Matthias Hoben
Marion Bär
Hans-Werner Wahl (Hrsg.)

Implementierungswissenschaft für Pflege und Gerontologie

Grundlagen, Forschung und Anwendung – Ein Handbuch

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2016

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© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

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ISBN 978-3-17-022612-8

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pdf:       ISBN 978-3-17-028469-2

epub:    ISBN 978-3-17-028470-8

mobi:    ISBN 978-3-17-028471-5

 

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Inhalt

  1. Einführung
  2. Matthias Hoben, Marion Bär und Hans-Werner Wahl
  3. Literatur
  4. I Grundlagen der Implementierungswissenschaft im Kontext der Pflege und Gerontologie
  5. 1 Begriffe, Gegenstandsbereich, Akteure und Zielgruppen der Implementierungswissenschaft in Pflege und Gerontologie
  6. Matthias Hoben, Marion Bär und Hans-Werner Wahl
  7. Einführung
  8. 1.1 Definition wichtiger Begriffe und Zusammenhänge
  9. 1.2 Themenbereiche
  10. 1.3 Akteure und Zielgruppen
  11. 1.4 Fazit und Ausblick
  12. Literatur
  13. 2 Das Verhältnis von Theorie und Praxis in Pflege und Gerontologie
  14. Hermann Brandenburg
  15. Einführung
  16. 2.1 Theorie und Praxis
  17. 2.2 Ein Modell zur Umsetzung von forschungsbasiertem Wissen in der Pflege
  18. 2.3 Einige Anforderungen an die Implementierungswissenschaft – das Beispiel der Pflegeheime
  19. 2.4 Fazit und Ausblick
  20. Literatur
  21. 3 »Wir haben eine Lösung und suchen ein passendes Problem«: Historisch individuierte Einrichtungen, interne Evidence und Implementierungsforschung
  22. Johann Behrens und Gero Langer
  23. Einführung
  24. 3.1 Adressat der Implementierung: Zweckabhängige »Organisationen« versus historisch individuierte »Institutionen«?
  25. 3.2 Markt- und staatsgetriebene Implementierungen
  26. 3.3 Aufbau interner Evidence mit historisch individuierten Einrichtungen
  27. 3.4 Fazit und Ausblick
  28. Literatur
  29. 4 Implementierungswissenschaftliche Theorien im Kontext der Pflege und Gerontologie
  30. Matthias Hoben
  31. Einführung
  32. 4.1 Grundsätzliche Klärungen
  33. 4.2 Ausgewählte implementierungswissenschaftliche Theorien
  34. 4.3 Diskussion
  35. 4.4 Fazit und Ausblick
  36. Literatur
  37. II Stand der Implementierungsforschung in Pflege und Gerontologie
  38. Matthias Hoben
  39. 5 Stand der pflegerischen Implementierungsforschung im deutschen Sprachraum
  40. Matthias Hoben
  41. Einführung
  42. 5.1 Zentrale Ergebnisse des scoping reviews zum Stand der pflegebezogenen Implementierungsforschung im deutschen Sprachraum
  43. 5.2 Beispiele für pflegebezogene Implementierungsforschungsstudien aus dem deutschsprachigen Raum
  44. 5.3 Diskussion
  45. 5.4 Fazit und Ausblick
  46. Literatur
  47. 6 Implementierung und Implementierungsforschung in der Gerontologie
  48. Hans-Werner Wahl und Manfred K. Diehl
  49. 6.1 Für die Gerontologie bedeutsame Konzepte und theoretische Ansätze der Implementierungsforschung
  50. 6.2 Beispiele für Implementierungsforschung im Kontext von gerontologischen Interventionsprogrammen
  51. 6.3 Weitere Aufgaben von Implementierungsforschung in der Gerontologie
  52. 6.4 Besondere Herausforderungen der Implementierungsforschung in der Gerontologie
  53. 6.5 Fazit und Ausblick
  54. Literatur
  55. 7 Einflussfaktoren in Implementierungsprozessen
  56. Matthias Hoben
  57. Einführung
  58. 7.1 Das Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR)
  59. 7.2 Diskussion
  60. 7.3 Fazit und Ausblick
  61. Literatur
  62. 8 Strategien zur Beeinflussung und Steuerung von Implementierungsprozessen
  63. Helga E. Breimaier
  64. Einführung
  65. 8.1 Strategien zur Umsetzung von Innovationen
  66. 8.2 Diskussion
  67. 8.3 Fazit und Ausblick
  68. Literatur
  69. 9 Unwirksamkeit, Schaden und nicht intendierte Folgen der Implementierung von Interventionen
  70. Gabriele Meyer, Katrin Balzer, Doris Wilborn, Steffen Fleischer, Almuth Berg und Sascha Köpke
  71. Einführung
  72. 9.1 Unwirksamkeit durch unzureichende Vorbereitung
  73. 9.2 Unwirksame Intervention nach Übertragung in die Praxis
  74. 9.3 Unwirksamkeit bei Replikation
  75. 9.4 Verzerrte Interpretation unwirksamer Interventionen
  76. 9.5 Schaden als Folge von Interventionen
  77. 9.6 Fazit und Ausblick
  78. Literatur
  79. III Methodische Aspekte der Implementierungswissenschaft im Kontext der Pflege und Gerontologie
  80. 10 Interventionserfolg versus Implementierungserfolg: Der implementierungswissenschaftliche Fokus in Interventionsstudien am Beispiel kommunaler Maßnahmen zu Bewegungsförderung und Sturzprävention
  81. Diana Klein, Clemens Becker und Kilian Rapp
  82. Einführung: Über Bewegungsförderung und Sturzprävention
  83. 10.1 Intervention, Implementierung und Evaluation
  84. 10.2 Diskussion
  85. 10.3 Fazit und Ausblick
  86. Literatur
  87. 11 Outcomes in Implementierungsprozessen und standardisierte Instrumente zu deren Messung
  88. Matthias Hoben und Marion Bär
  89. Einführung
  90. 11.1 Abhängige Implementierungsvariablen: Endpunkte im Implementierungsprozess
  91. 11.2 Instrumente zur Erfassung abhängiger Implementierungsvariablen
  92. 11.3 Instrumente zur Erfassung unabhängiger Implementierungsvariablen
  93. 11.4 Diskussion
  94. 11.5 Fazit und Ausblick
  95. Literatur
  96. 12 Mixed Methods in der Implementierungswissenschaft in Pflege und Gerontologie: Ein Überblick zu Chancen und Herausforderungen
  97. Tina Quasdorf und Christine Riesner
  98. Einführung
  99. 12.1 Möglichkeiten und Grenzen monomethodischer Ansätze im Kontext der Implementierungsforschung in Pflege und Gerontologie
  100. 12.2 Integration qualitativer und quantitativer Methoden (Mixed Methods)
  101. 12.3 Diskussion
  102. 12.4 Fazit und Ausblick
  103. Literatur
