Knut Görich
DIE STAUFER
Herrscher und Reich
C.H.Beck
Mit Konrad III. wird 1138 erstmals ein Mitglied des schwäbischen Adelsgeschlechts der Staufer zum römisch-deutschen König gewählt. Ihm folgen auf dem Thron Friedrich I. Barbarossa (1152–1190), Heinrich VI. (1190–1197), Philipp von Schwaben (1198–1208) und Friedrich II. (1212–1250). Nach dem Tod Friedrichs II. bricht die staufische Herrschaft zunächst in Deutschland, bald auch in Italien zusammen; sein Sohn, Konrad IV. (*1228–†1254), bleibt ungekrönt, sein Enkel, Konradin (*1252–†1268), wird von seinem Gegenspieler Karl von Anjou in Neapel hingerichtet. Mit ihm erlischt das Staufergeschlecht in männlicher Linie. In Knut Görichs glänzend geschriebener kleiner Darstellung der Staufer werden die jeweiligen Protagonisten, ihre Herrschaft, aber auch die Grundkonflikte ihrer Epoche innerhalb des Reiches sowie im Verhältnis zu Kirche und Papsttum vorgestellt. Ein Überblick über das Nachleben des berühmten Königshauses bis in die Gegenwart lässt die Grundzüge des Staufer-Mythos deutlich werden.
Knut Görich lehrt als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Zeit der Ottonen und der Staufer, früh- und hochmittelalterliche Geschichtsschreibung, Formen der Kommunikation und Interaktion sowie die «politische» Mentalität im Mittelalter bilden Schwerpunkte seines wissenschaftlichen Interesses. Für seine Forschungen über Friedrich Barbarossa wurde er mit dem Stauferpreis ausgezeichnet. Von ihm ist im Verlag C.H.Beck ferner lieferbar: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie (2011).
Stammtafel
Entdeckung und Neuentdeckung der Staufer
Königsnähe und Königsferne:
Die frühen Staufer
Königtum: Konrad III.
Kaisertum: Friedrich I. Barbarossa
Erwerb des Normannenreiches: Heinrich VI.
Thronstreit: Philipp von Schwaben und Otto IV.
Herrschaft und Konflikt in Italien: Friedrich II.
Ausblick
Die Staufer: Personen und Daten (Auswahl)
Konrad III.
Friedrich I. (Barbarossa)
Heinrich VI.
Philipp
Friedrich II.
Heinrich (VII.)
Konrad IV.
Literaturhinweise
Register
Dieses Buch widme ich
der Gesellschaft für Staufische Geschichte
in Göppingen, deren «Staufertage» seit 1971 ein Forum
für die Begegnung zwischen Wissenschaft
und Öffentlichkeit sind.
Deutschland in staufischer Zeit
Italien in staufischer Zeit
Die Staufer sind für Staat und Politik in Deutschland mittlerweile ohne Bedeutung. Das war nicht immer so. Aber wenn ‹Stauferjubiläen› heute der öffentlichen Wahrnehmung nicht ohnehin gänzlich entgehen – wie der 750. Geburtstag des letzten Staufers Konradin 2002 oder der 800. Todestag Kaiser Heinrichs VI. 1997 –, dann sind wissenschaftliche Tagungen und ein paar Zeitungsartikel die übliche, wenig feierliche Begleiterscheinung. Als sich 1990 der Tod Kaiser Friedrich Barbarossas auf dem Dritten Kreuzzug zum achthundertsten Mal jährte, prägte die Bundesbank immerhin eine Zehn-Mark-Gedenkmünze. 1990 war auch das Jahr der Vereinigung der Bundesrepublik mit der DDR. Damals rückte auch ein Berg, der die historische Phantasie der Deutschen seit dem frühen 19. Jahrhundert heftig bewegt hatte, aus bisheriger Grenzlage wieder in die Mitte Deutschlands – der beim thüringischen Nordhausen gelegene Kyffhäuser; in ihm schläft der Sage nach Friedrich Barbarossa, der den Berg verlassen wird, um die Herrlichkeit des Reiches wiederzubringen. Aber der Kyffhäuser kehrte nur ins geographische Zentrum Deutschlands zurück, nicht in sein Denken: Niemand kam auf die Idee, mit der Unterzeichnung des Einigungsvertrags durch Helmut Kohl und Lothar de Maizière die Wiederkehr des Reiches zu verbinden. Gedenkmünzen und Sonderbriefmarken, die dem Bundeshaushalt wie im Falle des Todestages Friedrich Barbarossas 1990 oder des 800. Geburtstages Friedrichs II. 1994 eine willkommene Zusatzeinnahme verschaffen, sind die einzigen Formen offizieller Würdigung, deren sich die staatlichen Institutionen bei solchen Herrscherjubiläen bedienen. Das muss man auch nicht beklagen, denn die staufischen Könige und Kaiser haben in der Bundesrepublik ihre politisch-gesellschaftliche Relevanz verloren, die seit dem frühen 19. Jahrhundert immer wieder herbeigedeutet worden ist und mittelalterliche Herrscher zu Projektionsflächen für politische Sehnsüchte der Gegenwart gemacht hatte.
