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Knut Diers

Ostfriesland – Tiefsee, Torf und Tee

Für Wattwanderer und Schiffegucker

Inhalt

Impressum

Leben unter dem hohen Himmel von Ostfriesland

Vorwort

Karte

Die Inseln

1  Deutschlands nordwestlichster Zipfel

Borkum – Grenzpfahl

2  Wir sehen uns am Musikpavillon

Borkum – Musikpavillon

3  Alles, Watt gut ist

Borkum – Natur

1/11  Die Menschen sind dann einfach ganz beseelt

Singender Wattführer Albertus Akkermann

4  Bei Regen öffnet sich der Schirm von selbst

Juist – Schirmbar

5  Das wahre Zentrum der Generationen

Juist – Schiffchenteich

6  Winken und Zurückwinken, das erzeugt Wohlgefühl

An der Hafenausfahrt

7  Umsteigen vom Flugzeug in die Kutsche

Juist – Flughafen

8  Steht alles auf der Milchmädchenrechnung

Norderney – Milchbar

9  Heinrich Heine wartet noch

Norderney – Kurtheater

Die Gesundheit kommt direkt aus dem Meer

Thalasso

10  Die Sterne sind zum Greifen nah

Norderney – Weltall

11  Schöner die Glocken nie klingen

Baltrum – Kirchen

12  Das Glück der Pferde

Baltrum – Pferde

2/11  Ich suche den Inselwitz

Cartoonist Denis Metz

13  Unter der Laterne …

Langeoog – Lale Andersen

14  Die Fahrrad-Insel

Langeoog – Radwege

15  aLangeooger Rind kennt fast jedes Kind

Langeoog – Hochlandrinder

3/11  Ich kam nicht wegen einer Frau, ich blieb wegen einer

Bürgermeister Uwe Garrels

16  Bahn auf Trab

Spiekeroog – Pferdebahn

17  Ein Idyll unterm Blätterdach

Spiekeroog – altes Dorf

18  Der Giacometti von Spiekeroog

Spiekeroog – am Utkieker

19  Ein Turm erzählt vom Inselleben

Wangerooge – Westturm

20  Eine runde Sache zum Schiffegucken

Wangerooge – Pudding

21  Segel setzen und hinaus in die unendlichen Weiten

Wangerooge – Seglerhafen

4/11  Der Kellner bekommt das Lob, nicht der Koch

Strandkorbchirurg Wilfried Kummer

Die Städte

22  Ein Ort am See zum Wohlfühlen

Bad Zwischenahn

23  Wieder unter Dampf

Leer – Dampfschiff ›Prinz Heinrich‹

24  Mehr Münzen – mehr Milch

Leer – Milchtankstelle

25  So klein ist die (ostfriesische) Welt

Leer – Miniaturland

Mit dem ›Elführtje‹ beginnt die Gemütlichkeit

Tee

26  Samson ist von unbezwingbarer Stärke

Leer – Haus Samson

27  Themenrouten – vier Klassiker ziehen sich durchs Land

Auf dem Radweg

28  Der Dreiklang erfreut das Herz

Leer – Schloss Evenburg

5/11  Fahr mit Gott, aber fahr!

