willen nicht gleich gesagt?«, japste der Doktor und sein Gesicht färbte sich dunkelrot.
Die Eingeborenen kicherten beim Anblick, worauf der schwere Nagelschuh des Doktors schmerzhaft gegen das Schienbein des Vordersten knallte. »Warum habt ihr es nicht gesagt«, schrie er ihnen ins Gesicht.
Sie seien ja nicht danach gefragt worden, übersetzte Schneiter die lapidare Antwort.
So kämpften sie sich die vierzig Kilometer zurück zum Hauptlagerplatz, den sie nur dank der kundigen Führung der Eingeborenen so rasch wiederfanden. Beim Morgengrauen trafen sie ein. Pichler, der sich vom Schlangenbiss noch nicht ganz erholt hatte, schlief vor Erschöpfung auf der Stelle ein. Die anderen tranken einen Schnaps, dann verzogen auch sie sich in die Zelte.
Nach vier Stunden rüttelte der Doktor Karl wach und dieser den Rest der Besatzung. Die benötigten Waren wurden im Wellblechbauch der Ju 52 verstaut, und sie fuhren die zehn Kilometer Richtung Süden im kühlen Flugzeug, ohne dabei abzuheben. Der Doktor wunderte sich, wie viele Wildtiere, darunter auch Löwen, ihren Weg kreuzten und wurde sich bewusst, welcher Gefahr sie sich heute Nacht ausgesetzt hatten beim Gang durch den düsteren Urwald und der Nachtruhe ohne Wache. Er wertete den glimpflichen Ausgang als gutes Omen des Schicksals.
Die Eingeborenen lotsten das Flugzeug zu einer kleinen Baumgruppe, unter der Reste einiger zerfallener Strohhütten lagen, vermutlich eine ihrer früheren Behausungen.
»Sie sagen, hier sei es passiert«, erklärte Schneiter, und Pichler hielt das Flugzeug an.
Bevor das Lager aufgeschlagen wurde, untersuchte man den Platz gründlich, denn es wäre sträflich gewesen, das wertvolle Tier unter einer Plane zu begraben.
Heute war an eine Suche nicht mehr zu denken; die Nacht senkte sich über die Savanne.
Schon vier Stunden hatten die Männer das Gebiet minuziös durchmessen, ausgehend vom Mittelpunkt, den die zerfallene Siedlung bildete. Unbarmherzig sengte die Mittagssonne auf sie nieder. Die Eingeborenen hatten nichts zu tun, da in der Steppe kein Urwaldgestrüpp freizuschlagen war. Sie sassen unter den Platanen und rauchten Tabak. Die deutsche Einheit bearbeitete in Quadranten von zehn mal zehn Metern zu zwei Mann das Feld. Bisher war die Suche erfolglos verlaufen, und man zog sich zu einer Rast unter die Baumgruppe zurück. Sie sassen im Schatten, assen und tranken und schwiegen deprimiert. Karl schmollte: »Wozu sind diese Neandertaler überhaupt gut? Sie hocken faul herum, statt uns bei der Suche zu helfen. Als ob er verstanden hätte, stand ein Eingeborener auf, griff in einen tiefhängenden Ast und zerrte ein Blatt ab. Er reichte es Karl mit einem breiten Grinsen. Blitzschnell sauste das Netz des Doktors auf Karls Hand nieder.
»Es ist eine, vielleicht ist es sie, die Richtige!«, krächzte er und fasste mit zittriger Hand nach dem Insekt, das kaum erkennbar am Blatt klebte.
Unverzüglich wurde der Seziertisch aufgestellt, und das hundertfach zelebrierte Ritual wiederholte sich. Aber heute verlief es anders.
Koyo zersägte wie üblich das Tier, es zuckte und erstarrte. Dann wurden die zwei Hälften vor den Doktor gelegt, der seine Eintragung ins Logbuch machte. Plötzlich kam in die vordere Hälfte des Insektes wieder Leben. Das Tier bildete unter den Blicken der Umstehenden seine Glieder nach, Stück um Stück vervollständigte es den Rumpf und machte sich mit einem blitzschnellen Satz davon. Liegengeblieben war das abgetrennte, tote Hinterteil. Der Blick des Doktors richtete sich zuerst darauf, dann hob er den Kopf und blickte fragend den neben ihm stehenden Eingeborenen an. Es war derjenige, der die Gottesanbeterin gefunden hatte.
