Hans Dominik

Der Brand der Cheopspyramide

Kommentierte Originalfassung

Hans Dominik

Der Brand der Cheopspyramide

Kommentierte Originalfassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954186-70-9

null-papier.de/332

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Inhaltsverzeichnis

Der Au­tor

Zum Buch

Hin­weis für den Le­ser

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Der Autor

Hans Do­mi­nik war der Pio­ni­er des uto­pi­schen Ro­mans in Deutsch­land und ei­ner der er­folg­reichs­ten deut­schen Po­pu­lär­schrift­stel­ler des 20. Jahr­hun­derts. Er wur­de 1872 in Zwickau ge­bo­ren und starb 1945 wäh­rend des Kriegs­en­des in Ber­lin. Ne­ben Science-Fic­ti­on hat Do­mi­nik auch Sach­bü­cher und Ar­ti­kel mit tech­nisch-wis­sen­schaft­li­chen In­hal­ten ver­fasst.

Sei­ne Ju­gend­jah­re wie auch den größ­ten Teil sei­nes Le­bens ver­brach­te er in Ber­lin. Am Gym­na­si­um in Go­tha be­geg­ne­te er dem Leh­rer Kurd Laß­witz (null-pa­pier.de/au­t­hor/kurd-lass­witz/), selbst ein frü­her Ver­fas­ser uto­pi­scher Ro­ma­ne. Man kann da­von aus­ge­hen, dass die­se Be­geg­nung nicht ohne Ein­fluss auf Do­mi­nik und sein spä­te­res Werk blieb.

Ab 1893 stu­dier­te Hans Do­mi­nik an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Ber­lin Ma­schi­nen­bau und Ei­sen­bahn­tech­nik. Spä­ter war er für meh­re­re Un­ter­neh­men im Be­reich der Gro­ß­in­dus­trie und des Berg­baus tä­tig, u.a. auch für Sie­mens.

Nach 1901 mach­te er sich als Fach­au­tor selb­stän­dig. Für Auf­trag­ge­ber aus der In­dus­trie ver­fass­te er Wer­be­bro­schü­ren und Pro­spek­te. Sei­ne Lei­den­schaft galt aber der auf­kom­men­den Science-Fic­ti­on Li­te­ra­tur oder bes­ser den „tech­ni­schen Aben­teu­er­ro­ma­nen“, wie die­se in Deutsch­land noch ge­nannt wur­den. Do­mi­nik war auch ab­seits der Li­te­ra­tur sehr um­trie­big, er grün­de­te ein Un­ter­neh­men und er­hielt meh­re­re Pa­ten­te auf dem Ge­biet der Au­to­mo­bil­tech­no­lo­gie.

Sein ers­ter uto­pi­scher Ro­man „Die Macht der Drei“ er­schi­en 1922 als Fort­set­zungs­ge­schich­te und wur­de kurz dar­auf als Buch ver­öf­fent­licht. Ab 1924 wid­me­te sich Do­mi­nik ganz der Schrift­stel­le­rei, in Jah­res­ab­stän­den er­schie­nen wei­te­re Ro­ma­ne.

Ne­ben den rei­nen Aben­teu­er­ge­schich­ten für eine er­wach­se­ne Le­ser­schaft ver­öf­fent­lich­te er auch die (im­mer noch sehr stark vom tech­ni­schen Fort­schritt ein­ge­färb­ten) Ju­gend­ge­schich­ten um den Auf­stieg des John Work­man vom Zei­tungs­jun­gen zum Mil­lio­när: „John Work­mann, der Zei­tungs­boy“ (1925).

Die wich­tigs­ten Wer­ke:

Zum Buch

Die Zu­kunft: Drei is­la­mi­sche Rei­che be­dro­hen Eu­ro­pa. Die ein­zi­ge Hoff­nung ist eine Er­fin­dung des Ma­gna­ten und Er­fin­ders Eli­as Mont­go­me­ry. Die­se soll end­lich die Atom­ener­gie ent­fes­seln kön­nen. Doch die An­lei­tung nahm der Er­fin­der mit ins Grab. Und schließ­lich wird sein Ap­pa­rat auch noch ge­stoh­len.

Be­reits 1925, zwan­zig Jah­re vor Hi­ros­hi­ma, wag­te der Au­tor einen vi­sio­nären Aus­blick auf die Ge­walt, die po­li­ti­schen Aus­wir­kun­gen und den Schre­cken der Atom­waf­fen.

»Es war ein Pa­ra­do­xon stärks­ter Art. Da stand der Ap­pa­rat, und kei­ner Hand war es ge­ge­ben, ihn zu be­die­nen. Es schi­en der letz­te Trumpf die­ses iro­ni­schen Spöt­ters und Men­schen­ver­äch­ters zu sein, daß er der Welt sein Werk un­ver­sehrt hin­ter­ließ, und daß es doch eben­so war, als hät­te er es vor sei­nem Tode ver­nich­tet.«

Hinweis für den Leser

Die Un­ter­schie­de des Ori­gi­nal­tex­tes zu den zen­sier­ten Nach­kriegs­ver­öf­fent­li­chun­gen sind kom­men­tiert.

1

Von der großen Uhr her drei hel­le Schlä­ge. Ein Vier­tel vor elf… die Lon­do­ner Bör­se er­öff­net. Die Mak­ler für Koh­len­wer­te und Kraft­werks­ha­res tra­ten auf ih­ren ge­wohn­ten Plät­zen zu­sam­men, fin­gen an, ihre Or­ders zu ver­glei­chen und die ers­ten Kur­se fest­zu­set­zen.

Nichts Be­son­de­res. Der Markt ver­sprach nicht an­ders zu wer­den wie an den vor­an­ge­gan­ge­nen Ta­gen.

Plötz­lich an ei­ner Stel­le ein Mak­ler, große Ver­kaufs­auf­trä­ge in Koh­len- und Kraft­wer­ten… un­mit­tel­bar da­nach an ei­ner an­de­ren Stel­le ein zwei­ter… dem fol­gend ein drit­ter. Und dann mit ei­nem Schla­ge bei al­len Mak­lern ein rie­sen­haf­tes An­ge­bot in die­sen Pa­pie­ren. Eine un­ge­heu­re Auf­re­gung im Raum. Tau­send Stim­men durch­ein­an­der… Ein Bör­sen­ma­nö­ver? Bais­se!… Ein Coup von nie da­ge­we­se­nen Aus­ma­ßen?! Bais­se? Auf den ers­ten Blick schi­en es so… Haus­se? Vi­el­leicht die im Hin­ter­grun­de? Von wem ging das Ma­nö­ver aus?…

Rät­sel. Alle mög­li­chen Ver­mu­tun­gen wur­den laut, kei­ner, der et­was Be­stimm­tes zu wis­sen schi­en.

Die Kur­se der Kraft- und Koh­len­wer­te fin­gen an zu sin­ken… San­ken im­mer mehr, je stär­ker die wei­te­ren Ver­kaufs­or­ders drück­ten. Die Mak­ler stan­den in dem Ge­drän­ge der Bör­sen­be­su­cher wie in ei­nem Stru­del. An­dert­halb Mil­lio­nen Sha­res wa­ren schon um­ge­setzt, die Kur­se teils bis zu 40 Pro­zent ge­wi­chen.

Da plötz­lich be­gann bei ei­nem Mak­ler… dann bei ei­nem zwei­ten… bei ei­nem drit­ten der Kur­s­stand sich zu hal­ten, zu he­ben. Im Nu war es in den wei­ten Bör­sen­sä­len be­kannt.

»Eine Haus­se! Nichts an­de­res steckt da­hin­ter!« Ei­ner hat­te es ge­schri­en.

Die Kur­se stie­gen, stie­gen im­mer wei­ter. Te­le­gram­me jetzt von den an­de­ren Bör­sen­plät­zen, von Ber­lin, Pa­ris, Pe­ters­burg. Über­all die glei­chen Er­schei­nun­gen.

Jetzt wur­den den Mak­lern die Ver­kaufs­or­ders fast aus den Hän­den ge­ris­sen. Sen­sa­ti­on! Der alte Kur­s­stand wie­der er­reicht. Ein Tau­mel hat­te die Bör­sen­be­su­cher er­grif­fen. Hö­her, im­mer hö­her gin­gen die Kur­se.

1 Uhr 43 Mi­nu­ten: »Eli­as Mont­go­me­ry ge­stor­ben!…« Ein Schrei aus dem Te­le­gra­fen­zim­mer.

Se­kun­den­lan­ge Stil­le… Die Stil­le vor dem Sturm. Dann brach das Un­wet­ter los. Wie auf ein ge­ge­be­nes Zei­chen stürm­te al­les auf die Mak­ler zu. Ver­kau­fen!… Ver­kau­fen!

Ein­ge­keilt in die sich wü­tend drän­gen­den Mas­sen die Mak­ler… un­fä­hig, sich zu rüh­ren, die Or­ders ent­ge­gen­zu­neh­men. Der wei­te Raum ein An­blick, als ob die­se Tau­sen­de plötz­lich in Tob­sucht ver­fal­len sei­en. Man schrie auf die Mak­ler ein, zerr­te, stieß sie. Je­der woll­te der ers­te sein, der sei­ne Or­ders an den Mann brach­te. Hei­ser, mit ver­zwei­fel­tem Angst­ge­heul brüll­te al­les durch­ein­an­der. Die Hin­ten­ste­hen­den, die nicht zu den Mak­lern durch­drin­gen konn­ten, schwan­gen in wahn­sin­ni­ger Wut ihre Ver­kaufs­zet­tel in der Luft… eine Ka­ta­stro­phe, wie sie die Lon­do­ner Bör­se seit ih­rem Be­ste­hen noch nicht er­leb­t…

Wie­der drei Schlä­ge der großen Uhr. Bör­sen­schluß. Das Schrei­en und To­ben war schwä­cher ge­wor­den. Nur hier und da noch ein An­ge­bot. Flucht­ar­tig hat­ten die meis­ten die Bör­se ver­las­sen. Kaum ei­ner, der nicht Tau­sen­de oder al­les ver­lo­ren hat­te.