  104. IV Handlungsfelder der pflegerischen und gerontologischen Implementierungswissenschaft und -praxis: Zugänge, Erfahrungen, Beispiele
  105. 13 Partizipative Altersforschung als Mittel zur Förderung des Implementierungserfolgs
  106. Stefanie Eicher, Caroline Moor, Florian Riese und Mike Martin
  107. Einführung
  108. 13.1 Gründe für die Anwendung partizipativer Forschungsmethoden
  109. 13.2 Diskussion
  110. 13.3 Fazit und Ausblick
  111. Literatur
  112. 14 Implementierung in der Interventionsforschung am Beispiel des Projekts »Wirksamkeit des Qualitätsniveaus Mobilität und Sicherheit bei Menschen mit demenziellen Einschränkungen in stationären Einrichtungen«
  113. Martina Schäufele, Andreas Hoell und Ingrid Hendlmeier
  114. Einführung
  115. 14.1 Methoden und Durchführung
  116. 14.2 Ergebnisse
  117. 14.3 Diskussion
  118. 14.4 Fazit und Ausblick
  119. Literatur
  120. 15 Implementationsforschung am Beispiel der Evaluation der Pflegeberatung gem. § 7a SGB XI
  121. Thomas Klie, Claus Heislbetz, Mona Frommelt und Ulrich Schneekloth
  122. Einführung
  123. 15.1 Die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI: der gesetzliche Auftrag
  124. 15.2 Das der Evaluation zugrunde liegende fachliche Verständnis von Pflegeberatung
  125. 15.3 Fragestellungen und Module der Evaluation
  126. 15.4 Ergebnisse
  127. 15.5 Zusammenfassende Diskussion: Pflegeberatung als Antwort auf einen steigenden Unterstützungsbedarf
  128. 15.6 Fazit und Ausblick
  129. Literatur
  130. 16 Entwicklung, Implementierung, Evaluation und Verstetigung eines Instruments zur praxisnahen Erfassung von Lebensqualität im stationären Kontext: Das Projekt INSEL
  131. Frank Oswald und Hans-Werner Wahl
  132. Einführung
  133. 16.1 Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Leben und Lebensqualität im Heimkontext
  134. 16.2 Ziele, konzeptueller Hintergrund und Durchführung von INSEL
  135. 16.3 Von der Idee zur Umsetzung – der Implementierungsprozess von INSEL
  136. 16.4 Bisherige Schritte zur Evaluation von INSEL
  137. 16.5 Fazit und Ausblick
  138. Literatur
  139. 17 Von der Intervention zum implementierbaren Konzept: Entwicklungsschritte des DEMIAN-Konzepts
  140. Charlotte Berendonk, Marion Bär, Matthias Hoben und Andreas Kruse
  141. Einführung
  142. 17.1 Entwicklung und empirische Prüfung des DEMIAN-Pflegekonzepts
  143. 17.2 Überprüfung der Anwendbarkeit des Konzepts für Pflegende
  144. 17.3 Das DEMIAN-Konzept nachhaltig implementieren
  145. 17.4 Diskussion
  146. 17.5 Fazit und Ausblick
  147. Literatur
  148. 18 Die Bedeutung der Kooperation zwischen Wissenschaft und Kommune für die Implementierung nachhaltiger Versorgungskonzepte am Beispiel des »Wiesbadener Netzwerks für geriatrische Rehabilitation – GeReNet.Wi«
  149. Petra Schönemann-Gieck und Johannes Weber
  150. Einführung
  151. 18.1 Die gemeinsame Arbeit im Netzwerk
  152. 18.2 Die wissenschaftliche Begleitung des Verfahrens
  153. 18.3 Evaluation des Verfahrens »Standardisierte Auswahl« (methodischer Ansatz)
  154. 18.4 Diskussion
  155. 18.5 Fazit
  156. Literatur
  157. 19 Überwindung institutioneller Barrieren beim Freiwilligenengagement
  158. Fred Karl
  159. Einführung
  160. 19.1 Schwierige Kooperationen
  161. 19.2 Diskussion: Interaktionsanforderungen zwischen Freiwilligen und Institutionen
  162. 19.3 Fazit und Ausblick
  163. Literatur
  164. 20 Wissenschaftliche Politikberatung
  165. Andreas Kruse
  166. Einführung
  167. 20.1 Eine grundlegende Überlegung: Politikberatung im Kontext des Werturteilsstreits
  168. 20.2 Welche Funktionen nimmt wissenschaftliche Politikberatung wahr?
  169. 20.3 »Politikberatung durch Vorverständnis«: Grundlegende Sichtweisen der Wissenschaftler
  170. 20.4 Auswahl, Definition und Explikation der Themenstellung
  171. 20.5 Grundlegendes: Max Webers »Politik als Beruf«
  172. 20.6 Ein konkreter Blick in die Politikberatung – Beispiele eigenen Handelns
  173. 20.7 Fazit und Ausblick
  174. Literatur
  175. V Sektionsstatements
  176. 21 Implementierungswissenschaft in Deutschland: Ein Statement der DGGG
  177. Manfred Gogol, Rüdiger Thiesemann, Astrid Hedtke-Becker); Koordination: Astrid Hedtke-Becker; Judith Haendeler, Philip Czypiorski und Joachim Altschmied (Statement Sektion I); Rüdiger Thiesemann und Walter Swoboda (Statement Sektion II); Daniel Zimprich (Statement Sektion III); Kirsten Aner und Cornelia Kricheldorff (Statement Sektion IV)
  178. Einführung
  179. 21.1 Sektion I: Experimentelle Gerontologie – wie kann sie zur Implementierungswissenschaft beitragen
  180. 21.2 Sektion II: Implementierungsforschung aus der Sicht der Geriatrischen Medizin
  181. 21.3 Sektion III: Implementierungswissenschaft aus der Sicht der sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Gerontologie
  182. 21.4 Sektion IV: Implementierungsforschung aus der Sicht Sozialer Altenarbeit
  183. 21.5 Fazit und Ausblick
  184. Literatur
  185. 22 Gegenstandsbereiche der pflegewissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Disseminations- und Implementierungsprozessen in Deutschland: Konzeptionelle Formung der Sektion Dissemination und Implementierung (SDI) in der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP)
  186. Ines Buscher, Martina Roes und Matthias Hoben
  187. Einführung
  188. 22.1 Gegenstandbereiche der Disseminations- und Implementierungswissenschaft
  189. 22.2 Pflegewissenschaftliche Perspektive auf disseminations- und implementierungswissenschaftliche Fragestellungen
  190. 22.3 Die Sektion Dissemination und Implementierung (SDI)
  191. 22.4 Fazit und Ausblick
  192. Literatur
  193. Resümee: Auf dem Wege zu einer Implementierungswissenschaft im deutschsprachigen Raum
  194. Mathias Hoben, Marion Bär und Hans-Werner Wahl
  195. Literatur
  196. Stichwortverzeichnis
  197. Autorinnen und Autoren

