Das 1800 Seiten Spezial Thriller Paket Februar 2022: Krimi Paket
Published by Alfred Bekker, 2022.
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Das 1800 Seiten Spezial Thriller Paket Februar 2022: Krimi Paket
Das 1800 Seiten Spezial Thriller Paket Februar 2022: Krimi Paket | von Alfred Bekker, Horst Bieber, Bernd Teuber, Horst Weymar Hübner, A.F.Morland
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Beinahe zu spät
Binahe zu spät
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Der Kommissar und das Nashorn: Ein Harry Kubinke Krimi
Alfred Bekker | Der Kommissar und das Nashorn | Ein Harry Kubinke Krimi
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Der Kommissar und das Nashorn
Don't miss out!
About the Author
About the Publisher
Der Super Krimi Koffer
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Tuch und Tod
Prolog
1. Kapitel: Ein Detektiv namens Berringer
2. Kapitel: Herzblut – Pferdeblut
3. Kapitel: Zwei Frauen in Weiß
4. Kapitel: Eine Leiche im Elfrather See
5. Kapitel: Verdächtigungen
6. Kapitel: Eine Gestalt in der Nacht
7. Kapitel: Ausgebootet auf der BOOT
8. Kapitel: Böses Erwachen
9. Kapitel: Der Mörder
VERLORENE SICHERHEIT
Personen:
1. Teil
2. Teil
3. Teil
4. Teil
DIE KONKURRENTEN
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Der Tod ist heller als die Sonne
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Das Urteil lautet Tod
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Ein Grab für die Mafia
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Die Gen-Bombe
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Ein Killer-Hai schlägt zurück
Die Hauptpersonen des Romans:
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Im Visier der Killerin
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Ein Sarg für Davie Dorn
Die Hauptpersonen des Romans:
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Über diesen Band:
Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Mal provinziell, mal urban. Mal lokal-deutsch, mal amerikanisch. Und immer anders, als man zuerst denkt.
Dieser Band enthält foleende Krimis:
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Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Horst Bieber/Bernd Teuber: Beinahe zu spät
Alfred Bekker: Der Kommissar und das Nashorn
Alfred Bekker: Tuch und Tod
Horst Bieber: Verlorene Sicherheit
Alfred Bekker: Die Konkurrenten
Horst Weymar Hübner: Der Tod ist heller als die Sonne
A. F. Morland: Das Urteil lautet Tod
A. F. Morland: Ein Grab für die Mafia
Alfred Bekker: Die Gen-Bombe
A. F. Morland: Ein Killer-Hai schlägt zurück
Alfred Bekker: Im Visier der Killerin
A. F. Morland: Ein Sarg für Davie Dorn
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
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Beinahe zu spät
Horst Bieber and Bernd Teuber
Published by BEKKERpublishing, 2018.
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Kriminalroman
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Horst Bieber
und
Bernd Teuber
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author/ Titelbild: Nach Motiven von Pixabay, 2018
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
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postmaster@alfredbekker.de
Der Banküberfall ist nun schon fünf Jahre her, aber der pensionierte Kommissar Rudi Ewers kommt nicht davon los. Der Täter wurde zwar gefasst, doch von den 81.000 Euro fehlt bis heute jede Spur.
Auch der ehemalige Bankangestellte Peter Kohlmeier beschäftigt sich immer wieder mit den Ereignissen, ebenso der Journalist Kalle Rombach. Gemeinsam rollen sie den Fall wieder auf und stoßen dabei auf einige Ungereimheiten.
Hat der Täter wirklich eingehandelt?
Oder gab es einen Komplizen?
Und wo befindet sich die Beute?
Personen:
Rudi Ewers, Kriminalkommissar im Ruhestand.
Kalle Rombach, Journalist.
Petz Kohlmeier, ehemaliger Bankangestellter.
Axel Friese, Inhaber der „Adlerklause“.
Gerda Friese, seine Frau.
Helga Dieling, Gerdas Schwester.
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DIE „ADLER-KLAUSE“ war gemütlich und selten überfüllt. Doch an diesem Abend herrschte Hochbetrieb. Die beiden Wirtsleute schafften es nur mit Mühe, sämtliche Bestellungen abzuarbeiten. Den Mittelpunkt des Lokals bildete die hufeisenförmige Theke, hinter der Axel Friese bediente. Ringsum standen rechteckige Tische und an der linken Wand hingen zwei Geldspielautomaten, an dem einige Unbelehrbare ihr Glück versuchten, indem sie die Geräte mit Münzen fütterten.
An einem Tisch in der rechten hinteren Ecke saßen zwei Männer, die in ein intensives Gespräch vertieft waren. Rudi Ewers, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, war fünfundsechzig Jahre alt und korpulent. Durch seine wuchtige Statur erinnerte er an einen Granitfelsen. Sein kantiger Schädel war mit kurzem weißem Haar bedeckt. Das Gesicht wurde von harten Linien und tiefen Falten durchzogen und glich einer zerklüfteten Berglandschaft. Braune Augen musterten jeden, der das Lokal betrat oder wieder verließ.
