Viele Menschen leiden unter Beziehungen, die sich verändert haben, die nicht mehr funktionieren, in denen man sich entfremdet hat. Oft bleibt unklar, warum der Kontakt und die Nähe zu einer Person verloren gegangen sind – Unsicherheit, Trauer, Wut oder auch Sehnsucht lösen vielfach schmerzhafte Gefühle aus.
Als Seelsorgerin und Psychotherapeutin wurde Ilse Sand mit verschiedensten Beziehungsproblemen konfrontiert, sei es in der Familie, sei es zwischen Freunden, sei es in der Partnerschaft. Sie stellt zahlreiche Strategien und Übungen vor, die helfen können, eine Beziehung zu retten und zu verbessern, sie gibt Anregungen und Unterstützung, wie sich Worte finden lassen, um wieder Vertrauen und Offenheit zu gewinnen und neue Perspektiven aufzutun.
Ein Buch für all diejenigen, die das Bedürfnis spüren, eine Beziehung zu klären, um herauszufinden, welche Möglichkeiten es gibt, sie wieder in Ordnung zu bringen oder auf gute Weise zu beenden.
Ilse Sand hat an der Universität Aarhus in Dänemark Theologie studiert. Ihre Abschlussarbeit schrieb sie über Søren Kierkegaard und C.G. Jung. Sie hat außerdem eine Ausbildung als Psychotherapeutin absolviert.
Mehrere Jahre arbeitete sie als Gemeindepastorin und später als privat praktizierende Psychotherapeutin. Darüber hinaus war sie als Dozentin tätig und gab Seminare. Ilse Sand ist Autorin zahlreicher Bücher, darunter der internationale Bestseller Die Kraft des Fühlens: Hochsensibilität erkennen und positiv gestalten.
Ilse Sand
Ich vermisse dich!
Wie man eine zerrüttete Beziehung rettet – oder loslässt
Aus dem Englischen von Lena Rudert
Tübingen
2020
Kontaktadresse:
Ilse Sand
E-Mail: info@ilsesand.dk
Homepage: www.ilsesand.com
First published in 2018 by Forlaget Ammentorp, Denmark, with the title: Savner du én? Guide til at hele en beskadiget relation – eller give slip
Translated in English by Russel Dees, Do You Miss Someone? How to heal a damaged relationship – or let it go
Copyright © Ilse Sand 2018
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2020 dgvt-Verlag
Im Sudhaus
Hechinger Straße 203
72072 Tübingen
E-Mail: dgvt-Verlag@dgvt.de
Internet: www.dgvt-Verlag.de
Umschlagfoto: photocase.de, © Mcdeekey
Umschlaggestaltung: Vogelsang Design, Jens Vogelsang, Aachen
Layout: VMR, Monika Rohde, Leipzig
eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
Auch als Printausgabe erhältlich: ISBN 978-3-87159-229-4
ISBN 978-3-87159-449-6
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Die Bedeutung von Beziehungen für Ihr Wohlergehen
Kapitel 1
Finden Sie den Mut, sich Beziehungsproblemen zu stellen
Rechtfertigungen und Antworten
Kapitel 2
Prüfen Sie Ihre Gedanken, Wünsche und Gefühle
Schreiben Sie einen Abschiedsbrief
Lassen Sie die betreffende Person los
Erforschen Sie Ihre eigenen Wünsche
Reden Sie mit einem Foto
Ihre Worte können den Weg für eine neue Klarheit ebnen
Kapitel 3
Abwehr, Ärger und Gereiztheit wahrnehmen
Passive Wut
Vielleicht gilt Ihre Wut etwas ganz anderem
Verschiebung von Wut
Vielleicht empfinden Sie die Wut anderer
Kapitel 4
Zeigen Sie, dass Sie offen für die Sichtweise der anderen Person sind
Niemand ist im Besitz der „ganzen Wahrheit“
Deine und meine Version
Wie Sie Ihre Offenheit für die Sichtweise der anderen Person zeigen
Kapitel 5
Den ersten Schritt machen
Telefon, E-Mail oder von Angesicht zu Angesicht
Der Vorschlag, etwas Schönes zusammen zu unternehmen
Kapitel 6
Ein vertrauliches Gespräch initiieren
Sinnvolle Gespräche auf der vierten Ebene
Kapitel 7
Laden Sie die betreffende Person ein, ihre Meinung zu sagen
Zugeständnisse machen
Wenn die andere Person Sie nicht verletzen will
Wenn Sie ebenfalls Ihre Meinung äußern wollen
Es ist nicht immer für beide Seiten möglich, sich auszusprechen
Kapitel 8
Etwas Gutes bekommen, auch wenn die andere Person nicht viel zu geben hat
Helfen Sie der anderen Person, Ihnen zu helfen
Kapitel 9
Versteckten Ursachen auf den Grund gehen
Verschiedene Gründe, weshalb die andere Person sich zurückgezogen haben könnte
1.Die andere Person hat sich verändert und hat neue Freunde
2.Der Grund hat vielleicht wenig mit Ihnen zu tun
3.Die andere Person findet, dass hauptsächlich Sie von der Beziehung profitieren
4.Die andere Person ist neidisch auf Sie
Kapitel 10
Lassen Sie die andere Person anders sein
Sind Sie sich zu ähnlich geworden?
