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1939 zum ersten Mal erschienen im Verlag M. & H. Scharper, Hannover
© 1987 FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung GmbH, Alle Rechte vorbehalten.
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6. Auflage 2021
Herausgeber:
Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V.
Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht,
Fédération Equestre Nationale (FN), Warendorf
Zeichnungen:
Anatomisches Institut, Tierärztliche Hochschule Hannover
Titelfotos:
Thiedemann
Sportfotos Stefan Lafrentz, Plön
Fotos:
Tiedemann (14 Abbildungen); Wisskirchen (1 Abbildung); Privat (3 Abbildungen)
Film: Heeresbildstelle, Berlin
Werner Ernst, Ganderkesee: Seiten 18, 19
Menzendorf, Leihgabe Nieders. Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum, Verden/Aller: Seiten 16, 17
Arnd Bronkhorst Pferde Fotografie, Garderen/NL: Seite 19 u.
Fotohaus Kiepker, Lengerich: Seite 20
Roger Müller/ROM Fotografie, Donaueschingen: Seite 21 u.
Guido Recki, Dorsten, Seite 21 o.
Layout und Umschlaggestaltung:
Katja van Ravenstein, www.ravenstein2.de
Druck und Verarbeitung:
mediaprint solutions GmbH, Paderborn
ISBN 978–3–88542–687–5
Inhalt
Vorwort von Klaus Balkenhol
Gedanken zum Buch
von Dr. Gerd Heuschmann
von Heinz–Dieter Donner †1989
von Thies Kaspareit
Die Entwicklungsgeschichte von Reitpferden
am Beispiel Herder, Donnerhall und Frau Holle
1Allgemeines über Muskeltätigkeit
2Warum reiten wir junge Pferde mit nach vorn–unten gedehntem Hals an?
a)Anatomisch–funktionelle Vorbemerkungen
b)Wie findet sich das Pferd mit dem Reitergewicht ab?
c)Nutzanwendung für die Remonteausbildung
3Der Rücken
4Die Hinterhand
a)Anatomisch–funktionelle Vorbemerkungen
b)Der Bewegungsablauf an der Hinterhand
c)Nutzanwendung für die Remonteausbildung
5Die Vorhand
a)Anatomisch–funktionelle Vorbemerkungen
b)Die Vorhand im Sprung
c)Bewegung und Training der Vorhand
6Die Bauchmuskeln
a)Anatomisch–funktionelle Vorbemerkungen
b)Die Tätigkeit der Bauchmuskeln
7Die Hilfen
a)Die treibende Schenkelhilfe
b)Die verhaltende Hilfe, die Durchlässigkeit und die dabei auftretenden Schwierigkeiten
c)Das Zusammenwirken der Hilfen
8Die Haltung
a)Haltung und Aufrichtung
b)Die Nickbewegungen
c)Die Aufhängung des Halses am Widerrist und die Ganaschenbiegung
d)Die Bewegungsfreiheit des Halses und ihre Bedeutung für die Bewegung der Vorhand
e)Die natürliche Schiefe, das Geraderichten, die seitliche Biegung und Stellung
9Inwiefern kann die Beurteilung der Muskelentwicklung den Ausbildungsgang des Reitpferdes beeinflussen?
10Die Losgelassenheit
11Das Gleichgewicht
12Grundsätzliches zur Ausbildung
Anhang
Lage und Funktion der Muskeln
Schrifttum
Vorwort
Es ist mir eine besondere Freude, das Vorwort zur Neuauflage von Udo Bürgers und Otto Zietzschmanns „Der Reiter formt das Pferd“ verfassen zu dürfen. Das Buch war einige Jahre vergriffen und sollte meines Erachtens Pflichtlektüre für alle sein, die sich berufsmäßig oder aber nur aus Freude am Reitsport, aber verantwortungsbewusst, mit der Ausbildung eines Pferdes befassen möchten. Den Verantwortlichen des FNverlages möchte ich herzlich für die Wiederauflage des 1939 erstmals erschienenen Buches danken.