Einführung

Matthias Hoben, Marion Bär und Hans-Werner Wahl

 

 

Zwischen Pflege und Gerontologie bestehen wichtige Schnittstellen (Brandenburg, 2003): Auf der inhaltlichen Ebene sind dies Fragen bzgl. der a) bedürfnisgerechten Gestaltung von Pflege- und Versorgungsangeboten für ältere Menschen, b) professionellen Interaktion mit älteren Menschen sowie c) Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen, in die Versorgung alter Menschen involvierten professionellen, ehrenamtlichen und informellen Akteuren. Eine gemeinsame sozialwissenschaftliche Tradition bildet ein wichtiges Bindeglied zwischen Disziplinen auf der theoretischen Ebene (Brandenburg, 2003). Während jeder der Disziplinen spezifische Fragestellungen, Perspektiven, Theorien und Methoden zu eigen sind, die sie von der jeweils anderen unterscheiden, ist eine Verschränkung der Perspektiven in den Überschneidungsbereichen in Zeiten demografischer, sozialer und gesundheitlicher Wandlungsprozesse von besonderer Bedeutung (Höhmann, 2003). Vor diesem Hintergrund hat auch das vorliegende Buch – mit seinem Fokus der Implementierungswissenschaft – die engen Bezüge zwischen Pflege und Gerontologie im Blick, ohne die Eigenständigkeit beider Bereiche zu vernachlässigen.

Forschung in Pflege und Gerontologie ist zu weiten Teilen kein reiner Selbstzweck. Beide Disziplinen sind bestrebt, mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse die Situation der Adressaten zu verbessern. Aus Sicht der Gerontologie handelt es sich bei diesen Adressaten um ältere und hochaltrige Menschen, darunter auch, aber nicht nur, alte Menschen, die der Pflege bedürfen. Adressaten der Pflege sind pflegebedürftige Menschen im Allgemeinen, also auch, aber nicht nur, alte Menschen, die der Pflege bedürfen. Auch wenn es in der Gerontologie in starkem Maße um das normale Altern geht, so zielt doch Forschung in beiden Disziplinen in bedeutsamer Weise auf Handlungsfelder, in denen Menschen mit spezifischen Bedürfnissen unterstützt werden – sei es durch professionelle Experten1, ehrenamtliche Helfer, Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld oder durch Befähigung zur Selbsthilfe bzw. Bewusstseinsbildung. Grundsätzlich geht es auch in beiden Felder darum, Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen, auch hoch fragilen, zum Erhalt bzw. zur Verbesserung von Lebensqualität zu befähigen (vgl. dazu auch die »Interventionsorientierung« in der Gerontologie; Wahl et al., 2012). Dies verweist auf eine handlungswissenschaftliche Dimension von Pflege und Gerontologie, die über rein grundlagenwissenschaftliche Erwägungen (etwa Theorien über das Handlungsfeld bzw. das Handeln der Adressaten) hinausweist (Brandenburg & Dorschner, 2008; Behrens, 2010; Birgmeier, 2010). Wissen soll nicht nur generiert, es soll in Praxis überführt, es soll angewendet, es soll zum Wohl der Zielpersonen genutzt werden.

