KLAUS NÜCHTERN

KONTINENT
DODERER

EINE
DURCHQUERUNG


C.H.BECK

ZUM BUCH

Die Romane Heimito von Doderers sind spannend, handlungsstark, figurenreich und sehr, sehr komisch – 50 Jahre nach dem Tod des Autors allerdings bilden sie einen fast vergessenen literarischen Kontinent. Dieser ist jetzt neu zu entdecken. Der Wiener Literaturkritiker Klaus Nüchtern folgt bei seiner Durchquerung des «Kontinents Doderer» strikt der eigenen Neugierde. Er durchmisst ganz Sibirien, wo der Autor im Kriegsgefangenenlager zum Schriftsteller wird, und steigt die Stufen nicht nur der berühmten Strudlhofstiege hinauf, sondern auch ins Souterrain schlecht ausgeleuchteter Hausflure herab, wo die von Doderer inbrünstig gehassten Hausmeister hausen.

Akribisch, aber nie akademisch, kritisch, aber nie verbissen, wird Doderers verschlungener Weg vom NSDAP-Mitglied zum gefeierten Über-Österreicher der Nachkriegszeit verfolgt. Nüchtern registriert die restaurativen Tendenzen Doderers ebenso wie dessen Tuchfühlung mit der Avantgarde und weist unter anderem nach, dass der passionierte Voyeur und arrogante Kinomuffel erstaunlich viel mit Alfred Hitchcock zu tun hatte.

ÜBER DEN AUTOR

Klaus Nüchtern, geboren 1961 in Linz a. d. Donau, studierte Germanistik und Anglistik in Wien. Er leitete das Feuilleton der Zeitung «Falter», wo er nach wie vor als Kritiker und Kolumnist tätig ist. 2011 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik, zuletzt erschien «Buster Keaton oder die Liebe zur Geometrie» (2012).

INHALTSVERZEICHNIS

HEIMITO VON DODERER. EINE GEBRAUCHSANWEISUNG

SCHULD UND SÜHNE, SCHICKSAL UND SIBIRIEN

GEFANGEN AUF DER INSEL DER SELIGEN

WEITES LAND UND WEITES HERZ

WIEDERGEBURT AUF DEM GEHSTEIG

DIE ERFINDUNG DES SCHICKSALS

DER VERBRECHER AUS IMPOTENTER WURSTIGKEIT

HEIMITO UND DER WOLF

EICHMANN UND DIE OSTEREIER

LOB DES ZIVILEN CHARAKTERS

HERR VON DODERER, WIE HABEN SIE DAS GEMACHT?

I. VOM FÜRSORGLICHEN UMGANG MIT VOYEUREN

In a Zihal State of Mind

Geteilte Freuden sind doppelte Freuden

Schiffbruch mit Busen

II. DIE FREMDE IM ZUG

Ein Scherz mit tödlichem Ausgang

Menage à trois mit Lebenden und Toten

Fatal Attraction

III. SUSPENSE IN SLOW MOTION

Umwege erhöhen die Spannung

Mehr als einen Splitter Eis im Herzen

Ein Stechührchen am Handgelenk

Blood On the Tracks

WIE SCHÖN WÄRE WIEN OHNE WIENER

STADT – LAND – FLUSS

WIEN, OFFENE STADT

DIE ENTDECKUNG DER FREMDHEIT

RETTUNG DES WALDES DURCH AUTOVERKEHR

EIN ZIMMER IM GRÜNEN

«NIEDER MIT DEN DIAS!»

BEFIEHL DU DEINE WEGE

CECI N’EST PAS UNE STRUDLHOFSTIEGE

VON DER NSDAP ZUM TRIPLE-A

ERNIEDRIGTE UND VERFOLGTE

KOMPROMITTIERUNG UND KOM P.E.N.SATION

GNÄDIGE FRAU UND SCHÖNES KIND

KAMPF UM KÖPFE IM KALTEN KRIEG

DER ETWAS ANDERE «ANSCHLUSS»

POSTKASTLUMFÄRBER UND BACKHENDELDIEBE

ZUSTAND MIT GAMSBART

LOB DES MÜSSIGGANGS

WEIN PREDIGEN UND WASSER TRINKEN

«IDEOLOGIE DER IDEOLOGIELOSIGKEIT»