Püntenkapitäne Arnold Höger und Oliver Grensemann

29  Emden könnte auch Rüsselsheim heißen – dank Otto

Emden – Otto und der Hafen

30  Moorleiche in der Röhre – war es Mord?

Emden – Ostfriesisches Landesmuseum

31  Kinder früh mit Kunst berühren

Emden – Kunsthalle

32  3.110 Pfeifen ertönen in einer Symphonie aus Backstein

Norden – Ludgerikirche

33  Rein und raus – Beobachtungen am Scharnier zu zwei Inseln

Norden – Norddeich-Mole

34  Im Park der sprechenden Bänke

Lütetsburg

6/11  Eine unnachahmliche Lebensqualität

Schlossbesitzer Tido Graf zu Inn- und Knyphausen

35  Hier steht die ganze ›Herrlichkeit‹

Dornum

7/11  Windsurfen geht immer

Kitesurf-Lehrer Fabian Bertschat

36  Eintauchen in ein romantisches Hafengemälde

Neuharlingersiel

37  Vom Raddampfer aus bietet sich der beste Überblick

Carolinensiel-Harlesiel

38  Krabben oder Matjes? Im Brötchen hat alles Platz

Im Fischladen

39  Das weiche Wasser entfaltet den Geschmack

Jever – wo das Bier herkommt

40  Europa ist hier im Schloss zu Hause

Jever – Schloss

Kunstfertig – quer durchs Land der Kreativen fahren

Kunsthandwerk

41  Zeigt her eure Hände!

Wittmund

42  Ostfriesland spielend erleben

Wiesmoor – Erlebnisgolf

43  Eintauchen in ein Meer aus Blüten

Wiesmoor

44  Sechs Häuptlinge formten Ostfriesland

Aurich – das Herz

45  Wo die friesische Freiheit wohnt

Aurich – MachMitMuseum

Das Land

46  Der malerische Ort wäre ohne Kutter unvollkommen

Krummhörn – Greetsiel

47  Selbst Herzmuscheln tragen ihr kleines Geheimnis

Beim Wattwandern

48  Rot-gelb geringelt erst seit 1973

Krummhörn – Pilsum

Organisten aus aller Welt treffen sich in Ostfriesland

Orgeln

49  Ein Dorf wie im Bilderbuch

Krummhörn – Rysum

50  Hier fühlten sich bereits die Römer wohl

Rheiderland – Jemgum

51  Die Fischersfrau bringt Aal und Butt

Rheiderland – Ditzum

52  Ein liebenswertes Stück Volkskultur liegt an der Emsmündung

Moormerland

53  Mehlspeisen auf Wellen

Großefehn – Pfannkuchenschiff

54  Hier klappen nicht nur die Brücken, hier klappt der Urlaub

Großefehn

8/11  Am besten erst mal eine Herrenkugel kaufen

Boßelkugelbauer Heinrich-Jürgen Eden

55  Das Kloster aus Stahlbeinen

Ihlow

56  Die Sonnenscheibe stammt von 1300 vor Christus

Südbrookmerland – Moordorf

57  Mehr Meer geht kaum in Ostfriesland

Südbrookmerland – Großes Meer

58  Die Antwort liefert der Wind – schon lange

Harlingerland

59  Die Frau aus dem Meer rächte sich mit einer Sturmflut

Wangerland – Minsen

60  Schwarz-weiß-grün – die Marsch beruhigt das Gemüt

In der Marsch

61  Ob am Strand oder im Wind über dem Meer: Traut euch!

Wangerland – Schillig

62  Das Dorf macht das Rennen in der Familiengunst

Wangerland – Hooksiel

9/11  Nach 15 Minuten beginnt die Freiheit

›Paddel und Pedal‹-Chefs Siegfried Kaiser und Arno Ewen

63  Dangast liebt seine Künstler

Jadebusen

64  Paddeln auf dem Ems-Jade-Kanal ist eine Lust

Friedeburg

65  Radeln durch eine Parklandschaft – dazu Räucheraal und Bier

Ammerland

10/11  Es sind alles meine Lieblinge

Baumdoktor Jürgen Braukmann

66  Ein Afroamerikaner lernte Saterfriesisch

Saterland

11/11  Zweisprachigkeit ist eine Auszeichnung!

Saterfriesin Miriam Kösters

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Leben unter dem hohen Himmel von Ostfriesland

Vorwort

Wie nennt man das, wenn ein Ostfriese eine Kopfschmerztablette schluckt? – Hohlraumversiegelung! Diese Witze haben das Völkchen im Nordwestzipfel Deutschlands seit den 70er-Jahren bekannt gemacht. Doch sie liegen alle falsch. Es sind boshafte Porträts eines liebenswerten, feinsinnigen Menschenschlags. Die Dummheit siegt im Witz, dem das befreiende, herzhafte Lachen am Schluss fehlt. In diesem Buch sind Orte und Wege skizziert, die Ostfriesland und Ostfriesen mit gebotenem Respekt beleuchten. Und zum Lachen gibt es da trotzdem genug!