Konfluenz zwischen Eltern und Kindern
Kapitel 11
Sehen Sie sich Ihre Familie an
Beziehungskompetenzen werden vererbt
Prioritäten setzen: etwas Gutes weitergeben
Kapitel 12
Ihre Gründe für den Abbruch einer Beziehung erkennen
1.Mit der betreffenden Person fühle ich mich nicht mehr entspannt
2.Die Probleme der anderen Person belasten mich zu sehr
3.Ich fühle mich zunehmend gelangweilt mit der anderen Person
4.Die andere Person hat mich in eine Rolle gedrängt, die sich falsch anfühlt
5.Ich bin der anderen Person nicht mehr wichtig genug
6.Die andere Person verletzt mein Selbstbild
7.Die andere Person übt psychische oder physische Gewalt gegen mich aus
Kapitel 13
Auf gute Weise Abschied nehmen
Ein guter Abschied kann wichtig sein
Kapitel 14
Hinterlassen Sie etwas Gutes, auch wenn Sie gehen
Aussöhnung und Vergebung
Um Vergebung bitten
Die Forderung nach einer Entschuldigung fallen lassen
Eine neue Perspektive
Nachwort
Seien Sie freundlich
Test
Wie weit sind Sie für die andere Person zu gehen bereit?
Literatur
Danksagung
Vorwort
Wie können wir jemandem, zu dem wir auf ungeklärte Weise Kontakt und Nähe verloren haben, wieder mit Vertrauen und Offenheit begegnen?
Gibt es ein Familienmitglied oder einen Freund, den Sie vermissen, aber aus irgendeinem Grund nicht mehr sehen? Vielleicht ist die Situation auch die, dass Sie sich zwar sehen, möglicherweise sogar zusammenleben, aber nicht zu der Offenheit und der emotionalen Verbindung zurückfinden, die zwischen Ihnen einmal bestanden hat.
Als Seelsorgerin und Psychotherapeutin habe ich mit vielen Menschen über ihre Beziehungen gesprochen und dabei festgestellt, wie wenig sie darüber wussten, wie man eine beschädigte Beziehung wieder aufbauen kann. Viele denken, es gehe darum, sich zu erklären oder zu rechtfertigen, aber Rechtfertigungen machen oft alles noch schlimmer. Es gibt andere, viel wirksamere Wege, mit einer solchen Situation umzugehen.
In diesem Buch stelle ich verschiedene Strategien vor, die Ihnen dabei helfen können, eine Beziehung zu retten oder zu verbessern. Ich gebe Ihnen viele Beispiele und Vorschläge zu Formulierungen, die Sie in verschiedenen Situationen verwenden können.
Am Ende jedes Kapitels finden Sie Übungen, die Ihnen helfen können, sich selbst und Ihre Beziehung in einem klareren Licht zu sehen. Manche Übungen können heftige Emotionen unterschiedlicher Art auslösen. Bevor Sie mit den Aufgaben beginnen, kann es also eine gute Idee sein, vorher mit einer Freundin zu vereinbaren, dass Sie sie anrufen können, wenn Sie während oder nach der Übung Redebedarf haben.
Sie können entweder gleich das ganze Buch durchlesen oder es als Ideengeber und Nachschlagewerk verwenden. Die detaillierte Inhaltsangabe sowie die kurzen Zusammenfassungen nach jedem Kapitel sollen Ihnen die Orientierung erleichtern.