Deshalb war der Anlass für die große Stuttgarter Ausstellung über «Die Zeit der Staufer» 1977 auch ein Jubiläum bundesrepublikanisch-demokratischer Geschichte: Baden-Württemberg feierte sein 25-jähriges Bestehen, und die Identität des ‹Südweststaates› sollte durch die Rückbesinnung auf die Staufer eine Art historischer Tiefendimension erhalten, denn die beiden Landesteile waren im staufischen Herzogtum Schwaben vor Jahrhunderten schon einmal vereint gewesen. Das wurde in Norddeutschland eher verständnislos als eine Art ‹schwäbische Nostalgiegrippe› wahrgenommen. Die neu benannte ‹Straße der Staufer›, die die Touristen im Ländle zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten führte, und die 40-Pfennig-Sondermarke der Bundespost mit dem einschüchternden Frontalbildnis jener Bronzebüste, die seit dem 12. Jahrhundert im Stift Cappenberg aufbewahrt wird und als Porträt Barbarossas gilt, ließen sich trefflich als Formen von ‹Stauferitis› bespötteln. Sensationell allerdings war, dass statt der erwarteten 300.000 über 700.000 Besucher den Weg ins Alte Schloss nach Stuttgart fanden und jeder Vierte den mehrbändigen Ausstellungskatalog kaufte. Mit so viel Aufmerksamkeit für mittelalterliche Kaiser hatte niemand gerechnet, am wenigsten die Mittelalterhistoriker. Bald wurde über die Motive des Erfolgs gerätselt: Neugier auf die gezeigten Schätze? Interesse am Alltagsleben im Mittelalter? «Suche nach verschütteten Bereichen der Menschlichkeit», so Arno Borst? Oder Abwehr der modernen Welt und Hinwendung zum Mittelalter und seinen Herrschergestalten? Oder doch noch die Fernwirkung des seit dem 19. Jahrhundert lange wirksamen, politisch instrumentalisierten Geschichtsbildes, das staufische Geschichte als nationale Sinnstiftung betrieb? Zwar betonte der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) ausdrücklich, dass es nicht um «einseitige Heroisierung von Herrschergestalten» ginge, beschrieb jedoch die staufische Geschichte als «Tragik und Katastrophe», die «in einem Niederbruch des mittelalterlichen deutschen Reichs und der abendländischen Kaiseridee (endete), von dem sich Deutschland nicht mehr zu alter Kraft und Geltung erholt» habe. Die staufische Vergangenheit also ein verklärter Bezugspunkt des deutschen Nationalbewusstseins? In diesem Sinne war sie seit dem 19. Jahrhundert in Büchern der Historiker, in Reden der Politiker und in Denkmälern vergegenwärtigt, in der gesellschaftlichen Erinnerungskultur immer wieder thematisiert worden. Aber gerade an diese Deutungstradition wollten die Ausstellungsmacher 1977 nicht mehr anknüpfen, denn die lange Zeit gültige Meistererzählung, in der die Geschichte der Staufer als legitimationsstiftende Vorgeschichte eines deutschen Nationalstaates mit europäischem Machtanspruch erzählt worden war, war nach den Katastrophen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert fragwürdig geworden.