Einer der renommiertesten deutschen Pferdezüchter sagte mir vor einigen Tagen: „Die Pferde sind in den letzten Jahrzehnten so viel besser geworden. Leider hat die Ausbildung der Reiter nicht mit der Zucht Schritt halten können. Der Erfolg beruht zu 75 % auf der Ausbildung und zu 25 % auf der Veranlagung des Pferdes.“
Nach meiner Erfahrung kann ich diese Aussage nur unterstreichen. Unzählige „Spitzenpferde“ verschwinden durch unsachgemäße Ausbildung auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung, andere schwierige und eher durchschnittlich begabte Pferde hingegen werden bei guten Ausbildern zu „Spitzenpferden“ geformt.
Was bei der Ausbildung des Pferdes Not tut, ist das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Muskeltätigkeit und Skelett im Zusammenspiel bei den verschiedenen Ausbildungsphasen und Lektionen und zwar unabhängig davon, für welche Sparte der Reiterei man sich entscheidet.
Dr. Udo Bürger war leitender Veterinäroffizier an der berühmten „Kavallerieschule“ in Hannover und Dr. Dr. h.c. Otto Zietzschmann war Professor der Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Beide waren aktive Reiter und standen in engem Kontakt miteinander und mit den Weltklassereitern der Kavallerieschule. Das heißt, sie wussten, wovon sie sprachen. Sie haben uns mit diesem Buch meines Erachtens eine Kostbarkeit hinterlassen.
Die Erfolge der Deutschen Reiterei basieren nicht zuletzt auch auf dem Grundwissen rund ums Pferd, das an der Kavallerieschule in Hannover vermittelt wurde und auch vermittelt werden konnte. Dort gab es „Schulpferde“ in des Wortes bester Bedeutung, auf denen der unerfahrene Reiter „fühlen lernen“ konnte, wie es ist, wenn der Rücken schwingt und ein Pferd sich vertrauensvoll an die Hand herandehnt, die Hinterhand herangeschlossen wird oder eine Parade willig durchlässt. Für die Ausbildung dieser Pferde hat man sich damals Zeit genommen, zum Wohle der Gesundheit der Pferde, der längeren Lebensdauer und der Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Die Bewegung, besonders der jungen Pferde, draußen in der Natur war ganz selbstverständlich, aber auch bei fortgeschrittenem Training gehörte die Arbeit im Gelände als ganz wichtiger Bestandteil der Ausbildung dazu, ebenso wie das Reiten über Hindernisse (siehe dazu auch Kapitel 12).
Arbeitskräfte, die sich um das Wohlergehen der Pferde kümmerten, gab es reichlich. Das alles hat sich grundlegend geändert. Pferde sind zur Ware geworden, die so schnell und so teuer wie möglich vermarktet werden soll. Am wenigsten profitieren in der Regel die Züchter von dieser Entwicklung. Viele Ausbilder haben nie die Gelegenheit gehabt, auf einem gut gerittenen Pferd fühlen zu lernen und es fehlt leider auch häufig, trotz aller theoretischer Ausbildung, am Wissen um die in diesem Buch dargelegten Erkenntnisse.
Oft habe ich mir als Leiter von Lehrgängen die Frage gestellt, ob es möglich ist, den Reitern das Gefühl auf ihren zum Teil völlig verkrampften Pferden umzuschulen und eine Idee davon zu vermitteln, wie es sein sollte.
Häufig wird schnell zu Hilfsmitteln wie z.B. den Schlaufzügeln gegriffen, damit es einfacher geht. Selbst in bekannten Dressurställen ist das leider häufig der Fall. Kaum einem ist klar, dass es sich dabei um das Unvermögen der Reiter und die Vergewaltigung der Kreatur handelt. Tierärzte, Chiropraktiker, Osteopathen und Akupunkteure sind dann gefragt, um die Schäden, die auftreten, wieder zu beheben. Hilfszügel jeglicher Art sollten bei richtiger Ausbildung überflüssig sein.