Die meisten Menschen verändern und entwickeln sich im Laufe ihres Lebens. Es ist vollkommen normal, dass sich Beziehungen verändern oder auflösen und Platz für neue Freundschaften machen. Es ist nicht Ziel dieses Buchs, Sie zu ermutigen, sich mit Zähnen und Klauen an Gewesenes zu klammern. Wenn allerdings tiefe Freundschaften oder innerfamiliäre Beziehungen aufgrund von Missverständnissen oder nie gelösten Konflikten auseinanderbrechen, kann es viele gute Gründe geben, innezuhalten und herauszufinden, welche Möglichkeiten es gibt, die Beziehung wieder in Ordnung zu bringen.
In diesem Buch möchte ich mich in erster Linie zugunsten von Beziehungen starkmachen und Menschen dazu anregen, neue Chancen für möglicherweise längst aufgegebene Beziehungen zu erkennen. Das muss nicht heißen, dass es immer das Beste ist, Kontakte aufrechtzuerhalten. Es gibt ganz sicher Situationen, die es notwendig machen, jemanden loszulassen – um sich selbst zu schützen oder weil es einfach die am wenigsten schmerzhafte Lösung ist. In Kapitel 12 finden Sie einige der häufigsten guten (und weniger guten) Gründe, jemanden gehen zu lassen.
Ich beziehe mich in diesem Buch vorwiegend auf Erfahrungen aus meiner praktischen Arbeit als Seelsorgerin und – später – als Psychotherapeutin. Ich habe als Paartherapeutin gearbeitet, Eltern dabei unterstützt, wieder in Kontakt zu ihren Kindern zu kommen, die sich ihnen entfremdet hatten, und ich wurde dabei mit den verschiedensten Beziehungsproblemen konfrontiert. Außerdem kann ich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Mehr darüber können Sie in der Einleitung lesen.
Am Ende des Buchs finden Sie einen Test, den ich eigens hierfür entwickelt habe. Sie können damit Ihre Bereitschaft messen, mit der Person, die Sie vermissen, wieder Kontakt aufzunehmen. Der Test kann Ihnen helfen, herauszufinden, wie weit Sie zu gehen bereit sind.
Statt jedes Mal „er oder sie“ zu schreiben, habe ich mich dafür entschieden, keine einheitliche Genderform für Personen zu verwenden, deren Geschlecht ich nicht kenne. Ich hoffe, Ihnen als Leser wird es nicht schwerfallen, ein „sie“ durch ein „er“ zu ersetzen bzw. umgekehrt, wenn es für Sie um die Beziehung mit einem Mann oder mit einer Frau geht.
Hald Hovedgaard, Juni 2018
Ilse Sand
Einleitung
Die Bedeutung von Beziehungen für Ihr Wohlergehen
Eines Tages saß ich dem Pastor und Psychotherapeuten Bent Falk gegenüber und erzählte ihm, wie wütend ich auf meinen Vater war, den ich seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte. „Sie sind nicht wütend“, sagte Bent Falk mit ernster Miene. Ich erstarrte und konnte nur noch stammeln: „Aber dann, ich weiß nicht …“, bevor ich in Tränen ausbrach und – ganz plötzlich – fühlen konnte, wie sehr ich ihn vermisste, obwohl ich mich selbst von ihm abgewandt hatte.
Erst später verstand ich, dass der Grund, weshalb ich nicht mit meinem Vater im selben Raum sein konnte, nicht Wut auf ihn war. Die Wut war eher ein Schutzschild. Gleich darunter lagen viel stärkere Gefühle – und zwar eine tiefe Sehnsucht nach Liebe, Nähe und Zusammengehörigkeit.
Damals hatte ich Angst, mich diesem Gefühl des Verlusts hinzugeben und den Tränen freien Lauf zu lassen. Die Sache war klar: Wir konnten uns emotional nicht mehr erreichen. Aber wir standen uns sehr nah, als ich ein kleines Mädchen war – und das saß in mir als eine schmerzliche Sehnsucht, die es mir unmöglich machte, irgendeine Form oberflächlichen Kontakts zu ihm zu ertragen.