BILDTEIL

VERSÖHNUNG UND VERKLÄRUNG IM ZEICHEN DES FEUERS

DER LANGE SCHATTEN VON SCHATTENDORF

DIE REICHSPOST IM OHR

«DAS GNÄDIGE FRÄULEIN WILL SCHIESSEN HÖREN»

ROT UND WEISS UND MILCH UND BLUT

HÜTERINNEN DES HEIMS UND DES HERDES

DIE VERNACHLÄSSIGTE PRESSE

WIE MAN DIE KLASSE AUS DER MASSE HOLT

GROSSES SOLO FÜR WASCHLER

DER AUFSTAND DES ABSCHAUMS

WAS WIRKLICH GESCHAH

OHNE LEIT KEIN FREUD

TOD UND VERKLÄRUNG

DIE GROSSE WUT DES DOCTOR D.

WIE BLÖDSINNIG SIND «DIE MEROWINGER»?

KLÖPPEL AUF DEN KOPF

MAULSCHELLEN UND MANNESKRAFT

SCHMERZHAFTER SLAPSTICK

PRÜGELLUST UND AVANTGARDE

ZWEIERLEI BARTRISS

PHÄNOMENOLOGIE DES MITLÄUFERTUMS

WER DEPPERT SCHAUT, WIRD G’HAUT!

DIE SCHATTENSEITE DER SCHERZBOLDE

TRITT DEN ZWERG!

DER ROSENBERG IM SCHLAGGENBERG

TERROR UND TIMURISATION

SCHAUDER UND GELÄCHTER

FATALE VERTIKALE

SCHLIMMER STÜRZEN

LEICHTER LERNEN

HÖLLISCH HAUSEN

SCHÖNER WOHNEN

DRUNT IN LIECHTENTHAL

BESSER RIECHEN

TRÖSTLICH TRÄUMEN

VON ABHEITER BIS ZWICKLITZER

DANKSAGUNG

BILDNACHWEIS

TAGEBÜCHER UND BRIEFE HEIMITO VON DODERERS

FORSCHUNGSLITERATUR (AUSWAHL)

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: HEIMITO VON DODERER. EINE GEBRAUCHSANWEISUNG

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: SCHULD UND SÜHNE, SCHICKSAL UND SIBIRIEN

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: HERR VON DODERER, WIE HABEN SIE DAS GEMACHT?

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: WIE SCHÖN WÄRE WIEN OHNE WIENER

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: VON DER NSDAP ZUM TRIPLE-A

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: VERSÖHNUNG UND VERKLÄRUNG IM ZEICHEN DES FEUERS

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: DIE GROSSE WUT DES DOCTOR D.

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: FATALE VERTIKALE

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL: VON ABHEITER BIS ZWICKLITZER

LITERATURVERZEICHNIS

WERKE HEIMITO VON DODERERS

TAGEBÜCHER UND BRIEFE HEIMITO VON DODERERS

FORSCHUNGSLITERATUR (AUSWAHL)

In Erinnerung an Siegi Mattl
(1954–2015)

HEIMITO VON DODERER. EINE GEBRAUCHSANWEISUNG

Kurzes Vorwort zu der Frage, warum man Heimito von Doderer heute noch lesen soll, und ein nicht minder knapper Ausblick auf das, was die Leserinnen und Leser erwartet, wenn sie die Antwort darauf in diesem Buch suchen. Nebst einer beruhigenden Erklärung hinsichtlich des angstfreien Umgangs mit Fußnoten

«Von den Romanen Doderers und mehr noch von seinen Tagebüchern und Aufsätzen kann mit einiger Sicherheit behauptet werden, daß sie für breite Leserschichten ohne Bedeutung bleiben müssen. Das aristokratische Selbstverständnis des Autors, die Eigenwilligkeit seiner Sprache, die Kompliziertheit seiner schriftstellerischen Technik und die Esoterik seines Denkens schaffen eine Distanz, die der ungeschulte Leser kaum je wird überbrücken können.»[1]

Die Phase des mehr oder weniger unbestrittenen Ruhms Heimito von Doderers währte maximal fünfzehn Jahre. 1951 war der damals 54-jährige, bis dahin praktisch unbekannte Autor mit der «Strudlhofstiege» zu zumindest lokaler Berühmtheit gelangt, fünf Jahre später glückte ihm mit seinem Opus magnum «Die Dämonen», an dem er ein Vierteljahrhundert gearbeitet hatte, der Durchbruch. Im Juni 1957 zierte sein Konterfei das Cover des Spiegel, der in Doderer einen legitimen «Thronfolger für die verwaisten Kronsessel der deutschen Literatur»[2] erblickte. Mit einem Mal galt der Mann aus Wien als aussichtsreicher Kandidat für den Literaturnobelpreis.