Der zweite Mann hieß Karl Rombach, wurde aber von seinen Freunden nur „Kalle“ genannt. Er war dreiundsechzig Jahre alt, hager und kahlköpfig. Früher arbeitete er als Journalist für renommierte Nachrichtenagenturen und Magazine. Auch heute schrieb er noch hin und wieder einige Artikel, allerdings nur für die örtliche Tageszeitung. Er berichtete über regionale Ereignisse wie die Hauptversammlung eines gemeinnützigen Vereins, Ausstellungen unbekannter Künstler oder über die Auftritte untalentierter Amateursänger.
Die Zeiten, in denen er über gesellschaftliche Großereignisse berichtete und als Enthüllungsjournalist Missstände aufdeckte, waren lange vorbei. Diese Aufgaben wurden heute von jüngeren Kollegen erledigt. Kalle Rombach kleidete sich konservativ und billig. Abgetragener dunkler Anzug, schmale Krawatte, schwere Hornbrille. Rudi, Kalle und Petz trafen sich fast jeden Nachmittag an ihrem Stammtisch, um über die alten Zeiten zu reden.
„Der Petz ist heute aber spät dran“, meinte Kalle nachdenklich.
„Hm, ja, hast recht“, stimmte Rudi ihm zu.
„Sonst ist er doch immer der Erste.“
„Der Durstigste“, verbesserte Rudi.
„Ich mach‘ mir überhaupt Sorgen um ihn.“
„Sorgen? Wieso denn das?“
„Der kommt jetzt in die kritische Phase“, sagte Kalle.
„Kritische Phase? Was meinst du damit?“
„Ein Jahr Rentner – Rudi, weißt du noch, wie das war?“
„Oh ja“, entgegnete er mit einem schweren Seufzer. „Das weiß ich noch zu gut. Du hast wenigstens noch deinen Beruf.“
„Ne, ne, so ist das nicht“, winkte Kalle ab. „Wenn‘s hochkommt, habe ich einmal die Woche einen Termin. Immer rasend aufregende Sachen. Jahreshauptversammlung vom Kaninchenzüchterverein. Oder Laienspiel im Altersheim.“
„Aber du kommst wenigstens noch unter Leute.“
„Na schön, und ein paar Euro verdiene ich auch noch nebenbei. Aber sonst ist Schluss mit der Zeitung. Und wenn ich mal in der Redaktion aufkreuze, sehe ich richtig, was die jungen Knaben denken: Kann sich der alte Knacker nicht von seiner Arbeit trennen? Soll der doch seinen Ruhestand genießen!“
„Jau, genießen“, stimmte Rudi ihm zu. „Im Präsidium werde ich genauso behandelt. Und alle tun so, als raubte ich ihnen die wertvolle Zeit.“
„Als alter Polizist solltest du Privatdetektiv werden“, schlug Kalle vor.
„Das hat mir gerade noch gefehlt.“
„Warum? Irgendwas müsste passieren.“
„Genau, was Aufregendes“, sagte Rudi.
„Oder wir müssten was unternehmen.“
„Die Stadt mal wieder auf den Kopf stellen. Etwas für den Blutdruck tun.“
„Manchmal hab‘ ich mir schon überlegt, ob die Blondine von gegenüber nicht eine kleine Dummheit wert wäre“, meinte Kalle lachend. „Oder meinetwegen auch eine Große.“
„Du hast vielleicht Nerven“, entgegnete Rudi. „Die ist doch höchstens Mitte dreißig.“
Kalle zuckte mit den Schultern. „Na und? Hast du mal darauf geachtet, wann die aufsteht?“
„Das beobachten wir doch alle, besonders, weil sie so wenig von Gardinen hält.“
„Zum Glück“, pflichtete Kalle ihm bei. „Bei der Figur wären Gardinen auch eine Schande. Vier Uhr nachmittags.“
„Na ja, vielleicht ist sie nachts lange unterwegs“, gab Rudi zu bedenken.
„Das würde sie aber gründlich machen. Seit zwei Wochen jede Nacht – Respekt.“
„So lange schon?“
„Ja, seit zwei Wochen. Vorher ist sie mir nicht aufgefallen, aber da waren auch immer die Gardinen vorgezogen.“
„Wenn das so ist, dann lad‘ sie doch mal zum Bier ein.“
„Ich werd‘ mich hüten“, sagte Kalle.
„Ne, ne, du alter Schürzenjäger“, meinte Rudi grinsend. „Kneifen gilt nicht.“ Er wandte den Kopf und rief nach Gerda Friese, der Wirtin.
„Ja, was ist denn?“ fragte eine dumpfe Stimme aus der Küche.
„Hast du mal einen Augenblick Zeit?“
„Moment, komme sofort.“
Die Frau, die an den Tisch trat, war nicht älter als Mitte dreißig. Sie hatte eine schlanke Figur und ein ebenmäßiges, weiches Gesicht mit großen blauen Augen. Ihr rotes Haar hatte sie im Nacken verknotet. Sie trug ein dunkelblaues Jerseykleid und eine weiße Schürze.