Endlich! Er nickte.
Der Doktor fasste mit der einen Hand den Kadaver, die andere hielt er schräg nach oben gestreckt. Er sprang auf und seine scharfe Stimme durchschnitt die Luft: »Sieg Heil!«, schrie er, und seine Kameraden schrien mit.
Es gab Schnaps für alle, auch die Eingeborenen mussten kosten unter der Gaudi der Deutschen, die sich ob deren Husten und Keuchen amüsierten. Vor allem Rüssler lachte sich halbtot.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Schneiter.
»Ich hab’s Ihnen doch schon erklärt«, schmunzelte der Doktor. »Ich werde das Insekt vertilgen.«
Zwei Tage zog sich der Doktor mit seinem Logbuch und der Beute ins Flugzeug zurück. Er kam heraus mit einem kleinen Säckchen voll rötlichbraunem Pulver. Lange sass er mit Schneiter und den Eingeborenen zusammen und beriet. Dann stand er auf, händigte das Säckchen Karl aus mit der Weisung, es unter keinen Umständen aus der Hand zu geben und, falls er stürbe, den Inhalt zu schlucken.
Er zog sein Schweizer Armeemesser hervor, schaufelte eine Spitze des Pulvers darauf und leckte es ab. Er sank zusammen und fiel sofort in tiefen Schlaf, aus dem er nicht geweckt werden konnte. Man legte ihn auf eine Pritsche, die Eingeborenen verschwanden in Richtung Urwald. Ein paar Stunden später kamen sie wieder und sagten zu Karl: »Doktor ernähren.« Sie zogen ein Büschel Blüten aus ihrem Beutel und extrahierten daraus einen zähflüssigen Nektar. Davon träufelten sie dem Doktor stündlich ein paar Tropfen in den Mund.
Tag und Nacht hielt Karl Wache bei seinem vergötterten Vorgesetzten und schlief kaum. Einmal holte er den Beutel mit dem Pulver aus seiner Tasche und öffnete ihn. Wenn der Doktor nicht erwachte, müsste er das Zeug schlucken. Er konnte seine Neugierde nicht im Zaum halten. »Eine winzige Dosis, ein paar Körnchen nur, können wohl nichts bewirken«, dachte er in seinem jugendlichen Leichtsinn. Zaghaft befeuchtete er den Finger mit dem Mund, tupfte eine Prise des Pulvers auf und probierte es. Es schmeckte bitter, weiter aber geschah nichts.
Am Morgen des dritten Tages schlug der Doktor die Augen auf, erfrischt und gutgelaunt wie selten zuvor. Als erstes forderte er von Karl, der seine Aufgabe mit Stolz erfüllt hatte, den Beutel zurück. Nachdem er eine Feldflasche voll Wasser in einem Zug geleert hatte, verschlang der Doktor eine Riesenportion Sauerkraut mit geräuchtem Speck. Dann befahl er Koyo, ein Glas Schnaps und ein Beil zu bringen. Er kippte den Schnaps hinunter und schob das Essgeschirr von sich. Die Männer standen mit gebanntem Blick um den Tisch herum. Der Doktor zog seinen Gürtel aus, reichte Karl das Beil, legte seinen Mittelfinger über die Tischkante und sagte: »Nun hau ihn ab, den Stinkefinger.«
Karl wurde blass: »Aber …»
»Keine Widerrede! Sobald ich den Gurt zwischen die Zähne klemme, schlägst du zu, und zwar kräftig. Ich dulde kein Hickhack, der Finger muss weg.«
Der Doktor biss auf den Gurt, das Beil sauste nieder, Blut spritzte, der Finger sprang weg, das Beil stak im Holz. Der Doktor schrie auf, dabei fiel der Gurt aus seinem Mund. Er starrte auf das abgetrennte Glied, ergriff es mit zittriger Hand und warf es ins Feuer.