Als Doderer, der in wenigen Jahren zum quasi offiziellen und unstrittigen Repräsentanten der österreichischen Nachkriegsliteratur avanciert war, im Jahr 1966 starb, soll Thomas Bernhard erfreut aus seinem Fernsehsessel aufgesprungen sein und in die Hände geklatscht haben: «Jetzt ist die Bahn frei, jetzt komme ich.»[3] Der ehrgeizige Jungdichter, der zu diesem Zeitpunkt sein Romandebüt «Frost» (1963) und die Erzählung «Amras» (1964) publiziert hatte, sollte recht behalten: Er hat Doderer in kürzester Zeit abgehängt, und der konnte bis heute auch keinen Meter mehr gutmachen.[4]

Bereits ein Jahrzehnt nach seinem Tod – das Eingangszitat stammt von 1976 – wurde Doderer von vielen mehr oder weniger abgeschrieben. Die affirmative Phase, in der der Autor zum «Austriae Poeta Austriacissimus» (Friedrich Torberg) stilisiert worden und die Germanistik es gewohnt war, «sich in den Analysen ganz innerhalb des von Doderers Reflexionen vorgezeichneten Verständnishorizontes aufzuhalten»,[5] kommt im Laufe der 70er-Jahre an ihr Ende. Darüber hinaus findet eine als ideologiekritisch sich verstehende Literaturwissenschaft in dem «große[n] Schweigen, mit dem [in der Doderer-Forschung, K. N.] bisher über die entscheidenden Ereignisse der Jahre 1930–38 hinweggegangen werden mußte»,[6] ein äußerst ergiebiges Studienobjekt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Mit kritischer Distanz, ja, Distanzierung[7] darf Doderer verlässlich rechnen, und die Auseinandersetzung mit seiner Verstrickung in den Nationalsozialismus steht nach wie vor im Brennpunkt des Interesses.

Der Autor des vorliegenden Buches sieht keinen Grund, hier dagegenzuhalten oder sich gar zu einer Verteidigung des Autors in politisch-biographischen Belangen aufzuschwingen, er möchte bloß nicht noch einmal in die gleiche Kerbe schlagen. Gerade weil die Mythen, Un- und Halbwahrheiten, die Doderer um seinen Beitritt zur NSDAP, der – kein Scherz! – am 1. April 1933 erfolgte, zeitlebens gewoben hat, durch Wolfgang Fleischers Biographie[8] und zuletzt in Alexandra Kleinlerchers umfänglicher Studie «Zwischen Wahrheit und Dichtung»[9] akribisch auseinandergenommen wurden, ist diesem Thema hier kein eigener Abschnitt gewidmet. Stattdessen wird der Fokus im Kapitel «Von der NSDAP zum Triple-A» (S. 117) auf die Frage gerichtet, wie und warum Doderer, dessen NSDAP-Mitgliedschaft allgemein bekannt war, nach dem Krieg in nur wenigen Jahren zum offiziellen Staatsdichter der neu gegründeten Republik avancieren konnte.

Es scheint mir unbestreitbar, dass sich der Autor von den 50er-Jahren an bis zu seinem Lebensende immer wieder an seiner politischen Verfehlung abgearbeitet hat. Zugleich ist das Thema der persönlichen Schuld von Anfang an präsent. Nicht zuletzt, um die Kontinuitäten in seinem Schaffen aufzuzeigen und den fast «fatologisch» anmutenden Bogen zu beschreiben, der den in Sibirien zum Schriftsteller gewordenen Doderer in seinem letzten, Fragment gebliebenen Roman «Der Grenzwald» wieder dorthin zurückführt, werden im Einleitungskapitel Anfang und Ende einer Karriere in einem Panoramaschwenk zusammengebracht.

