Die Jungfrau von Orleans

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Fußnoten

  1. Friedrich Schiller, Brief an Christoph Martin Wieland
    vom 19. Oktober 1801, in: F. S., Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 5: Dramen IV, hrsg. von Matthias Luserke, Frankfurt a. M. 1996, S. 631.

  2. Friedrich Schiller, »Ueber die tragische Kunst«, in: F. S.,
    Vom Pathetischen und Erhabenen. Schriften zur Dramentheorie, hrsg. von Klaus L. Berghahn, Stuttgart 2009, S. 39–64, hier S. 58.

  3. Friedrich Schiller, Brief vom 20. August 1799 an Johann Wolfgang von Goethe, in: F. S., Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 12: Briefe II. 1795–1805, hrsg. von Norbert Oellers, Frankfurt a. M., 2002, S. 479.

  4. Schiller (s. Anm. 2), S. 62.

  5. Ebd., S. 44.

  6. Ebd., S. 40.

  7. Friedrich Schiller, Kallias oder über die Schönheit, in: F. S., Kallias oder über die Schönheit. Über Anmut und Würde, hrsg. von Klaus L. Berghahn, bibliograph. erg. Ausg., Stuttgart 1994, S. 3–65, hier S. 55.

  8. Friedrich Schiller, Brief vom 5. August 1803 an August
    W. Iffland, in: Schiller (s. Anm. 3), S. 668.

  9. Friedrich Schiller, Über Anmut und Würde, in: Schiller
    (s. Anm. 7), S. 69–136, hier S. 111.

  10. Schiller (s. Anm. 9).

Schiller verfolgte mit seinem Stück ästhetisch-künstlerische, aber auch erzieherische Absichten: So wollte er mit seiner Johanna unter anderem eine literarische Figur erschaffen, die den deutschen Leserinnen und Lesern die Gelegenheit bot, die aktuellen politischen Probleme um 1800 kritisch zu beobachten

Johanna tritt als »Gottes Kriegerin« (V. 2547) auf, die als »heilig wie die Engel« (V. 3523) verehrt wird: Sie führt das Heer des französischen Königs Karl VII. gegen das englische Heer und das des verbündeten Herzogs von Burgund in erfolgreiche Schlachten (V. 1075–83) und erntet dafür die Ehrerbietung des französischen Königs und seiner Anhänger. Nach eigener Angabe wurde sie von der Erscheinung der Mutter Gottes dazu berufen. Dramatischer Konflikt: göttliche Berufung vs. irdisches VerlangenDer dramatische Konflikt ergibt sich daraus, dass Johanna, die der Ehe als »weltlich eitle[r]« (V. 2198) Freude entsagt, um sich auf ihre Aufgabe als Kriegerin konzentrieren zu können, plötzlich doch ein weltliches Verlangen verspürt. Die göttliche Berufung zwingt sie nicht nur dazu, ihren vertrauten Familienkreis und ihre Heimat zu verlassen, sie soll auch der »ird’schen Liebe widersteh[en]« (V. 1089). Zunächst scheint es Johanna leichtzufallen, auf eine romantische Beziehung zu verzichten – doch verliebt sich schließlich ausgerechnet in den feindlichen englischen Heerführer Lionel.

Differenziert stellt Schiller die Entwicklung Johannas von der gläubigen Schafhirtin zur Gotteskriegerin

In Die Jungfrau von Orleans zeigt sich Schillers Interesse daran, mit Einsatz theatralischer Effektetheatralischen Mitteln zu experimentieren. Durch den Einsatz von bisher wenig angewandten Möglichkeiten des theatralischen Inszenierens wie Musik, Licht- und Akustikeffekten (etwa Blitz und Donner, nach V. 2445) sowie des ›Versinkens‹ von Figuren in der Bühne (nach V. 2445) kann Schiller unter anderem Johannas Gefühlswelt und ihre übernatürlichen Erfahrungen zum Ausdruck bringen.