Manche sagen, Ostfriesland hat gar keine Landschaft, allenfalls eine Himmelschaft. Wenn der Bahnreisende in Jever, Leer oder Norden aus dem Zug steigt und ein paar Kilometer ins Land fährt, sieht er 80 Prozent blau und weiß, 20 Prozent grün mit schwarz-weißen Flecken. Übersetzt bedeutet das: Viel Himmel mit Wattewolken und unten dran hängen ein paar Weiden mit grasenden Kühen. Dazu weht oft ein Wind von Nordwest. Der hält sowohl die weißen Flecken am Himmel in Bewegung als auch die ebenfalls weißen Flügel der vielen Windräder.

Das Leben unter diesem hohen Himmel wird hier in allen möglichen Facetten beleuchtet. Da sind die sieben Inseln, von der jede ihre Eigenarten hat, ihre liebenswerten Originale. Die übrigens kommen in elf Interviews zu Wort und geben so Teile ihrer Persönlichkeit zum Besten. Diese Ur-, Voll-, Halb- und Wahlfriesen erzählen von ihrem Tun, ihren Sorgen und Freuden.

Dann erscheinen die Städte Ostfrieslands im Rampenlicht. Endlich einmal werden sie aus dem Grau der Urlaubslandkarte des Touristen gezerrt. Ob Aurich, Norden, Wittmund, Esens, Wiesmoor, Leer oder Emden – viele werden schlicht unterschätzt. Es offenbaren sich Kleinode, die einen Besuch wert sind. Wer weiß schon, dass sechs Bundespräsidenten in Wittmund ihre Hände in Ton gedrückt haben? Die gebrannten Klinker zieren die Fußgängerzone, und jeder kann den hohen Herren da aus der Hand lesen. Noch viele andere Prominente haben sich auf diese Weise dort verewigt.

Das historische Ostfriesland beschränkt sich auf die Kreise Aurich, Leer, Wittmund sowie die Stadt Emden. Doch in diesem Buch wird die gesamte ostfriesische Halbinsel durchkämmt. Sie reicht vom Dollart, einer Bucht bei Emden im Westen, bis zum Jadebusen bei Wilhelmshaven im Osten. Das Ammerland mit Bad Zwischenahn und den blühenden Rhododendrensträuchern gehört noch dazu. Ebenso wird das Saterland vorgestellt, eine von Europas kleinsten Sprachinseln. Nur 1.500 Menschen sprechen noch Saterfriesisch. Der bekannteste ist ein Afroamerikaner, der in Leer wohnt.

Die Wege zu den Lieblingsorten sind oft kurz. Es müssen einem nur die Augen dafür geöffnet werden. So ist die Krummhörn, die ›krumme Ecke‹, mit ihren 19 Dörfern schon mehr als einen Tagesausflug wert. Der idyllische Fischerort Greetsiel liegt da. Das Runddorf Rysum versprüht seinen Charme. Der rot-gelb geringelte Leuchtturm, den der Emder Komiker Otto Waalkes in seinen Filmen weltbekannt machte, schaut bei Pilsum über den Deich. Im Rheiderland westlich von Leer legten schon die Römer an. Heute passieren einmal im Jahr gigantische Kreuzfahrtschiffe auf der Ems, die weiter südlich in Papenburg gebaut werden, die Stelle. Aber es geht auch um die Besiedlung der Moore, die Fehnkultur. Weiße Klappbrücken, die die unzähligen Kanäle überspannen, prägen das Bild. Auf dem Ems-Jade-Kanal lässt sich trefflich quer durch Ostfriesland paddeln. Im Südbrookmerland und dem Moormerland sind urtypische Ostfriesen anzutreffen.

Östlich von Ostfriesland liegt Friesland, ein Kuriosum. Jever – mit ›f‹ gesprochen – ist die Hauptstadt. Das hat historische Gründe. Eine ›goldene Linie‹ wurde auf der Karte gezogen und grenzt noch heute Friesland ab. Sie verläuft längs durch den Hafen von Carolinensiel.