Die Menge des dafür potenziell verfügbaren Wissens ist zwischenzeitlich in Pflege und Gerontologie beträchtlich – und sie steigt kontinuierlich und zunehmend schneller (Pousti et al., 2011; Wahl & Heyl, 2015). Auch die Zahl der Synthesen dieser Wissensbestände in Form systematischer Übersichtsarbeiten, Metaanalysen oder klinischer Leitlinien und Standards nimmt stetig zu. Das Handeln der beruflichen Akteure in den Praxisfeldern der Pflege und Gerontologie, so scheint es, mag damit nicht immer Schritt zu halten: Disziplin-, setting- und länderübergreifend werden immer wieder Diskrepanzen zwischen Best Practice aus Sicht der Wissenschaft und der tatsächlich stattfindenden Praxis bemängelt (Boström et al., 2012; Grimshaw et al., 2012; Gitlin, 2013). Die gewählten Vorgehensweisen sind teilweise nicht die mit der besten Wirksamkeit, bisweilen sind sie sogar unwirksam und schlimmstenfalls schädigend. Dies wiederum hat gravierende wirtschaftliche, aber vor allem gesundheitliche und lebensqualitätsbezogene Folgen (Grimshaw et al., 2012).

Aus unterschiedlichen Gründen verbreitet sich publiziertes Wissen (Evidenz) nur sehr begrenzt von selbst; aktive und systematische Verbreitungsstrategien (Dissemination) sowie gezielte, breit angelegte Implementierungsaktivitäten sind eher erfolgreich (Fixsen et al., 2005; Greenhalgh et al., 2005; Sudsawad, 2007). Doch auch letztere werden regelmäßig als große Herausforderung beschrieben – selbst scheinbar kleine, einfache Veränderungen erweisen sich schnell als höchst komplex (Greif et al., 2004; Greenhalgh et al., 2005; Kitson, 2009). Ein anschauliches Beispiel ist das der Handhygiene. Obwohl es weder zeitaufwendig noch besonders schwierig ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen und/oder zu desinfizieren, tun dies Akteure des Gesundheitswesens (und dies betrifft Ärzte ebenso wie Pflegende, Therapeuten u. a. m.) oft nicht in der vorgesehenen Weise (Erasmus et al., 2010). In der Alternsforschung ist einer der robustesten Befunde jener des Zusammenhangs zwischen körperlicher Aktivität und positiven Endpunkten wie höhere kardio-vaskuläre Fitness, geistige Leistung, Wohlbefinden sowie geringere Depressivität (Erickson et al., 2012). Dennoch scheint es überaus schwierig zu sein, dieses prinzipiell kostenlose und erhebliche Gesundheitskosten einsparende Verhalten bei älteren Menschen nachhaltig zu implementieren. An Versuchen, diese bislang nur bedingt bewältigten Anforderungen mit mehr oder weniger ausgeklügelten Implementierungsstrategien zu ändern, mangelt es nicht – das Thema ist quasi ein »Dauerbrenner« der Implementierungswissenschaft (Grol & Wensing, 2013). Effektiv sind, dies zeigen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen (Gould et al., 2010; Vindigni et al., 2011; Huis et al., 2012), eher komplexe als einfache Strategien – also solche, die auf mehreren Ebenen ansetzen (z. B. Wissen, Bewusstsein, Kontrolle, Unterstützung etc.) und die nicht nur eine, sondern ein Bündel verschiedener Maßnahmen beinhalten und unterschiedliche Akteursgruppen im Sinne einer konzertierten Anstrengung umfassen (sogenannte multi-facetted interventions). Allerdings ist, selbst was komplexe Strategien angeht, die Studienlage heterogen – und nachhaltige Veränderungen wurden bislang in Forschungsdesigns mit langen Beobachtungszeiträumen kaum erzielt. Insbesondere soziale Prozesse scheinen hier eine bedeutsame Rolle zu spielen (Huis et al., 2012). Wenn schon solch greifbare und eher einfache Veränderungen auf Schwierigkeiten stoßen, wie viel größer mögen dann die Herausforderungen sein, die bei der Implementierung komplexer Konzepte oder Interventionsprogramme zu erwarten sind? Vielfältige Einflussfaktoren und insbesondere heterogene, z. T. widersprüchliche Interessenlagen zahlreicher Akteure machen die Implementierung evidenzbasierter Neuerungen zu einem vielschichtigen Prozess, der sehr schwer zu steuern ist (Greif et al., 2004; Greenhalgh et al., 2005; Kitson, 2009). So kommt es, dass Implementierungen scheitern oder unerwünschte Folgen mit sich bringen, wie z. B. Enttäuschung, Überforderung, Unzufriedenheit, Demotivation, Burnout, Teamkonflikte oder Verschlechterung anstatt Verbesserung der Qualität (Fläckman et al., 2009; Jones, 2009; Höhmann et al., 2010).

Trotz dieser Herausforderungen und Risiken sind Institutionen wie auch Einzelakteure in Pflege und Gerontologie auf vielfältige Weise und aus unterschiedlichsten Gründen stetig damit befasst, bisherige Routinen und Vorgehensweisen zu verändern und Neuerungen einzuführen – sei es freiwillig oder weil sie z. B. durch regulatorische Vorgaben dazu verpflichtet sind. Pflege und Gerontologie agieren in einem Umfeld, das sich kontinuierlich wandelt: Demografischer Wandel sowie Veränderung von kohortenbezogenen Lifestyle-Faktoren und Lebenslagen erfordern eine ständige Anpassung der Angebotsstruktur an die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielpersonen. Etwas überspitzt könnte man sagen: Kaum ist es ansatzweise gelungen, eine hilfreiche Strategie bei Zielpersonen zu implementieren, treten neue Kohorten mit anderen Erwartungen, Kompetenzen und Werthaltungen auf die Bühne, die wiederum andere Implementierungsdynamiken notwendig machen. Die ökonomische Situation (z. B. Konkurrenz, Wettbewerbsdruck und eigene finanzielle Ausstattung) zwingt zur Effizienz, Qualität und Innovativität, und politische Entscheidungen (wie z. B. neue Gesetze, Kontrollmechanismen oder Anreize bzw. Sanktionen) erfordern vielfältige Adaptationen (Kirby & Kennedy, 1999; Martin, 2003). Der stetig wachsende Fundus pflegerischer und gerontologischer Forschungsbefunde ist eben nur eine von vielen Quellen potenzieller Veränderungen. Für dieses Buch ist dieser Umstand aus drei Gründen zentral:

