Mitarbeitereinsatz im Ausland

Sicher aufgestellt im Arbeits-, Steuer- und ­Sozialversicherungsrecht

Ansas Wittkowski
Michaela Felisiak

So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiel und Fälle

Die Beispiele und Fälle in diesem Buch illustrieren das Gesagte.

 

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

 

Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und wichtige Hinweise.

 

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

 

A. Einleitung – Projekt Auslandstätigkeit

Nicht nur im beruflichen Umfeld sieht und spürt es jeder: Die Globalisierung ist einer der Megatrends unserer Zeit. In der modernen Arbeitswelt wird von Unternehmen und Mitarbeitern zunehmend u. a. mehr räumliche Flexibilität eingefordert.

Damit treffen immer mehr globale und folglich auch dy­namischere Rahmenbedingungen auf vielfach noch immer ­statische nationale Rechtsnormen. Dies bedeutet neben ökonomischen Chancen aber auch Risiken sowohl für Unternehmen als auch für deren Mitarbeiter aus Sicht des Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts.

Dieses Buch gibt anhand mehrerer beispielhafter Prozesse von Auslandstätigkeiten und zahlreicher Praktikerhinweise all denjenigen einen Roten Faden, die sich im Bereich der grenzüberschreitenden Mitarbeitertätigkeit (neudeutsch als „Global Mobility“ bezeichnet) buchstäblich bewegen.

Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden stellt nicht nur den Mitarbeiter, sondern regelmäßig auch das Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligten über keine oder nur wenig Erfahrung in diesem Bereich verfügen.

Unternehmen und Mitarbeiter wissen nicht, was auf sie an zusätzlichen Kosten, an formalen und administrativen Erfordernissen sowie an Punkten der steuerlichen Belastung und sozialen Absicherung zukommt.

 

Als praktischer Leitfaden soll ein dreistufiger Projektplan zugrunde gelegt werden. Danach wird zunächst ein den operativen Bedürfnissen entsprechendes Entsendungskonzept ausgewählt, anschließend individualisiert, d. h. an die Bedürfnisse des ins Ausland gehenden Mitarbeiters angepasst, und schließlich von den Beteiligten umgesetzt.

Insofern folgt das Buch einer Matrixstruktur, bei der einerseits zwischen den unterschiedlichen Auslandseinsätzen (Dienstreise, Entsendung und Versetzung) und andererseits zwischen den Rechtsgebieten Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht unterschieden wird.

Allgemeine Grundlagen sind im Kapitel B „vor die Klammer“ gezogen. Das Kapitel C über grenzüberschreitende Dienstreisen weist die Besonderheit auf, dass zahlreiche praktische Fragen in Form eines „FAQ“ dargestellt und beantwortet werden. Abschließend informieren die Kapitel D „Langzeitentsendungen“ und E „Versetzungen“ über die wesentlichen Aspekte dieser Konstellationen.

B. Grundsätzliches zu Auslandstätigkeiten

1. Motivationen und Entwicklungen

Die Motive, warum Unternehmen ihre Mitarbeiter zunehmend auch außerhalb ihres Heimatlandes einsetzen, können ganz unterschiedlich sein: neben reinen Personalentwicklungsmaßnahmen, gelten vor allem die Erschließung neuer Märkte und die Übernahme überregionaler Führungsaufgaben als klassische Einsatzmotive.

Mitarbeiter erwarten hingegen neben persönlicher Weiterentwicklung wie der Verbesserung von Sprachkenntnissen oder dem Kennenlernen neuer Kulturen vor allem Einkommenssteigerungen oder einen Aufstieg innerhalb der Unternehmenshierarchie nach ihrer Rückkehr.

2. Betroffene Rechtsgebiete

In der Praxis zeigt sich, dass sich eine hohe Komplexität ­daraus ergibt, dass bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen – selbst bereits innerhalb der EU – zahlreiche Rechtsgebiete betroffen sind.

Im Überblick sind dies:

 

Hierbei bestehen zwischen den einzelnen Rechtsgebieten gewisse Wechselwirkungen. So hat beispielsweise die Wahl der arbeitsrechtlichen Konstruktion Auswirkungen auf die Frage des Sozialversicherungsrechts und des Aufenthaltsrechts.

Auch steuerliche Erwägungen spielen regelmäßig eine Rolle. Daneben gibt es noch einige Besonderheiten, die weitgehend unbekannt sind: Hierzu zählen Fragen des Gewerberechts und gegebenenfalls die Notwendigkeit eines Anerkennungsverfahrens innerhalb der EU, Fragen der Registrierungspflichten sowie branchenspezifische Besonderheiten.

Gerade vor dem Hintergrund unterschiedlicher Motive und Erwartungen ist eine sorgfältige Vorbereitung unerlässlich, um das Projekt einer Auslandstätigkeit nicht scheitern zu lassen.

3. Entsendung ist nicht gleich Entsendung

Es gibt – selbst innerhalb der EU – keine einheitliche Definition des Begriffs Entsendung. Auch in Unternehmensrichtlinien wird vielfach nicht sauber unterschieden. Es ist notwendig, dass die einzelnen Rechtsgebiete differenziert betrachtet werden und man weiß, dass beispielsweise der arbeitsrechtliche Begriff einer Entsendung von dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff abweicht.

