AutorInnen

Martina Föhn, Dipl. Ing. FH, ZHAW (Hrsg.)

Nadja Lang, BSc ZFH, ZHAW

Renata Schneiter-Ulmann, Prof. Dipl. Phil. II, ZHAW

Michel Aebi, Eidg. dipl. Gärtnermeister, Creaplant AG

Der Leitfaden, der als Grundlage für das vorliegende Buch dient, ist im Rahmen des KTI-Projekts «Integrative Indoorbepflanzung von Alterszentren in Kombination mit pflanzengestützter Gesundheits- und Krankenpflege» (2011–2015) entstanden.

Dank

Die Autorinnen und der Autor danken der Age-Stiftung für die finanzielle Unterstützung bei der Publikation des Leitfadens. Den Mitarbeiterinnen Ivonne Schmid, Mitarbeitende der Fa. Creaplant AG, sowie Karin Frei, ehemals Assistentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Life Sciences und Facility Management, wird für ihre Mitarbeit in der gestalterischen Innenraumbegrünung ganz herzlich gedankt. Ein besonderer Dank gilt auch allen Partnerinnen und Partnern, insbesondere dem Departement Gesundheit der ZHAW Winterthur, dem Alterszentrum Gibeleich, dem Pflegezentrum GerAtrium und der Firma Creaplant AG.

Wädenswil im Juli 2015

Die Publikation der Ergebnisse wurde unterstützt durch die Age Stiftung.

Hinweis zur Schreibweise der Geschlechter

Um umständliche Formulierungen zu vermeiden, wird immer die männliche Form verwendet. Weibliche Personen sind selbstverständlich immer mitgemeint.

Inhaltsverzeichnis

1      Einleitung

2      Wirkungen von Indoorpflanzen

2.1   Wirkungen der Pflanzen auf das Raumklima

2.2   Psychologische Wirkungen von Pflanzen auf den Menschen

2.3   Gesundheitliche Risiken durch Pflanzen

3      Bedürfnisse von Indoorpflanzen

3.1   Anforderungen der Pflanzen an das Raumklima

3.2   Anforderungen der Pflanzen an Substrate und Gefässe

3.3   Anforderungen der Pflanzen an ihren Unterhalt

4      Innenraumbegrünung aus Sicht der Gestalter

4.1   Gestaltungsparameter

4.2   Gestaltungsgrundsätze

5      Innenraumbegrünung aus Sicht des Heimpersonals

5.1   Aktuelle Nutzung und Bedürfnisse der Mitarbeitenden des Alterszentrums Gibeleich an die individuellen Standorte und ihre Begrünung

5.2   Erwartete Wirkungen der Begrünungen an den ausgewählten Standorten

6      Innenraumbegrünung aus Sicht der Heimbewohner

7      Projektmanagement

8      Pflanzenmodule

8.1   Raumteiler

8.2   Wintergarten

8.3   Solitärpflanzen

9      Pflanzen in der professionellen pflanzengestützten Pflege

10    Pflanzenporträts

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Glossar

Sachwortverzeichnis

Verzeichnis der botanischen Pflanzennamen

Verzeichnis der deutschen Pflanzennamen

Autorenverzeichnis

1   Einleitung

(R. Schneiter-Ulmann)

Der vorliegende Ratgeber für die gestalterische Innenraumbegrünung von Alters- und Pflegeheimen beruht auf Ergebnissen des Forschungsprojekts «Integrative Indoorbepflanzung von Alterszentren in Kombination mit pflanzengestützter Gesundheits- und Krankenpflege» (2011–2015). Es stand unter der Leitung von Prof. Dipl. phil. II Renata Schneiter-Ulmann der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW (Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen). Das interdisziplinäre Projekt wurde von der KTI (Kommission für Technologie und Innovation des Bundes, Bern), der Gesundheitsförderung Schweiz und der Stiftung Gartenbau finanziell unterstützt. Es wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Creaplant, zwei Alterszentren im Grossraum Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, Departement Life Sciences und Facility Management und Departement Gesundheit, realisiert.