1.    Die skizzierten Rahmenbedingungen sind wesentlich dafür verantwortlich, dass Implementierungsprozesse eine komplexe Herausforderung darstellen. Viele der Widerstände in der Praxis sind bedingt durch ein Gefühl der Überforderung – dem Eindruck, den in rascher Folge und kontinuierlich auftretenden Veränderungen nicht gerecht werden zu können (Johnson et al., 2009; Giæver & Hellesø, 2010; Solomons & Spross, 2011). Um evidenzbasierte Neuerungen nutzbringend und erfolgreich zu implementieren, ist es unabdingbar, die Situation in den Praxissettings der Pflege und Gerontologie zu reflektieren und systematisch zu berücksichtigen.

2.    Es werden nicht nur nachgewiesenermaßen wirksame und nichtschädigende Neuerungen implementiert. Im Gegenteil: Während die Implementierung dieser eben genannten Interventionen oft einen enormen Kraftakt darstellt, verbreiten sich ineffektive oder gar schädigende Vorgehensweisen oft erschreckend einfach und nachhaltig (Abrahamson, 1991; Prasad & Ioannidis, 2014,  Kap. 9). Mit ausgefeilten Methoden ließen sich, so lässt sich schließen, auch suboptimale Interventionen implementieren – etwa weil sie für eine Organisation finanziell attraktiver sind als wirksamere Alternativen. Dies ist aus unserer Sicht hochproblematisch, und wir gehen ausdrücklich davon aus, dass vor der Implementierung sichergestellt ist, dass eine Neuerung unschädlich und wirksam ist.

3.    Gleichwohl ist wissenschaftliche Evidenz keineswegs die einzige (wenngleich eine sehr bedeutsame) Wissensquelle für die Praxis. Zum einen liegt für viele Fragen gar keine ausreichende (bzw. ausreichend eindeutige) wissenschaftliche Evidenz vor (z. B. Meyer & Köpke, 2012). Zum anderen ist die vorhandene Evidenz – und sei sie noch so eindeutig – von den professionellen Akteuren stets vor dem Hintergrund der Präferenzen und Bedürfnisse der Zielpersonen (pflegedürftige oder alte Menschen und deren Angehörige), der professionellen Erfahrung, der konkreten Situation und der gegebenen Rahmenbedingungen zu interpretieren (Bucknall & Rycroft-Malone, 2010; Straus et al., 2011; Howlett et al., 2013). Diesem Verständnis von evidenzbasierter Praxis (EBP) folgen wir in diesem Buch.

Um zu verstehen, warum es so schwierig ist, neue Erkenntnisse effektiv zu implementieren, und um Wege zu finden, Implementierungsprozesse erfolgreich zu beeinflussen, befassen sich verschiedene Disziplinen seit einigen Jahren wissenschaftlich mit diesen Prozessen. Gegenstand dieser in diesem Buch Implementierungswissenschaft genannten Bestrebungen ist es nicht so sehr, Implementierung zu betreiben – also die Praxis der Implementierung –, sondern vielmehr, sich mit diesen Prozessen theoretisch und empirisch auseinanderzusetzen, sie in einen umfassenden Theorie- und Methodenkanon einzubetten, und sie mit wissenschaftlichen Methoden empirisch zu erforschen (Peters et al., 2013). International steht inzwischen ein beachtlicher Fundus an Publikationen der Implementierungswissenschaft zur Verfügung, zu dem zunehmend auch Pflege und Gerontologie beitragen, und der vermehrt von Akteuren in Pflege und Gerontologie genutzt wird, um Implementierungsprozesse zu optimieren (z. B. Scott et al., 2010; Prohaska et al., 2012). Auch in der deutschsprachigen Pflege und Gerontologie sind die Implementierung neuer Erkenntnisse wie auch die damit verbundenen Schwierigkeiten viel diskutierte Themen (vgl. dazu auch die Stellungnahmen von wissenschaftlichen Gesellschaften zu Fragen der Implementierung  Kap. 21 und 22). Die internationalen implementierungswissenschaftlichen Wissensbestände fanden dabei jedoch bislang bemerkenswert wenig Beachtung, und die wenigen im deutschen Sprachraum entstandenen Arbeiten scheinen methodisch heterogen und nur bedingt bestimmten Vorgehensstandards verpflichtet zu sein (im Detail:  Kap. 1, 2 und Teil III). Zwar findet auch hierzulande ein aktiver Diskurs zur EBP statt (Meyer et al., 2013), doch mit der effektiven Implementierung implementierungswürdiger Erkenntnisse hat sich die EBP jedoch selbst bislang eher reduktionistisch befasst (vgl. zum Folgenden z. B. Nutley et al., 2007; Rycroft-Malone & Bucknall, 2010): So konzentrierten sich die EBP-Diskussionen stark auf technische Aspekte (z. B. Schritte des EBP-Prozesses oder Kriterien und Verfahren zur Herstellung bzw. Evaluation robuster Evidenz), auf die Vermittlung der EBP-Schritte an Praktiker sowie auf Disseminationsstrategien (z. B. Publikationen, Präsentationen, Schulungen). Implementierungsprozesse sind jedoch viel komplexer. Für die erfolgreiche Umsetzung neuer Erkenntnisse reichen Disseminationsstrategien nicht aus und auch die Konzentration auf individuelle Praktiker greift zu kurz (Nutley et al., 2007; Rycroft-Malone & Bucknall, 2010). Diese aus Sicht der EBP bislang eher dunklen Flecken beleuchtet die Implementierungswissenschaft. Insofern gilt es, diese beiden Perspektiven zu verschränken und synergetisch zu nutzen – ein wichtiges Grundanliegen des ersten Teils dieses Buchs.