Als ‹Meistererzählung› bezeichnet die moderne Geschichtsforschung eine Deutung von Geschichte, die für eine bestimmte Zeitdauer die herrschende Erzählweise des Vergangenen ist, weil sie von einem breiten gesellschaftlichen Konsens gestützt wird; sie manifestiert sich in kulturellen Gedächtnistraditionen, medialen Vergegenwärtigungen von Bildern und Denkmälern, historischen Dramen und Romanen sowie politischen Inszenierungen. Der Begriff macht darauf aufmerksam, dass Geschichtsschreibung kein wertfreies Abbild des historischen Geschehens liefert, sondern nur ein Geschichtsbild, das vom subjektiven Erkenntnisinteresse des Historikers abhängt, der sich von den Wert- und Ordnungsvorstellungen seiner eigenen Gegenwart nie völlig frei machen kann und sie häufig unwillkürlich in die Vergangenheit zurückprojiziert. Die Geschichte der Staufer war lange Zeit ein Sehnsuchtsort für nationale Hoffnungen; die Ursache dafür liegt in der späten Entstehung des deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert.
Die Hinwendung zum Mittelalter begann im späten 18. Jahrhundert zunächst als Suche nach dem Ausdruck eines deutschen Volkscharakters in Sagen und Märchen, Liedern und Erzählungen; später wurde das Mittelalter zum zentralen Motiv der Romantik. Einer ihrer Haupttheoretiker, August Wilhelm Schlegel, bezeichnete 1808 die Geschichte der Staufer als großes Feld für einen Dichter, «der wie Shakespeare die poetische Seite großer Weltbegebenheiten zu fassen wüßte». Tatsächlich wurden Heinrich VI., Friedrich II. und dessen Söhne Heinrich, Manfred und Enzo zu Helden längst vergessener Stauferdramen und Stauferdichtungen. Keinem von ihnen war jedoch eine solche Popularität beschieden wie Friedrich Barbarossa, der im 19. Jahrhundert zum politischen Mythos Deutschlands wurde: Die politischen Sehnsüchte der Gegenwart machten die Kyffhäusersage zur deutschen Nationalsage. Die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806, die Niederlagen gegen Napoleon, die beklagte Zersplitterung Deutschlands und die Hoffnung auf künftige nationale Einheit bildeten den zeitgeschichtlichen Hintergrund, vor dem die Geschichte vom schlafenden, aber wiederkehrenden Kaiser zum Symbol nationaler Einheit werden konnte. Die Gebrüder Grimm publizierten die Sage 1816 in ihrer viel gelesenen Märchen- und Sagensammlung und machten sie damit einem breiten Publikum zugänglich. Friedrich Rückert popularisierte den Stoff 1817 in seinem Gedicht «Barbarossa», das bis weit ins 20. Jahrhundert Schullektüre blieb: «Der alte Barbarossa / Der Kaiser Friederich / Im unterirdschen Schlosse / Hält er verzaubert sich. / Er ist niemals gestorben, / Er lebt darin noch jetzt; / Er hat im Schloss verborgen / Zum Schlaf sich hingesetzt. / Er hat hinab genommen / Des Reiches Herrlichkeit, / Und wird einst wiederkommen, / Mit ihr, zu seiner Zeit.» Der prophetische Gehalt der Sage vom entrückten Kaiser traf den Nerv der Zeit und formulierte erst Hoffnung, dann Enttäuschung der Patrioten angesichts ungebrochener Kleinstaaterei in der Restaurationsperiode. Für die Staufer interessierten sich aber nicht nur die Dichter: Wohl nicht zufällig ein Jahr nach dem Untergang des Alten Reiches begann der Berliner Historiker Friedrich von Raumer 1807 mit der Arbeit an seiner zwischen 1823 und 1825 erschienenen sechsbändigen «Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit». Aus diesem viel gelesenem Werk schöpften die Dichter ebenso wie die Maler Personenkonstellationen, Ereignisse und Deutungsvorschläge für ihre eigenen künstlerischen Umsetzungen der Höhepunkte staufischer Geschichte, die Raumer mit großer Sympathie für das Pathos des Untergangs als Drama von Aufstieg und Fall eines Kaisergeschlechts schilderte, das, «nach blendendem Sonnenglanze und unvergleichbarer Höhe, von einem furchtbar und beispiellos tragischen Geschick ergriffen ward und so plötzlich in die finsterste Nacht hinuntersank, dass keine Spur desselben übrig blieb und nur die treue Anhänglichkeit des Geschichtschreibers versuchen kann, eine Auferstehung hervorzubringen». Das entsprach der allgemeinen Sicht auf die mittelalterliche Kaiserzeit als einer glorreichen Vergangenheit, der eine Jahrhunderte währende Epoche nationaler Erniedrigung folgte. Der Münchener Geschichtsprofessor Wilhelm von Giesebrecht verfasste nach der auch 1848 /49 ausgebliebenen nationalen Einigung eine Darstellung jener historischen Epoche, «in welcher der Wille, das Wort und das Schwert der dem deutschen Volke entstammten Kaiser die Geschichte des Abendlandes entschieden»; besonders Barbarossa habe «Ehre und Hoheit der deutschen Nation inmitten großer Weltverwicklungen rühmlich behauptet». Der spezifische Beitrag der Historiker zum nationalen Geschichtsbild war die Monumentalisierung der Staufer im Zeichen der Macht (Klaus Schreiner). Giesebrechts zwischen 1855 und 1889 erschienene sechsbändige «Geschichte der deutschen Kaiserzeit» hatte größten Einfluss auf das Geschichtsbild des deutschen Bildungsbürgertums.