Ich hatte das große Glück, mit meinem Staffelführer der Polizeireiterstaffel in Düsseldorf Otto Hartwich selbst einen Ausbilder von der Kavallerieschule Hannover gehabt zu haben, einen exzellenten Reiter und Ausbilder nach allen Regeln der klassischen Reitlehre. Er hat mir beigebracht, dass vor jeder Lektion die Basisarbeit steht. Er hat mich fühlen gelehrt, wie es ist, wenn das Pferd anfängt, unter dem Reiter zu tanzen und wann der Rücken auch stark genug für die ganz hohe Versammlung ist. Er hat mich auch gelehrt, dass der Reiter die Versammlung auch bei jungen Pferden annehmen darf, wenn kein Zwang angewandt wird, und dass Zwang zu Verkrampfungen bei Reiter und Pferd und damit zu Verletzungen führen kann. Bei seinen Pferden war zu beobachten, dass sie im Laufe der Ausbildung schöner wurden. Er hat mir beigebracht, dass Erfolg nicht alles ist und wir eine Verantwortung für die Pferde haben, die uns anvertraut und auch ausgeliefert sind.
Viele seiner Gedanken habe ich in diesem Buch wiedergefunden. Ich nehme es mir auch heute selbst noch öfter vor, wenn ein Problem auftritt, das ich so noch nicht erlebt habe. Pferde stellen auch den erfahrenen Reiter oft vor neue Situationen und vor die Erkenntnis, dass in diesem Metier nichts ganz vorhersehbar ist, und ein Menschenleben nicht ausreicht, um reiten zu lernen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine lehrreiche und interessante Unterhaltung.
Klaus Balkenhol – Olympiasieger und ehemaliger Bundestrainer
Gedanken zum Buch
Einleitende Worte
zu einem Buch zu finden, das so aktuell ist wie eh und je, obwohl es aus dem Jahr 1939 stammt, ist nicht ganz einfach. Liebe Leser, dennoch werde ich versuchen, Ihnen die Besonderheiten dieses genialen Buches zu erklären.
In der Zeit, der dieses Buch entstammt, war der Reitsport in der Regel an einen bestimmten sozialen Status gebunden und konnte, allein aus wirtschaftlichen Gründen, nur von einer kleinen, privilegierten Schicht ausgeübt werden. Pferde wurden vielmehr für den Kriegsdienst benötigt. Diese wurden in den Reitschulen des Militärs, den Hütern der klassischen Reitlehre, ausgebildet. Diese Kavallerieschulen lieferten regelmäßig ältere, aus dem Militärdienst entlassene Lehrpferde, die für viele Zivilisten begehrte Lehrmeister waren. Einen ökonomischen Aspekt bei der Pferdeausbildung gab es damals jedoch nicht.
Erst seit den Nachkriegsjahren hat sich der Pferdesport stark in die Breite entwickelt. Menschen aller Bevölkerungsschichten befassen sich mit dem Thema der Pferdeausbildung. Wir differenzieren heute zwischen dem Freizeit– oder Breitensport und dem so genannten Profisport. Unsere Freizeitreiter sind meist hoch motivierte, jedoch häufig laienhafte Menschen, denen die Erfahrung im Umgang mit dem Pferd und das Grundverständnis für die Zusammenhänge im Körper eines Pferdes fehlen. Aus dieser Unwissenheit resultieren viele Ausbildungsfehler, die am Ende auf Kosten der Pferdepsyche und –gesundheit gehen.
Demgegenüber ist in der professionellen Pferdeszene meist ein reelles Basiswissen vorhanden. Tiefere Zusammenhänge sind jedoch auch hier häufig unbekannt. Außerdem steht nicht selten der wirtschaftliche Aspekt so weit im Vordergrund, dass eine Schnellausbildung zwar oftmals das schnelle Geld, jedoch keinen dauerhaften Erfolg bringt.