Wer sich auf die Eigenarten einlässt, findet auch Geschmack an den besonderen Orten – beim Wattwandern im Schlick, auf den 3.500 Radwegkilometern, im Fischladen beim Krabbenkauf oder in der Marsch bei den gemütlichen Kühen. Welche Rolle das Winken von Urlaubern bei der Ausfahrt aus dem Hafen spielt, ist auch eine Betrachtung wert.

Zwei Dinge aber sollte der Besucher erleben: ein Orgelkonzert – denn hier herrscht die größte Orgeldichte weltweit – und täglich
einige Tassen Ostfriesentee. Das gehört dazu. Moin!

Karte

Die Inseln

1  Deutschlands nordwestlichster Zipfel

Borkum – Grenzpfahl

Weiter nordwestlich geht es nicht in Deutschland. Wer hier in Borkum am grün-weißen Grenzpfahl steht und aufs Meer hinausschaut, sieht den 800 Meter breiten Strand der Drachenflieger. Weiter Richtung Nordwest ist erst nach rund 850 Kilometern Land in Sicht – die Shetland-Inseln. Jetzt liegt einem der Rest Deutschlands im Rücken.

Der Grenzpfahl markiert keine wirkliche Grenze, doch wer hier an der Strandpromenade steht, kann seine Position neu bestimmen. Eine Windrose mit den Entfernungen hilft dabei. Wer hätte gedacht, dass der Gast hier London etwa so nah ist wie Berlin? Lörrach an der Schweizer Grenze vor Basel ist 872 Kilometer entfernt. Die niederländische Stadt Groningen dagegen liegt mit 42 Kilometern fast vor der Haustür.

Wer sich gedanklich auf der Zeitachse bewegt, findet Hilfe im Schild am Grenzpfahl. Borkum wurde 1227 erstmals urkundlich als Borkna, 1398 als Borkyn erwähnt. Doch schon die Römer ruderten von der Nordsee aus in die Emsmündung und legten vorher hier an. Plinius der Ältere, Reiteroffizier und Schriftsteller der römischen Besatzungsarmee in Germanien, nannte an erster Stelle der Inseln Burcana – und meinte damit sehr wahrscheinlich das heutige Borkum. Doch Gaius Plinius Secundus, wie er damals genannt wurde, packte das Grauen, als er die Menschen dieser Gegend sah. Wenn die Flut die Anhöhen umspült, gleichen sie Seefahrern, bei Ebbe Schiffbrüchigen, notiert er. Wenig schmeichelhaft beschrieb er weiter: ›Sie jagen dann die ins Meer flüchtenden Fische und ­kochen sie auf dem Schlamm, den sie vorher im Wind trockneten.‹

Was das angeht, liegt nur ein paar Meter nordöstlich des Grenzpfahls das Strandcafé Sturmeck mit Freiterrasse, Eis und Kuchen. Und im Ort sowie am Yachthafen sind ausgezeichnete Fischrestaurants zu finden. Weitere kulinarische Anregungen liefert der kostenlose Lokalführer ›Natt & Drög‹.

Tipp: Ein Pottwalskelett ist die Attraktion im Heimatmuseum Dykhus. An die Walfang­geschichte Borkums erinnert auch ein Walknochenzaun in der Wilhelm-Bakker-Straße.

Strandcafé Sturmeck /// HindenburgStraße 144 ///

26757 Borkum /// 0 49 22 / 12 22 /// www.sturmeck.de ///

2  Wir sehen uns am Musikpavillon

Borkum – Musikpavillon

Es ist der Charme der Seebäderarchitektur vom Beginn des 20. Jahrhunderts, der hier sprüht. Im Licht der im Meer versinkenden Sonne brandet bisweilen Applaus auf, so wunderschön anheimelnd sind die Stunden am Musikpavillon am Nordbad. Was Pianisten, Stehgeiger und Sänger an Klängen hervorzaubern, untermalt diese Stimmung zauberhaft – nicht nur am Abend.