„Was gibt‘s denn?“ fragte sie.
„Du weißt doch immer alles“, antwortete Rudi.
„Schön wär‘s.“
„Da drüben auf der anderen Seite des Hofes wohnt doch eine junge Frau, eine Blondine, so Mitte dreißig.“
„Wo da drüben?“
Rudi deutete durch das Fenster nach draußen. „Schau mal, ganz links ist die Bank. Dann kommt die Einfahrt in den Hof, und gleich das erste Fenster Parterre rechts neben der Einfahrt.“
„Ach, die meinst du.“
„Genau die.“
„Ihr seit doch ein paar alte Lustmolche“, sagte Gerda vorwurfsvoll.
„Also ich nicht“, wehrte Rudi ab und zeigte auf seinen Nebenmann. „Der Kalle interessiert sich für sie.“
„Nun übertreib man nicht“, entgegnete der Journalist.
„Mein lieber Axel hängt seit einigen Tagen auch verdächtig oft am Küchenfenster“, meinte Gerda nachdenklich.
„Wir Männer wissen halt Schönheit zu schätzen“, entgegnete Rudi.
„Schönheit?“ Gerda verdrehte die Augen. „Au weia.“
„Also, was macht sie so?“ wollte Rudi wissen.
„Die Karin Winter, die arbeitet im Wertmarkt neben dem Rathaus. Oder dort hat sie wenigstens gearbeitet.“
„Ist sie verheiratet?“ fragte Kalle
„Mensch, du gehst ja ran!“ rief Rudi.
„Ne, verheiratet ist sie nicht“, antwortete Gerda kopfschüttelnd.
„Na siehs‘te.“ Rudi stupste seinen Kumpel an. „Freie Bahn dem Mutigen.“
„Langsam, langsam“, wehrte Kalle ab. „Wir wollen nichts übereilen.“
„Warum so ängstlich?“ fragte Gerda. „Gegen Männer hat sie nichts.“
„Noch besser“, meinte Rudi.
„Also ran, Kalle“, forderte Gerda ihn auf. „Und wenn du dann ihre Schlafzimmertür aufmachst, sag‘ ihr doch bitte, sie möchte in Zukunft freundlichst die Gardinen vorziehen. Meinem Axel quellen sonst mal die Augen aus dem Kopf.“
„Hoffentlich vergess‘ ich‘s nicht, wenn‘s so weit ist.“
„Darauf trinken wir noch einen.“ Rudi deutete auf das leere Bierglas, das vor ihm auf dem Tisch stand.
„Mach‘ ich, ihr Säufer“, sagte Gerda. „So alt und noch immer hinter den Weibern her.“
„Du bist ja leider schon vergeben“, meinte Kalle.
Gerda brach in schallendes Gelächter aus. „Das werd‘ ich dem Axel stecken.“ Sie wandte sich um und verschwand wieder in der Küche.
„Die hat ihren Axel aber ganz schön unter der Fuchtel“, sagte Kalle.
„Ich glaub‘, das ist auch nötig“, erwiderte Rudi.
„Wirklich?“ Kalle zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Beim Axel?“
„Na ja, was man so hört, lässt er wohl nicht viel anbrennen. Das müsstest du doch am besten verstehen.“
Die Kneipentür wurde geöffnet. Ein etwa sechsjähriger Mann in einem alten schwarzen Mantel betrat das Lokal. Petz Kohlmeier war hager und glatzköpfig. Seine Nase sprang vor wie der Schnabel eines Raubvogels. Er führte ein geruhsames Leben, ging jeder Aufregung aus dem Weg, war Hobbygärtner und züchtete Orchideen. Petz verbrachte viel Zeit in seinem kleinen Gewächshaus.
Er ging völlig in seiner Tätigkeit auf. Vor einem Jahr hätte er sich das noch nicht vorstellen können. Er, der Bankangestellte – ein Hobbygärtner. Er liebte seinen Dschungel über alles und konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Inmitten all der grünen, üppig wuchernden Pflanzen fühlte er sich wohl. Das war seine Welt. Für andere Sachen interessierte er sich nicht mehr. Außer für den nachmittäglichen Stammtisch mit seinen Freunden Rudi und Kalle.
Petz schloss die Tür hinter sich und schaute sich um. Er kannte die meisten Gäste. Während er das Lokal durchquerte, nickte er dem einen oder anderen zu. Die Menschen reagierten unterschiedlich. Einige grüßten, andere wandten sich ab, weil sie mit dem ehemaligen Bankangestellten in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatten.
Einigen musste er den Kredit kündigen, weil sie mit den Raten im Verzug waren, anderen musste er das benötigte Geld verwehren, weil sie keine ausreichenden Sicherheiten vorweisen konnten. Aber das war nicht seine Schuld. Bei der Kreditvergabe musste er in erster Linie die Belange der Bank im Auge behalten. Das hatte absolute Priorität. Deshalb tat er auch so, als würde er das ablehnende Verhalten nicht bemerken, sondern ging zielstrebig auf den Tisch im hinteren Teil des Lokals zu.