»Eli­as Mont­go­me­ry ge­stor­ben!« In den Stra­ßen al­ler Haupt­städ­te der Welt schri­en die Ver­käu­fer die Ex­trablät­ter aus, brüll­ten die Laut­spre­cher von den Dä­chern der Zei­tung­s­pa­läs­te und Ho­tels die Wor­te wie­der und im­mer wie­der in die Ohren der Passan­ten­mas­sen. Über­all bil­de­ten sich Grup­pen, die in leb­haf­tes­ter Un­ter­hal­tung das Er­eig­nis be­spra­chen.

»Eli­as Mont­go­me­ry ge­stor­ben!« Von Mund zu Mund gin­gen die drei Wor­te. Der Na­me… kaum ein Be­woh­ner der zi­vi­li­sier­ten Welt, der ihn nicht kann­te. Schon bei sei­nen Leb­zei­ten ein Sa­gen­kreis um ihn. Eli­as Mont­go­me­ry, der große Er­fin­der, dem es ge­lun­gen, das Pro­blem der Atom­ener­gie zu lö­sen.

Die Atom­ener­gie, jene rie­sen­haf­te, über alle Vor­stel­lun­gen ge­wal­ti­ge Ener­gie­quel­le… schon seit Jahr­zehn­ten das höchs­te Ziel der Er­fin­der in al­len Kul­tur­staa­ten der Welt. Eli­as Mont­go­me­ry hat­te das Pro­blem ge­löst, muß­te es ge­löst ha­ben. Schon seit Jah­ren wa­ren die Be­wei­se da­für un­be­streit­bar. Frei­lich, er selbst hat­te nie­mals das Ge­rings­te über sei­ne Er­fin­dung ver­öf­fent­licht oder auch nur im Ge­spräch mit an­de­ren of­fen­bart. Erst als Vor­komm­nis­se ge­heim­nis­volls­ter Art sich häuf­ten, de­ren Er­klä­rung je­der mensch­li­chen Er­kennt­nis spot­te­te, als sich Er­schei­nun­gen wie­der­hol­ten, die nur mit der Atom­ener­gie zu er­klä­ren wa­ren, ge­wann der Ver­dacht fes­te Ge­stalt, daß die Lö­sung die­ser Rät­sel in Mont­go­me­ry-Hall, je­nem al­ten, noch aus der Stuart­zeit stam­men­den Schloß im schot­ti­schen Hoch­moor, zu su­chen sei.

Doch Eli­as Mont­go­me­ry blieb mit sei­ner Er­fin­dung im Dunklen.

Er wünsch­te we­der Stö­run­gen noch Be­su­che. Er um­gab sein Haus mit ei­nem Sys­tem raf­fi­nier­tes­ter und wir­kungs­volls­ter Si­che­run­gen. Elek­tri­sche Wech­sel­span­nun­gen zwi­schen schein­bar harm­lo­sen Pfos­ten und Bäu­men, die auf je­den, der die Lücke pas­sier­te, einen töd­li­chen Blitz war­fen. Spä­ter noch, als über­zu­dring­li­che Ame­ri­ka­ner1 sich nicht scheu­ten, von oben her ein­zu­drin­gen… sich aus still­ste­hen­den He­li­ko­pter­flie­gern in Späh­kör­ben2 in die Höfe des Schlos­ses nie­der­zu­las­sen ver­such­ten, auch in der Höhe ein hoch­ge­la­de­nes Netz, das tö­ten­de Fun­ken auf je­des Fahr­zeug warf.

Ein voll­kom­me­nes Si­che­rungs­sys­tem, durch wel­ches das Ge­heim­nis un­be­dingt ge­wahrt wur­de. Und nun war es doch ei­nem ge­lun­gen, ge­gen den Wil­len des Er­fin­ders ein­zu­drin­gen. Der Kno­chen­mann war ge­kom­men und hat­te ihm die Hand auf die Schul­ter ge­legt. Hat­te ihn mit­ten aus der Ar­beit an dem klei­nen Ap­pa­rat hin­weg­ge­ris­sen, der das Ge­heim­nis barg.

Als si­cher galt es, daß er das Ge­heim­nis bis zu sei­nem letz­ten Atem­zu­ge für sich be­wahrt hat­te. Mit­ten in sei­ner Ar­beit war er ver­schie­den, ganz plötz­lich, vom Herz­schlag da­hin­ge­rafft. Am Ar­beit­s­tisch, die Hän­de noch an dem Wun­de­r­ap­pa­rat, hat­te man den To­ten ge­fun­den. Sonst, man trau­te es ihm wohl zu, hät­te er viel­leicht beim Her­an­na­hen des To­des noch im letz­ten Au­gen­blick den Ap­pa­rat, mit dem er die Wun­der voll­brach­te, zer­stör­t… die Er­fin­dung mit ins Grab ge­nom­men.

Jetzt!… Der Meis­ter tot… Sein Werk un­ver­sehrt da… Der Au­gen­blick ge­kom­men, es in den Dienst der Welt zu stel­len… die Pe­ri­ode des Koh­len­zeit­al­ters vor­über! Alle Ener­gie­quel­len, die die Mensch­heit bis­her kann­te, jäm­mer­lich klein, ver­schwin­dend ge­gen die neue Ener­gie­quel­le, die der Zer­trüm­me­rung der Ato­me ent­sprang. Die Re­ak­ti­on an al­len Bör­sen der Welt gab den an­schau­lichs­ten Be­weis da­für. Alle Koh­len­wer­te… die Ak­ti­en al­ler Kraft­wer­ke so gut wie wert­los.

Wie­der war es wie da­mals, als die ers­ten Gerüch­te von Mont­go­me­rys Ent­de­ckung in die Welt dran­gen, als die Po­li­ti­ker und Volks­wirt­schaft­ler die Köp­fe zu­sam­men­steck­ten… be­rie­ten, wie dem Cha­os zu be­geg­nen sei, das bei der Um­stel­lung auf die neue Ener­gie ent­ste­hen muß­te.

Wirt­schafts­kri­sen schwers­ter Art, Kri­sen, wie sie die Mensch­heit bis­her kaum je er­lebt, wa­ren zu er­war­ten. Und… be­deu­te­te die Er­fin­dung nicht auch gleich­zei­tig eine fürch­ter­li­che Waf­fe, die in ge­wis­sen­lo­ser Hand schreck­lichs­tes Un­heil über die Mensch­heit brin­gen konn­te?

Da­mals schon, gleich nach dem ers­ten Be­kannt­wer­den von Mont­go­me­rys Ent­de­ckung, wa­ren in den Par­la­men­ten Stim­men laut­ge­wor­den, die den Er­fin­der un­ter staat­li­che Auf­sicht stel­len woll­ten. Schi­en doch das Pro­blem, die Er­fin­dung an­zu­wen­den, noch viel schwie­ri­ger als das, die Er­fin­dung zu ma­chen.

Jetzt, beim Tode des Er­fin­ders, tauch­ten alle die­se Fra­gen und Ide­en wie­der von neu­em auf. Und von Tag zu Tag spann­te sich die Er­war­tung. Von Tag zu Tag hoff­te man auf die Nach­richt aus Mont­go­me­ry-Hall:

»Die Kräf­te des ge­heim­nis­vol­len Ap­pa­ra­tes sind er­kannt, es ist ge­lun­gen, ihn in Tä­tig­keit zu set­zen.« Doch die Tage ver­ran­nen, und kei­ner brach­te die Nach­richt.

Wohl hör­te man, daß es ge­lun­gen sei, das Si­che­rungs­sys­tem aus­zu­schal­ten, in das Ge­bäu­de ein­zu­drin­gen und die Ar­beits­stät­te des Ver­stor­be­nen zu ver­sie­geln. Wohl hör­te man, daß eine Kom­mis­si­on der her­vor­ra­gends­ten eng­li­schen Phy­si­ker mit der Hin­ter­las­sen­schaft des Er­fin­ders be­schäf­tigt sei. Aber die Nach­richt, die man mit stei­gen­der Un­ge­duld er­war­te­te, blieb aus.

Es war ein Pa­ra­do­xon stärks­ter Art. Da stand der Ap­pa­rat, und kei­ner Hand war es ge­ge­ben, ihn zu be­die­nen. Es schi­en der letz­te Trumpf die­ses iro­ni­schen Spöt­ters und Men­schen­ver­äch­ters zu sein, daß er der Welt sein Werk un­ver­sehrt hin­ter­ließ, und daß es doch eben­so war, als hät­te er es vor sei­nem Tode ver­nich­tet.

Die Pres­se wur­de mit An­schrif­ten über­schüt­tet, soll­te Er­klä­run­gen dar­über ge­ben, wie das mög­lich sei. Sie wuß­te nichts an­de­res, als ihre Le­ser zur Ge­duld zu mah­nen.

Und je wei­ter die Zeit vor­schritt, de­sto ge­rin­ger wur­de die Hoff­nung, de­sto mehr zer­ran­nen die Träu­me, die sich an das große Pro­blem der Atom­ener­gie knüpf­ten. Eine neue Welt soll­te sie brin­gen… ein Pa­ra­dies auf Er­den, den Be­ginn ei­nes neu­en Zeit­al­ters. Das Ende der Koh­len­zeit… neu­es Le­ben, neue Le­bens­mög­lich­kei­ten, den Be­ginn ei­ner neu­en Wirt­schaft. Mög­lich­kei­ten, die das Auge blen­de­ten, Mög­lich­kei­ten, die die kühns­te Phan­ta­sie über­tra­fen, bot ja der Be­sitz die­ser Ener­gie. Doch wenn nicht ein Wun­der ge­sch­ah, war die Er­fin­dung Mont­go­me­rys der Mensch­heit ver­lo­ren.