Die Begriffe, Metaphern und Vergleiche, die Doderer einsetzt, um seiner ideologischen und auf Ressentiments basierenden Verstrickung auf die Schliche zu kommen, sind nicht unbedingt dazu angetan, die Sachlage aufzuklären, ganz im Gegenteil: Oft erweisen sich die vermeintlichen Erkenntnisblitze des Autors als Blendgranaten, die nichts erhellen, sondern die Sicht behindern. Seine Texte lediglich als Symptome des Verschweigens und Verschleierns zu lesen griffe dennoch zu kurz. Gute Literatur ist immer klüger als ihr Verfasser.

«[W]ir wirken nie direkt, und wir bewirken nicht das eigentlich von uns Gemeinte» (DD, 520), schreibt Doderer. Insofern passt es gut, dass der Apologet des Umwegs mit dem Faible für exzentrische Einsätze eigentlich dort am ernsthaftesten ist, wo er vorgibt, einen «Mordsblödsinn» (DM, 363) zu veranstalten. Das Kapitel über «Die große Wut des Doctor D.» versucht jedenfalls zu belegen, dass man den interessantesten und triftigsten politischen Aussagen des Autors in dessen «Merowingern» begegnen wird und nicht in den «Dämonen». In diesen hat sich Doderer zwar ganz offenkundig damit abgemüht, eine «Ideologietheorie» zu liefern, stattdessen aber lediglich eine «Ideologie der Ideologielosigkeit»[10] produziert, die ihren privilegierten Standpunkt nur behaupten, nicht aber ausweisen kann. Wie der Autor ein traumatisches Ereignis der Ersten Republik, nämlich die Proteste gegen ein flagrantes Beispiel von Klassenjustiz und deren brutale Niederschlagung am 15. Juli 1927 («Justizpalastbrand»), in den «Dämonen» einer zugleich kruden und subtilen Revision unterzieht, um es als Sinnreservoir für das im Österreich der Nachkriegszeit herrschende politische Klima aufzubereiten, soll im Kapitel über die versöhnende und verklärende Kraft des Feuers gezeigt werden.

Warum und wozu also Doderer? Der kalendarische Anlass allein – der 50. Todestag am 23. Dezember 2016 – gibt ja noch keine zufriedenstellende Antwort. Schlägt man die aktuellste umfassende Arbeit zu Doderer auf, dann scheint sich am eingangs zitierten Befund, den Hans Joachim Schröder vor knapp 40 Jahren ausgestellt hat, wenig geändert zu haben: «Sein [Doderers, K. N.] Ruhm ist im Bewusstsein der Allgemeinheit abgeblasst und weitgehend längst von anderen verdrängt (…). Wie groß in der heutigen Generation junger österreichischer Erwachsener der Anteil von jenen ist, die mit dem Namen Doderer überhaupt noch irgendwas verbinden, wurde wohl noch nicht empirisch erhoben – nach meiner persönlichen Wahrnehmung dürfte es sich um eine bescheidene Minderheit handeln.»[11]

Dagegen lässt sich nichts sagen. Doderer ist ganz gewiss ein Minderheitenprogramm – so wie auch Dante, Dickens oder Dostojewskij. Die Frage ist, ob man sich als Kritiker, Literaturwissenschaftler oder auch nur Leser um Fragen der Quote kümmern muss. Kommt man als österreichischer Doderer-Gutfinder mit deutschen Kollegen ins Gespräch, lautet die Standardreaktion entweder «Muss ich den lesen?» oder «Sollte ich wohl auch mal lesen». Was soll man da schon antworten? Niemand soll müssen. Man kann ein reiches und keineswegs ignorantes Leserinnen- und Leserleben natürlich auch ohne Doderer-Lektüre bestreiten. So wie man auch Dante, Dickens oder Dostojewskij auslassen kann. Alles immer auf die Gefahr hin, etwas zu verpassen.