„Ach du meine Güte“, sagte Kalle erschrocken. „Was ist denn mit dem Petz passiert?“
„Tag, ihr beiden.“
„Sag mal, kommst du von einer Beerdigung?“ wollte Kalle wissen.
„Genau“, antwortete Petz, während er sich auf einem Stuhl niederließ. „Erst Begräbnis, dann Besäufnis. Puuhh.“ Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
„Wen hast du denn unter die Erde gebracht?“ fragte Rudi.
„Einen ehemaligen Kollegen. Verheiratet, 41 Jahre alt, drei Kinder, das jüngste gerade eineinhalb. Es ist schon verrückt.“
Gerda kam aus der Küche, trat hinter den Tresen und winkte dem ehemaligen Bankangestellten zu. „Hallo Petz. Wie üblich?“
„Tag, Gerda“, erwiderte er. „Ne, ich brauch‘ erst mal ein Kännchen Kaffee. Und zwar einen Starken.“
„Was ist los?“ fragte Rudi besorgt. „Du bist doch nicht unter die Abstinenzler gegangen?“
„Im Gegenteil“, winkte Petz ab. „Ich habe schon ein paar Schlucke zu viel getrunken.“
„Dann war‘s ja eine gelungene Beerdigung“, sagte Kalle.
„Na ja, wie man‘s nimmt“, antwortete Petz.
„War er ein Freund von dir?“ wollte Rudi wissen.
„Ne, kein richtiger Freund, aber ein guter Kollege. Von drüben aus der Bank.“
„Ach ne. Aus der Bank da ...“ Rudi deutete nach draußen.
„Ja, ja, drüben, auf der anderen Seite des Hofes“, stimmte Petz ihm zu.
„Das ist ja luss – hm – merkwürdig“, meinte Rudi. „Kenne ich ihn zufällig?“
„Der junge Mann, dem der Bankräuber die Pistole an die Schläfe gehalten hat.“
„Richtig.“ Rudi schnippte mit den Fingern. „Ja, ich erinnere mich. Eine Schreckschusspistole.“
„Er beriet gerade einen Kunden wegen einer Geldanlage, als der Kerl hereinstürmte“, meinte Kalle.
„Dein Gedächtnis hat noch nicht gelitten“, sagte Petz anerkennend.
„Deines auch nicht“, entgegnete Rudi.
„Wie meinst du das?“ wollte Petz wissen.
Bevor Rudi antworten konnte, erschien Gerda mit einer Tasse und einer Kanne Kaffee. Sie stellte beides vor Petz auf den Tisch.
„Dass ich einem von euch Säufern noch mal Kaffee bringen muss, streiche ich mir rot im Kalender an.“
„Reiner Zufall“, sagte Petz. „Ich musste eben ein Glas zu viel trinken, das ist alles.“
„Schade, und ich dachte schon, es sei der erste Schritt zur Besserung bei euch.“
Sie zwinkerte den Männern zu und entfernte sich.
„Also – weil wir gerade von dem Banküberfall sprechen, hast du das Datum vergessen?“ fragte Rudi.
„Welches Datum?“ wollte Petz wissen.
„Na, den wievielten haben wir heute?“, versuchte Kalle seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
Petz überlegte einen Moment. „Den – Moment mal – den 21. Juni.“ Er zog überrascht die Augenbrauen hoch und blickte die beiden Männer an. „Tatsächlich das war ja ...“
„Der Tag des glorreichen Banküberfalls“, ergänzte Rudi. „Heute vor fünf Jahren erleichterte ein Bankräuber die von dir geleitete Bankfiliale um 81.000 Euro.“
„Und das am helllichten Tag“, sagte Kalle. „Gerade gegenüber auf der anderen Seite des Hofes.“
Petz goss den Kaffee in die Tasse. Dann löste er die Folie von dem kleinen Milchbecher und gab sie hinzu. „Ich hab‘s damals schon behauptet und ich bleibe auch dabei“, sagte er leise. „Es waren zwei Bankräuber.“
„Aber man hat nur einen geschnappt und verknackt“, meinte Kalle.
„Weiß ich ja.“ Langsam rührte er den Kaffee um. „Trotzdem waren‘s zwei.“
„Aber der Kerl hat immer, auch im Prozess, steif und fest behauptet, er hätte das Ding alleine gedreht“, gab Rudi zu bedenken.
„Auch das ist mir bekannt. Aber es waren zwei. Verlasst euch drauf!“
„Einer reicht dir wohl nicht, was?“ fragte Kalle.
Petz schüttelte den Kopf. „Ne. Denn der andere hat die Beute – oder habt ihr was von dem Geld gefunden?“
„Keinen Cent, das weißt du doch.“
„Siehst du! Der andere Typ hebt das Geld auf, und geteilt wird, wenn der eine aus dem Knast kommt.“
„Also, das ist nun ja ziemlich blauäugig“, sagte Kalle. „Glaubst du etwa an ehrliche Diebe?“
„Nicht die Spur. Aber an die Macht der Logik.“
„Das ist ja noch schlimmer“, sagte Rudi.