Un­be­greif­lich, un­ver­ständ­lich… un­sin­nig nann­ten die einen die Hand­lungs­wei­se des to­ten Er­fin­ders. Wie konn­te er das ein­mal Er­reich­te, das durch Glück und Ge­schick Ge­fun­de­ne wie­der in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten und der Mensch­heit ver­lo­ren­ge­hen las­sen?

Er er­schrak vor den Fol­gen sei­nes Wer­kes, sag­ten die an­de­ren. Alle Koh­len­grä­ber der Welt brot­los! Alle Koh­len­ze­chen, alle Kraft­wer­ke der Welt wert­los! Vi­el­leicht durch die mit der Atom­ener­gie so eng ver­bun­de­ne Um­wand­lung der Me­tal­le eine all­ge­mei­ne Goldin­fla­ti­on schlimms­ter Art?

Fra­gen und Mög­lich­kei­ten, die auch die Op­ti­mis­ten nach­denk­lich stim­men konn­ten. Man ent­sann sich der pro­phe­ti­schen Wor­te, die Lord Ramsay vor bei­na­he 100 Jah­ren ge­spro­chen hat­te: Hof­fent­lich ist die Mensch­heit wei­se ge­nug, wenn ihr die­se Er­fin­dung ein­mal ge­lingt. Man be­gann die Grün­de zu be­grei­fen, we­nigs­tens zu ah­nen, die Eli­as Mont­go­me­ry zur Ge­heim­hal­tung sei­ner Ent­de­ckung ver­an­laßt hat­ten.

Aber der Ap­pa­rat war ein­mal da. Man wuß­te, daß er ge­ar­bei­tet hat­te, und un­abläs­sig ver­such­te man es, ihn in Be­trieb zu brin­gen. Ein­mal muß­te es ge­lin­gen. Über den Ge­brauch der Er­fin­dung ließ sich im­mer noch re­den, wenn man sie erst wie­der hat­te.


  1. In der Nach­kriegs­fas­sung (NKF): »Be­su­cher« statt »Ame­ri­ka­ner«  <<<

  2. NKF: »Hub­schrau­bern« statt »He­li­ko­pter­flie­gern in Späh­kör­ben«  <<<

2

Am Os­ter­ley-Park in Lon­don die ge­schmack­vol­le Cot­ta­ge der Baro­nes­se1 Jo­lan­the von Kars­küll. Die Tee­stun­de ging ih­rem Ende zu, und schon be­gan­nen hier und da Teil­neh­mer der Ge­sell­schaft sich zum Auf­bruch zu rüs­ten. Hier wie über­all in ganz Lon­don der Zau­ber­kas­ten Eli­as Mont­go­me­rys Haupt­ge­gen­stand des Ge­sprä­ches.

Ein Be­die­ner schob die Por­tie­re zu­rück:

Sei­ne Lord­schaft,2 Sir Ar­thur Perm­bro­ke!

Jo­lan­the von Kars­küll er­hob sich und ging am Arm der Lady Perm­bro­ke dem Ein­tre­ten­den ent­ge­gen, emp­fing und er­wi­der­te freund­schaft­lich sei­ne Be­grü­ßung, blick­te ihn fra­gend an, wäh­rend er sei­ne Ge­mah­lin be­grüß­te.

»Mei­ne Da­men, ich will Sie nicht län­ger in Un­ge­wiß­heit las­sen. Ich kann Ih­nen die an­ge­neh­me Nach­richt brin­gen, daß es mir ge­lun­gen ist, auch für Sie, gnä­digs­te Baro­nin,3 die Er­laub­nis zum Be­such von Mont­go­me­ry-Hall zu er­lan­gen.«

Ein Auf­leuch­ten der Be­frie­di­gung lief über die Züge der Baro­nes­se.

»Oh, Sie ha­ben die Er­laub­nis, Sir Ar­thur? Mei­nen herz­lichs­ten Dank.«

»Ich habe sie. Es war nicht ein­fach, sie zu be­kom­men. Jetzt habe ich sie. Aber se­hen Sie, mit wel­chen For­ma­li­tä­ten.« Er zog ein amt­li­ches sie­gel­ge­schmück­tes Schrei­ben aus der Ta­sche und las mit halb­lau­ter Stim­me: »Die Baro­nin Jo­lan­the von Kars­küll, 28 Jah­re alt, Toch­ter des ver­stor­be­nen rus­si­schen4 Obers­ten Alex­an­der Baron von Kars­küll und sei­ner Ehe­frau Si­nai­de, ge­bo­re­nen Fürs­tin Irak­lis, rus­si­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, zur­zeit wohn­haft in Lon­don, Os­ter­ley-Park 12, er­hält hier­mit die Er­laub­nis, Mont­go­me­ry-Hall in Beglei­tung von Sir Ar­thur Perm­bro­ke am 15. Juni zu be­su­chen.«

»Sie se­hen, Baro­nin, wie for­mal man hier vor­geht. Selbst Da­men gel­ten als ver­däch­tig, dür­fen den Zau­ber­kas­ten nur un­ter Wah­rung al­ler Vor­sichts­maß­re­geln be­sich­ti­gen. Auch der Um­stand, daß ich die Ehre habe, Sie schon von Mos­kau her seit mei­ner Tä­tig­keit bei der dor­ti­gen Bot­schaft ge­nau zu ken­nen, wäre al­lein noch nicht hin­rei­chend für die Er­tei­lung der Er­laub­nis ge­we­sen. Muß­te ich doch auch für mei­ne Gat­tin einen sol­chen Pas­sier­schein aus­stel­len las­sen.«

Wie­de­r­um griff Lord Perm­bro­ke in die Ta­sche, und Jo­lan­the von Kars­küll über­flog ein zwei­tes, dem ih­ri­gen ganz ähn­li­ches Do­ku­ment: Lady El­len Perm­bro­ke, Ge­mah­lin des Lord Ar­thur Perm­bro­ke, right ho­no­ra­ble5 usw.

»Ich sehe, Sir Ar­thur, es ist nicht ein­fach ge­we­sen, die Er­laub­nis zu er­hal­ten. De­sto mehr freue ich mich auf die­sen Be­such. Au­ßer­or­dent­lich ge­spannt bin ich auch auf den Er­folg, den Pro­fes­sor Synd­ham mit sei­nen neu­en Ar­bei­ten ha­ben wird. Ich hör­te, daß der Pro­fes­sor schon wie­der seit acht Ta­gen in Mont­go­me­ry-Hall sitzt. Er soll sich recht hoff­nungs­voll aus­ge­spro­chen ha­ben. Ich bin ge­neigt, die­se Hoff­nung zu tei­len. Ist er doch ei­ner un­se­rer fä­higs­ten Ge­lehr­ten.«

Lord Perm­bro­ke schüt­tel­te den Kopf.

»Ich muß Sie lei­der ent­täu­schen, Baro­nin. Nach den letz­ten ver­trau­li­chen Nach­rich­ten scheint auch Pro­fes­sor Synd­ham mit sei­ner Kunst am Ende zu sein. Es ist schon so weit ge­kom­men, daß man alle die­se Ver­su­che ge­heim­hält, um die Öf­fent­lich­keit nicht noch mehr auf­zu­re­gen und zu ent­täu­schen. Mi­ßer­fol­ge, Mi­ßer­fol­ge und im­mer wie­der Mi­ßer­fol­ge… eine ein­zi­ge lan­ge Rei­he von Mi­ßer­fol­gen sind alle die­se Ver­su­che un­se­rer klügs­ten Köp­fe, das Rät­sel von Mont­go­me­ry-Hall zu lö­sen.«

»Aber wie ist das mög­lich, Sir Ar­thur, daß es kei­nem ge­lin­gen will, das Erbe Mont­go­me­rys…?«

»Wie es mög­lich ist, Baro­nin… ich weiß es nicht. Fast möch­te ich mich der An­sicht ei­ni­ger Ge­lehr­ten zu­nei­gen, die be­haup­ten, die­ser hin­ter­las­se­ne Ap­pa­rat wäre über­haupt nicht der, mit dem Mont­go­me­ry die er­staun­li­chen Wir­kun­gen er­zielt hat.«

Ein Schat­ten flog über die Züge der Baro­nin.

»Soll­te das wirk­lich mög­lich sein, Sir Ar­thur?«

Lord Perm­bro­ke zuck­te die Ach­seln. »Noch kann ich mich der An­sicht nicht an­schlie­ßen, daß Eli­as Mont­go­me­ry doch noch Zeit fand, sei­ne Er­fin­dung vor sei­nem Tode zu ver­nich­ten, und uns nur einen Ve­xier­ap­pa­rat zu­rück­ließ. Aber schließ­lich, un­se­re eng­li­schen Phy­si­ker ha­ben stets einen gu­ten Ruf in der Welt ge­habt. Ich fin­de kei­ne Er­klä­rung da­für, wenn sie jetzt den Ap­pa­rat nicht in Be­trieb zu set­zen ver­mö­gen, mit dem schon so lan­ge er­folg­reich ge­ar­bei­tet wur­de.«

»Sir Ar­thur! Das wäre aber doch…«

»Es wäre ein schwe­rer Schlag für Groß­bri­tan­ni­en, Baro­nin. Nach mei­ner Mei­nung bleibt uns nur noch die ul­ti­ma ra­tio, an­de­re eu­ro­päi­sche Ge­lehr­te zur Lö­sung des Rät­sels her­an­zu­zie­hen. Ich den­ke in ers­ter Li­nie an die Phy­si­ker der Rig­gers-Wer­ke in Deutsch­land,6 die seit Jah­ren auf dem glei­chen Ge­bie­te ar­bei­ten. Wäre es auch nur zu dem Zweck, um fest­zu­stel­len, ob wir den wirk­li­chen Ap­pa­rat Mont­go­me­rys vor uns ha­ben oder nur ein Ve­xier­stück,7 das die­ser… die­ser Son­der­ling uns hin­ter­las­sen hat.«

»Ich kann mir den­ken, Sir Ar­thur, daß die eng­li­sche8 Re­gie­rung sich zu ei­nem sol­chen Schritt nur sehr un­gern ent­schlie­ßen wür­de. Be­deu­tet er doch zum min­des­ten für die eng­li­schen9 Phy­si­ker das Ein­ge­ständ­nis ei­ner schwe­ren Schlap­pe. Ganz ab­ge­se­hen von an­de­ren Grün­den, die ge­gen einen sol­chen Weg sprä­chen.«

Lady Perm­bro­ke, die der Un­ter­re­dung bis­her schwei­gend ge­folgt war, misch­te sich jetzt ins Ge­spräch.