Indoorbegrünung

wird nach Kerstjens et al. (2011) «die dauerhafte Begrünung von Innenräumen für Wohnen, Arbeiten und Freizeit (z. B. in Verwaltungsgebäuden, Foyers, Schulen, Wintergärten, Krankenhäusern, Schwimmbädern, Einkaufspassagen, Botanischen und Zoologischen Gärten) mit Pflanzen in mobilen und ortsfesten Gefässen bzw. in Flächen mit oder ohne Bodenanschluss verstanden. Die Räume sind in der Regel geschlossen und klimatisiert.»


Ein wichtiges Ziel des Projekts war die Entwicklung von Indoorbegrünungen (siehe obenstehende Begriffsbeschreibung), die den Bedürfnissen der Bewohner von Alterszentren entsprechen und neben reinen Gestaltungselementen auch Bereiche aufweisen, welche zusätzlich im Rahmen von pflegerischen Interventionen durch Pflegefachpersonen genutzt werden können. Solche Interventionen können zum Beispiel mobilitätsfördernd sein, positive Sinneswahrnehmungen ermöglichen und damit zu mehr Lebensqualität für Betagte im Pflegeheim beitragen. Sie sind Teil des Angebots der pflanzengestützten Gesundheits- und Krankenpflege, auch professionelle pflanzengestützte Pflege genannt (siehe Begriffsbezeichnung Seite 6), und wurden in Kombination mit Indoorbegrünungen in der Schweiz und Europa erstmals mit wissenschaftlichen Methoden entwickelt und erfolgreich getestet. Dieses neuartige Angebot wurde unter der Leitung von Veronika Waldboth, MScN, RN, und Prof. Dr. Lorenz Imhof, PhD, RN, beide von der ZHAW, Departement Gesundheit, entwickelt, implementiert und evaluiert. Damit sind Innenraumbegrünungen, d. h. Zimmerpflanzen, auch als therapeutisches Medium zugänglich.

Pflanzengestützte Gesundheitsund Krankenpflege / professionelle pflanzengestützte Pflege

beschreibt die Anwendung und Auswirkungen gartentherapeutischer Erkenntnisse auf die Beziehungen und existenziellen Erfahrungen des Lebens (ABEDL; Krohwinkel, 2008) oder beschäftigt sich mit Gesundheitsverhaltensmustern (Gordon, 2009) von Menschen im Lauf der Lebensspanne. Diese neuartige Intervention wird von speziell ausgebildeten Pflegefachpersonen eingesetzt. Dabei wird systematisch der Pflegeprozess angewendet (Vef-Georg 2008a, 2008b). Pflanzengestützte professionelle Pflege lässt sich von einer gartentherapeutischen Therapieeinheit durch drei Elemente klar unterscheiden: Durch die Integration der Aufgabe in die bestehende Rolle der Pflegefachperson, durch die Ausrichtung der Intervention auf die gemeinsame Gestaltung des Alltags und durch die Dauer und den Ort der Massnahmen.

Insbesondere ist dies für Bewohner bedeutsam, die wegen grosser gesundheitlicher Beeinträchtigungen Gartenpflanzen als therapeutische Mittel im Aussenraum nicht mehr nutzen können. Positive Effekte, die dank der Beschäftigung mit Gartenpflanzen im Freien aufgezeigt werden konnten – wie zum Beispiel die Reduktion von Angst (Verra et al., 2012), Stimmungsverbesserungen bei Depressionen (McCaffrey, 2007), erhöhte Mobilität, bessere soziale Kontakte und weniger Einsamkeit (Gonzales et al., 2009) – können auch mit Zimmerpflanzen in Innenräumen bewirkt werden. Indem diese einerseits als Gestaltungselemente, andererseits als Mittel für professionelle pflegerische Interventionen zum Einsatz kommen, besteht u. a. die Möglichkeit eines engeren Bezugs der Bewohner zu ihrem aktuellen, eng begrenzten Lebensraum. Neu sollen Vegetationsgrün und bunte Blütenpracht in Innenräumen ihren angemessenen Stellenwert haben.

Der vorliegende, neuartige Ratgeber richtet sich an Planer, Entscheidungsträger und Mitarbeitende von Alterszentren sowie an weitere am Thema interessierte Kreise. Ebenso sind Bewohner von Altersund Pflegeheimen, deren Angehörige und Bekannte angesprochen.