Ziele dieses Buchs

Ein erstes Ziel dieses Buchs ist es, vor diesem Hintergrund die Implementierungswissenschaft im Kontext der deutschen Pflege und Gerontologie zu positionieren, zu verankern und entsprechende Diskurse anzustoßen. Dies ist aus zwei Gründen bedeutsam: Zum einen gilt es, die umfangreichen internationalen Wissensbestände zu theoretischen, empirischen und methodischen Fragen der Implementierungswissenschaft zur Kenntnis zu nehmen und, wo möglich, systematisch zu nutzen. Erkenntnisse aus anderen Kulturkreisen und Systemstrukturen sind jedoch nur bedingt auf die hiesigen Verhältnisse übertragbar (z. B. unterschiedliche Gesundheitssysteme, gesetzliche Regelungen etc.). Dies ist ein Grund für die Notwendigkeit und Bedeutsamkeit von Aktivitäten der Implementierungswissenschaft im deutschsprachigen Raum. Internationale Erkenntnisse müssen auf ihre Übertragbarkeit überprüft und ggf. adaptiert oder verworfen werden. Zum anderen existieren trotz des größer werdenden Wissensbestandes auch international zahlreiche Forschungslücken. Diese zu schließen heißt, wesentlich zum Verständnis und damit zur Optimierung von Implementierungsprozessen beizutragen. Auch aus diesem Grund muss die deutsche Implementierungswissenschaft Anschluss an den internationalen Stand finden und mittelfristig diesen Diskurs selbst mitbestimmen. Dieses Buch leistet hierfür eine wichtige Vorarbeit, indem es den internationalen Diskussionsstand zusammenfassend aufbereitet, reflektiert und Anknüpfungspunkte für die Diskussion in Deutschland aufzeigt. Pflegewissenschaftlern und Gerontologen im deutschsprachigen Raum soll nicht nur eine Wissensbasis vermittelt, sondern auch bewusst gemacht werden, welche Bedeutung die Implementierungswissenschaft für ihre Disziplin und für ihre Tätigkeit hat. Das Buch will Alterns- und Pflegewissenschaftler somit auch dazu anregen, vermehrt implementierungsbezogene Fragestellungen als Teil ihrer Forschungstätigkeit zu verstehen bzw. zu bearbeiten, und ihnen dabei Hilfestellung anbieten. Zugleich sollen Mitglieder von Review-Boards wissenschaftlicher Zeitschriften für die Bedeutsamkeit dieser bislang als eher unkonventionell angesehenen Fragestellungen sensibilisiert werden. Nicht zuletzt soll potenziellen Drittmittelgebern aufgezeigt werden, wie wichtig die Förderung implementierungswissenschaftlicher Projekte ist.

Ein zweites Ziel dieses Buchs besteht darin, Akteure in Pflege und Gerontologie dabei zu unterstützen, Implementierungsprozesse effektiv zu gestalten. Bedingt durch die gesellschaftlichen und technologischen Wandlungsprozesse unterliegen auch Pflege und Gerontologie steten und raschen Veränderungen. Praktiker dieser Disziplinen (insbesondere solche in Führungspositionen) sind gefordert, sich und ihre Institutionen entsprechend zu positionieren. Die Einführung neuer Konzepte, Routinen, Instrumente etc. ist dabei unumgänglich. Das Buch richtet sich hier an all jene Institutionen, deren Aufgabe es auch oder ausschließlich ist, die Situation der eingangs genannten Adressaten zu verbessern. Dazu zählen u. a. Institutionen aus dem Gesundheitssektor (z. B. Krankenhäuser), Leistungserbringer im Bereich des SGB XI (z. B. Pflegeheime, ambulante Pflegedienste bzw. deren Träger), Kommunen, Verbände und weitere Körperschaften der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Wohlfahrt. Die effektive Gestaltung von Implementierungsprozessen ist auch im Rahmen der Interventionsforschung von entscheidender Bedeutung. Um die Wirksamkeit einer Intervention (z. B. eines Hüftprotektors oder einer präventiven Bewegungs intervention) zu untersuchen, muss diese zunächst von den Zielpersonen umgesetzt werden – und zwar möglichst vollumfänglich und auf die vorgesehene Weise. Wissenschaftler müssen also sicherstellen, dass die Intervention implementiert ist. Professionelle und Wissenschaftler der Pflege und Gerontologie, die in ihrer Praxis Implementierungsprozesse planen, initiieren und steuern, bekommen mit diesem Buch Wissen an die Hand, das dazu beitragen soll, diese Prozesse effektiver und effizienter zu gestalten.

Das dritte Ziel dieses Buchs ist es, die notwendige Integration implementierungswissenschaftlicher Inhalte in Hochschulcurricula zu befördern. Studierende der Pflege2 und der Gerontologie werden in ihrer beruflichen Laufbahn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Implementierungsprozessen konfrontiert werden und befasst sein, ja, sie werden wahrscheinlich in vielen Fällen zu zentralen »Implementierungsagenten«. Dies gilt unabhängig davon, ob das Studium auf eine Tätigkeit in der Praxis oder auf eine wissenschaftliche Laufbahn vorbereitet. Bislang werden Aspekte der Implementierungswissenschaft innerhalb des Hochschulstudiums nur mäßig und eher unsystematisch diskutiert. Allenfalls kommen Fragen des Theorie-Praxis-Transfers vor, jedoch selten mit Bezug zur internationalen Implementierungswissenschaft. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem internationalen Stand der Implementierungswissenschaft befähigt Studierende der Pflege und Gerontologie, Implementierungsprozesse möglichst optimal zu gestalten bzw. selbst implementierungsbezogene Fragestellungen zu bearbeiten.