»Und ich kann nicht ein­se­hen, wes­halb man die­sen Weg nicht schon längst be­schrit­ten hat. Bei der un­ge­heu­ren Wich­tig­keit, die der Be­sitz der Er­fin­dung für Eu­ro­pa, ich be­to­ne: nicht nur für Eng­land,10 son­dern für ganz Eu­ro­pa hat, dürf­te es doch ganz ei­ner­lei sein, wer das Ge­heim­nis löst, ein Eng­län­der oder ein Deut­scher.11

Aber da ha­ben wir wie­der ein­mal das jäm­mer­li­che Schau­spiel der eu­ro­päi­schen Un­ei­nig­keit, der Ei­fer­süch­te­lei­en klein­li­cher Köp­fe. Der Ge­dan­ke, daß es sich heut bei den po­li­ti­schen Welt­kon­stel­la­tio­nen nicht mehr um Eng­land oder Deutsch­land oder ir­gend­ei­nen an­de­ren Teil des eu­ro­päi­schen Staa­ten­bun­des dreht, son­dern nur noch um Eu­ro­pa auf der einen, die an­de­ren Welt­tei­le auf der an­de­ren Sei­te… der Ge­dan­ke ist lei­der im­mer noch so vie­len fremd ge­blie­ben. Selbst die letz­te, größ­te Schmach,12 die Be­set­zung Spa­ni­ens bis zu den Py­re­nä­en durch das mau­re­ta­ni­sche Reich, hat es nicht ver­mocht, die­sen Staa­ten­klün­gel zu spren­gen,13 die eu­ro­päi­schen Staats­män­ner zu eu­ro­päi­schem Den­ken zu er­zie­hen.«

Lord Perm­bro­ke lä­chel­te, aber es war ein bit­te­res Lä­cheln.

»Du bist wie­der bei dei­nem be­lieb­ten The­ma, El­len. Aber so recht du auch hast, eher wird die Them­se auf­wärts flie­ßen, ehe die Mit­glie­der des eu­ro­päi­schen Staa­ten­bun­des eu­ro­pä­isch den­ken ler­nen, ehe sie ihre In­ter­es­sen auf das eine ge­mein­sa­me In­ter­es­se der Er­hal­tung und Fes­ti­gung Eu­ro­pas ver­ei­ni­gen.«

Die Wor­te Lord Perm­bro­kes wa­ren nicht ge­eig­net, den Ei­fer der Lady zu dämp­fen. Noch leb­haf­ter fuhr sie fort:

»Es ist ein Jam­mer, Ar­thur. Hier das un­ei­ni­ge, in sich zer­ris­se­ne Eu­ro­pa und dort als un­mit­tel­ba­re Nach­barn in Afri­ka und Asi­en die drei mäch­ti­gen is­la­mi­ti­schen Rei­che. Mit wel­cher Freu­de hat man sei­ner­zeit die ers­ten Schrit­te zur Ei­ni­gung Eu­ro­pas be­grüßt! Wel­che Hoff­nun­gen setz­te man auf die Grün­dung des eu­ro­päi­schen Zoll­ver­ban­des, der alle In­dus­tri­en Eu­ro­pas zu ei­nem ein­zi­gen mäch­ti­gen Block ver­schmel­zen soll­te! Was er­war­te­te man al­les von ei­nem eu­ro­päi­schen Staa­ten­bund!

Und jetz­t…? Seit fünf Jah­ren ist Spa­ni­en in mau­ri­scher Hand. Seit bei­na­he fünf Jah­ren sit­zen die Di­plo­ma­ten Eu­ro­pas und Mau­re­ta­ni­ens in Rom zu­sam­men. Sit­zen und ver­han­deln… doch nur, um eine Phra­se, eine For­mel zu fin­den, die den be­ste­hen­den Zu­stand sank­tio­niert, ohne der Ehre Eu­ro­pas all­zu­viel zu ver­ge­ben.

Das Schick­sal bot uns eine Chan­ce. Die Er­fin­dung Mont­go­me­rys um­faßt auch die Mit­tel, Spa­ni­en von mau­re­ta­ni­schem Joch zu er­lö­sen. An­statt alle Kräf­te Eu­ro­pas her­an­zu­zie­hen, an­statt mit al­len nur er­denk­li­chen Mit­teln das Ge­heim­nis des To­ten schnells­tens zu lö­sen, ver­schlie­ßen wir sei­nen Ap­pa­rat hin­ter Pan­zer­mau­ern. Wa­chen ei­fer­süch­tig dar­über, daß nur ja nie­mand ihn sieht, der ihn viel­leicht in Be­trieb set­zen könn­te…

Und dar­über ver­strei­chen Wo­chen und Mo­na­te… und die Welt lacht über das schwa­che Eu­ro­pa.«

Jo­lan­the von Kars­küll war den tem­pe­ra­ment­vol­len Aus­füh­run­gen der Freun­din schwei­gend ge­folgt. Nur ein leich­tes Ni­cken des blon­den Haup­tes drück­te bis­wei­len ihre Zu­stim­mung aus. Jetzt sprach sie.

»Sie ha­ben recht, Lady El­len. Nur all­zu recht. Eu­ro­pa, das alte mor­sche Eu­ro­pa spielt dem afri­ka­ni­schen Ka­li­fen­reich ge­gen­über kei­ne gute Rol­le. Bis­wei­len über­kom­men mich Zwei­fel an sei­ner Zu­kunft. Dann muß ich mich fra­gen, ob sei­ne Rol­le als füh­ren­der Welt­teil nach ei­ner drei­tau­send­jäh­ri­gen Ge­schich­te nicht viel­leicht ih­rem Ende ent­ge­gen­geht, ob nicht an­de­re, jün­ge­re, kräf­ti­ge­re Rei­che an sei­ne Stel­le tre­ten sol­len.«

Lady El­len fuhr auf.

»Nein, Jo­lan­the, nein und noch­mals nein. Noch liegt die Füh­rung der Welt bei den Eu­ro­pä­ern. Als eine Gabe des Schick­sals be­trach­te ich die­se Er­fin­dung des To­ten. Aber wehe uns, wenn wir die Gabe nicht zu nut­zen wis­sen.«

Lord Perm­bro­ke nä­her­te sich sei­ner Gat­tin.

»Es wird spät, El­len. Wir müs­sen ge­hen. Die­se Fra­gen, die dich… die uns alle be­we­gen, wer­den wir heu­te abend nicht mehr be­ant­wor­ten kön­nen.«

Er wand­te sich an Jo­lan­the. »Gnä­digs­te Baro­nin, wir tref­fen uns am kom­men­den Mitt­woch mor­gen auf dem Flug­platz in Wem­bley.«

Die letz­ten der Ge­sell­schaft wa­ren ge­gan­gen. Jo­lan­the von Kars­küll stand am Fens­ter und be­ob­ach­te­te die Ab­fahrt ih­rer Gäs­te. Sie sah den Kraft­wa­gen mit Lord und Lady Perm­bro­ke fort­fah­ren. Ihre Bli­cke folg­ten, bis das Ge­fährt ent­schwand. Dann trat sie in den Raum zu­rück. Ein tiefer Atem­zug… wie eine Be­frei­ung.

»Der ers­te Schritt!«


  1. In der ge­sam­ten Nach­kriegs­fas­sung ver­liert Frau Jo­lan­the von Kars­küll ih­ren Ti­tel »Baro­ness«  <<<

  2. NKF »Sei­ne Lord­schaft« ent­fällt  <<<

  3. NKF: »gnä­digs­te Baro­nin« ent­fällt  <<<

  4. NKF: »rus­si­schen« ent­fällt; wie auch im wei­te­ren Text je­der Hin­weis auf eine rus­si­sche Ab­stam­mung ge­stri­chen wird.  <<<

  5. Ehren­de An­re­de für bri­ti­sche In­ha­ber hö­he­rer Adels­ti­tel.  <<<

  6. NKF: »in Deutsch­land« ent­fällt  <<<

  7. Rät­sel- oder Ge­duld­spiel  <<<

  8. NKF: »un­se­re« statt »die eng­li­sche«; wie auch im wei­te­ren Text jede geo-po­li­ti­sche Ei­n­ord­nung, wo nicht un­ver­meid­bar, ge­stri­chen wur­de  <<<

  9. NKF: »un­se­re« statt »die eng­li­schen«  <<<

  10. NKF: »Eng­land« ge­stri­chen; die Ge­fahr be­steht nun nur noch für Eu­ro­pa al­lein  <<<

  11. NKF: »ein Eng­län­der oder ein Deut­scher« ent­fällt  <<<

  12. NKF: »letz­te, größ­te Schmach« ent­fällt  <<<

  13. NKF: »die­sen Staa­ten­klün­gel zu spren­gen« ent­fällt  <<<

3

Ein ra­sen­der Nord­ost­sturm jag­te über die nie­der­säch­si­sche Hei­de, riß an den Zwei­gen der Bäu­me und rüt­tel­te an den Mau­ern und Dä­chern der zer­streu­ten Ge­höf­te. In tie­fem Dun­kel das alte Hei­de­dorf, nur in dem ein­sa­men Haus dort ne­ben dem Er­len­kamp noch Licht. Weit­hin fiel sein war­mer Schein durch die klap­pern­den Lä­den in die Dun­kel­heit.