Nachdem sich die deutschen Staaten 1871 unter Preußens Führung zusammengeschlossen hatten, wurde das Mittelalter zum Fixpunkt von Geschichte und Legitimation des neuen Reichs. Zum Empfang der aus Frankreich zurückkehrenden Truppen wurde am Hoftheater in Stuttgart «Kaiser Rotbarts Erwachen» gespielt, in Karlsruhe «Kaiser Rotbart» und in Berlin «Barbarossa. Dichtung in einem Aufzug». Mochte die historische Mission der Staufer, dem Reich eine europäische Hegemonialstellung zu sichern, an fürstlichen Partikularinteressen und am päpstlichen Widerstand gescheitert sein – durch die Hohenzollern schien sie nun vollendet. Im Blick auf Barbarossa wurden Wilhelm I. Beinamen wie «Weißbart» oder «Barbablanca» gegeben. Zur staatlichen Mythenaneignung, die der zweiten Reichsgründung ihre historische Tiefe vermittelte, gehörte die bildliche Vergegenwärtigung des Staufers in Historienbildern und nationalgeschichtlichen Bilderzyklen. Auch Denkmäler erfüllten das Bedürfnis nach politischer, sozialer und kultureller Selbstverständigung im neuen Reich. Das gewaltigste Projekt wurde wenige Tage nach dem Tod Wilhelms I. am 9. März 1888 in Gang gesetzt. Die Veteranen der Kriege von 1866 und 1870 /71 wollten ihrem toten Feldherrn ein Denkmal setzen – und zwar auf dem durch den Barbarossa-Mythos geweihten Kyffhäuser. Dargestellt wurden Barbarossa und Wilhelm I. als Repräsentanten einer personalisierten Reichsidee. Dem hoch aufragenden Turm mit einem Reiterdenkmal des Preußen wurde der thronende Staufer vorgelagert; beide Figuren waren so aufeinander bezogen, dass sie aus der Tiefe des sich öffnenden Berges emporzusteigen schienen. Die Einweihung des Denkmals aus Anlass der 25-Jahr-Feier der Reichsgründung am 18. Juni 1896 geriet zu einer Nationalfeier: An Kaiser Wilhelm II. und den anwesenden Bundesfürsten marschierten über 30.000 Veteranen vorbei, in der Festrede wurde der neue Reichsgedanke mit dem staufischen Vorbild verbunden: «Noch heute wird das deutsche Gemüt mächtig ergriffen von der glanzvollen Herrlichkeit des Hohenstauferreiches.»
Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges und das Ende der Monarchie 1918, zu deren historischer Legitimation die Staufer immer wieder in Anspruch genommen worden waren, führte keineswegs zu einer Revision des Geschichtsbildes und auch nicht zur Erneuerung des geschichtswissenschaftlichen Denkens, sondern vielmehr zu dessen trotziger Bekräftigung. Die militärische Niederlage, die Demütigungen des Versailler Vertrags, insbesondere die erzwungenen Gebietsabtretungen, sowie die mangelnde Identifikationsbereitschaft mit der vermeintlich undeutschen Regierungsform einer Republik begünstigten die Sehnsucht der wieder kaiserlosen Zeit nach einer überragenden, politisch schöpferischen Herrschergestalt. Diese Hoffnungen seiner Gegenwart beeinflussten auch den jüdischen Historiker Ernst Kantorowicz. Er nahm Friedrich Nietzsches Forderung ernst, die Geschichtsschreibung solle dem Leben und seinen Herausforderungen im Hier und Jetzt dienen; in seiner 1927 erschienenen Biographie «Kaiser Friedrich II.» entwarf er das Bild eines genialen Individuums, das in Willen und Wollen seiner Zeit weit vorausgeeilt war und sein Deutschsein im Aufbau eines effektiven, geradezu modernen Verwaltungsstaates im staufischen Südreich bewiesen hatte. Die Heroisierung des Kaisers und die Verehrung des Staates folgten dem Muster, das die Historiker ihrer Schau der mittelalterlichen Kaisergeschichte schon längst eingewebt hatten. Die Deutung der staufischen Geschichte wurde zu einer Waffe im Kampf gegen die Republik, die Verherrlichung Friedrichs II. zur antimodernen politischen Prophetie (Otto Gerhard Oexle). Die Machtpolitiker im Dienst der Nation, zu denen die Kaiser im nationalen Geschichtsbild seit dem 19. Jahrhundert geworden waren, wurden umstandslos in die neue, staatlich verordnete Geschichtskonzeption der Nationalsozialisten integriert. Im Schwäbischen zogen die Abteilungen der Hitlerjugend zu Sonnwendfeiern und Fahnenweihen auf den Hohenstaufen. «Barbarossas Geist lebt wieder, hat Millionen deutscher Volksgenossen ergriffen», schrieb die Göppinger Zeitung zum «1. Hohenstaufentreffen der Hitlerjugend» im Juni 1933. Im historischen Festzug «Zweitausend Jahre Deutsche Kultur», der im Juli 1937 anlässlich der Eröffnung des «Hauses der Deutschen Kunst» durch Adolf Hitler in München stattfand, hatten natürlich auch die Staufer ihren Platz: «In Rotbart, dem staufischen Kaiser, stieg die germanische Kraft zur höchsten glanzvollen Würde. Er mehrte des Reiches Besitz und stärkte nach innen das Deutschtum.» Ein Jahrhundert Arbeit am nationalen Geschichtsbild hatte den Kaiser, der schlafend in den Berg entrückt war, zum Bezugspunkt politischer Ambitionen der Gegenwart gemacht. National verklärtes Mittelalter und Hoffnung auf den Triumph der verspäteten Nation gingen politisch aggressive Verbindungen ein: Der Deckname «Unternehmen Barbarossa» für den Angriffskrieg gegen Russland im Juni 1941 war nicht denkbar ohne die fragwürdige Karriere, die der Staufer als Symbolgestalt nationaler Wiedergeburt gemacht hat. Kantorowicz, der zu keiner Zeit zum nationalsozialistischen Historiker geworden war, schrieb im amerikanischen Exil rückblickend, man solle sein Buch über Friedrich II., das bei Himmler auf dem Nachttisch lag und das Göring an Mussolini mit Widmung verschenkte, in völlige Vergessenheit geraten lassen. Das freilich ist bis heute nicht der Fall.