Verpasst man etwas, wenn man Doderer auslässt? Na, keine Frage! Und darauf hinzuweisen ist auch das eigentliche Anliegen dieses Buches. Es will zeigen, wie die Literaturmaschine Doderer funktioniert und wie man sie zum eigenen Pläsier benutzen kann. Trotz des nicht ganz unbegründeten und auch wieder nicht ganz zu Recht erhobenen Vorwurfs, kompliziert, umständlich und verstiegen zu sein – nun ja, der Mann hat einen Roman mit dem Titel «Die Strudlhofstiege» verfasst –, werfen die Romane bei sachgemäßer Benutzung doch einen beträchtlichen Gewinn ab. Die Fusion von stadthistorischem Wissen mit einer hochpersönlichen Raum-Mythologie macht Doderer – siehe die Kapitel über das «Wien ohne Wiener» und die «Fatale Vertikale» – zu einem der größten Großstadtromanciers des 20. Jahrhunderts (mindestens). Er ist darüber hinaus «ein immens komischer Autor», ja, «einer der komischsten der Literaturgeschichte»,[12] was sich nicht nur in den «Merowingern», sondern auch in den beiden großen Wien-Romanen manifestiert. Wer’s nicht glaubt, aber gern überprüfen will, möge einfach aufs Geratewohl und ohne Verpflichtung auf die alphabetische Ordnung in das «Who ’s Who» hineinlesen, das im Anhang rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus dem Figurenarsenal der «Strudlhofstiege» und der «Dämonen» aufführt und – nicht zuletzt anhand zahlreicher Original-Zitate – charakterisiert.

Und schließlich erweist sich Doderer, dem kein Stoff und kein Sujet zu trivial oder zu minder war, als ein gewiefter Konstrukteur von Kriminal-Plots und Spannungsbögen – und dies keineswegs nur in einschlägigen Romanen wie «Ein Mord den jeder begeht». Die Ähnlichkeiten zwischen den Romanen des deklarierten Kinomuffels Doderer und den Filmen des Suspense-Genies Alfred Hitchcock sind von dem einen oder anderen Exegeten schon bemerkt worden. Sie werden hier im Kapitel «Herr von Doderer, wie haben Sie das gemacht?» aber erstmals anhand dreier Romane in extenso vorgeführt.

Die Durchquerung der «Kontinents Doderer», die hier unternommen wird, verfolgt nicht den Zweck, diesen vollständig zu vermessen. Den Autor treibt nicht der Ehrgeiz um, alle weißen Flecken, die sich auf der Landkarte noch finden, auszupinseln, sondern strikt die eigene Neugierde. Die einzelnen Kapitel oder alle zusammen sind als Essay zu verstehen, und der ist so frei, sich nicht um alles kümmern zu müssen: «Glück und Spiel sind ihm wesentlich. Er fängt nicht mit Adam und Eva an, sondern mit dem, worüber er reden will; er sagt, was ihm daran aufgeht, bricht ab, wo er selber am Ende sich fühlt, und nicht dort, wo kein Rest mehr bliebe: so rangiert er unter den Allotria.»[13]

Eine letzte Anmerkung zur barrierefreien und vergnüglichen Nutzung dieses Buches. Dem Autor ist bewusst, dass ihnen das Misstrauen von Lektorinnen, Verlegern, Buchhändlern, Leserinnen und Leser gewiss ist, aber: Fußnoten sind längst nicht so schlimm wie ihr Ruf. Sie wurden mit lockerer Hand in diesem Buch verstreut, nicht um etwaige antiakademische Affekte aufzustacheln, sondern weil a) über Doderer schon sehr viel und auch viel Kluges gesagt und geschrieben wurde und der Autor keinesfalls in den Verdacht geraten möchte, sich mit fremden Federn zu schmücken; b) die Stelle und Quelle eines Zitats für alle, die’s ganz genau wissen wollen, auf die unkompliziertest mögliche Weise auffindbar sein und c) verhindert werden soll, dass längere Zitate, weiterführende Informationen, Assoziationen und Gedanken den Lesefluss im Hauptstrom des Geschriebenen bremsen. Wer keine Lust hat, die breite Rinne des Fahrwassers zu verlassen, kann es gerne bleiben lassen. Niemand muss Fußnoten lesen. Wer’s unterlässt, macht sich keines Vergehens wider Gesetze oder gute Sitten schuldig. Allenfalls verpasst er oder sie etwas. Aber diese Gefahr lauert bekanntlich immer und überall.