Das Buch möchte deshalb die Chance nutzen, über eine früh einsetzende Sensibilisierung und Qualifizierung zukünftiger Akteure und Forschender, auf einer breiten Basis zu einer Professionalisierung von Implementierungs-prozessen beizutragen. Dabei richtet es sich zum einen an die Studierenden selbst. Es ermöglichst ihnen einen umfassenden Einblick in dieses Themenfeld und führt sie heran an die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema »Theorie-Praxis-Transfer«.

Zugleich werden Vertreter von Hochschulen und Hochschulinstituten angesprochen und ermutigt, diese Wissensbestände systematisch in Hochschulcurricula pflegerischer oder gerontologischer Studiengänge zu integrieren.

Einige grundsätzliche Anmerkungen zur Handhabung dieses Buchs

Um das weite und unübersichtliche Feld der Implementierungswissenschaft in eine übersichtliche Form zu bringen, haben wir das Buch in fünf Teile mit je unterschiedlichem Schwerpunkt gegliedert:

•  Teil I Grundlagen der Implementierungswissenschaft im Kontext der Pflege und Gerontologie

•  Teil II Stand der Implementierungsforschung in Pflege und Gerontologie

•  Teil III Methodische Aspekte der Implementierungswissenschaft im Kontext der Pflege und Gerontologie

•  Teil IV Handlungsfelder der pflegerischen und gerontologischen Implementierungswissenschaft und -praxis: Zugänge, Erfahrungen, Beispiele

•  Teil V Sektionsstatements

Wir haben uns bewusst für das Format eines Herausgeberbandes entschieden. Wenngleich die Implementierungswissenschaft hierzulande in Pflegewissenschaft und Gerontologie noch nicht sehr weit verbreitet ist, so finden sich doch zwischenzeitlich im deutschen Sprachraum genügend ausgewiesene Experten, die sich mit entsprechenden Aspekten befasst haben. Wir waren bestrebt, so viele dieser Experten wie möglich mit ins Boot zu holen, was uns – mit Blick auf die in diesem Buch enthaltenen Beiträge – durchaus gelungen ist.

Das Format eines Herausgeberbandes bringt es jedoch mit sich, dass die Beitragsformate – stärker als bei einer Monografie – eine gewisse Heterogenität aufweisen. Um diese in Grenzen zu halten, haben wir zentrale Begriffe und Inhalte definiert ( Kap. 1) und Beitragsformate, -gliederung und Inhalte auf Basis einheitlicher Vorgaben mit den Beitragenden abgestimmt. Beim Gesamtaufbau des Buchs haben wir Wert darauf gelegt, dass die einzelnen Kapitel jeweils separat gelesen werden können, ohne dass vorhergehende Kapitel als Voraussetzung dafür rezipiert werden müssen. Gleichwohl haben wir die einzelnen Kapitel so in einen Gesamtzusammenhang eingebettet, dass diese dramaturgisch und logisch aufeinander aufbauen. Trotz all dieser Bemühungen ist es unvermeidlich (und auch gewollt), dass einzelne Autoren Begriffe evtl. anders definieren bzw. andere Begriffe verwenden als die Herausgeber. Dies gilt es beim Lesen der Beiträge zu beachten.

Auch das Abstraktionsniveau der Beiträge variiert z. T. merklich. Eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen der Implementierungswissenschaft oder mit implementierungswissenschaftlichen Instrumenten ist naturgemäß auf einem höheren Abstraktionsniveau angesiedelt als die Beschreibung eines konkreten Praxisprojekts. Wir bitten die Leser, sich von diesem Umstand nicht irritieren zu lassen und sich die Beiträge auszusuchen, die ihren jeweiligen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht werden.

Schließlich haben alle Autoren auch einen bestimmten disziplinären Hintergrund. Dieser spiegelt sich natürlich auch in den jeweiligen Beiträgen und ihren Schwerpunkten wider. Auch dies ist bei einem interdisziplinären Themenfeld wie dem der Implementierungswissenschaft die Regel und unvermeidlich – insbesondere wenn dieses dann auch noch in den Kontext zweier Disziplinen wie der Pflege und der Gerontologie (vor allem letztere selbst ein heterogenes und interdisziplinäres Feld) gestellt wird.

Wir wünschen allen Lesern eine bereichernde Lektüre, hilfreiche Einsichten in das Feld der Implementierungswissenschaft im Kontext von Pflege und Gerontologie und viel Freude bei der Rezeption dieses Buchs. Uns Herausgebern bleibt zu hoffen, dass das vorliegende Werk den implementierungswissenschaftlichen Diskurs hierzulande anregen und zu einer verstärkten Popularität der Implementierungswissenschaft führen wird.

Ein herzlicher Dank geht an das Netzwerk Alternsforschung (Network Aging Research, NAR) der Universität Heidelberg, das die Publikation dieses Buches finanziell unterstützt hat.