Ein Wan­de­rer, der dem Dor­fe zu­schritt, warf einen scheu­en Blick dort­hin, schi­en froh, als er dar­an vor­bei war. In Ver­ruf war das Haus ge­kom­men, seit der dar­in haus­te. Ein blü­hen­der Hof einst, der El­lern­hof, ein rei­ches An­we­sen mit wei­ten Fel­dern und Wie­sen. Bis auf die Fran­ken­zeit führ­ten die Ei­se­n­e­cker vom El­lern­hof ih­ren Ur­sprung zu­rück. Als Mei­er1 des Gro­ßen Karl soll­ten sie einst hier­her in die Hei­de ge­kom­men sein. Vie­le Jahr­hun­der­te hin­durch hat­te das Ge­schlecht auf dem El­lern­hof ge­blüht, hat­te Kriegs­stür­me und schlim­me Zei­ten glück­lich über­stan­den.

Doch als der vor­letz­te Be­sit­zer starb, weil­te sein Sohn in der Fer­ne, in Län­dern, die man hier in der Hei­de kaum dem Na­men nach kann­te. Frem­de Hän­de ver­wal­te­ten den Hof… ver­wal­te­ten ihn schlecht, bis ei­nes Ta­ges der Sohn zu­rück­kam. Aber auch dann wur­de es nicht bes­ser. Der Letz­te aus dem Ge­schlechts der Ei­se­n­e­cker war kein Hei­de­bau­er mehr. Ein ge­heim­nis­vol­les… un­heim­li­ches Werk schi­en der da zu be­trei­ben. Ein Werk, bei dem der El­lern­hof zu­grun­de­ging. Ei­nen Acker nach dem an­de­ren, eine Wie­se nach der an­de­ren ver­kauf­te er, bis ihm schließ­lich nur noch der Hof blieb. Leer die Stäl­le, ver­rot­tet das In­ven­tar, ver­fal­len das Haus. Un­heim­lich das Gan­ze. Jah­re wa­ren dar­über ver­stri­chen.

An ei­nem mit Re­tor­ten be­deck­ten Tisch saß in dem ein­zi­gen er­leuch­te­ten Raum ein Mann. Die hohe Ge­stalt weit vor­ge­beugt über einen roh­ge­ar­bei­te­ten höl­zer­nen Kas­ten, zu dem zahl­rei­che Dräh­te führ­ten. Ein un­ge­pfleg­ter Bart wu­cher­te um das Kinn des Ein­sa­men. Seit vie­len Mo­na­ten schi­en kei­ne Sche­re an sein Haupt­haar ge­kom­men zu sein. Mit zit­tern­den Hän­den lös­te er die Schrau­ben des De­ckel­ver­schlus­ses. Weit ge­öff­net strahl­ten sei­ne Au­gen in über­na­tür­li­chem Glanz, starr­ten auf den Kas­ten, harr­ten, was der ge­öff­ne­te De­ckel ent­hül­len wür­de. Jetzt scho­ben sei­ne Fin­ger den zu­rück. Frei lag der In­halt vor sei­nen Bli­cken, und ein Schrei ent­fuhr sei­nen Lip­pen. Die ha­ge­re, hohe Ge­stalt tau­mel­te em­por, wank­te zu­rück.

»Gold! Gold!« Er schrie es. Noch ein­mal mit ei­nem Sprung war er wie­der am Tisch, griff nach dem glei­ßen­den Stück, hob es em­por und sah, wie die Strah­len der Lam­pe sich dar­in in gel­bem Schim­mer bra­chen und spie­gel­ten. Und dann, als ob die Last des Gol­des ihn er­drück­te, stürz­te er zu­sam­men, den schim­mern­den Klum­pen krampf­haft an die Brust ge­preßt.

So lag er, bis das Licht der Mor­gen­son­ne in den Raum drang, bis die Son­nen­strah­len, glän­zend und schim­mernd von dem Me­tall zu­rück­ge­wor­fen, ihn zwan­gen, die Au­gen zu öff­nen. Schwer­fäl­lig rich­te­te er sich em­por, sah den Me­tall­klum­pen. Woll­te ihn mit ei­ner gleich­gül­ti­gen Fuß­be­we­gung zur Sei­te sto­ßen. Der rück­te nicht. Er beug­te sich, hob den schwe­ren Bro­cken auf und warf ihn in eine Ecke zu al­ler­hand zer­bro­che­nem Gerät und Ge­rüm­pel. Schritt dann zum Ar­beit­s­tisch. Sei­ne Hän­de um­faß­ten den schmuck­lo­sen Kas­ten, ho­ben ihn hoch, drück­ten ihn an sich mit ei­ner In­brunst, die un­be­greif­lich. Wie­gend, als hät­te er das köst­lichs­te Klein­od im Arm, trug er ihn durch den Raum.

Tri­umph je­der Schritt, je­der Blick, jede Ges­te!

So ging er in den Ne­ben­raum. Hier stan­den noch die Spei­sen vom gest­ri­gen Abend. Heiß­hung­rig stürz­te er sich dar­auf. Erst jetzt kam es ihm zum Be­wußt­sein, daß er seit vie­len Stun­den kei­nen Bis­sen ge­nos­sen hat­te. Gie­rig aß er das schlecht zu­be­rei­te­te Mahl. Dann sprang er auf. Vor ei­nem ge­sprun­ge­nen, er­blin­de­ten Spie­gel be­trach­te­te er sich selbst. Schä­big… ver­wil­der­t… ab­ge­ma­gert!

Er lach­te laut: »Ohne Kunst aufs bes­te ver­klei­det!«

Aus ei­nem Al­bum zog er eine Pho­to­gra­fie, hielt sie ge­gen das Licht, be­trach­te­te die Züge, die sie dar­stell­te.

Wie alt war das Bild?… Vier Jah­re… wie hat­ten die vier Jah­re ihn ver­än­der­t… vier Jah­re, in de­nen er Tag und Nacht nur auf ein ein­zi­ges Ziel hin­ge­ar­bei­tet.

Gold?… Das Gold dort in der Ecke?…

Nein! Ei­nem hö­he­ren… ei­nem un­end­lich viel hö­he­ren Ziel streb­te er nach. Ei­nem Zie­le, wel­ches das Gold wert­los ma­chen, der Mensch­heit an­de­ren, viel rei­che­ren Se­gen brin­gen muß­te. Ei­nem Zie­le, das ihm wie eine rei­fe Frucht in den Schoß fal­len muß­te, nach­dem das Gold nun da war.

Ein Zei­tungs­blatt lag ne­ben der kärg­li­chen Mahl­zeit auf dem ro­hen Ei­chen­tisch. Der An­zei­ger der nächs­ten Kreis­stadt.

Sei­ne Au­gen über­flo­gen die Zei­len. Nach­rich­ten aus Lon­don… Eli­as Mont­go­me­ry ge­stor­ben. Alle Ver­su­che der eng­li­schen Ge­lehr­ten, den hin­ter­las­se­nen Ap­pa­rat in Be­trieb zu set­zen, bis­her er­geb­nis­los… wahr­schein­lich für im­mer hoff­nungs­los.

Sei­ne Au­gen hin­gen an den Wor­ten. Im­mer wie­der über­flog er die we­ni­gen Zei­len. Dann lach­te er laut.

Wär’s mög­lich? Mont­go­me­rys Erbe, kei­ner, der es zu he­ben ver­mag! Er dreh­te das Blatt um, sah nach dem Da­tum. Es war schon über eine Wo­che alt.

Die Welt! Eu­ro­pa! Was hat­ten die dazu ge­sag­t… die Rig­gers-Wer­ke… Har­der, der Ge­ne­ral­di­rek­tor der Wer­ke. Er?…

In hef­ti­ger Er­re­gung durch­maß er das Zim­mer.

Mont­go­me­ry! Eli­as Mont­go­me­ry! Der Mann, der das Pro­blem der Atom­ener­gie ge­löst. Der die Ener­gie be­herrsch­te… und sie der Welt ver­bar­g… vor­ent­hielt.

Weil der nicht die Kraft be­saß, die Auf­ga­be zu lö­sen… die schwe­re­re… die grö­ße­re, das Er­run­ge­ne der Welt zu ge­ben, ohne die Wirt­schaft aus den Fu­gen zu rei­ßen… Statt des Pa­ra­die­ses ein Cha­os zu stif­ten.

Das al­lein der Grund. Des­halb Eli­as Mont­go­me­ry der Son­der­ling! Er ver­stand ihn wohl. Er…! Sei­ne Bli­cke gin­gen zu der klei­nen höl­zer­nen Tru­he. Er schritt dar­auf zu. Ver­schränk­te die Arme, starr­te lan­ge dar­auf. Se­gen und Fluch…

Die Arme fie­len nie­der. Der Kör­per sank in sich zu­sam­men, die Schul­tern krümm­ten sich.

Se­gen al­lein? Last un­ge­heu­re! Der trug sie nicht!… Ich?… Beim Klang der Wor­te ging es wie ein Ruck durch die Ge­stalt. Der Kör­per reck­te sich… den Kopf zu­rück­ge­wor­fen, das Auge wie in wei­te Fer­nen ge­rich­tet, die Lip­pen zu­sam­men­ge­preßt, Ener­gie, Kraft in je­dem Mus­kel…

»Ich will’s ver­su­chen!«

Die alte Wirt­schaf­te­rin trat ein. Hielt ihm ein amt­li­ches Schrift­stück hin. Er las… und lach­te… lach­te aus vol­lem Hal­se.