Einfluss der RomantikDort, wo logische Erklärungen des Verhaltens Johannas nicht mehr möglich erscheinen, bemüht Schiller nämlich zahlreiche Wunder: Phänomene wie die Stimme der Mutter Gottes, die Johanna den göttlichen Auftrag erteilt, das Auftreten des schwarzen Ritters, die Selbstbefreiung der Protagonistin aus ihren Ketten, erscheinen plausibel nur als

Rezeption der TragödieNoch zu Lebzeiten des Autors war der Tragödie ein großer Erfolg beschieden. Bei der Uraufführung in Leipzig bejubelte das Publikum das Stück. Zur dritten Aufführung erschien auch der Dichter, und die anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauer feierten ihn mit Applaus und vielfachen Hochrufen. Die Jungfrau von Orleans wurde zum beliebtesten Schauspiel Schillers. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends entstanden zahlreiche Neuinszenierungen, die auf deutschsprachigen Bühnen gezeigt wurden und größere Aufmerksamkeit fanden. Deutlich wurde, dass das Stück unterschiedliche Lesarten zulässt: Johanna wurde als Kämpferin für die Rechte der Unterdrückten dargestellt, aber auch als Heilige oder als Diva.

Abb. 1: Übersicht über die Handlung

Prolog

1. Auftritt: Frankreich führt mit England eine militärische Auseinandersetzung; englische Soldaten stoßen ins Land vor. Die Nachrichten über die miserable Lage Frankreichs sind bis nach Dom Remi im Norden Frankreichs vorgedrungen. Der reiche Landmann Thibaut d’Arc sorgt sich aufgrund der politischen Situation um die Sicherheit seiner drei Töchter. Er will sie deshalb an junge Männer Die Schwestern heiratenverheiraten, die sie »versorgen« (V. 21) und beschützen (V. 22) sollen. Die Heirat hat er bereits für den nächsten Tag arrangiert.

2. Auftritt: Während die älteren beiden Töchter sich dem Wunsch des Vaters fügen, widersetzt sich seine Jüngste, Johanna, seinen Vorstellungen. Ihm Die Sorgen des Vatersmissfällt, dass sie die Bemühungen Raimonds ignoriert, der um sie wirbt. Dieser jedoch äußert Verständnis für Johannas Bemühen, ihre persönliche Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten. Thibaut beklagt, dass Johanna sich von ihrer Familie absondert und sich überwiegend bei ihrer Schafherde aufhält. Weiterhin erregen ihre häufigen Aufenthalte unter einem »Druidenbaume« (V. 93) seinen Verdacht, dass sie mit dem Geisterreich in Verbindung steht. Zudem träumte er wiederholt davon, dass Johanna auf dem

3. Auftritt: Der Nachbar Bertrand tritt hinzu. Er hat sich auf dem Markt in Vaucouleurs einen Helm aufdrängen lassen. Johanna, die den Gesprächen bisher teilnahmslos gefolgt ist, betrachtet interessiert den Helm und reißt ihn schließlich an sich (nach V. 162, nach V. 190, nach V. 192). Thibaut findet das Verhalten seiner Tochter befremdlich und schilt sie, wird aber von Raimond unterbrochen, der die Tapferkeit und den Mut Johannas hervorhebt, ihr »ein männlich Herz« (V. 196) bescheinigt und sie als »löwenherz’ge Jungfrau« (V. 200) bezeichnet.

Auf Nachfrage Thibauts stellt Bertrand die augenblickliche militärische Situation Frankreichs dar. Die feindlichen Truppen Englands unter der Führung Salisburys, Lionels und Talbots sowie die Soldaten des burgundischen Verbündeten, Philipp, belagern die Stadt Orleans und stehen kurz vor deren Eroberung. Der ›Verteidiger‹ des französischen Territoriums, Dauphin Karl, verharrt ohnmächtig und mutlos in Chinon. Johanna hat sich inzwischen den Helm aufgesetzt und folgt den Ausführungen interessiert. Als sie hört, dass wenigstens ein französischer Ritter

4. Auftritt: Nachdem die übrigen Figuren abgegangen sind, verabschiedet sich Exposition: Johanna verlässt ihre HeimatJohanna von ihrer Heimat und ihrer Herde. Nicht eigenes Verlangen bestimmt ihr Verhalten, sondern »des Geistes Ruf« (V. 399), der zu ihr aus den Zweigen des geheimnisvollen Baumes gesprochen und sie zur Teilnahme am Krieg aufgefordert habe. Sie zitiert den Geist, der Bedingungen genannt habe, die mit dem Auftrag verbunden sind: Sie darf keinen Mann lieben (V. 411), sie darf nicht heiraten (V. 413), und sie wird niemals Mutter werden (V. 414). Die Gegenleistung des Geistes bestehe darin, sie mit »kriegerischen Ehren« (V. 415) zu schmücken, die ihr dadurch gebühren würden, dass sie Frankreich in Zeiten, in denen selbst die mutigsten französischen Krieger verzagen, zum Sieg führen, Reims befreien und dort den König krönen werde (V. 417–424).