Wer hier unten an der früheren Wandelhalle in den Cafés und Restaurants sitzt, blendet die Bausünden Borkums automatisch aus. Der Blick fällt auf den kleinen, runden Säulenpavillon. Das gelb-weiße Haus mit dem Kuppeldach, auf dem eine Meerjungfrau im Wind schwebt, ist ein hübsches Wahrzeichen der Insel. Als der Pavillon 1911 erbaut wurde, stand er noch direkt an der Brandung. Zum Meer hin schützten Mauern die Musiker, zur Wandelhalle hin waren zwischen den hohen Säulen noch keine Fenster eingebaut.

Hier täglich der Livemusik zu lauschen, ist mindestens so schön, wie den Menschen vor und neben sich zuzuschauen. Hier treffen sich Gäste, hier finden Fremde zueinander, hier werden Freundschaften geschlossen. »Wir sehen uns am Musikpavillon«, das ist keine vage Verabredung, sondern eher eine Aufforderung.

Seit 1890 bestimmt das Badeleben den Tourismus der Insel. Allerdings gingen damals Damen und Herren noch streng getrennte Wege zum Bad in der Nordsee. Aus medizinischer Sicht wurden nur wenige Minuten empfohlen – im Ganzkörperbadeanzug. Braun zu werden und zu viel Haut zu zeigen, war verpönt. Borkum wartete schon damals mit einer Besonderheit auf, die bis heute besteht: die bunt gestreiften Strandzelte. Sie lassen sich einfacher transportieren als Strandkörbe.

Anfangs konnten die Gäste ›ihre‹ mit Stoff umspannte Sitzbank noch an der Dachfarbe erkennen, da es nur sechs Vermieterfamilien gab. Heute stehen Namen dran. 1906 zog eine überfällige Neuerung ein: das erste Familienbad. Vater, Mutter und Kinder tummeln sich seitdem gemeinsam in den Fluten.

Tipp: Im neuen Aquarium lässt sich alles über die Entstehung der Nordsee, den Klimawandel und das Wattenmeer hautnah erleben. www.nordsee-aquarium.de

Tourist-Information Borkum /// Am Georg-Schütte-Platz 5 ///

26757 Borkum /// 0 49 22 / 93 30 /// www.borkum.de ///

3  Alles, Watt gut ist

Borkum – Natur

Rund 92 Prozent der Fläche Borkums gehören zum Nationalpark Wattenmeer. Der zählt sogar zum UNESCO-Weltnaturerbe und steht somit nach der Liste des Gremiums zum Beispiel auf einer Stufe mit dem Great Barrier Reef in Australien. Leicht zu erkunden sind die Dünen im Ostland Borkums oder die ›Greune Stee‹, ein Wäldchen im Süden. Naturnah ist auch die Form einer originellen Postkarte – als Flaschenpost mit Sand gefüllt.

Die größte der sieben ostfriesischen Inseln hat die Form eines Hufeisens. Da konnten sich so viele Lebensräume herausbilden wie sonst auf keiner anderen der Inseln. 560 Pflanzenarten wachsen hier. Durch die Binnenweiden kommt der Wanderer zu kleinen Süßwasserteichen. Der Tüskendörsee gehört dazu; er liegt östlich des Flughafens. Tüskendör heißt ›zwischendurch‹, denn hier war die Insel durch ein breites Siel bis 1864 geteilt. Die Vielfalt der Arten lässt sich auch auf den Salzwiesen besichtigen, wo seltene Orchideen wachsen. Tausende von Zugvögeln nutzen sie zu einer Art Boxenstopp, um sich zu stärken. Von der Aussichtsdüne im Ostland lässt sich die hügelige Dünenlandschaft von Hooge Hörn im Osten bis zum Nordstrand überblicken. Wer auf der Strandpromenade steht, blickt weiter westlich auf eine Sandbank – das Borkumriff. Früher strandeten dort Schiffe. Heute sonnen sich da die Seehunde und sogar ein paar Kegelrobben. Das Feuerschiff Borkumriff, das einst vor dem seichten Wasser warnte, hat seine Position auf See längst verlassen. Es liegt im Borkumer Schutzhafen und beherbergt eine umfassende Schau, die über alles rund um den Nationalpark Wattenmeer etwas zu bieten hat. Das ideale Ziel für Familien.