Da stand ge­schrie­ben, daß der El­lern­hof am nächs­ten Mitt­woch zur Ver­stei­ge­rung kom­men wür­de.

Er schrie das alte, halb tau­be Weib an: »Ich muß ver­rei­sen!«… Be­deu­te­te ihr, einen Kof­fer vom Bo­den zu ho­len, ir­gend­wo sonst zu su­chen, riß selbst die Tür ei­nes wack­li­gen Schran­kes auf, der sei­ne kar­ge Gar­de­ro­be ent­hielt.

Da hing eine Ho­se… ein prü­fen­der Blick dar­auf… Nein!… Un­mög­lich, weg da­mit! Die war ja noch schlech­ter als die, die er jetzt trug… Ein hel­ler Rock… ein wei­ßer Rock, mit dem er frü­her… lan­ge war es her… zum Ten­nis­s­piel ge­gan­gen war… da eine schwar­ze Hose, die er frü­her ein­mal beim Ex­amen ge­tra­gen… schwar­ze Ho­se… wei­ßer Rock… nein! un­mög­lich! Aber der Schrank war leer… halt!… Da noch eine grü­ne Jop­pe… noch vom Va­ter her… sie war ihm reich­lich weit, aber das muß­te ge­hen.

Er pack­te ein paar Hab­se­lig­kei­ten in den Ruck­sack. Prü­fend wog er den Gold­bar­ren… zehn Ki­lo… ge­nug, um die Schuld zu be­zah­len… und ge­nug blieb noch für die nächs­te Zeit dar­über hin­aus üb­rig.

So ver­ließ Fried­rich Ei­se­n­e­cker zum ers­ten­mal nach vier Jah­ren sein Haus. Am nächs­ten Tage war er zu­rück­ge­kehrt. So ver­än­dert, daß ihn die alte Wirt­schaf­te­rin kaum wie­der­er­kann­te. Bart und Haar ge­stutzt, mit ei­nem gu­ten neu­en An­zug be­klei­det. Er nick­te der Al­ten ein Will­kom­men zu, drück­te ihr einen Zet­tel in die Han­d… die Ver­stei­ge­rung des El­lern­ho­fes auf­ge­ho­ben… die Schuld be­zahl­t…

Wäh­rend die Alte noch auf den Zet­tel starr­te, saß er schon längst wie­der oben bei sei­nen Re­tor­ten und Ap­pa­ra­ten. War auch sei­ne Auf­ga­be in der Haupt­sa­che ge­löst, gal­t’s doch noch, die letz­te Hand an sei­ne Er­fin­dung zu le­gen, das Werk zu vollen­den. Nicht viel war’s und kei­ne schwe­re Ar­beit mehr. We­ni­ge Wo­chen nur.

Und dann war auch das ge­tan. An Stel­le des ro­hen un­ge­fü­gen Kas­tens stand eine zier­li­che klei­ne Kas­set­te auf dem Ar­beit­s­tisch. Be­quem und leicht mit­zu­füh­ren.

Jetzt fort! Mor­gen schon woll­te er hin­aus… hin­aus in die Welt.

Die Nacht… Feu­er­lärm durch das stil­le Hei­de­dorf. Noch be­vor die frei­wil­li­gen Hel­fer sich sam­mel­ten, be­vor sie die le­cke Feu­er­sprit­ze in Tä­tig­keit set­zen konn­ten, brann­te der gan­ze El­lern­hof in hel­len Flam­men…

Sein Be­sit­zer stand da­bei… ru­hig, un­be­wegt und sah mit un­ver­än­der­ter Mie­ne, wie das alte vä­ter­li­che Heim in Asche sank.

Mit Stau­nen… mit Miß­trau­en blick­ten die Dör­f­ler auf ihn. Schon lan­ge war er ih­nen un­heim­lich, jetzt wur­de er ih­nen rät­sel­haft. Sie wuß­ten, daß er nicht ver­si­chert war… nicht mehr die Mit­tel ge­habt hat­te, die Ver­si­che­rung zu be­zah­len. Soll­te ihn die Not so ab­ge­stumpft ha­ben, daß er das Un­glück nicht mehr emp­fand? Das Un­glück, das hier mit wa­bern­der Lohe sei­ne letz­te Habe ver­zehr­te…


  1. Guts­ver­wal­ter  <<<

4

Als ihre Gäs­te sie ver­las­sen, trat Jo­lan­the von Kars­küll in ihr Bou­doir, drück­te auf einen Klin­gel­knopf und klin­gel­te in be­stimm­ten In­ter­val­len. Ihre alte Die­ne­rin er­schi­en. Eu­ro­pä­isch oder nicht eu­ro­pä­isch? Et­was Fremd­län­di­sches lag in ih­ren Zü­gen, aber nur ein sehr ge­nau­er Ken­ner der asia­ti­schen Ras­sen hät­te wohl den Ty­pus der Ge­or­gie­rin dar­in zu ent­de­cken ver­mocht.

»Zo­bei­de, ich wün­sche un­ge­stört zu sein, bis ich dich wie­der ru­fen las­se.«

Die Alte ver­neig­te sich stumm und ver­schwand. Jo­lan­the von Kars­küll schloß die Tür hin­ter ihr und schob den Rie­gel vor.

Das vil­len­ar­ti­ge Wohn­haus der Baro­nin stand auf drei Sei­ten frei in ei­nem ziem­lich ge­räu­mi­gen Gar­ten. Nur mit der einen Sei­te lehn­te es sich an das Nach­bar­ge­bäu­de. Jo­lan­the von Kars­küll nahm den Hö­rer von ei­nem Tisch­ap­pa­rat, sprach ein paar Wor­te hin­ein und leg­te ihn wie­der auf. Dann trat sie an einen großen in die Wand ein­ge­bau­ten Spie­gel­schrank und öff­ne­te die Tür. Der Schrank war dicht mit Klei­dungs­stücken ge­füllt. Doch auf einen Knopf­druck schwan­gen die Mes­sing­stan­gen mit den Klei­dern zur Sei­te, und die Hin­ter­wand lag frei. Ein Druck auf einen an­de­ren, kaum sicht­ba­ren Knopf, und die hin­te­re Schrank­wand roll­te sich ja­lou­sie­ar­tig auf.

Die Wand da­hin­ter war hohl. Eine zwei­te Holzwand wur­de dort sicht­bar. Auch die­se Holzwand teil­te sich.

Eine Hand streck­te sich ihr ent­ge­gen und ge­lei­te­te sie in den Raum. Es war das Pri­vat­ka­bi­nett des mau­ri­schen Bot­schaf­ters Mid­hat Pa­scha.

»Zu Ihren Diens­ten, gnä­digs­te Baro­nin. Ich bin ent­zückt, Sie hier zu se­hen.«

Der Bot­schaf­ter beug­te sich über ihre Hand und führ­te sie zu ei­nem Ses­sel.

»Ihr Be­such… ich lese in Ihren Mie­nen…«

»Ja, Ex­zel­lenz, ich freue mich, Ih­nen einen wei­te­ren Er­folg mel­den zu kön­nen. Am Mitt­woch früh fah­re ich mit dem Ab­lö­sungs­schiff nach Mont­go­me­ry-Hall.«

»Präch­tig, mei­ne gnä­digs­te Baro­nin!« Mid­hat Pa­scha war auf­ge­sprun­gen und schüt­tel­te die Hand der Jo­lan­the von Kars­küll.

»Ich bren­ne dar­auf, die Nach­richt nach Fez mel­den zu kön­nen.

Un­ser Herr, der Ka­lif, drängt in ei­ner Wei­se, die mir schlaflo­se Näch­te macht. Mei­ne Stel­lung hier… ich ge­ste­he es of­fen… hängt vom Ge­lin­gen un­se­res Pla­nes ab. Des­halb auch mei­nen herz­lichs­ten per­sön­li­chen Dank, gnä­digs­te Baro­nin. Nun, da un­ser ers­ter Schritt so gut glück­te, habe ich die fes­te Zu­ver­sicht, daß uns auch das Gan­ze ge­lin­gen wird.«

»So ganz ver­mag ich die Hoff­nung Euer Ex­zel­lenz nicht zu tei­len. Ich weiß nicht, ob mei­ne ge­rin­gen phy­si­ka­li­schen Kennt­nis­se ge­nü­gen wer­den, die raf­fi­nier­te Art des Si­che­rungs­sys­tems zu be­grei­fen, so daß ich un­se­ren Mann in­stru­ie­ren kann. Ich habe mich zwar in der letz­ten Wo­che Tag und Nacht mit die­ser mir ziem­lich frem­den Ma­te­rie be­schäf­tigt, aber…«

»Kei­ne Zwei­fel, gnä­digs­te Baro­nin! Die be­wun­derns­wer­ten Pro­ben Ih­rer In­tel­li­genz wäh­rend der letz­ten…«

»Kei­ne Schmei­che­lei­en, Ex­zel­lenz. Sie wis­sen, ich has­se das. Bin ich ein Weib wie…«

Der Bot­schaf­ter fiel ihr in die Rede.

»Es wa­ren die Wor­te, die un­ser Herr, der Ka­lif, sel­ber ge­brauch­te, Baro­nin, als er mir in sei­nem letz­ten Brief be­fahl, die An­ge­le­gen­heit zu be­schleu­ni­gen.«

Eine leich­te Röte husch­te über das Ant­litz der Jo­lan­the von Kars­küll. Der fes­te Zug um ih­ren Mund wur­de weich, ein Schim­mern der Freu­de blitz­te in ih­ren Au­gen.