„Nur für die Denkfaulen“, entgegnete Petz. „Der Kerl ist zwanzig Minuten nach dem Überfall geschnappt worden. Richtig?“
„Genau genommen war es sogar nur eine Viertelstunde später“, berichtigte ihn Rudi.
„Noch besser. Was konnte er in der kurzen Zeit mit dem Geld anstellen?“
„Vielleicht hat er seine Kneipenschulden bezahlt“, sagte Kalle grinsend.
„Konnte er es verstecken?“ fragte Petz, ohne auf die Bemerkung einzugehen.
„Diese Theorie kennen wir“, erklärte Rudi. „Wir haben alles abgesucht, von der Bank bis zu dem Altbau, wo wir ihn festgenommen haben. Gründlich abgesucht.“
„Ohne Erfolg“, sagte Petz. „Wenn ich dich daran erinnern darf.“
„Halt, das stimmt nicht“, entgegnete Kalle. „Die Schreckschusspistole, die Wollmaske und die Handschuhe wurden gefunden.“
„Eben. Der Räuber saust aus der Bank, schmeißt sich ins Auto und gibt Gas. Unterwegs wirft er einfach alles aus dem Fenster auf die Straße, die Pistole, die Maske und die Handschuhe.“
„Und aus Versehen auch das Geld!“ sagte Kalle.
„Das wär‘ dir passiert“, meinte Petz. „Und jetzt stellt euch mal vor, er wäre nicht aus Nervosität vor der roten Ampel auf den Streifenwagen geknallt.“
„Das war eine reife Leistung“, sagte Kalle. „Wirklich.“
„Der Petz hat schon recht“, meinte Rudi nach einer Weile. „Wenn der Knabe dann nicht die Nerven verloren hätte und nicht getürmt wäre – wer weiß.“
„Denn deine Polizisten sind doch nur hinter ihm her gewesen, weil er nach dem Unfall fliehen wollte.“
„Hm, das stimmt“, sagte der ehemalige Kommissar nachdenklich.
„So, danke. Der Wagen war geklaut, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Rudi.
„Noch besser. Sobald der Räuber also in sein eigenes Auto umgestiegen war, gab‘s keinerlei Hinweis darauf, dass er eine Bank überfallen hatte?“
„Moment mal“, sagte Kalle. „Ich erinnere mich aber noch dumpf an eine Sache, die den Zeugen aufgefallen war.“
Rudi nickte. „Ja, ja, der Kerl trug einen viel zu großen und schreiend bunten Anorak. Der war den Arbeitern aufgefallen, und den haben sie später identifiziert.“
„Wir kommen der Sache schon näher.“ Petz trank einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse wieder ab. „Die Arbeiter haben nur einen Mann aus der Bank stürzen sehen. Richtig?“
„Richtig“, stimmte Rudi ihm zu.
„Ihnen ist die Wollmaske ausgefallen“, fuhr Petz fort. „Deswegen haben sie sich den Anorak und das Kennzeichen gemerkt. Immer noch richtig?“
„Genau so“, sagte Rudi.
„Und ohne diese Aussagen hättet ihr den Kerl nicht überführen können?“
„Ne. Autodiebstahl, Fahrerflucht – mehr hätten wir ihm nicht anhängen können.“
„Na endlich“, meinte Petz triumphierend. „Weil er nämlich das Geld nicht bei sich hatte.“
Kalle grinste. „Der Petz ist hartnäckiger als man ihm ansieht.“
„Weil ihr denkfauler seid als erlaubt.“ Abermals trank er einen Schluck Kaffee. Dann fuhr er in seinen Ausführungen fort. „Der Räuber rast in einem gestohlenen Auto davon. Schmeißt Pistole, Maske und Handschuhe auf die Straße. Wahrscheinlich hätte er auch den Anorak weggeworfen, wenn er nicht vorher auf den Streifenwagen gebrummt wäre. Er war also gerade dabei, alle Spuren zu verwischen.“
„Und zwar erfolgreich“, meinte Kalle. „Das muss man dem Petz lassen.“
„Halt mal, nicht so schnell“, unterbrach ihn Rudi. „Umgekehrt wird nämlich ein Schuh daraus: In dem Moment, wo er aus dem geklauten Auto umsteigt, ist er sicher, weil es keinen Hinweis mehr auf den Banküberfall gibt. Warum in aller Welt soll er unter diesen Umständen freiwillig das Geld einem anderen übergeben – mit dem er dann noch teilen muss?“
„Und wo ist dann das Geld, wenn er‘s behalten hat?“ fragte Petz.
Eine kurze Pause entstand. Fragend sahen sich die drei Männer an. Kalle brach als Erster das Schweigen.
„Die Frage ist auch im Prozess nicht geklärt worden.“
„Das Geld steckt also noch irgendwo“, meinte Petz.
„Ich geb‘s auf euch umzustimmen“, sagte Rudi resignierend.
„Wie schön, dass wir uns wieder einig sind“, entgegnete Petz. Dann rief er wieder nach der Wirtin.