Es vergingen viele Jahre, bevor ich mich durch diese vielen Schichten von Schmerz, Angst und Scham hindurchgearbeitet hatte und in der Lage war, mich meinem Vater wieder emotional zu nähern und in seiner Gegenwart entspannt und authentisch zu sein. Und ich entdeckte, dass die warmen Gefühle, die es einmal zwischen uns gegeben hatte, auf beiden Seiten noch vorhanden waren.
Viele Menschen fühlen sich einsam, weil wichtige Beziehungen, die sie einmal hatten, auseinandergebrochen sind, sich allmählich aufgelöst haben oder oberflächlich geworden sind. Die Verletzungen und Frustrationen nach dem Verlust wurden häufig nicht ausreichend verarbeitet, um zuversichtlich neue Beziehungen eingehen zu können. Möglicherweise wird die nächste Beziehung etwas distanzierter sein, weil die betreffende Person Angst davor hat, sich zu öffnen, sich abhängig und verletzlich zu machen.
Ihr Wohlergehen ist extrem abhängig von den Beziehungen, die Sie eingehen. Menschen mit gesunden, engen und stabilen Beziehungen geht es meistens gut, während andere, die sich mit niemandem eng verbunden fühlen, oft wenig Lebensfreude empfinden.
Wenn man sich mit einer früheren oder einer aktuellen Beziehung eingehend beschäftigt, darüber redet – und sie irgendwann verarbeitet –, kann es sein, dass diese Beziehung wieder zum Leben erwacht. In anderen Fällen führt es dazu, endlich loszulassen und mit mehr Mut und Motivation neue Beziehungen einzugehen.
Ich hoffe, die Ratschläge und Werkzeuge in diesem Buch helfen Ihnen, eine oder mehrere Ihrer Beziehungen zugunsten aller Beteiligten zu verbessern. Sollte sich herausstellen, dass eine Heilung nicht möglich ist, kann es Sie möglicherweise dazu anregen, die Beziehung auf angemessene Weise zu beenden, sodass Sie sich befreit fühlen und genug Energie gewinnen, um neue Beziehungen zu finden und zu pflegen.
Kapitel 1
Finden Sie den Mut, sich Beziehungsproblemen zu stellen
Auch wenn Ihnen eine disharmonisch gewordene Beziehung schwer auf der Seele liegt, kann es lange dauern, bevor Sie endlich entscheiden, etwas dagegen zu tun. Vielleicht fehlt Ihnen die richtige Strategie. Vielleicht stellen Sie sich auch selbst ein Bein durch wenig hilfreiche Gedanken, die Sie daran hindern, sich dieser Aufgabe anzunehmen.
Möglicherweise bedienen Sie sich einer der Rechtfertigungen, die im Folgenden erläutert werden.
Rechtfertigungen und Antworten
1.Wenn die betreffende Person Interesse an mir hätte, würde sie sich ja von selber melden.
2.Die andere Person ist wahrscheinlich böse auf mich.
3.Ich hätte mich viel früher melden sollen. Jetzt ist es zu spät.
4.Es wäre ein Zeichen von Schwäche, zurückgekrochen zu kommen.
5.Wenn ich den Kontakt suche und die betreffende Person mich zurückweist, werde ich es bereuen, die Initiative ergriffen zu haben, und das wird mir nicht guttun.
6.Die betreffende Person hat mir gesagt, dass sie keinen Kontakt zu mir haben will.
7.Das einzig Angemessene wäre, wenn die andere Person die Initiative ergreifen würde.
8.Wenn die betreffende Person keinen Kontakt zu mir will, spielt das keine Rolle. Es ist mir nicht wichtig.
Vielleicht erkennen Sie ja eine oder mehrere dieser Rechtfertigungen wieder, vielleicht haben Sie aber auch ganz andere.
Im Folgenden finden Sie Antworten auf alle acht Rechtfertigungen.
Antwort auf 1: Wenn die betreffende Person Interesse an mir hätte, würde sie sich ja von selber melden.
Es kann viele andere Gründe geben, weshalb sie nicht die Initiative ergriffen hat.
Vielleicht fürchtet sie, dass Sie ihr böse sind. Vielleicht hat sie irgendetwas falsch verstanden. Vielleicht haben Sie sie verletzt, ohne es zu merken. Vielleicht wartet sie darauf, dass Sie die Initiative ergreifen. Alles gute Gründe, um herauszufinden, warum Sie nichts mehr von der betreffenden Person gehört haben.