»Sie ha­ben recht, Ex­zel­lenz.1 Es muss ge­lin­gen. Ha­lil Ri­faat ali­as Ma­colm muß mein phy­si­ka­li­sches Kau­der­welsch ver­ste­hen! Er ist ein fä­hi­ger Kopf, der si­cher­lich auch in je­der an­de­ren Po­si­ti­on Gro­ßes leis­ten wür­de.«

»Ha­lil Ri­faat ist ein treu­er Die­ner sei­ner sche­ri­fi­schen Ma­je­stät… wie Sie, Baro­nin, wie ich. Die Zeit wird kom­men, wo un­ser Herr be­loh­nen wird… ihn… und auch Sie, Baro­nin… kein an­de­rer, kei­ne an­de­re im Rei­che Ab­durr­ha­mans, die sich sol­cher Huld er­freu­ten wie Sie…«

Stär­ker brann­te die Glut auf den Wan­gen Jo­lan­thes.2 Ab­weh­rend hob sie die Hän­de.

»Las­sen Sie, Ex­zel­lenz! Kom­men wir zu et­was an­de­rem. Die Bör­se­nen­ga­ge­ments Ed­hem Paschas, un­se­res Finanz­mi­nis­ters, dürf­ten all­mäh­lich ge­löst sein. Ein Coup von sol­chem Um­fan­ge ist wohl in der Ge­schich­te der Lon­do­ner Bör­se noch nicht da­ge­we­sen. Der Ge­winn für den mau­ri­schen Staats­schatz…«

»Die Kas­sen Ed­hem Paschas schwim­men im Gol­de. Un­ser Staats­schatz hat sich in­ner­halb ei­ner Stun­de ver­viel­fäl­tigt. Ein Er­folg, den selbst der größ­te Op­ti­mist kaum er­war­ten durf­te. Die Bör­se ist und bleibt un­be­re­chen­bar. Der Schrei die­ses Nar­ren: ›Es steckt eine Haus­se da­hin­ter!‹ brach­te das Uner­war­te­te, selbst in küh­nen Träu­men nicht zu Er­hof­fen­de, daß die Kur­se trotz un­se­res rie­sen­haf­ten An­ge­bo­tes stie­gen, bis über den ers­ten Stand hin­aus stie­gen. Da­durch erst wur­de die De­rou­te hin­ter­her so un­ge­heu­er.«

»Und man ahnt im­mer noch nicht, von wem das Ma­nö­ver aus­ging?«

»Nein, Baro­nin! Die En­ga­ge­ments wa­ren trotz der kur­z­en Zeit so ge­schickt un­ter­ge­bracht, daß nie­mand den ge­rings­ten Ver­dacht schöp­fen konn­te, auch kaum je­mals schöp­fen wird.«

»Hat der Tod Sai­ds nicht An­laß zu wei­te­ren Nach­for­schun­gen ge­ge­ben?«

»Nein! Sei­ne Lei­che ist bis zur völ­li­gen Un­kennt­lich­keit ver­brannt. Scha­de, sehr scha­de um den Mann.«

»Ha­ben Sie selbst, Ex­zel­lenz, sich jetzt ein kla­res Bild über die Vor­gän­ge je­ner letz­ten be­deu­tungs­vol­len Tage ma­chen kön­nen?«

»Ich den­ke: ja! Sie wis­sen, es war uns ver­hält­nis­mä­ßig leicht ge­lun­gen, Said un­ter dem Na­men Sni­ders als tech­ni­schen Hilfs­ar­bei­ter letz­ten Gra­des in Mont­go­me­ry-Hall un­ter­zu­brin­gen. Mo­na­te­lang war­te­ten wir ver­geb­lich auf Nach­richt von ihm. Auf die Nach­richt, daß es ihm ge­lun­gen wäre, Eli­as Mont­go­me­ry sei­ne Er­fin­dung ab­zu­se­hen, den Ap­pa­rat selbst nach­zu­kon­stru­ie­ren.

Jetzt, da sich die bes­ten eng­li­schen Phy­si­ker in wo­chen­lan­gen Ver­su­chen ver­geb­lich be­müht ha­ben, das Ge­heim­nis Mont­go­me­rys zu er­grün­den, kommt mir un­ser ei­ge­ner Plan naiv vor. Said war wohl ein gu­ter Tech­ni­ker, aber sei­ne phy­si­ka­li­schen Kennt­nis­se las­sen sich mit de­nen der eng­li­schen Ge­lehr­ten nicht ver­glei­chen. War es ein Feh­ler, so ist er je­den­falls zu ent­schul­di­gen. Die Aus­wahl bei uns ist na­tur­ge­mäß nicht groß. Die wei­te­ren Er­eig­nis­se müs­sen sich fol­gen­der­ma­ßen ab­ge­spielt ha­ben.

Durch einen Zu­fall kam Said an je­nem Tage zu­erst in das La­bo­ra­to­ri­um Mont­go­me­rys. Er sah den Er­fin­der tot ne­ben dem Ap­pa­rat lie­gen. Nun be­wies er einen ho­hen Grad von Um­sicht. Ohne den Be­woh­nern des Schlos­ses Nach­richt von dem Tode des Er­fin­ders zu ge­ben, te­le­gra­fier­te er mir so­fort in un­se­rem Ge­heim­co­de das Er­eig­nis. Ich gab es schnells­tens in die Hei­mat wei­ter und wies dar­auf hin, daß Said be­stimmt hof­fe, den Tod des Er­fin­ders bis in die Bör­sen­stun­den hin­ein ge­heim­hal­ten zu kön­nen. Ed­hem Pa­scha faß­te den Wink rich­tig auf und ent­rier­te je­nes be­rühm­te, selbst für die Lon­do­ner Bör­se au­ßer­ge­wöhn­li­che Ma­nö­ver.«

»So ging der Ge­dan­ke dazu von Ih­nen aus, Ex­zel­lenz? Ich gra­tu­lie­re. Die Idee war glän­zend.«

Der Bot­schaf­ter zuck­te die Ach­seln.

»Mag sein, Baro­nin. Die­se Ver­meh­rung des Staats­schat­zes ist ein be­deu­ten­des Ak­ti­vum für den Ka­li­fen. Sei­ne nächs­te De­pe­sche er­kann­te das auch an, wies aber gleich­zei­tig dar­auf hin, daß der Be­sitz des Ap­pa­ra­tes selbst nicht durch hun­dert sol­cher Bör­sen­trans­ak­tio­nen auf­ge­wo­gen wer­den kön­ne.«

»Dar­über be­steht wohl kein Zwei­fel, Ex­zel­lenz. Aber wie er­klä­ren Sie sich wei­ter den Tod Sai­ds?«

»Es gibt nur eine Er­klä­rung, Baro­nin. Bei der all­ge­mei­nen Ver­wir­rung, die nach dem Be­kannt­wer­den von Mont­go­me­rys Tod im Schlos­se aus­brach, hat­te Said un­zwei­fel­haft die Ab­sicht, den Ap­pa­rat kur­zer­hand fort­zu­neh­men… da­mit aus Mont­go­me­ry-Hall zu flie­hen. Dazu muß­te er zu­erst die Si­che­rungs­an­la­gen wir­kungs­los ma­chen. Den Ver­such, dies zu tun, hat er mit sei­nem Le­ben be­zahlt.«

»Ihre Wor­te ma­chen mich be­sorgt, Ex­zel­lenz. Was Said nicht ge­lang, der mo­na­te­lang in Mont­go­me­ry-Hall ge­lebt hat, wie soll­te es mir und Ha­lil Ri­faat ge­lin­gen?«

»Es wird ge­lin­gen, Baro­nin! Schon ein­fach des­halb, weil Sie da­bei sind. Nein, nein, gnä­di­ge Baro­nin, es ist so! Das ist kei­ne Schmei­che­lei. Ich stel­le zum Be­weis für mei­ne Wor­te die Fra­ge: Ist uns schon je­mals ein Un­ter­neh­men fehl­ge­schla­gen, bei dem Ihre klei­ne Hand im Spie­le war?… Sie schwei­gen, Baro­nin… und doch sagt mir die Spra­che Ih­rer Au­gen, daß Sie mir recht ge­ben.«

»Und der Ka­lif… ist der Ka­lif Ab­durr­ha­man der­sel­ben Mei­nung?«

Der Bot­schaf­ter mach­te eine be­ja­hen­de Ver­beu­gung. Jo­lan­the von Kars­küll hat­te sich er­ho­ben. Ei­nen Au­gen­blick stand sie, die ju­no­ni­sche Ge­stalt hoch­auf­ge­r­eckt, stumm. Das Auge wie ver­lo­ren in wei­te Fer­nen ge­rich­tet. Dann, als habe sie Mühe, sich in die Wirk­lich­keit zu­rück­zu­fin­den, sprach sie. Lang­sam… sto­cken­d… mit Un­ter­bre­chun­gen.

»Wenn es ge­lingt, Ex­zel­lenz… wenn uns der letz­te große Wurf ge­ling­t… wäre es mög­lich… gin­ge es, daß… ich selbst den Preis die­ses Kamp­fes… die Beu­te die­ses Un­ter­neh­mens un­se­rem Herrn…?«

»Un­mög­lich!« Der Bot­schaf­ter hob be­schwö­rend die Hän­de em­por. »Un­mög­lich, Baro­nin. Ihr Ver­schwin­den nach solch ei­nem Er­eig­nis… es wäre mög­lich, daß der Schim­mer ei­nes Ver­dach­tes… nein!… Das darf nicht sein. Auf kei­nen Fall. Es tut mir sehr leid, Ih­nen die­se Bit­te ab­schla­gen zu müs­sen, wenn ich auch…«

»Sie ha­ben recht, Ex­zel­lenz. Mein Wunsch war tö­richt. Ich be­grei­fe selbst nicht… auf Wie­der­se­hen denn.«

Der Bot­schaf­ter drück­te sei­ne Lip­pen auf ihre Rech­te und ge­lei­te­te sie zu der of­fe­nen Wand. Noch ein­mal eine tie­fe Ver­nei­gung des Mau­ren. Das Knacken ei­ner Fe­der, das Rau­schen ei­nes Ver­schlus­ses. Jo­lan­the von Kars­küll stand wie­der al­lein in ih­rem Bou­doir.