Das Wunder geschah: Aus dem blutigen Stumpf wuchs binnen weniger Minuten der Finger nach. Fassungslos starrten alle auf das Unglaubliche, das sich vor ihren Augen abspielte.
Als der letzte Rest des Fingernagels nachgewachsen war, erhob der Doktor die Hand mit gestrecktem Mittelfinger und rief: »Heil Hitler.« Im Chor stimmten die Männer ein.
Am 27. April 1945 war die Expedition »Mantodea« erfolgreich beendet.
Der Doktor eilte ins Flugzeug, kam zehn Minuten später mit besorgtem Gesicht zurück und sagte: »Die Funkverbindung ist abgebrochen, wir wissen nicht, wie es um die Nation steht. Meine Herren, die Zeit drängt, wir machen uns sofort auf den Weg.«
Nachdem das Flugzeug beladen war, trat ein Eingeborener auf den Doktor zu und sprach ihn an. Schneiter übersetzte: »Sie sagen, die Saat sei aufgegangen, nun wollen sie die versprochene Ernte. Der Doktor nickte. Karl holte das halbvolle Schnapsfässchen aus dem Flugzeug und stellte es vor die Eingeborenen hin.
»Alles für euch«, grinste der Doktor, »ich denke, ihr dürft zufrieden sein.«
Aber das waren sie keineswegs. Sie schüttelten den Kopf. Sie hätten diese Flüssigkeit probiert, und ausser Husten, Brennen im Hals, geistige Verwirrung und Kopfschmerzen habe der Trank nichts bewirkt und sei damit wertlos.
Der Doktor ging ins Flugzeug, kam mit einer Handvoll Glasperlen zurück und legte sie auf das Fass. Wieder schüttelten die Eingeborenen den Kopf.
»Wenn das nicht reicht, sollen sie es bleiben lassen, diese Wilden«, sagte der Doktor scharf. Er wandte sich an Pichler: »Sagen Sie ihnen, dass ich nicht habe, wonach sie suchen«, Kaum übersetzt, packte einer der Eingeborenen Pichler am Kragen. Sofort zückte Rüssler das Gewehr und richtete es auf den Mann.
Der Doktor riss den Eingeborenen am Schopf von Pichler weg. Zu Rüssler sagte er: »Gewehr runter, Rüssler, Sie können damit sowieso nichts ausrichten. Besteigen Sie nun das Flugzeug, meine Herren, wir müssen los.«
Das bisher wütende Gesicht des Eingeborenen verzog sich zu einem Grinsen.
Verständnislos sah ihn der Doktor an.
»Sie werden zurückkommen und uns die Erlösung bringen, die Sie uns versprochen haben«, sagte der Eingeborene. »Wir haben Zeit, viel Zeit zu warten.« Damit machten er und seine Leute kehrt und entfernten sich.
Während der Doktor die Maschine bestieg, rätselte er über die Worte des Eingeborenen und weshalb sich der so sicher war. Er verscheuchte den Gedanken, wollte sich die Freude über die gelungene Expedition nicht trüben lassen.
Die Luke wurde verschlossen, die Junkers setzte sich in Bewegung, hob schwerfällig ab und verschwand als silberner Punkt am Horizont, so wie sie gekommen war.
In der darauffolgenden Nacht erschien das Flugzeug über Sizilien. Die darin hockenden Männer machten besorgte Gesichter. Der Doktor trat mit fragendem Blick ins Cockpit hinter Pichler.
»Nichts! Kein Funkkontakt, wir wissen nicht, was uns erwartet.«
Er musste schreien, das Motorengeräusch verunmöglichte eine Konversation in normaler Stimmlage.
