Luisa Francia

Wer nicht alt

werden will, muss

vorher sterben

Nachdenken über die letzte Lebenszeit

Row, row, row your boat,

Gently down the stream.

Merrily, merrily, merrily, merrily

Life is but a dream.

Englischer Kanon

Besuchen Sie uns im Internet unter

www.nymphenburger-verlag.de

www.salamandra.de

© für die Originalausgabe und das ebook: 2016 nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: Luisa Francia

eBook-Produktion: F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

ISBN 978-3-485-06126-1

Inhalt

Vorwort

Fast ein Ende

Nachdenken über das Ende

Die gute Frau Tod

Das letzte Drittel

Wer pflegt, muss ein dickes Fell und viel Humor haben

Wie alt sollen wir werden? Oder: Wie sollen wir alt werden?

Lebend komme ich hier nicht mehr raus: Das Leben im Seniorenheim

Meditation statt Medikation

Sterben

Das Ende als Befreiung

Über den Tod hinaus: Brief an meine Freundin

Anhang: Praktische Überlegungen

Ungewöhnliche Begegnung

Danksagung

Vorwort

Mein Weg zur Grundschule führte mich zwei Jahre lang durch den Friedhof, vorbei am Leichenhaus, in dem die Verstorbenen aufgebahrt wurden. Meine Freundin und ich blieben auf dem Schulweg immer an der Leichenhalle stehen und pressten unsere Gesichter an die Glasscheibe in der Tür. Angst vor Toten hatten wir nicht. Uns faszinierten vielmehr die wächsernen Gesichter und die Dinge, die man ihnen in die gefalteten Hände gelegt hatte. Wie fast alle Kinder, die nicht selbst unmittelbar vom Tod bedroht sind, hatte ich ein unkompliziertes Verhältnis zu Alten und Toten. Sie waren Teil meines Alltags.

In meiner Kindheit wurden viele Verstorbene noch gewaschen, schön gekleidet und zu Hause aufgebahrt. Bekannte und Verwandte konnten sich so verabschieden. Sie kamen, setzten sich und sprachen oder schwiegen, dann gingen sie wieder. Berührungsängste mit Toten gab es da eher nicht.

Und es war auch nicht wie in dem Zeitungsbericht aus Schweden, der darüber berichtete, dass die Mutter dem Sohn sagte: »Der Opa ist heute Nacht gestorben.« Und der Junge fragte: »Wer hat ihn erschossen?«

Obwohl – meine Großmutter hatte den Lesezirkel abonniert. In einer Zeitschrift sah ich eine Fotostrecke über ein Mädchen, das seine kleine Schwester über die Münchner Maximiliansbrücke in die Isar geworfen hatte. Die Kleine starb, und ich als jüngere Schwester hatte plötzlich so ein mulmiges Gefühl, denn ich provozierte meine ältere Schwester oft.

Eine Messerstecherei gab es in dem zwielichtigen Lokal »Rosenstüberl«. Ein Mann namens »Pelikan« war darin verwickelt. Ob er das Opfer oder der Täter war, weiß ich nicht, doch blieb mir der mysteriöse Pelikan bis heute mit einem leichten Schaudern in Erinnerung.

Sogar im Steinsee gab es einen Mord. Wo wir den ganzen Sommer übermütig badeten, schwammen und mit Mutter und Großmutter Picknick machten, hatte ein Mann seine Freundin umgebracht und mit seinem Auto im See versenkt. Doch waren diese Toten abstrakt, wir kannten sie ja nicht.

Als ich ungefähr zwanzig Jahre alt war, starb eine gute Freundin bei einem Motorradunfall. Zum ersten Mal wurde mir klar, wie unwiderruflich verschwunden die Menschen sind, die sterben. Wie weh es tut, sie loszulassen. Ich fand: Der Tod ist gemein. Dargestellt wurde er ja auch immer als Skelett mit einer Sense. Die Leichtigkeit im Umgang mit Alter und Tod wollte sich danach lange nicht mehr einstellen. Und dann passierte es mir selbst – ich schrammte haarscharf am Tod vorbei.