„Gleich!“ ertönte ihre Stimme aus der Küche.
„Der Kerl sitzt noch?“ fragte Kalle überrascht.
Rudi schüttelte den Kopf. „Ich glaube – nein, Moment mal, fünf Jahre hat er gekriegt.“
„Und alle abbrummen müssen“, ergänzte Petz. „Weil er nicht verraten wollte, wo er das Geld versteckt hat.“
„Hm, ja, stimmt“, sagte Rudi. „Er müsste in diesen Tagen rauskommen.“
Schritte näherten sich. Gerda trat an den Tisch und blickte auf die halbleere Tasse.
„Hast du dich am Kaffee vergiftet?“, wollte sie wissen.
„Ne, nur die Zunge verbrannt“, antwortete Petz. „Wir brauchen eine Pulle Schampus, schön kalt.“
„Au weia“, meinte Rudi.
„Junge, Junge, du gehst aber ran“, ergänzte Kalle.
„Sekt?“ fragte Gerda verblüfft. „Was ist los?“
„Wir feiern ein Jubiläum“, antwortete Petz. „Heute vor fünf Jahren wurde meine Bank da drüben überfallen.“
„Heute vor fünf ... mein Gott.“ Gerda faltete die Hände vor der Brust. „Ja, wie die Zeit vergeht.“
„Und weil Axel und du dadurch drei neue Stammgäste gewonnen hast“, fuhr Petz fort, „sollt ihr mit uns anstoßen, und natürlich auch – sag‘ mal, wo ist denn die schöne Helga heute?“
„Wo meine Schwester ist?“ Gerda schaute ihn überrascht an. „Hört mal, ihr verspürt wohl alle verspätete Frühlingsgefühle?“
„Was meinst du damit?“ wollte Petz wissen.
„Na, Kalle und Rudi erkundigen sich intensiv nach dieser Karin Winter...“
„Wer ist Karin Winter?“ fragte Petz.
„Die Blondine da drüben“, antwortete Rudi kichernd, „der wir immer beim Aufstehen und Anziehen zugucken.“ Er deutete zum Fenster, durch das man den gesamten Hof überblicken konnte.
„Für die du immer deine Brille so sorgfältig putzt“, sagte Kalle.
„Und du willst wissen, wo meine schöne Schwester steckt?“, erkundigte sich Gerda. „Alter schützt vor Torheit nicht, was, ihr Helden?“
Petz schüttelte den Kopf. „Nein, aber es schärft den Blick für‘s Wesentliche.“
„Also, das ist ja – Petz!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn vorwurfsvoll an. „Eben noch am Grab und jetzt ...“
„Vor‘m Wesentlichen“, sagte Rudi.
Die Männer lachten. Gerda wandte sich ab und verschwand in der Küche. Axel blickte ihr kurz hinterher, während er die schmutzigen Teller vom Tisch räumte und auf drei Tabletts verteilte. Musste sich seine Frau ausgerechnet jetzt mit den drei Rentnern unterhalten? Die Kneipe war voll. Es gab genug Arbeit. Natürlich war es auch wichtig, die Stammgäste bei Laune zu halten, doch im Augenblick fehlte ihm dafür jedes Verständnis.
––––––––
EIN LAUTES ZISCHEN ertönte, als Gerda Friese die tiefgefrorenen Pommes frites in das heiße Fett schüttete. Dann nahm sie den Metallschaber, trat an die Grillplatte und wendete die Koteletts. Ihr Mann Axel balancierte drei Tabletts mit leeren Tellern in die Küche und stellte sie zu dem anderen schmutzigen Geschirr.
„Einmal Schnitzel mit Salat“, sagte er zu seiner Frau. „Haben wir noch Bratwurst?“
„Zwei Mal noch“, antwortete sie.
„Dann zwei Mal mit Senf und Zwiebeln.“
„Sofort.“
„Sind die Koteletts fertig?“
„Eine Minute noch.“
Gerda holte zwei Teller aus dem Schrank und stellte sie auf die Anrichte. Dann wandte sie sich wieder den Pommes frites zu. Die Kartoffelstreifen hatten mittlerweile eine goldgelbe Farbe angenommen. Gerda nahm den Frittenkorb aus dem Fett, schüttete sie in eine Plastikschüssel und gab etwas Salz hinzu.
„Heute ist mal wieder was los“, stöhnte Axel. „Wir sollten noch eine Bedienung anstellen.“
„Nun fang‘ nicht schon wieder damit an“, wies ihn seine Frau zurecht. „Du weißt doch selbst, eine Bedienung ist nicht drin.“
„Dann kann wenigstens deine Schwester aushelfen.“
„Nein.“
Sie legte zwei Bratwürste auf die Grillplatte.