»Wäre es nicht klüger, runter zu gehen und sich auf dem Landweg durchzuschlagen?«, fragte Pichler. Die Gefahr, von den Alliierten abgeschossen zu werden, ist gross.«
Der Doktor sah auf die Uhr und verschwand ohne zu antworten hinter dem Vorhang in den Hinterraum, wo er seine Büro- und Laborarbeiten zu verrichten pflegte. Er füllte einen kleinen Lederbeutel mit Mehl, steckte den anderen Beutel in seine Brusttasche, ebenso das Logbuch. Er öffnete das Zahlenschloss eines metallenen Koffers und entschärfte den Zeitzünder einer Bombe. Er konnte bei seiner Mission keinen Zeugen zuviel gebrauchen. Er kehrte zurück und instruierte Pichler im Pilotenstand. Dann stellte er sich vor die Mannschaft und informierte wortkarg: »Wir erhöhen unsere Chance, indem wir uns trennen. Ich werde mit Adjutant Karl abspringen und den Landweg nehmen. Ihr anderen landet in Deutschland, dort, wo es euch am sichersten erscheint.« Er warf Rüssler den Beutel mit Mehl zu. »Ich habe das Extrakt aufgeteilt«, log er. »Sie wissen, was damit zu tun ist.« Rüssler salutierte.
Er befahl Karl, die Fallschirme zu holen, die sie sich angurteten. Schneiter öffnete die Luke und ohne zu zögern sprangen die beiden in die Dunkelheit.
Zwei helle Punkte gondelten durch die Nacht über Süditalien. Noch ehe sie am Boden auftrafen, detonierte das Flugzeug. Ein Feuerball erleuchtete den Himmel, die Maschine barst in tausend Stücke, ein Funkenregen ging aufs Land nieder.
Bewegungslos lag seine Hand auf dem Telefon. Lange zögerte er, bis er sich ein Herz fasste, den Hörer zum Ohr führte und intern 001 wählte.
»Nierlich«, tönte es.
»Hier Filipos, guten Tag, Herr Nierlich, ich hätte, äh … ein persönliches Anliegen und wollte fragen, ob Sie mir einen Termin geben könnten für ein kurzes Gespräch.«
»Na, dann kommen Sie gleich, ich muss in einer Viertelstunde weg.«
Al eilte durch den Korridor und klopfte beklommen an die Tür seines Chefs. Auf das forsche »Ja« betrat er dessen Büro und stellte sich vor Nierlichs Schreibtisch.
»Machen Sie es bitte kurz, Herr Filipos«, was steht an?«
Allan räusperte sich: »Ich möchte um einen Vorschuss bitten, Herr Nierlich.«
»Schon wieder? Sie haben doch erst letzten Monat vorbezogen.«
»Nun ja, es ist halt ein bisschen eng. Die neue Wohnung, die Hochzeit, ich … brauche eine Weile, um die Balance wiederzufinden, nächsten Monat sieht es bestimmt besser aus.«
Nierlich sah auf den Wandkalender. »Wir haben Anfang November, Herr Filipos, noch fast drei Wochen bis zum Zahltag, sind Sie sich dessen bewusst?«
»Ich weiss, aber ich versichere Ihnen …»
Nierlich kratzte sich am Kopf: »Sie haben sich mit der Wohnung wohl doch etwas übernommen, nicht wahr?«
Al beschwor ihn, dass es daran nicht läge, und dass die Situation ganz bestimmt vorübergehender Natur sei.
»Wissen Sie, Herr Filipos, nur weil Sie der Schwiegersohn einer gutsituierten Kundin sind, lasse ich mich noch lange nicht über den Tisch ziehen.«
»Natürlich, Herr Nierlich, das tut gar nichts zur Sache.«
»Offen gestanden, ihre Leistungskurve zeigt in letzter Zeit auch nicht gerade nach oben. Denken Sie, Ihre Augenringe, Ihre ständige Abgespanntheit, seien mir verborgen geblieben?«
»Ich werde es mal mit Vitamintabletten versuchen«, sagte Al lapidar.
»Die sind aber auch nicht gerade billig«, frotzelte Nierlich. »Na schön, wieviel?«
»Fünfhundert.«
Nierlich wollte zum Hörer greifen, um Frau Cattin anzuweisen, das Geld auszuzahlen, als der Apparat läutete. Frau Cattin meldete einen Kunden, der den Geschäftsleiter persönlich verlange. Al hörte eine aufgeregte, empörte Stimme und sah, wie die Gesichtszüge seines Chefs düster wurden wie die bleiernen Wolken vor dem Fenster.