Kapitel 2 «Wirkungen von Indoorpflanzen» zeigt das Spektrum an Potenzialen auf, das Pflanzen in Innenräumen haben. Es thematisiert ihre Auswirkungen auf das Raumklima sowie auf die Psyche des Menschen und beschreibt mögliche gesundheitliche Risiken durch Pflanzen. Mit Kapitel 3 «Bedürfnisse von Indoorpflanzen» werden die Anforderungen von Zimmerpflanzen ans Raumklima, an die Gefässe, Substrate und den Unterhalt dargelegt. Dabei ist zu beachten, dass Nutzerbedürfnisse, personelle Ressourcen, räumliche Gegebenheiten und finanzielle Möglichkeiten von Institution zu Institution stark variieren können. Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen dieses Leitfadens für ein Konzept entschieden, das modular aufgebaut ist. Im Rahmen des KTI-Forschungsprojekts hat die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, Department Life Sciences und Facility Management, zusammen mit der Firma Creaplant AG in Gerlafingen (SO), spezialisiert auf Innenraumbegrünungen, die drei Pflanzenmodule Raumteiler, Wintergarten und Solitärpflanzen geplant und entwickelt. Bei den Praxispartnern, dem Alterszentrum Gibeleich in Glattbrugg (ZH) und dem Pflegezentrum GerAtrium in Pfäffikon (ZH), sind diese Neuentwicklungen erfolgreich realisiert und getestet worden. Es sind denn auch diese drei Pflanzenmodule, welche wichtige gestalterische Akzente setzen und in Kapitel 8 vorgestellt werden.

Die Entwicklung dieser Pflanzenmodule, welche partiell auch im Rahmen der professionellen pflanzengestützten Pflege genutzt werden, basiert auf Bestandsaufnahmen bestehender Innenraumbegrünungen in den beiden Heimen und deren Analyse bei Projektbeginn (2012). Dabei wurden folgende Parameter und Gegebenheiten erfasst: Pflanzennamen (nach Zander 2014), Pflanzenqualität, Giftigkeit, Gefässe und Substrate der erfassten Pflanzen, Standortbedingungen wie Raumtemperatur, Lichtverhältnisse und Luftfeuchtigkeit. Die Ergebnisse der Erhebungen zeigen auf, dass das Raumklima für viele Pflanzen nicht optimal ist bzw. war (zu dunkler Standort, zu geringe Luftfeuchtigkeit) und bezüglich Giftpflanzen Aufklärungsbedarf besteht (Empfehlungen dazu siehe Kapitel 2 und 3). Um erfolgreich eine gestalterische Indoorbegrünung in einem Alterszentrum zu realisieren, wird eine gewisse Vorgehensweise empfohlen. Kapitel 4 «Innenraumbegrünung aus Sicht der Gestalter», Kapitel 5 «Innenraumbegrünung aus Sicht des Heimpersonals», Kapitel 6 «Innenraumbegrünung aus Sicht der Heimbewohner» und Kapitel 7 «Projektmanagement» thematisieren wichtige Aspekte davon.

Es gibt eine Vielfalt an Pflanzen, die bei optimaler Kombination die Innenräume von Alterszentren optisch signifikant aufwerten können. Wenn die Pflanzen zusätzlich auch für Interventionen in der professionellen pflanzengestützten Pflege von Betagten genutzt werden, kann eine vertiefte Beziehung zu Bewohnern ermöglicht werden und ihr Wohlbefinden im Alltag zusätzlich gesteigert werden. Kapitel 9 «Pflanzen in der professionellen pflanzengestützten Pflege» thematisiert solche Pflanzen.

Ein weiteres wichtiges Thema wird mit Kapitel 10 «Pflanzenporträts» abgedeckt, wobei die vorgestellten Pflanzen neben rein gestalterischen Funktionen teilweise auch im Rahmen der professionellen pflanzengestützten Pflege genutzt werden können. Literaturangaben nach den einzelnen Kapiteln und das Glossar am Schluss des Ratgebers dienen dem Leser als Informations- und Orientierungsquelle.

Wichtige Inhalte des vorliegenden Ratgebers sind nachfolgend in Abbildung 1 stichwortartig zusammengefasst.