„Nur an solchen Abenden.“
„Ich hab‘ Nein gesagt.“
„Ich versteh‘ dich nicht“, meinte Axel. „Seit drei Monaten liegt sie uns nun auf der Tasche, dann kann sie doch wohl ...“
„Nein!“ unterbrach ihn seine Frau. „Vergiss es. Ich will sie nicht im Lokal haben.“
„Aber für die Gäste ...“
Gerda warf ihm einen giftigen Blick zu. „Es geht mir nicht um die Gäste, sondern um dich, lieber Axel.“
Sie nahm die Bratwürste von der Grillplatte legte sie auf zwei Teller und garnierte sie mit gerösteten Zwiebeln. Dann gab sie noch jeweils einen großen Klacks Senf dazu. Sie stellte die Teller auf ein Tablett, legte Besteck und Servierten daneben und reichte es ihrem Mann.
„Die Bratwürste.“
Er nahm das Tablett und wollte gerade die Küche verlassen, doch Gerda hielt ihn am Arm fest.
„Und weil wir schon beim Thema sind: Mir reicht der Zirkus, den die Winter an ihrem Fenster veranstaltet. Mir passt überhaupt nicht, wie oft du in letzter Zeit den Abfall wegbringst. Und dass dann jedes Mal die Winter am Müllkasten erscheint. Oder meine Schwester. Kapiert? Die Würste werden kalt.“
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TIEFHÄNGENDE WOLKEN und ein durchziehendes Regengebiet sorgten dafür, dass es an diesem Abend recht früh dunkel wurde. Irgendwie schien alles düsterer als sonst. Selbst die Straßenlaternen spendeten offenbar weniger Licht. Die Nacht lag wie ein schwarzer Schleier zwischen den Häusern. Die Kirchturmuhr schlug neun. Auf der Straße herrschte wenig Betrieb. Wer daheim bleiben konnte, ging nicht mehr nach draußen, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Ein Liebespärchen drückte sich in einem Hauseingang herum. Eine Katze saß auf einem Zaun. Aufmerksam beobachtete sie ihre Umgebung. Hin und wieder fuhr ein Wagen an den beiden Männern vorbei, die langsam die Straße entlanggingen. Ihre Schritte hallten von den Häuserwänden wider.
„Warum die Gerda so heftig reagiert hat, als ich nach der Helga gefragt hab‘, versteh ich immer noch nicht“, sagte Petz kopfschüttelnd.
„Sie hat Angst um ihren Axel“, antwortete Kalle.
„Ist der denn so ein Schürzenjäger?“
„Die Gerda behauptet es wenigstens. Und ich denk‘ mir, sie wird‘s schon wissen.“
Schweigend gingen die Männer weiter. Plötzlich blieb Petz stehen. Aus den Augenwinkeln heraus hatte er eine Bewegung entdeckt. Sie war nicht mehr als ein Schatten, und im ersten Moment glaubte er, sich getäuscht zu haben. Nein, er hatte sich nicht getäuscht.
„Mensch, Kalle!“, stieß er hervor.
„Was ist los? Was hast du?“
Petz deutete mit dem ausgestreckten Arm nach vorn. „Da, der Mann.“
Kalle blickte in die angezeigte Richtung, konnte jedoch niemanden entdeckten. „Welcher Mann?“
„Da vorn, der gerade aus dem Haus läuft.“
„Wo?“
Noch immer blickte Kalle verständnislos die dunkle Straße entlang. Und schließlich sah er die Gestalt. Sie war nicht mehr als ein grauschwarzer Schatten ohne Gesicht, der unvermittelt auftauchte und über die Straße lief.
„Ach ja, der“, sagte er. „Was ist ...“
„Das ist doch der – ich werd‘ verrückt.“
„Das bist du schon. Was piept denn nun bei dir?“
„Von wegen piepen“, sagte Petz aufgebracht. „Hast du denn den Kerl nicht erkannt?“
Kalle schüttelte den Kopf. „Ne. Sollte ich?“
„Das war doch der Bankräuber“, stieß Petz hervor.
„Was?“ Kalle warf noch einen kurzen Blick auf den Mann, der gerade um eine Hausecke bog. „Du spinnst.“
„Von wegen, das war der. Bestimmt, das war der Bankräuber.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich hab‘ ihn doch gesehen.“
„Wann?“ fragte Kalle verständnislos. „Ich denk‘, der hatte eine Maske ...“
„Im Prozess, du Dussel. Du warst doch auch dabei, hast du das vergessen?“
Kalle senkte den Kopf. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern. Der Prozess hatte so viel Aufmerksamkeit erregt, dass es gar nicht genug Sitzplätze für die Leute gab. Einige mussten wieder nach Hause geschickt werden.
„Ne, stimmt, in der Verhandlung ...“ sagte Kalle leise.
„Eben“, stimmte Petz ihm zu. „Da hast du doch den Knaben auch gesehen.“
„Ja, sicher, hab‘ ich. Aber ich bin in so vielen Prozessen gewesen, da kann ich mir nicht jeden Angeklagten merken.“
„Ja du“, entgegnete Petz. „Aber ich bin nur einmal im Gericht gewesen, als Zeuge, weißt du noch? Und da hab‘ ich mir den Typen ganz genau angeschaut. Das Gesicht werd‘ ich nie mehr vergessen.“
„Und du bist ganz sicher ...“ fragte Kalle zweifelnd.