Nach 1945 wurde das nationale Geschichtsbild selbstkritisch als «Vergötzung einer rein säkularen Machtidee» – so Gerhard Ritter – erkannt. Dennoch wurde es nicht sofort ungültig, schon deshalb nicht, weil die Stimmen jener Historiker, die es vor 1945 vertreten hatten, auch in der neuen Bundesrepublik noch Gewicht hatten. War vor 1945 Deutschlands Mittelalter häufig als Deutschlands Schicksal gedeutet worden, so wurde nun aber aus der Kaisergeschichte kein politischer Auftrag für die Gegenwart mehr abgeleitet, denn unübersehbar war, dass das nationaldeutsche Mittelalterbild zu den geistigen Voraussetzungen der deutschen Katastrophen im 20. Jahrhundert gehörte. Dem demokratischen Nachkriegsdeutschland konnten die Kaiser, deren Geschichte auf Machtpolitik unter nationalem Vorzeichen reduziert worden war, nicht mehr zur politischen Selbstvergewisserung dienen. Dass Filbinger 1977 beklagte, nach dem Ende der Staufer habe sich Deutschland nicht mehr zu «alter Kraft und Geltung» erholen können, war ein später Reflex nationaler Geschichtsdeutung, die aus dem allgemeinen Geschichtsbewusstsein natürlich nicht von gestern auf heute verschwunden war. Aber die Erfahrung der politischen Instrumentalisierung der Kaisergeschichte machte sensibel für Verzerrungen, die die Konzentration der alten ‹Meistererzählung› auf die Entstehung des Nationalstaates mit sich gebracht hatte. Dazu gehörte die Wertung der Italienpolitik als historischer Fehler, der die Staufer von ihren deutschen Machtgrundlagen abgelenkt und in Kämpfen mit den italienischen Kommunen und dem Papsttum habe untergehen lassen. Doch die einem solchen Urteil zugrunde liegende Handlungsalternative gab es für die Zeitgenossen nicht, denn Italien war selbstverständlicher Bestandteil des Imperiums, und die Frage nach Nutzen oder Nachteil der deutschen Nation war noch längst nicht handlungsleitend. Allein die Tatsache, dass sich Friedrich Barbarossa und Heinrich VI. zumeist, Friedrich II. den ganz überwiegenden Teil seiner Regierungszeit in Italien aufgehalten hatten, verdeutlicht, dass ihnen eine nationale Perspektive schon deshalb nicht gerecht werden kann, weil sich ihre Politik nie in einen nur deutschen Rahmen fügte. Die Darstellung des Verhältnisses zwischen König und Fürsten wurde lange als Geschichte des Machtverlusts der monarchischen Zentralgewalt beschrieben, so dass Deutschland aus dem Mittelalter – anders als die schon damals ‹moderneren› Monarchien Englands und Frankreichs – vor allem ein staatliches Modernisierungsdefizit und den charakteristischen Partikularismus geerbt zu haben schien, die beide die Entstehung des Nationalstaats verzögerten. Jedoch stand auch diese Erklärung im Schatten von Wünschen des 19. Jahrhunderts, in dem der Gegensatz zwischen ersehnter Einheit des Reichs und fürstlichen Partikularinteressen eine Frage von brennender tagespolitischer Aktualität war; im 12. Jahrhundert gehörte die Teilhabe der Fürsten an der Königsherrschaft jedoch zum «selbstverständlich praktizierten konsensualen Entscheidungsgefüge» (Bernd Schneidmüller), das Zeitgenossen wie Otto von Freising gegenüber ‹tyrannischen› Formen der Königsherrschaft als positives Kennzeichen des Reichs wahrnahmen. In einer Art retrospektiver Ungeduld interessierten sich die Historiker auch besonders für Entwicklungen, die als frühe Hinweise auf frühneuzeitliche oder moderne Staatlichkeit gelesen werden konnten; insbesondere die Inanspruchnahme des Römischen Rechts schien ein verlässlicher Indikator für Tendenzen, die auf umsichtig geplante Anstrengungen der Könige zur Modernisierung und Rationalisierung ihrer Herrschaft schließen ließen. Dieses Erkenntnisinteresse jedoch war implizit einem Modernisierungsmodell verbunden, in dem Strukturen, die sich dem angenommenen zielgerichteten Entwicklungsprozess zum Nationalstaat nicht einfügten, kaum einen Platz hatten. Jedoch wird die vorrangige Akzentuierung von Elementen moderner Staatlichkeit den «Intentionen und der Praxis der damaligen Führungsschichten» nicht gerecht (Timothy Reuter).
Die ältere Forschung konnte viele für die mittelalterliche Herrschaftspraxis charakteristische Phänomene als solche nicht erkennen, weil ihre anachronistische Vorstellung von Staatlichkeit den Blick auf die personale Dimension von Herrschaft im Mittelalter und ihre spezifischen Ausdrucksformen verstellte.