Abbildung 1: Gestaltungskriterien – Anforderungen der Pflanzen – Wirkungen der Pflanzen – Pflanzen in der professionellen pflanzengestützten Pflege (Illustration M. Föhn)

Literatur

Gonzales, M. T.; Hartig, T.; Patil, G. G.; Martinsen, E. W.; Kirkevold, M.: Therapeutic horticulture in clinical depression: a prospective study. Research & Theory for Nursing Practice. vol. 23 (4), 2009, pp. 312–328 Gordon, M.: Handbuch Pflegediagnosen. Verlag Hans Huber, 5. Auflage, Bern 2009

Kerstjens, K. H. et al.: Richtlinien für die Planung, Ausführung und Pflege von Innenraumbegrünungen. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL), 3. Auflage, Bonn 2011

Krohwinkel, M.: Rehabilitierende Prozesspflege am Beispiel von Apoplexiekranken. Fördernde Prozesspflege als System. Verlag Hans Huber, 3. Auflage, Bern 2008

McCaffrey, R.: The Effect of Healing Gardens and Art Therapy on Older Adults With Mild to moderate Depression. Holistic Nursing Practice, vol. 21 (2), 2007, pp.79–84

Vef-Georg, G: Gärtnern, die Therapie mit Entwicklungspotential. NOVA 39 (2008a) 5: pp. 34–35

Vef-Georg, G: Der Garten im Haus. NOVA 39 (2008b) 12: pp. 32–33

Verra, M.; Angst, F.; Beck, T.; Lehmann, S.; Brioschi, R.; Schneiter, R.; Aeschlimann, A.: Horticultural Therapy for Patients With Chronic Musculoskeletal Pain: Results of a Pilot Study. Alternative Therapies vol. 18, (2), 2012, pp. 44–50

Zander, R.: Handwörterbuch der Pflanzennamen. Ulmer Verlag, 18. Auflage, Stuttgart 2014

2   Wirkungen von Indoorpflanzen

(N. Lang)

Pflanzen stellen Anforderungen an Innenräume, damit sie dort gut wachsen können. Gleichzeitig wirken sie selbst auf Innenräume. So wie beispielsweise das einfallende Licht, die am Standort vorhandene Temperatur und Luftfeuchtigkeit einen Einfluss auf das Gedeihen einer Pflanze nehmen, so beeinflusst die Pflanze ihrerseits das vorherrschende Raumklima. Pflanzen können positive wie auch negative, gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen auf den Menschen haben. Umgekehrt nimmt der Mensch durch den Unterhalt sowie die Wahl der Substrate und Gefässe auch Einfluss auf das Wohlergehen der Pflanzen (s. Abbildung 2).

Abbildung 2: Wechselwirkungen zwischen Mensch – Pflanze – Raum (Illustration M. Föhn, Zeichnungen K. Frei)

Die Effekte von Pflanzen auf Menschen im Innenraumbereich sind vielfältig und lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen, wie die Abbildung 3 von Reimherr und Kötter (1998/99) zeigt.

Abbildung 3: Die Wirkungsweisen von Innenraumbegrünung in Büros (verändert, nach Reimherr & Kötter, 1998/99)

Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau hat im Zeitraum von zwei Jahren (1998 bis 1999) untersucht, wie sich die Innenraumbegrünung in Büros auf die Gesundheit und das Wohlbefinden und demzufolge auch auf die Arbeitsleistung der Büroangestellten auswirkt. Um dies zu eruieren, wurden Personen vor und nach der Begrünung ihrer Büros wiederholt befragt. Reimherr und Kötter kamen zum Schluss, dass die grösste gesundheitsfördernde Wirkung der Innenraumbegrünung dem psychischen/psychosomatischen Bereich zuzuschreiben ist (55 %), denn das Wohlbefinden stieg nach Aussagen der befragten Personen mit der Begrünung bedeutsam an (s. Abbildung 3). Sie bezeichneten ihren Arbeitsplatz u. a. als naturnaher, erfrischender, stresslindernder sowie vertrauter und schrieben ihm eine gesundheitsfördernde Wirkung zu. Rund ein Drittel (30 %) der gesundheitsfördernden Wirkung wird auf die Luftbefeuchtung durch Pflanzen zurückgeführt und die restlichen 15 % der Staub- und Schadstoffreduktion sowie der Lärmminderung.