Die Insel hat als einzige der sieben das gesunde Hochseeklima. Außerdem sind acht Klimatherapiewege ausgewiesen. Bei Joggern beliebt: Ein Lauf an West- und Süddünen lässt sich mit einer Strecke durch den Wald kombinieren. Die Greune Stee – ›grüne Stelle‹ – ist groß genug, um sich darin zu verlaufen. Originell ist eine Flaschenpostkarte. Sand hinein füllen und verschicken – so kann jeder seine angehäuften Urlaubserinnerungen weitergeben.

Tipp: Baden, Indoor-Surfen, Sauna und Wellness – das alles bietet das Meerwasserwellenbad Gezeitenland.

Nationalparkschiff Borkumriff /// Am Neuen Hafen 9 ///

Ortsteil Reede /// 26757 Borkum /// 0 49 22 / 20 30 ///

www.nationalparkschiff-borkum.de ///

1/11  Die Menschen sind dann einfach ganz beseelt

Singender Wattführer Albertus Akkermann

Wer mit dem Borkumer Original ins Watt geht, kommt als neuer Mensch zurück. Jedenfalls weiß er dann mehr über die Pflanzen- und Tierwelt unter seinen Füßen und ist durch die Musik in Einklang mit sich selbst.

Frage: Sie sind sehr wahrscheinlich der einzige singende Wattführer der Welt. Wie läuft so eine zweistündige Tour im Borkumer Watt mit Ihnen ab?

A. Akkermann: Ich habe mein Akkordeon auf dem Rücken, wir stapfen los und wenn ich ein Loch ins Watt grabe, dort die ersten Herzmuscheln zeige, dann kommt auch schon das erste Lied.

Frage: Was stimmen Sie an?

A. Akkermann: ›Molly Malone‹, ein irisches Lied, das sich mit Herz- und Miesmuscheln befasst. Molly Malone war eine irische Fischhändlerin, die ihren Karren durch die Straßen schob.

Frage: Oh ja, das passt, stimmungsvoll, zum Mitsingen, oder?

A. Akkermann: Ja, die Gäste stimmen oft mit ein, die Lieder gehen ans Herz, nicht nur bei der Herzmuschel. Ich singe auch Lieder von Jacques Brel, Rio Reiser oder der Rockband ›Element of Crime‹. Die Menschen sind dann einfach ganz beseelt.

Frage: Sie haben auch so eine klare Stimme, man kann Ihnen gut zuhören. Was erleben die Gäste denn noch so mit Ihnen?

A. Akkermann: Ich habe auch eigene Lieder, singe plattdeutsche Texte und erzähle natürlich ein paar Geschichten über Meer und Watt. Ja, und dann verteile ich Drogen.

Frage: Wie bitte?

A. Akkermann: Ich zupfe etwas Wilden Wermut. Da sind Thujone drin, die tat man früher in den Absinth. In kleinen Mengen absolut ungefährlich, es riecht etwas nach Menthol. Überhaupt sollen bei meinen Wattwanderungen alle Sinne zu ihrem Recht kommen.

Frage: Haben Sie denn noch mehr für den Gaumen?

A. Akkermann: Queller habe ich zu bieten. Das ist die einzige Salzwiesenpflanze, die ohne Salzzufuhr nicht leben kann. Zu Fisch und Salat schmeckt der Queller hervorragend, lecker.

4  Bei Regen öffnet sich der Schirm von selbst

Juist – Schirmbar

Plaudern, flirten, kennenlernen – unter dem Schirm bei bestem Seeblick und windgeschützt ist das der Ort, wo sich junge Menschen auf Juist gern treffen. Cocktails, Sundowner, Longdrinks, Bier und Sekt werden nicht nur zum Sonnenuntergang gereicht. Doch gerade dann herrscht diese besondere Stimmung, die den Tag in neuem Licht erscheinen lässt. Gegenüber ist auch noch Platz – in der Strandhalle Pabst.

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