Nach dem Ende der ‹Meistererzählung› interessiert sich die Forschung heute verstärkt für das, was bei der Fokussierung auf das Werden des Nationalstaats übersehen oder verkannt worden war. Dabei zeigt sich, dass sogar der berühmt-berüchtigte ‹staufisch-welfische› Gegensatz eine Theorie der Historiker ist, die zwar der Vorstellung des 19. Jahrhunderts vom vermeintlich natürlichen Gegensatz zwischen König und Fürsten entspricht, nicht aber dem Selbstverständnis der im 12. Jahrhundert handelnden Personen; denn weder verfolgten Konrad III. und Barbarossa ‹staufische› noch Welf VI. und Heinrich der Löwe ‹welfische› Interessen, sondern ihre jeweils eigenen, von denen ihrer Verwandten durchaus verschiedene Ziele (Werner Hechberger). Besonders fremdartig erscheint außerdem, dass Könige und Kaiser ihren Herrschaftsanspruch immer wieder erneut in persönlichen Beziehungen zu Fürsten, Vasallen und Großen des Reichs aktualisieren und demonstrieren mussten, so dass ihr Handeln nicht nur als Geschichte abstrakter Konzeptionen, sondern auch ihrer Bindungen zu Personen und der dabei beachteten sozialen Normen beschrieben werden kann. Aus den Bedingungen vorstaatlicher und vormoderner, auf Personenbeziehungen gegründeter Herrschaft ergab sich die besondere Bedeutung von Ritualen und symbolischen Verhaltensweisen (Gerd Althoff), aber auch der besondere Stellenwert von Rang und Ansehen – von einer Ehre, die geradezu mörderische Zwänge ausüben konnte und um derentwillen in der ranggeordneten Gesellschaft auch von Herzögen, Königen und Kaisern manches getan wurde, was nach neuzeitlichen Vorstellungen von Staatsräson einfach widersinnig war. Es gibt keinen Grund, die Fülle der zeitgenössischen Berichte über Ehrverletzung als Konfliktursache für eine Wahrnehmung ohne Realitätsbezug zu halten; in ihnen werden vielmehr Ordnungs- und Wertvorstellungen der Zeitgenossen als Facetten ihrer Mentalität sichtbar. Solche Perspektiven verfremden vielleicht das vertraute Bild der Staufer, verdeutlichen aber gleichzeitig, dass Geschichtsbilder nicht für alle Zeiten unverrückbar und stabil bleiben.
Der Name ‹Staufer› suggeriert ein Zusammengehörigkeitsgefühl aller Mitglieder dieser Familie und auch so etwas wie eine gemeinsame ‹staufische› Politik. Doch keiner der Könige und Kaiser, die wir als Staufer zu bezeichnen gewohnt sind, hat sich jemals selbst so genannt, denn die Vorstellung, was eine Dynastie sei, unterlag seit dem Mittelalter einem historischen Wandel. Nach heute geläufiger Vorstellung ist die männliche Linie, also die agnatische Abstammung, für die genealogische Zuordnung ausschlaggebend. Zwar geht diese Vorstellung bis ins 11. Jahrhundert zurück, sie war aber lange keineswegs verbindlich. Damals gewannen Burgen oder befestigte Adelssitze als Herrschaftsmittelpunkte an Bedeutung, so dass viele Adlige ihrem eigenen Namen den Namen ihrer Burg als Herkunftsbezeichnung hinzufügten. Ein solcher Stammsitz wurde üblicherweise vom Vater auf den Sohn vererbt; dieser Normalfall des Erbgangs führte dazu, dass sich die ursprüngliche Herkunftsbezeichnung zum festen Namensbestandteil verdichtete. Weil das väterliche Erbe auch meistens der wichtigste Besitz war, wurden die Vorfahren väterlicherseits, die Agnaten, entscheidend für die Ausbildung eines bestimmten historisch-genealogisch begründeten Selbstverständnisses des Adels. Auf diese Weise kamen auch die Staufer zu ihrem Namen: Herzog Friedrich I. von Schwaben soll um 1079 auf der Burg Staufen eine Siedlung angelegt haben; seinen Nachkommen wurde daher der Name «Staufer» oder «von Hohenstaufen» beigelegt. Allerdings ist diese Namensgebung nicht zeitgenössisch, sondern ein Werk der Historiker seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Der Name hat sich seitdem als Bezeichnung für die Kaiserdynastie durchgesetzt, jedoch bleibt festzuhalten, dass sich die Nachfahren Herzog Friedrichs I. kaum jemals nach ihrem Stammsitz nannten und von ihren Zeitgenossen auch nicht so genannt wurden. Das gilt für Konrad IIIVIIIdomus StoffensisIIVIIII