Antwort auf 2: Die andere Person ist wahrscheinlich böse auf mich.
Das könnte sein. Wahrscheinlich sind Sie auch böse auf sie. Ein Treffen könnte diesen Zorn mildern – zumindest versetzt es Sie in die Lage, Missverständnisse aufzuklären, und wäre auf jeden Fall eine Erleichterung für Sie beide.
Antwort auf 3: Ich hätte mich viel früher melden sollen. Jetzt ist es zu spät.
Solche Dinge verjähren nicht. Solange Gedanken und Gefühle, die die andere Person betreffen, noch ein wichtiger Teil Ihres Denkens und Fühlens sind, gibt es genug Gründe, an der Beziehung zu arbeiten und Kontakt aufzunehmen.
Antwort auf 4: Es wäre ein Zeichen von Schwäche, zurückgekrochen zu kommen.
Es ist ein Zeichen von Stärke, entschlossen und initiativ zu sein. Und es ist mutig, Ihre verletzliche Seite zu zeigen und gleichzeitig konstruktiv daranzugehen, etwas Beschädigtes wieder zu reparieren – oder doch wenigstens die Initiative für einen angemessenen Abschluss zu übernehmen. Seinen Stolz zu überwinden und auf die andere Person zuzugehen, zeugt von innerer Stärke.
Antwort auf 5: Wenn ich den Kontakt suche und die betreffende Person mich zurückweist, werde ich es bereuen, die Initiative ergriffen zu haben, und das wird mir nicht guttun.
Dass es Ihnen hinterher leidtut, können Sie verhindern, indem Sie schon im Vorfeld entscheiden, wie Sie mit einer Zurückweisung umgehen wollen. Sie könnten sich z. B. einfach sagen: „Guter Versuch“ und sich selbst auf die Schulter klopfen, weil Sie aktiv geworden sind, Mut und Flexibilität gezeigt haben. Oder Sie suchen sich eine Freundin zur Unterstützung, die sich bereithält, um Ihnen zuzuhören und Ihnen den Rücken zu stärken, wenn es nicht gut gelaufen ist.
Antwort auf 6: Die betreffende Person hat gesagt, dass sie keinen Kontakt zu mir haben will.
Natürlich können Sie das respektieren – wenigstens für eine gewisse Zeit. Aber nachdem die betreffende Person eine Weile Abstand zu Ihnen hatte, spricht vieles dafür, mal zu schauen, ob sich nicht etwas geändert hat. Vielleicht können Sie irgendetwas Neues vorbringen, das die Betreffende dazu bewegt, ihre Meinung zu ändern.
Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Betreffende Sie im Zorn verlassen hat wie ein kleines Kind, das wegläuft und ruft: „Ich komme nie mehr wieder!“, und sich dabei gewünscht hat, Sie würden sie aufhalten.
Gelingt es Ihnen, die andere Person wenigstens zu einem einzigen Treffen zu überreden, könnten Missverständnisse aufgeklärt werden und Sie beide wären vielleicht fähig, zu neuer Offenheit und Vertrauen zurückzufinden. Auch wenn es nicht möglich ist, die Beziehung wieder aufzunehmen, kann so ein Treffen wichtig für Ihren zukünftigen inneren Frieden sein.
Antwort auf 7: Das einzig Angemessene wäre, wenn die andere Person die Initiative ergreifen würde.
Fragen Sie lieber nicht nach dem, was angemessenen, sondern nach dem, was möglich ist.
Man könnte natürlich sagen, es sei angemessen, wenn die Person, die den Kontakt abgebrochen hat, die Initiative ergreift, um ihn wieder aufzunehmen. Und wenn es um die Beziehung zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern geht, ist es die natürlichste und vernünftigste Sache, wenn die Eltern auf das Kind zugehen und nicht umgekehrt. Aber wenn wir mal beiseitelassen, was richtig und angemessen wäre, und stattdessen das in den Fokus stellen, womit wir die besten Ergebnisse erzielen können, sieht die Sache ganz anders aus. Am größten ist die Erfolgsquote dann, wenn die psychisch stabilste und flexibelste Person nachgibt und anfängt, eine Brücke zu bauen, und – wenn nötig – sogar den ganzen Weg über die Brücke geht, um die andere Person auf deren vertrautem Terrain zu treffen.