Hierzu im Einzelnen:

3.1 Arbeitsrechtliche Basics

Aus arbeitsrechtlicher Sicht müssen sich das Unternehmen und der Mitarbeiter im Vorfeld bei jedem Auslandseinsatz über die Vertragskonstruktion Gedanken machen. Hierbei spielen insbesondere zwei Themen eine Rolle:

  • Vertragsgestaltung
  • Arbeitsbedingungen im Zielland

a. Vertragsgestaltung

Für die Vertragsgestaltung sind wiederum zwei Fragen entscheidend:

  • Sind Änderungen/ Ergänzungen an dem deutschen Arbeitsvertrag nötig?
  • Ändert sich durch den Auslandseinsatz etwas an dem Vertragsarbeitgeber?

Ob Änderungen an dem deutschen Arbeitsvertrag notwendig sind, bestimmt sich insbesondere nach

  • den einzuhaltenden Arbeitsbedingungen im Zielland (vgl. Ziffer 3.1 b. Arbeitsbedingungen im Zielland ab Seite 18)
  • der Dauer des geplanten Auslandseinsatzes (vgl. Ausführungen zu Dienstreisen auf Seite 13 sowie § 2 Absatz 2 Nachweisgesetz)
  • dem Verhandlungsgeschick des jeweiligen Mitarbeiters oder betrieblichen Regelungen (bspw. im Hinblick auf zu zahlende Allowances etc.).

Änderungen bzw. Ergänzungen des deutschen Arbeitsvertrags können selbst bei kurzen Dienstreisen innerhalb der EU notwendig sein. Dies ist z. B. der Fall, wenn der einzuhaltende Lohn am Einsatzort höher ist als die reguläre Vergütung in Deutschland. In diesem Fall ist jedenfalls für die Dauer des Auslandseinsatzes eine Zusatzvereinbarung abzuschließen. Anders können Unternehmen nicht nachweisen, dass die Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden.

 

Im Grundsatz gilt folgendes: Ob eine Änderung des Vertragsarbeitgebers notwendig ist, hängt von der während der Auslandstätigkeit gelebten Praxis ab. Eine Änderung des Vertragsarbeitgebers (Aufhebung oder Ruhendstellung des deutschen Arbeitsvertrags und Abschluss eines lokalen Anstellungsvertrags) ist insbesondere notwendig, wenn

  • der Mitarbeiter während des Auslandseinsatzes nicht mehr in den deutschen Betrieb eingegliedert ist.
  • das arbeitgeberseitige Direktionsrecht von dem am Einsatzort ansässigen Unternehmen ausgeübt wird und dieses Weisungen erteilt.
  • dies aus atmosphärischen oder rechtlichen (bspw. in Bezug auf das Aufenthaltsrecht) Gründen erforderlich ist.

Grob können aus arbeitsrechtlicher Sicht folgende drei Konstellationen unterschieden werden:

 

Zu den Konstellationen im Einzelnen:

Vertragskonstruktion bei einer Dienstreise/ Geschäftsreise

Unter einer grenzüberschreitenden Dienstreise versteht man einen Einsatz im Ausland von ein paar Tagen.

In vielen Unternehmen besteht das Verständnis, dass eine Dienstreise sich zu einer Entsendung in zeitlicher Sicht unterscheidet. Danach kann eine Dienstreise bis zu drei Monaten andauern.

Dies kann zwar für das Arbeitsrecht – aber beispielsweise nicht für das Sozialversicherungsrecht – richtig sein.

D. h. bereits die Frage, wie lange eine grenzüberschreitende Dienstreise bzw. Geschäftsreise sein darf, bevor man von einer Entsendung spricht, lässt sich nicht pauschal beantworten.

Die allgemein gängige Definition einer Dienstreise als Tätigkeit von bis zu drei Monaten ist rechtlich oft nicht zutreffend.

 

Dieses weit verbreitete Verständnis von einer Dienstreise (Dauer bis zu 90 Tage) resultiert aus dem Steuerrecht und knüpft an den Zeitraum an, in dem Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten geltend gemacht bzw. von dem Unternehmen steuerfrei ausbezahlt werden kann.

Arbeitsrechtlich knüpft man hingegen nicht an einen 90-Tage-Zeitraum, sondern nach § 2 Abs. 2 Nachweisgesetz an die Dauer von maximal einem Monat an.

D. h. ab einem Auslandseinsatz von einem Monat (bei Bedarf auch schon früher) soll aus deutscher Sicht eine Entsendevereinbarung abgeschlossen werden, die die wesentlichen Aspekte des Auslandseinsatzes regelt.

Auch bei Dienstreisen von wenigen Tagen sind verschiedene Aspekte zu prüfen. So muss beispielsweise geprüft werden, ob die Mitarbeiter im Vorfeld online zu registrieren sind. In fast allen Mitgliedstaaten der EU gibt es Meldepflichten, die ab Tag eins des Auslandseinsatzes Anwendung finden und zwingend im Vorfeld zu beachten sind. Andernfalls drohen massive Geldstrafen, vgl. Kapitel C. Ziffer 2.1, ab Seite 52).