Unzureichendes Wissen um anatomische und physiologische Zusammenhänge zeigt seine größten Defizite im Bereich der Arbeit mit jungen Pferden, den „jungen und alten Remonten“, wie Pferde im ersten und zweiten Ausbildungsjahr noch vor 60 Jahren bezeichnet wurden. In diesen ersten Jahren der Grundausbildung treten die großen Fehlerquellen auf. Viele Reiter glauben, es ginge bei der Pferdeausbildung um vordergründiges Dressieren der Pferde. In der Realität spielt diese mechanische Komponente jedoch eher eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus werden in unseren Tagen plötzlich neue Lehren propagiert, die glauben machen, es gäbe andere Wege zu dem gewünschten Ziel.
Das vorliegende Buch erklärt uns aber sehr deutlich, dass sich so ein Pferdekörper entwickeln muss. Mit anderen Worten könnte man sagen, wir begleiten einen Entwicklungs– und Veränderungsprozess, der Monate und Jahre in Anspruch nimmt.
Genau diesen Faktor „Zeit“ haben wir heute scheinbar nicht mehr. Der in „Der Reiter formt das Pferd“ aufgezeigte langsame und lange Weg, der in der Regel auch nicht zu schnellem Geld führt, fördert die Gesundheit und Belastbarkeit der Pferde. Sehr viel detailliertes anatomisches Wissen fließt mit Erkenntnissen der Trainingsphysiologie zusammen und zeigt einen Ausbildungsweg auf, der, von einigen individuellen Varianten abgesehen, als zentraler „roter Faden“ die Entwicklung eines jeden jungen Pferdes (Remonte) beschreibt. Man wird erkennen, dass der Faktor Zeit, verbunden mit gewissen technischen Fähigkeiten des Reiters und besonders mit der Grundforderung nach einem ruhigen, ausgeglichenen und zufriedenen Reiter, die größte Rolle bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe der Ausbildung des Pferdes spielt.
So wird zu Beginn der Ausbildung eine zur horizontalen Fortbewegung konstruierte Brücke plötzlich vertikal belastet. Junge Remonten sind sehr weich, verletzlich und schwach. Wie reagiert dieser andersartig belastete Körper? Anfangs sicher mit Abwehrspannung und Verkrampfung. Nur ausreichendes Grundwissen um natürliche Verhaltensweisen und physikalische Zusammenhänge versetzen uns in die Lage, dass sich das Pferd an das Gewicht gewöhnt, die Verkrampfung überwindet und die eigentliche Ausbildung des Pferdes beginnen kann. Ziel ist es, sich dieses junge Tier so entwickeln zu lassen, dass es ein wundervolles, leichtrittiges, ausgeglichenes und gesundes Reitpferd wird.
Jedem Leser ist jetzt sicherlich klar geworden, dass ein Pferd die größten Schritte auf dem Weg zum fertigen Reitpferd am Anfang dieses Weges macht. Die klassische Reitlehre gibt uns einen Weg vor, der uns zeigt, wie wir diesen großen muskulösen Körper verändern können, ohne ihn zu schädigen oder zu zerstören. Zudem sollte jedem Menschen klar sein, dass ein körperlicher Umformungsprozess mit starken Muskelschmerzen verbunden ist.
Beginnen Sie morgen mit einer für Sie bis dahin fremden Sportart, so werden Sie diese Erfahrung sehr intensiv erleben. Wieso vergessen so viele Menschen diese Erfahrung aus dem eigenen Leben?