2.1   Wirkungen der Pflanzen auf das Raumklima

Neben der Tatsache, dass Pflanzen den für den Menschen essenziellen Sauerstoff bilden, üben sie weitere bedeutsame Effekte auf das Raumklima aus. Das Blattwerk von Pflanzen kann der Beschattung dienen und durch den natürlichen Vorgang der Transpiration die Luftfeuchtigkeit erhöhen. Des Weiteren binden Blätter Staub und können sogar Schadstoffe aus der Luft herausfiltern, wenn auch nur in sehr kleinen Mengen (Volm, 2002). Aber auch die Wurzeln können Schadstoffe mithilfe von Mikroben abbauen und aufnehmen (Grollimund & Hannebicque, 2010). Dadurch leisten Pflanzen neben der Erhöhung der Luftfeuchtigkeit und Beschattung auch einen Beitrag zur Reduktion von Formaldehyd, Xylol und anderen gesundheitsschädigenden Verbindungen in der Luft. Diese Stoffe treten einerseits in der Bausubstanz und bei der Möblierung von Gebäuden häufig akkumuliert auf; andererseits werden sie auch von Heizkörpern, Druckgeräten und Haushaltsreinigern abgegeben (Grollimund & Hannebicque, 2010).

2.2   Psychologische Wirkungen von Pflanzen auf den Menschen

Dass Natur und Pflanzen einen wohltuenden Effekt auf die Seele der Menschen haben, ist schon lange bekannt. Bereits zur Zeit der alten Ägypter haben Hofärzte Personen des Königshauses mit seelischen Problemen zum Spazieren in den Garten geschickt resp. Aufenthalte in Gärten verschrieben (Lewis, 1976).

Schneiter (2010) geht davon aus, dass es verschiedene Gründe gibt, welche die Affinität des Menschen zu Pflanzen erklären: Zum einen gibt es Gegebenheiten und Vorgänge, die bei menschlichem und pflanzlichem Leben übereinstimmen und auf einen gleichen Ursprung hindeuten. So sind zum Beispiel die Bausteine, aus denen menschliches wie auch pflanzliches Leben hervorgeht, dieselben: Bei beiden Lebensformen sind es Zellen, die teilweise gleiche Aufgaben erfüllen. Des Weiteren sind Pflanzen Nahrungsgrundlage und Sauerstofflieferant für den Menschen, ohne deren Existenz kein Überleben möglich wäre. In einer weiteren Begründung verweist Schneiter (2010) auf den von Wilson (1984) verwendeten Begriff der «Biophilie», die er als «(…) the innate tendency to focus on life and lifelike processes» definierte. Darunter versteht der Biologe die angeborene resp. genetisch angelegte Neigung des Menschen zum Leben.

Eine häufig zitierte Studie von Ulrich (1984) hat ergeben, dass Patienten, die nach Entfernung der Gallenblase in einem Zimmer mit Blick auf Bäume lagen, weniger starke Schmerzmittel einnehmen mussten und nach der Operation das Spital rascher wieder verliessen als Patienten, die in einem Zimmer mit Blick auf eine Mauer lagen. Dieses Ergebnis erlaubt die Annahme, dass bereits der Blick auf das Grün der Natur eine gesundheitsfördernde Wirkung hat.

Es wird davon ausgegangen, dass die grüne Farbe der Pflanzen einen entspannenden und regenerierenden Effekt auf den Menschen hat. Heller (2009) führte eine umfangreiche Befragung über die Wirkung von verschiedenen Farben auf den Menschen durch. Demnach sind Farben eng mit Gefühlen verknüpft. Diese Gefühle wiederum hängen mit gemachten Erfahrungen zusammen und werden durch Farben hervorgerufen. Da es viel mehr Emotionen als Farben gibt, sind an die gleichen Farben unterschiedliche Gefühle gebunden und vice versa kann eine Emotion unterschiedlichen Farben zugeordnet werden. Dementsprechend vielfältig sind auch die Emotionen, die an die Farbe Grün geknüpft sind. So können grüne Früchte Unreife bedeuten und Grün daher als ungeniessbar oder sogar giftig interpretiert werden. Wird Grün hingegen im Kontext der Natur gesehen, so wirkt es beruhigend, gesund und frisch (Heller, 2009) (s. Kapitel 4.1). Die Farbe Grün wird durch das Pflanzenwachstum auch als Farbe des Lebens interpretiert; demzufolge wird auch der Frühling mit Grün in Zusammenhang gebracht (Heller, 2009).