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1     Für den besseren Lesefluss wird im gesamten Werk auf die geschlechtsspezifische Nennung verzichtet, wobei jedoch beide Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

2     Pflegewissenschaft, Pflegemanagement, Pflegepädagogik oder grundständige Pflegestudiengänge.

 

 

 

 

I          Grundlagen der Implementierungswissenschaft im Kontext der Pflege und Gerontologie

1          Begriffe, Gegenstandsbereich, Akteure und Zielgruppen der Implementierungswissenschaft in Pflege und Gerontologie

Matthias Hoben, Marion Bär und Hans-Werner Wahl

Einführung

Implementierungswissenschaft und -praxis sowie evidenzbasierte Neuerungen: erste grundsätzliche Klärungen

Wenn wir in diesem Buch von Implementierung sprechen, dann meinen wir mit Greenhalgh et al. (2005), Bucknall und Rycroft-Malone (2010) sowie Rabin und Brownson (2012) einen aktiven und systematischen Prozess, in dem Neuerungen in ein bestimmtes pflegerisches oder gerontologisches Setting integriert werden. Dieser Prozess umfasst die Identifikation von förderlichen und hinderlichen Faktoren sowie die Auswahl und Anwendung effektiver Strategien zur Überwindung von Barrieren und zur erfolgreichen Steuerung des Implementierungsprozesses.

Wichtig ist uns, zwischen dem Vorgang der Implementierung (quasi der Implementierungspraxis) und der wissenschaftlichen Untersuchung von Implementierungsprozessen – der Implementierungsforschung bzw. -wissenschaft – zu unterscheiden. Wenn Pflegewissenschaftler oder Gerontologen in ihren Studien etwas implementieren (und dies kommt häufig vor, etwa wenn ein Konzept zur Betreuung von Menschen mit Demenz eingeführt wird, um zu untersuchen, ob dessen Anwendung das Wohlbefinden der Betroffenen verbessert), dann ist dies – entgegen eines verbreiteten Missverständnisses – noch nicht per se Implementierungsforschung/-wissenschaft (z. B. Fixsen et al., 2005). Auch wenn hier Implementierung im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie betrieben wird, kann erst von Implementierungswissenschaft die Rede sein, wenn der Implementierungsprozess selbst zum Forschungsgegenstand wird (wenn z. B. untersucht wird, welche Bedingungen den Erfolg dieses Prozesses fördern oder hemmen, wie dieser erfolgreich beeinflusst werden kann oder wie gut das eingeführte Konzept von den Betreuungspersonen umgesetzt wird) (Rabin & Brownson, 2012). Wird implementiert, ohne den Implementierungsprozess selbst zu erforschen, handelt es sich um Implementierungspraxis – auch wenn sie von Wissenschaftlern betrieben wird.

Streng genommen handelt es sich bei der Implementierungswissenschaft eigentlich nicht um eine voll entwickelte Wissenschaft. Das Themenfeld ist gerade erst im Begriff zu entstehen, verschiedene Disziplinen und »Schulen« tragen äußerst heterogene Perspektiven bei und rein implementierungswissenschaftliche Studiengänge oder Lehrstühle sind noch selten (Dearing & Kee, 2012). Dennoch werden wir im Rahmen dieses Buchs von Implementierungswissenschaft sprechen – einerseits weil es einer griffigen Bezeichnung bedarf, um den hier thematisierten Gegenstandsbereich in Worte zu fassen und andererseits weil es – bei aller Begriffsvielfalt und Heterogenität – durchaus einen gemeinsamen Kern gibt: die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit, wie Implementierungsprozesse funktionieren und effektiv beeinflusst werden können (Estabrooks et al., 2008)

Das, was in Implementierungsprozessen eingeführt wird (also den Gegenstand der Implementierung), bezeichnen wir als Neuerung (oder auch Innovation). Mit Rogers (2003) und Greenhalgh et al. (2005) verstehen wir Neuerungen in einem breiten und umfassenden Sinne. Einfache Instrumente, wie z. B. eine Skala zur Einschätzung der Schmerzintensität, fallen darunter ebenso, wie etwa eine neue Pflegedokumentationssoftware, ein komplexes Assessmentinstrument, Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise Bewegungsprogramme für ältere Menschen, ein Konzept zum Umgang mit Menschen mit Demenz, gesundheitsfördernde Aktivitäten etc. – bis hin zu umfangreichen Programmen mit multiplen Komponenten (sogenannte komplexe Interventionen). Eine Neuerung kann also sowohl materielle, greifbare Bestandteile enthalten (z. B. ein technisches Gerät oder schriftliche Anweisungen) als auch immaterielle Komponenten (z. B. veränderte Prozesse oder neue Denkweisen) (May, 2013). Entscheidend ist, dass das, was eingeführt wird,

a)  zumindest von einem Teil der involvierten Akteure als neu empfunden wird,

b)  von bisherigen Vorgehensweisen abweicht und

c)  auf die Verbesserung der Situation pflegebedürftiger oder alter Menschen zielt.

Evidenzbasierte Praxis und deren Bedeutung für Implementierungswissenschaft und -praxis

Wie aber können wir sicherstellen, dass eine Neuerung nützlich ist und keinen Schaden anrichtet? Eine besondere Bedeutung kommt hier den evidenzbasierten Neuerungen zu. Evidenzbasiert sind Neuerungen dann, wenn sie sich im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen (oder wie Behrens und Langer (2010a, 25) es ausdrücken: entsprechend der »derzeit besten wissenschaftlich belegten Erfahrungen Dritter«) als wirksam und nicht schädigend erwiesen haben. Natürlich kann man eine neue Vorgehensweise, Technologie oder Therapiemethode auch einfach ausprobieren. Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit, Unwirksamkeit und zu unerwarteten (ggf. sogar schädigenden) Auswirkungen einer Neuerung haben gegenüber der subjektiven, erfahrungsbasierten Einschätzung der Anwender jedoch zwei entscheidende Vorteile: Sie wurden mit systematischen Methoden generiert, um verschiedenen »Verzerrungs- bzw. Selbsttäuschungsgefahren« (Behrens & Langer, 2010a) vorzubeugen. Außerdem geht dieses Wissen über Einzelerfahrungen professioneller Akteure hinaus.

evidenzbasierte Neuerung