Gleiches gilt aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht. Dort wird eine grenzüberschreitende Dienstreise als Entsendung qualifiziert, was zu einer Mitführungspflicht der A1-Bescheinigung führt (vgl. Ziffer 3.3 Sozialversicherungsrechtliche Basics, ab Seite 33)

 

Arbeitsrechtlich versteht man unter einer grenzüberschreitenden Dienstreise einen Auslandseinsatz von bis zu einem Monat.

 

Entsendung

Obwohl für den Begriff der Entsendung keine für alle Rechtsgebiete allgemeingültige Definition existiert, wird der Begriff Entsendung vielfach als Oberbegriff verwendet.

Arbeitsrechtlich versteht man unter einer Entsendung Vertragskonstellationen, in denen das ursprüngliche Arbeitsverhältnis in Deutschland während des Zeitraums des Auslandseinsatzes nicht aufgehoben wird, sondern – in welcher Form auch immer – fortbesteht. In der Regel wird der deutsche Arbeitsvertrag in diesen Fällen um eine sogenannte Entsendevereinbarung ergänzt.

Wichtig ist hierbei zu wissen, dass es sich bei der Entsendevereinbarung um einen Zusatzvertrag handelt, der rechtlich an dem deutschen Arbeitsvertrag hängt und nicht separat gekündigt werden kann. Sollten also Komplikationen im Ausland auftreten, kann die Entsendevereinbarung weder von dem deutschen Unternehmen noch von dem Mitarbeiter im Ausland einseitig gekündigt werden. Vielmehr wäre eine einvernehmliche Vertragsänderung notwendig.

Dies ist bereits bei der Vertragsgestaltung zu beachten, in dem Rückrufrechte bzw. -pflichten vereinbart werden. Hier ist wiederum das Transparenzgebot im Sinne einer AGB-Kontrolle zwingend zu berücksichtigen.

Auch können u. a. Fragen einer etwaigen ordnungsgemäßen Befristung rechtlich zu klären sein.

In vielen Konzernen existieren Entsendungsrichtlinien, welche die Details des Mitarbeitereinsatzes im Ausland ebenso wie die Gewährung von Zulagen im Rahmen einer Entsendung regeln.

In der Praxis durchaus übliche Zulagen sind z. B. Kaufkraftausgleich, Auslandszulage, Mietzuschuss, Dienstwagen, Schulgebühren, Umzugskosten, „Look and see trips“, Sprachunterricht, Kulturtraining und nicht zuletzt der Steuerausgleich.

 

Arbeitsrechtlich versteht man unter einer Entsendung eine Vertragskonstellation, in der der deutsche Arbeitsvertrag fortbesteht, jedoch um eine Entsendevereinbarung ergänzt wird.

 

Lokaler Vertrag („Versetzung“)

Aus arbeitsrechtlicher Sicht wird bei einer Versetzung der deutsche Arbeitsvertrag aufgehoben oder ruhend gestellt und parallel dazu ein lokaler Arbeitsvertrag im Ausland geschlossen.

Die Motivation für diese Konstruktion kann unterschiedlicher Natur sein. Hier können beispielsweise atmosphärische Gesichtspunkte eine Rolle spielen, aber auch ausländerrechtliche Aspekte, wenn ein lokaler Arbeitsvertrag zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Zielland notwendig ist.

In der Praxis wird dieses Vertragsmodell bislang oftmals nur gewählt, wenn der Auslandseinsatz für eine längere Zeit geplant ist. Mitarbeiter haben in der Regel kein Interesse daran, einen ausländischen Vertrag zu erhalten. Für Unternehmen kann dies hingegen von Vorteil sein.

Bei der Aufhebung oder Ruhendstellung des deutschen Arbeitsvertrags werden sozialversicherungsrechtliche Nachteile für den betroffenen Mitarbeiter vermutet.

Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht liegt bei dieser Vertragskonstruktion keine Entsendung vor. Dennoch kann ein Verbleib in der deutschen Sozialversicherung erreicht werden (vgl. Ziffer 3.3 Sozialversicherungsrechtliche Basics, ab Seite 33).

 

Arbeitsrechtlich versteht man unter einer Versetzung eine Vertragskonstellation, in der der deutsche Arbeitsvertrag aufgehoben wird und ein lokaler Arbeitsvertrag im Zielland – nach dem dort anzuwendenden Recht – geschlossen wird.

 

b. Arbeitsbedingungen während eines Auslandseinsatzes

Selbst bei einer grenzüberschreitenden Dienstreise, die keine Vertragsänderung aus den vorgenannten Gründen voraussetzt, kann es zwingend erforderlich sein, dass für die Zeit des Auslandseinsatzes eine Zusatzvereinbarung geschlossen wird.

Hintergrund hierfür ist, dass selbst bei einer Dienstreise (unabhängig von der Dauer) innerhalb der EU die jeweiligen Arbeitsbedingungen des Ziellands beachtet und eingehalten werden müssen.