Gerade auch bei betagten Menschen können Pflanzen von besonderer Bedeutung sein. Nach Föhn und Dietrich (2013) können sie bei Personen mit Demenz Erinnerungen wachrufen und Emotionen wecken. Durch das altersbedingt abnehmende Wahrnehmungsvermögen eignet sich der Einsatz von Pflanzen – auch von Zimmerpflanzen – im Rahmen der professionellen pflanzengestützten Pflege besonders gut. Bevorzugt werden dabei so genannte «Sinnespflanzen» verwendet. Nach Schneiter (2010) sind Sinnespflanzen «Pflanzenarten (…), die bei Menschen ohne Wahrnehmungsbeeinträchtigungen das Auge und mindestens ein weiteres Sinnesorgan mit charakteristischen, gut wahrnehmbaren Reizeinwirkungen versorgen» (s. Kapitel 9). Das können neben dem Sehsinn zum Beispiel der Geruch-, Tast-, Hör- oder Geschmackssinn sein. Abbildung 4 zeigt anhand des sogenannten Elefantenohrs (Kalanchoe beharensis) ein Beispiel für eine Sinnespflanze, die sich für die professionelle pflanzengestützte Pflege in Innenräumen besonders gut eignet.

Abbildung 4: Das Elefantenohr (Kalanchoe beharensis) verdankt seine sich samtig anfühlende Blattoberfläche den zahlreichen Härchen. (Bild F. Gerber)

2.3   Gesundheitliche Risiken durch Pflanzen

Zum Schutz vor Fressfeinden haben Pflanzen Abwehrmechanismen entwickelt, die auch für den Menschen gewisse Gefahren bergen können und deshalb bedeutsam sind.

Föhn und Dietrich (2013) verwenden den Begriff «Risiko-Pflanzen» und bezeichnen damit Pflanzen, die einerseits aufgrund ihrer Giftigkeit für den Menschen gefährlich sein können. Dabei kann sich ihre giftige Wirkung über die orale Aufnahme von Pflanzenteilen wie beispielsweise Blätter oder Beeren entfalten oder über den Hautkontakt, indem Allergien oder fototoxische Reaktionen ausgelöst werden. Zum anderen werden damit Pflanzen bezeichnet, die mit Dornen, Stacheln oder scharfen Blatträndern ausgestattet sind und mechanische Verletzungen verursachen können. Die Autorinnen warnen vor einem Einsatz dieser Pflanzen in Alters- und Pflegeheimen, vor allem bei Bewohnern mit Demenz, da das Risiko besteht, dass Pflanzenteile mit den Händen erforscht oder sogar zum Probieren in den Mund gesteckt werden. Auch Schneiter (2010) rät auf den Verzicht von giftigen Pflanzen sowie von Pflanzen mit höchster Giftigkeitsstufe in Therapiegärten von Alterszentren.

Im dieser Publikation zugrunde liegenden Forschungsprojekt erfolgte die Beurteilung der Giftigkeit nach Roth et al. (2012). Die Einstufung der Gefährlichkeitsgrade unterscheidet zwischen (+) wenig oder kaum giftig, + giftig und ++ stark giftig (kann zu schweren Vergiftungserscheinungen führen) sowie +++ sehr stark giftig (schon geringe Mengen sind lebensgefährlich).

Eine sehr stark giftige Pflanze nach Roth et al. (2012) ist beispielsweise die Dieffenbachie (Dieffenbachia sp.) (s. Abbildung 5). Sie kann zu Herzrhythmusstörungen und Lähmungen führen.

Abbildung 5: Die Dieffenbachie (Dieffenbachia sp.) ist nach Roth et al. (2012) als sehr stark giftige Pflanze einzustufen. (Bild M. Föhn)

Ein Beispiel für eine nach Roth et al. (2012) als giftig klassifizierte Pflanze ist der Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima). Als Symbol für die Weihnachtszeit erfreut er sich im Winter grosser Beliebtheit und wurde im Rahmen des Forschungsprojekts wiederholt vorgefunden (s. Abbildung 6). Die Pflanze mit den häufig roten Hochblättern enthält einen weisslichen Milchsaft, der bei Verletzung der Pflanze austritt und zu Reizungen von Haut und Schleimhäuten führen kann. Werden Pflanzenteile davon gegessen, können in Abhängigkeit von der Aufnahmemenge auch andere Vergiftungserscheinungen auftreten, beispielsweise Erbrechen und Durchfall.