»Eine halbe Stunde schon?«, sagte Nierlich, »mit wem waren Sie denn verabredet?«
Allan glaubte, seinen Namen zu hören – nein – er war sicher. Vor lauter Vorschuss-Sorgen hatte er den Termin einer Übergabe verschlampt. Einer Übergabe, die in diesem Moment hätte stattfinden sollen. Stattdessen sass er im Büro seines Chefs wie der Vogel auf dem Leim. Al wäre am liebsten im Boden versunken. »Es ist mir überaus peinlich«, hörte er Nierlich sagen. Wir haben einen Krankheitsfall, und scheinbar spielte die interne Kommunikation nicht. Ich werde unverzüglich jemanden vorbeischicken. Ich bitte um Verzeihung.«
Ende, aus!
»Nun machen Sie, dass Sie zu der Übergabe kommen«, polterte Nierlich. Und den Vorschuss stecken Sie sich sonstwohin. Den Blauen Brief kriegen Sie, wenn Sie so weitermachen.«
Fluchtartig verliess Al das Büro und raste an die zum Glück nahegelegene Adresse zur Übergabe.
»Ich dachte, Ihr Chef sagte, Sie seien krank?«, wunderte sich der neue Mieter.
»Bin ich auch – Personalmangel – was will man«, entgegnete Al.
»Nun ja, man sieht es Ihnen an, die Augenringe …»
Danach fuhr er nach Hause, hatte keine Lust mehr, im Geschäft aufzukreuzen, egal, was es für Konsequenzen hätte. Er wunderte sich, dass Beas Wagen vor dem Haus stand.
Sie spachtelte auf einer Leinwand herum, was selten vorkam.
»Bist du nicht bei der Arbeit?«, fragte Al.
»Und du, weshalb bist denn du schon hier?«
Er liess sich in den antiken Ohrensessel fallen, den Bea erst vor Kurzem angeschafft hatte und erwiderte schlapp: »Krank. Wir sollten nicht so viel ausgehen, Bea, es beeinträchtigt meine Leistungsfähigkeit, und ausserdem liegt es finanziell einfach nicht mehr drin.«
Sie schien ihn gar nicht gehört zu haben und deutete auf die Leinwand: »Wie findest du es?« Sie wiegte den Kopf. »Es heisst ‹Der einsame Kampf einer rastlosen Seele›.«
Er gab sich Mühe, höflich zu sein und betrachtete das Bild, so interessiert es seine Stimmung eben zuliess. Das Gemälde musste durchaus als abstrakt gelten. Aussen rot, dann gelb und innen grau. Es war ein Stil, den er scheinbar nicht verstand.
»Warum?«, fragte er.
Siehst du denn das nicht, du Banause? Der pulsierende graue Kern in der Mitte, stellvertretend für unsere dunkle Seite, der das Gelb einsaugen möchte, das nach Leben lechzt. Hin- und hergerissen zwischen dem äusseren Ring, dem totale Energie innewohnt, ist es rastlos … Weisst du, es soll eine Serie werden.«
Sie legte den Spachtel zur Seite, setzte sich auf die Lehne und legte den Arm um seine Schultern.
»Professor Furtwanger bat mich, ihn heute Abend zu einem Empfang in Berlin zu begleiten. Deshalb habe ich tagsüber frei.« Sie strahlte. »Wir fliegen mit seinem Privatjet.«
Al sah zu ihr auf und lächelte.
»Dann hast du einen besseren Tag erwischt als ich.«
»Nun ja, ich freue mich. Es ist so eine Art Aufstieg in die höhere Liga. Stell dir vor: ein Empfang in der Schweizer Botschaft. Ich hoffe nur, mein alter Herr kreuzt nicht auf.«
Sie stand auf und nestelte in ihrer Handtasche. »Zu dumm«, murmelte sie und ging zum Telefon. Während sie wählte, sagte sie in beiläufigem Ton: »Pump mir mal zwei Hunderter, ich muss was bestellen.«
Al warf ihr sein Portemonnaie hin und sagte: »Bediene dich.«
Sie fand nichts darin und sagte: »Fahr doch schnell zum Bancomaten und lass was raus, damit ich den Kurier bezahlen kann.« Der Kurier nahm ab und sie bestellte ein Gramm Koks.