  1. NKF: »Ex­zel­lenz« ent­fällt  <<<

  2. NKF: »Stär­ker brann­te die Glut auf den Wan­gen Jo­lan­thes.« ent­fällt. Auch im wei­te­ren Text wird ger­ne auf jeg­li­che An­deu­tung kör­per­li­cher Er­re­gung ver­zich­tet - und sei sie auch noch so mi­ni­mal.  <<<

5

Eine Sit­zung in den Rig­gers-Wer­ken zu Ber­lin. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor Har­der hat­te alle Her­ren te­le­gra­fisch hier­her­be­stellt, die auf der klei­nen Nord­seein­sel War­num dort drau­ßen am großen Pro­blem der Atom­ener­gie ar­bei­te­ten. Da sa­ßen sie um den großen Kon­fe­renz­tisch her­um, die ge­schick­tes­ten Phy­si­ker, die klügs­ten Köp­fe der Rig­gers-Wer­ke, die sich seit ei­nem Jahr­zehnt mit dem welt­be­we­gen­den Pro­blem der Atom­ener­gie her­um­schlu­gen. Ge­sich­ter, in die un­abläs­si­ges For­schen und Spü­ren… in die durch­son­ne­ne Tage und durch­wach­te Näch­te, in die so vie­le Ent­täu­schun­gen ihre un­ver­lösch­li­chen Ru­nen ein­ge­gra­ben hat­ten.

Schon da­mals, als die Nach­rich­ten von den ers­ten Er­fol­gen Mont­go­me­rys nach Deutsch­land dran­gen, wa­ren die Sit­zun­gen der Rig­gers-Wer­ke in recht er­reg­ten For­men ver­lau­fen. Da gab’s oft mut­lo­se Stim­men in der Ver­samm­lung, die frag­ten, wozu über­haupt noch einen Draht schal­ten, eine Klem­me fest­schrau­ben, wenn ein an­de­rer das Pro­blem schon ge­löst hat. Be­durf­te es doch ei­ner ganz be­son­de­ren Hin­ga­be, auf dem ein­mal be­schrit­te­nen Wege wei­ter­zu­ge­hen, wei­ter­zu­ar­bei­ten und ein Ziel zu er­stre­ben, das je­ner Eng­län­der1 schon er­reicht hat­te. Die Kun­de vom Tode Mont­go­me­rys, die Nach­richt, daß sei­ne Er­ben die Erb­schaft nicht zu he­ben ver­moch­ten, war hier mit ei­nem Ge­fühl der Er­leich­te­rung auf­ge­nom­men wor­den. Jetzt hat­ten die Rig­gers-Wer­ke auf dem Ge­bie­te der Atom­ener­gie wie­der die Spit­ze. Jetzt konn­ten sie viel­leicht als die ers­ten das Ziel er­rei­chen, das der üb­ri­gen Welt un­er­reich­bar war.

Schon seit ei­ner Stun­de wa­ren sie ver­sam­melt und er­war­te­ten mit im­mer noch stei­gen­der Span­nung das Er­schei­nen ih­res Ge­ne­ral­di­rek­tors. Jetzt riß der Die­ner die Tür auf. Har­der trat ein. Mit ei­nem kur­z­en Ni­cken be­grüß­te er die Ver­sam­mel­ten und nahm am Kon­fe­renz­tisch Platz.

»Mei­ne Her­ren, in Er­war­tung ei­ner wich­ti­gen Nach­richt habe ich mich ver­spä­tet. Bit­te, ent­schul­di­gen Sie das. Mei­ne Zeit ist jetzt so stark in An­spruch ge­nom­men, daß ich nicht selbst nach War­num kom­men konn­te, son­dern Sie hier­her bit­ten muß­te.

Es han­delt sich in die­sen Ta­gen in ers­ter Li­nie um un­se­re Stel­lung zu der eng­li­schen Er­fin­dung und… zu der eng­li­schen Re­gie­rung…«

Ge­spannt blick­ten die hier Ver­sam­mel­ten auf ih­ren Chef. Da war es ja wie­der. Je­nes The­ma, das sich in dem einen Na­men Mont­go­me­ry zu­sam­men­fas­sen ließ, und das ih­nen al­len schon so vie­le Tage vol­ler Auf­re­gun­gen, so vie­le Stun­den in­ne­ren Zwei­fels ge­bracht hat­te. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor sprach wei­ter.

»Sie wis­sen, daß die deut­sche2 Pres­se es der eng­li­schen Re­gie­rung seit dem Tode Mont­go­me­rys sehr na­he­ge­legt hat, Phy­si­ker der Rig­gers-Wer­ke zum Stu­di­um und zur In­be­trieb­set­zung des Ap­pa­ra­tes her­an­zu­zie­hen. Ich kann Ih­nen wei­ter sa­gen, daß auch un­se­re Re­gie­rung mit ei­nem der­ar­ti­gen Schritt an die eng­li­sche Re­gie­rung her­an­ge­tre­ten ist. Heu­te mor­gen kam die Ant­wort: Nein!3

Mei­ne Her­ren, die Grün­de da­für sind durch­sich­tig ge­nug. Eng­land steht auf dem Stand­punkt, daß der Ap­pa­rat Mont­go­me­rys nur durch eng­li­sche Phy­si­ker in Be­trieb ge­setzt wer­den darf. Es be­trach­tet jede frem­de Mit­ar­beit als eine Schmä­le­rung eng­li­schen Er­fin­der­ruh­mes. Nach dem bis­her Er­leb­ten bin ich über­zeugt, daß die eu­ro­päi­sche Pres­se, we­nigs­tens die des Fest­lan­des, den eng­li­schen Stand­punkt auf das schärfs­te be­kämp­fen wird. Die Ant­wort der eng­li­schen Re­gie­rung wird im Lau­fe des heu­ti­gen Ta­ges be­kannt­ge­ge­ben, und wir wer­den da­nach mit ei­ner Hoch­flut von Pres­se­stim­men ge­gen die Ei­gen­brö­te­lei der Ein­zel­staa­ten des eu­ro­päi­schen Staa­ten­bun­des zu rech­nen ha­ben.

Na­tür­lich, mei­ne Her­ren, in mei­ner Ei­gen­schaft als Lei­ter der Rig­gers-Wer­ke be­daue­re ich die­se eng­li­sche Ent­schei­dung durch­aus nicht…«

Fra­gen­de Bli­cke aus der Ver­samm­lung rich­te­ten sich auf den Ge­ne­ral­di­rek­tor. Der fuhr fort.

»Ich hal­te es für durch­aus mög­lich… ja für wahr­schein­lich, daß es uns ge­lin­gen könn­te, den Ap­pa­rat Mont­go­me­rys in Tä­tig­keit zu set­zen. Was hät­ten wir da­mit er­reicht?…«

Die Faust Har­ders fiel schwer auf den Tisch.

»Wir hät­ten das Werk un­se­res ge­fähr­lichs­ten Kon­kur­ren­ten zu glück­li­chem Ende ge­bracht. Wir hät­ten die Früch­te un­se­rer ei­ge­nen jah­re­lan­gen Ar­bei­ten ver­nich­tet. Die Lö­sung des Pro­blems blie­be dann für im­mer ein Er­folg der bri­ti­schen Na­tur­wis­sen­schaft. In­so­fern ist es nur vor­teil­haft für un­ser Werk, daß Eng­land selbst die Zu­sam­men­ar­beit ab­lehnt.«4

Zu­stim­mung sprach aus den Mie­nen und Bli­cken der Ver­sam­mel­ten.

Har­der fuhr fort.

»Mei­ne Her­ren, das Schick­sal schenkt uns noch ein­mal eine Frist. Aber wir wis­sen nicht, wie lang sie sein wird… was mor­gen oder über­mor­gen schon ge­sche­hen kann. Wir müs­sen un­se­re Ar­bei­ten so for­cie­ren, be­son­ders die ma­gne­ti­schen Fel­der so ver­stär­ken, daß wir die von der Theo­rie ver­lang­te Grö­ße schnells­tens er­rei­chen…«

Er sah, wie der eine oder an­de­re aus der Ver­samm­lung den Kopf schüt­tel­te.

»…die­ser Gang der Ver­su­che mag man­chem von Ih­nen ge­wagt er­schei­nen. Aber es muß ge­wagt wer­den. In spä­tes­tens vier Wo­chen müs­sen wir un­ser Ziel er­rei­chen, falls uns… nicht schon frü­her der Er­folg be­schie­den sein soll­te…«

Er­staun­te Bli­cke rich­te­ten sich auf den Spre­cher. Was mein­te er mit die­sen rät­sel­haf­ten Wor­ten?

»Ja­wohl, mei­ne Her­ren, falls uns der Er­folg nicht schon frü­her in den Schoß fällt. Ich hege ernst­li­che Zwei­fel, ob Mont­go­me­ry die von der Theo­rie ver­lang­te ma­gne­ti­sche Feld­stär­ke über­haupt er­reicht hat. Ich hal­te es nicht für aus­ge­schlos­sen, daß wir die Atom­ener­gie schon durch eine ganz ge­rin­ge Ver­stär­kung un­se­rer jet­zi­gen Ver­suchs­an­ord­nun­gen frei­ma­chen kön­nen.

Da­rum noch­mals, mei­ne Her­­­­­­­­­­­5­­­