Abbildung 6: Der Milchsaft des Weihnachtssterns (Euphorbia pulcherrima)ist hautreizend. (Bild M. Föhn)

Grundsätzlich ist gegen einen Einsatz von saisonalen Pflanzen in Pflegeheimen nichts einzuwenden, zumal sie den Rhythmus der Jahreszeiten symbolisieren und somit die Bewohner in ihrer zeitlichen Orientierung unterstützen können (s. Kapitel 9). Die Schwierigkeit liegt eher darin, dass einige saisonal eingesetzte Pflanzen giftig sind. Dazu zählen auch die zur Frühlingszeit beliebten Tulpen und Narzissen. Vor allem ihre Zwiebeln können bei Verzehr zu Vergiftungen führen.

Die Erhebungen im Rahmen des Forschungsprojekts ergaben, dass ein beachtlicher Teil der vorhandenen Indoorpflanzen eine gewisse Giftigkeit aufweist. Davon ist jedoch nur ein kleiner Anteil sehr stark oder stark giftig. Es ist gut nachvollziehbar, dass ein vollständiger Verzicht auf bereits leicht giftige Pflanzen das mögliche Pflanzensortiment drastisch schmälern würde. Der Entscheid liegt letztendlich in der Verantwortung der einzelnen Institutionen, wie mit dem Thema Giftpflanzen umgegangen wird, resp. ob diese toleriert werden sollen oder nicht. Wenn ja, stellt sich die Frage, welche Gefährlichkeitsstufen akzeptiert werden sollen und in welchen Räumlichkeiten Giftpflanzen verwendet werden dürfen. In diesem Forschungsprojekt entschieden die Institutionen, dass generell schwach giftige und giftige Pflanzen akzeptiert werden, auf stark giftige und sehr stark giftige Pflanzen hingegen verzichtet werden soll. Zudem wurde der Entscheid gefällt, keine Pflanzen zu verwenden, die Allergien auslösen können.

Aufgrund der durch das Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse empfiehlt die Autorenschaft, dass auf Pflegeabteilungen für Menschen mit Demenz aus Sicherheitsgründen auf Pflanzen aller Giftigkeitsstufen verzichten werden sollte.

Literatur

Föhn, M.; Dietrich, C.: Garten und Demenz. Gestaltung und Nutzung von Aussenanlagen für Menschen mit Demenz. Verlag Hans Huber, 1. Auflage, Bern 2013

Grollimund, M.; Hannebicque, I.: Prima Klima mit Pflanzen – Wohnräume natürlich entgiften. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2010

Heller, E.: Wie Farben wirken. Farbpsychologie – Farbsymbolik – Kreative Farbgestaltung. Rowolth Taschenbuch Verlag, 5. Auflage, Reinbek bei Hamburg 2009

Lewis, C.: Fourth annual meeting of the national council for therapy and rehabilitation through horticulture. September 6, Philadelphia, PA 1976. In: Simson, S. P.; Straus, M. C.: Horticulture as Therapy. Principles and Practice. The Food Products Press, New York/London 1998

Reimherr, P.; Kötter, E.: Auswirkungen von Innenraumbegrünungen in Büros auf Gesundheitszustand, Wohlbefinden und Arbeitsleistung. Abschlussbericht Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Sachgebiet Zierpflanzenbau, Würzburg/ Veitshöchheim 1998–1999

Roth, L.; Daunderer, M.; Kormann, K.: Giftpflanzen – Pflanzengifte. Verlag Nikol, 6. Auflage, Hamburg 2012

Schneiter, R.: Lehrbuch Gartentherapie. Verlag Hans Huber, Bern 2010

Ulrich, R. S.: View through a window may influence recovery from surgery. Science 224, 1984, pp. 420–421

Volm, C.: Innenraumbegrünung in Theorie und Praxis. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2002

Wilson, E. O.: Biophilia. The human bond with other species. Harvard University Press, Cambridge/London 1984