Warum müssen so viele Pferde trotz erheblicher Muskelschmerzen weiterarbeiten und in letzter Konsequenz an der Unwissenheit oder der mangelndem Gefühllosigkeit ihrer Reiter leiden? Auch für den Reiter bietet eine rücksichtslose Art der Ausbildung keinen Genuss. Darüber hinaus verlieren in künstlich erzeugter Spannung gerittene Pferde, ihre Schönheit und ihren Schmelz. Sie schweben mit festgehaltener Rückenmuskulatur und strampeln mit ihren Vordergliedmaßen. Diese gelegentlich eindrucksvollen Schautritte bedingen aber unzureichende Losgelassenheit. Die Krankheitsanfälligkeit steigt dadurch erheblich. Häufig auftretende Gelenklahmheiten sind oft ein Zeichen solcher falschen Arbeit. Unzureichende Losgelassenheit, auch im Gliedmaßenbereich, führt zu unzureichender Gelenkknorpelernährung mit entsprechenden Langzeitkonsequenzen im Gelenkbereich. Ebenso sind regelmäßig auftretende Weichteilschäden (Sehnenschäden) ein Indiz für häufiges Arbeiten über den Ermüdungspunkt hinaus. Deshalb sollte ein Pferd niemals weitertrainiert werden, wenn es müde ist. Viele dieser elementaren sportphysiologischen Erkenntnisse sind zu wenig bekannt und führen unnötigerweise zu Beinschäden. Verbunden mit all den körperlichen Problemen treten oft psychische Schäden bei den falsch und übertrainierten Pferden auf. Nur ein schmerzfreier und losgelassener Körper bedingt aber ein ausgeglichenes Interieur. Denken Sie an Ihre Stimmung, wenn Sie starke Rücken– und Zahnschmerzen haben. Wie ist es dann um Ihre Lust zu arbeiten bestellt?
Eine große Zahl weiterer Fragen wird in diesem Buch beantwortet: Wie trägt ein Pferd das Reitergewicht? Wie kann es das tun, ohne dabei Schaden zu nehmen? Selbstverständlich kann ein so großes und kräftiges Tier mit seinen kräftigen Muskeln ein relativ großes Gewicht auf seinem Rücken schleppen! Wie aber macht es das mit leichtfüßiger Eleganz? Wie kann ein Pferd dabei ästhetischer, schöner und dynamischer werden? Ein Lastesel schleppt seine Last und verschleißt dabei seinen Körper. Ein korrekt ausgebildetes Pferd bleibt gesund, leistungsstark und schön bis ins hohe Alter.
Wir werden die große Bedeutung einer gut entwickelten, möglichst langen Kopf–Hals–Achse kennen lernen. Wir werden aufgeklärt, was es bedeutet, ein junges Pferd mit dominanter Handeinwirkung zusammenzuziehen. Wir werden erfahren, welche unglaubliche Bedeutung ein losgelassen schwingender Rücken für den gesamten Ausbildungsweg hat. Wir werden auch lernen, nachzugeben. Ein Reiter, der glaubt, durch handwerkliche Einwirkung ein Pferd ausbilden zu können, wird erfahren, dass dieser Weg ein unbefriedigender Holzweg ist. Es gibt nur wenige Reiter, die das Gefühl dafür haben, Zustände zu bemerken, abzusteigen oder im Schritt ins Gelände zu reiten. Dieses Buch erklärt so vieles rund ums Pferd und dessen Entwicklung, und nur mit diesem Wissen gelingt die Ausbildung des jungen Pferdes!
Viel Spaß und Erfolg mit dem Buch und Ihrem Pferd.
Warendorf im März 2003/Oktober 2021
Dr. med. vet. Gerd Heuschmann
Aus diesem Grunde
legt der FNverlag eine neue Serie von Nachdrucken ausgesuchter, fachlich kompetenter Reitsportbücher – die „FN–Reprints“ – vor. Diese Bände geben einen Überblick über das reiterliche Denken der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Sie behandeln eine Zeitspanne, in der sich das heute gebräuchliche „moderne Reiten“ von den vorher vorwiegend militärischen Belangen zur zivilen und reitsportorientierten Reitausbildung entwickelt.
Dr. Udo Bürger war leitender Veterinäroffizier an der berühmten „Kavallerieschule“ in Hannover und stand mit Dr. Dr. h.c. Otto Zietzschmann, Professor der Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, in engem Kontakt. Beide waren aktive Reiter und standen in enger Verbindung mit den Weltklassereitern der Kavallerieschule.
Mit Sicherheit werden diese Reprints hippologischer Kostbarkeiten jedem Leser eine willkommene Bereicherung seines Wissens bieten.