»Geht nicht, ich bin am Limit«, erwiderte Al.
»Shit, woher nehme ich nun die zweihundert Franken?«
»Du hast doch auch eine Karte.«
Sie senkte den Kopf: »Bin auch am Limit.«
Al verzog den Mund. »Ich sagte dir ja: Wir – können – es – uns – nicht – leisten. Nicht in diesem Stil. Jeden Tag gehen wir aus, jede Woche bringst du einen neuen teuren Fetzen nach Hause, kaufst antike Stühle, Möbel, Firlefanz, und dann die verfluchte Kokserei.«
Beatrice wusch ihm eine, dass es im Ohr sauste. Noch nie hatte er sie so rot gesehen, ihre Nasenflügel zitterten. Sie wandte sich ab und klammerte sich an das Fenstersims. Dann drehte sie sich um und sah ihn aus ihren wunderschönen grünen Augen an, die gefährlich funkelten. Sie zwang sich, ruhig zu reden: »Du bist ein kleiner Sachbearbeiter, ich habe dir mein Herz geschenkt und dir dieses Leben erst ermöglicht. Du wolltest eine Karriere machen, versprachst mir, mich auf Händen zu tragen. Und nun kriege ich nichts als Vorwürfe. Allan, du enttäuschst mich masslos.«
Der Kurier klingelte. Nach einem kurzen Gespräch tauschte Bea ihre Rolex gegen ein gefülltes Minigrip-Säcklein, verzog sich ins Zimmer und kam nach einer Stunde frisch geduscht im langen Schwarzen wieder.
Er sass noch immer im Atelier wie ein geschlagener Hund. Trotzdem konnte er nicht umhin, ihre Eleganz zu bewundern.
»Ich geh jetzt arbeiten«, sagte sie und verschwand.
Draussen stürmte es. Al lag auf der Chaiselongue in seinem Büro und starrte durchs Fenster auf den Lichtkegel einer Strassenlampe, die sich im Wind wiegte. Darum herum war alles schwarz. Er wollte heute hier schlafen, wollte nicht neben Bea liegen. Aber er konnte nicht einschlafen. Dies war der erste handfeste Krach gewesen seit den knapp zehn Monaten, in denen sie nun zusammen waren. Er war zutiefst verletzt, fühlte sich schuldig, klagte sich an, war aufgekratzt. Sie hatte ja recht, nichts hatte er erreicht, nichts konnte er ihr bieten.
Das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken. Habi war dran und fragte, ob er auf ein Bier in die Safari-Bar käme. Er wollte wissen, wo er denn gesteckt habe den ganzen Tag. Nierlich sei ziemlich sauer – gelinde ausgedrückt. Al sagte, erstens sei er krank und zweitens ein Arschloch und legte auf. Fieberhaft dachte er nach. Als Bea um zwei Uhr noch immer nicht gekommen war, stieg er ins Auto und fuhr nach Küsnacht zu Claire.
Sie öffnete erst nach dem zweiten Läuten, erschien im Morgenmantel und war erstaunt, als sie den späten Gast erkannte. »Fil, du? Komm rein.«
Er ging zur Hausbar und kippte einen Brandy hinunter. Claire lief ihm aufgeregt hinterher: »Was ist denn passiert? So sag schon.«
Geknickt sass er im Sofa und erzählte von dem Streit. Claire beruhigte ihn, irgendwann sei immer das erste Mal, das werde sich schon einrenken.
»Ich brauche deine Hilfe, Claire«, sagte Fil.
Bea war mit Professor Furtwanger in dessen Limousine zum Flughafen gefahren. Dort mussten sie der Wetterverhältnisse wegen mehr als eine Stunde warten, bis der Learjet abheben konnte. Gerade rechtzeitig kamen sie in Berlin an und wurden vom Botschafter-Ehepaar empfangen.
Beatrice hatte den Streit mit Al schon fast vergessen. Die Ohrfeige tat ihr etwas leid, aber sie war nun mal impulsiv. Vielleicht hätte sie ihm sagen sollen, dass sie in Berlin übernachtete. Aber das konnte er sich ja an den Fingern abzählen.