Altjührden im Januar 1987
Heinz–Dieter Donner – hatte von 1974 bis 1987 eine leitende Funktion für die Aufgabenbereiche Berufsausbildung, Turnierrichterausbildung und Lehrmittelerstellung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).
Auch in der heutigen Zeit
bleibt das Wissen über funktionale Zusammenhänge der Anatomie des Pferdes für seine Reitausbildung von großer Bedeutung. Der Konflikt zwischen einer altersgemäßen, körperlichen Entwicklung eines Pferdes und wirtschaftlichen Überlegungen der Jungpferdeausbildung bei Züchtern, Aufzüchtern, Pferdebesitzern, Ausbildern und Reitern ist weitestgehend durch klare Vorgaben der Zucht– und Sportverbände zu regeln und bei Bedarf anzupassen. Die Begründung und die sachliche Herleitung, warum ein durchaus frühzeitiger, aber sich langfristig moderat entwickelnder Ausbildungsprozess für das Pferd unabdingbar ist und sich für den Besitzer beziehungsweise Reiter dennoch lohnt, ist in diesem aktuell bleibenden Buch nachzulesen. Anfang unseres Jahrtausends verhalf dankenswerterweise Dr. Gerd Heuschmann diesem Buch aus dem Jahre 1939 zu neuer Aufmerksamkeit, weil er darauf hinwies, dass es kein Werk gibt, das diese wichtigen Zusammenhänge besser beschreibt. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass der FNverlag es ein weiteres Mal neu auflegt.
Warendorf im Oktober 2021
Thies Kaspareit – Leiter Abteilung Ausbildung
der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)
Die Entwicklungsgeschichte von Reitpferden
Mit der Ausbildung von Herder hat Felix Bürkner der Nachwelt eindrucksvoll die positive Wirkung der klassischen Reitlehre dokumentiert und die Richtigkeit der von Udo Bürger und Otto Zietzschmann in diesem Buch aufgestellten Thesen manifestiert.
Herder als Remonte unter Felix Bürkner
Herder in der Passage unter Felix Bürkner
Die positive Wirkung des Gymnastizierungsprozesses lässt sich am Beispiel des Pferdes „Herder“ eindrucksvoll demonstrieren: Am Anfang seiner Laufbahn im Jahre 1937 ist Herder wenig bemuskelt und nicht im Gleichgewicht unter dem Reiter. Bürkner ritt dieses Pferd konsequent ein Jahr lang ohne Versammlung geradeaus.
Herder ist nach 6 Jahren konsequenter Arbeit kaum wiederzuerkennen. Es ist dasselbe Pferd! Hier zeigt sich, wie planmäßige Ausbildung das Pferd verändern kann. Bürkner ritt Herder konsequent von hinten – über den Rücken, durch das Genick an die Reiterhand – nach vorn. Die vortreibenden Hilfen des Reiters standen gegenüber den verhaltenden im Vordergrund. Das Pferd sucht die Anlehnung. Der Reiter gestattete sie.
Donnerhall wird anlässlich der Oldenburger Körung 1983 gekört. Damals präsentiert sich der elegante Fuchs mit der schönen Zeichnung noch etwas unspektakulär, lässt aber seine Qualität bereits erkennen.
Herbert und Karin Rehbein zeichnen sich fortan für die Ausbildung von Donnerhall verantwortlich. Dieser entpuppt sich als Musterschüler, bei dem alles zusammenpasst: Leistungsbereitschaft, Rittigkeit und erstklassige Grundgangarten prädestinieren ihn geradezu für eine internationale Karriere auf dem Dressurviereck. 1986 wird er Siegerhengst der DLG–Ausstellung in Hannover.
Donnerhall 2½–jährig nach der Körung
Donnerhall 5–jährig
Donnerhall 16–jährig – EM Verden 1997
Die Erfolge in Dressurprüfungen lassen nicht lange auf sich warten. Donnerhall und Karin Rehbein gelingt der Sprung in die schwere Klasse, es folgen hohe Platzierungen und Siege in Grand Prix und Grand Prix–Special.
1994 kehren die Beiden mit Mannschaftsgold und Einzelbronze von den Weltmeisterschaften in Den Haag zurück. Auch bei den Europameisterschaften in Verden 1997 gehören Karin Rehbein und Donnerhall zum siegreichen Team und gewinnen zusätzlich Einzelbronze. Mit dem inzwischen 17–jährigen Hengst zählt Karin Rehbein 1998 bei den Weltmeisterschaften in Rom erneut zum deutschen Goldteam und belegt in der Einzelwertung einen hervorragenden 4. Platz.
Seiner sportlichen Leistung steht seiner Bedeutung als Vererber in nichts nach: Allein 121 gekörte Söhne wurden in Deutschland ins Hengstbuch 1 eingetragen. 1.233 Töchter wurden in die Zuchtbücher deutscher Pferdezuchtvereinigungen eingetragen, davon 245 Staatsprämienstuten. Unzählige Nachkommen sind zudem als Sportpferde registriert. Mittlerweile gilt Donnerhall als Linienbegründer. Das D–Blut ist in der europäischen Pferdezucht fest verankert und erfreut sich unter Züchtern und Reitern nach wie vor großer Beliebtheit.
2012, zehn Jahre nach seinem Tod, stellt der Oldenburger Jahrtausendhengst die gesamte deutsche Dressurmannschaft bei den Olympischen Spielen in der britischen Hauptstadt:
Damon Hill – Sohn des Donnerhall (Helen Langehanenberg)
Diva Royal – Enkelin des Donnerhall (Dorothee Schneider)
Desperados FRH – Enkel des Donnerhall (Kristina Sprehe)
Im Jahr 2012 fiel im Stall des westfälischen Züchters Christoph Rawert aus der Stute Rotkäppchen von Riccio ein sehr korrektes und auffallend schönes Stutfohlen von Fürstenball. Schon sehr früh zeichnete sie sich durch ihren guten Charakter aus. „Frau Holle war von Anfang an ganz besonders zutraulich und menschenbezogen, dabei trotzdem immer aufmerksam und keck“, erinnert sich der Züchter aus Coesfeld. Ihre hohe Leistungsbereitschaft stellte sie auch beim Anreiten und in der Grundausbildung unter Beweis. Stets unkompliziert und mit drei guten Grundgangarten ausgezeichnet sicherte sie sich beim Deutschen Elitestuten Championat im Jahr 2015 in Lienen hohe Gesamtnoten. Von den Fremdreitern gab es ebenfalls ausgezeichnete Noten – ein weiterer Beleg für die Bereitschaft zur Mitarbeit und den Lernwillen der wunderschönen Dunkelbraunen.
Frau Holle an der Hand ihres Züchters Christoph Rawert beim Deutschen Elitestuten Championat 2015 in Lienen.
Frau Holle 3–jährig
Frau Holle 8–jährig – Donaueschingen 2020
3–jährig wird Frau Holle als Katalognummer 42 bei der Westfälischen Eliteauktion im Oktober 2015 in Münster–Handorf versteigert. Beschrieben wir die Stute im Auktionskatalog wie folgt: „Vater Fürstenball liefert diese sympathische Staatsprämienstute. Eine hervorragende Dressurspitze, die mit viel Takt, Losgelassenheit und natürlicher Bewegungsqualität ihre Perspektive für den großen Sport aufzeigt.“
6–jährig kam Frau Holle zu Jana Schrödter: „Sie war bereits in Dressurpferdeprüfungen der Klasse L platziert. Von Beginn an zeigte sich die junge Stute sehr sensibel, eifrig und lernwillig. Allerdings brauchte sie einige Zeit, um in ihren großen Körper hineinzuwachsen. Doch mit Geduld, Ruhe und Fingerspitzengefühl entwickelte sich das schlaksige Jungpferd mehr und mehr zu einer gut modulierten und sehr leistungsbereiten Topsportlerin. Geholfen haben uns auf diesem Weg die außergewöhnliche Arbeitseinstellung und das dem Menschen zugewandte Wesen dieser besonderen Stute."