„Ganz sicher. Das war der.“
Eine kurze Pause entstand. Die beiden Männer blickten einander an und setzten sich dann wieder in Bewegung.
„Hm. Der Bankräuber“, sagte Kalle nach einiger Zeit.
„In der Nähe des Tatortes“, ergänzte Petz.
Abermals entstand eine Pause. Langsam gingen die beiden Männer die Straße entlang. Jeder schien in seine Gedanken versunken zu sein.
„Hast du auch mitgekriegt, aus welcher Haustür er rausgekommen ist?“ wollte Petz wissen.
Kalle stieß einen tiefen Seufzer aus.
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DER MANN VERSCHWAND in einer dunklen Seitengasse und glitt lautlos hinter einige Kisten, die dort aufgestapelt waren. Stille herrschte. Doch plötzlich ertönten Schritte. Sie näherten sich aus der Richtung der Kneipe. Während er lauschte, schienen sie zielbewusst auf ihn zuzustreben.
Der Mann unterdrückte einen Fluch. Er hatte nicht erwartet, hier auf andere Menschen zu stoßen. Nicht um diese Uhrzeit. Vorsichtig spähte er zwischen den Kistenstapeln hindurch. Niemand war zu sehen, doch die Schritte kamen näher und näher aus dem Zwielicht und den Schatten, die im trüben Gelb der Straßenlampen wie schwarze Flecken wirkten, wie Türen in eine andere Welt. Die Schritte waren nun ganz nah.
Der Mann presste sich an die Wand und verharrte. Mit trockenem Mund und nervös pochendem Herzen beobachtete er die Straße. Vielleicht handelte es sich um eine Polizeistreife. In der gegenwärtigen Situation war es nicht gut, wenn man ihn hier entdeckte. Jemand könnte die richtigen Schlüsse ziehen. Und das war gefährlich für seine weiteren Pläne.
Der Mann schnitt eine Grimasse. Es würde ihm schwerfallen, ihnen zu erklären, dass er nur ein harmloser Spaziergänger war. Zwei Gestalten erschienen in seinem Blickfeld. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Als er sah, dass es sich um zwei Männer in Zivilkleidung handelte, entspannte er sich. Sie waren schon sehr alt. Ihre blassen Gesichter waren kaum mehr als helle Ovale in den Schatten.
Fast hätte er vor Erleichterung gelacht.
Die Männer warfen einen kurzen, forschenden Blick in die schmale Gasse, aber sie entdeckten ihn nicht. Hier war es dunkler als auf der Straße und seine schwarze Kleidung ließ ihn mit der Wand verschmelzen. Die Männer verschwanden aus seinem Blickfeld. Ihre Schritte entfernten sich und verklangen.
Bis auf seine gepressten Atemzüge war es wieder still. Er löste sich von der Wand, ging zum Ende der Gasse und blickte sich nach beiden Seiten um. Die Männer waren nicht mehr zu sehen. Er wartete noch einen Moment, bis er sicher war, dass sie nicht zurückkommen würden. Dann verließ er die Gasse, lief in die entgegengesetzte Richtung und verschwand in der Dunkelheit.
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AXEL SCHNARCHTE, ALS ginge es darum, einen ganzen Wald abzusägen. Gerda wälzte sich von einer Seite zur anderen, doch der ersehnte Schlaf wollte sich nicht einstellen. Sie versetzte ihrem Mann einen leichten Faustschlag gegen die Schulter. Das Schnarchen hörte auf. Gerda versuchte, wieder einzuschlafen, doch es gelang ihr nicht.
Sie drehte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte zur Decke empor. Was war nur in letzter Zeit mit ihr los? Woher kam diese permanente Unzufriedenheit? Die Kneipe lief gut. Für eine Kleinstadt war das etwas Besonderes. Aber es konnte sich nicht alles nur um das Geschäft drehen. Es musste doch noch mehr im Leben geben, als tagein und tagaus, von morgens bis abends in diesem Lokal zu schuften.
Vor allem blieb dadurch ihre Ehe auf der Strecke. Axel war groß, breitschultrig, athletisch gebaut, und er sah gut aus. Aber liebte er sie überhaupt noch? Oder war sie für ihn nichts weiter als eine billige Arbeitskraft? Und wie verhielt es sich mit ihren eigenen Gefühlen? Liebte sie Axel? In jeder Beziehung gab es Höhen und Tiefen. Das war vollkommen normal. Problematisch wurde es nur, wenn man kaum noch etwas gemeinsam unternahm, und jeder seine eigenen Wege ging, oder weil man übermüdet war.
Die Kneipe bildete zurzeit den größten Bezugspunkt in ihrem Leben. Aber welche Alternativen gab es? Sollte sie sich von Axel scheiden lassen und ein neues Leben beginnen? Warum eigentlich nicht? Sie war noch jung. Mit fünfzig oder sechzig würde es vielleicht anders aussehen. In dem Alter gab es nicht mehr allzu viele Möglichkeiten. Andererseits wollte sie Axel nicht verlieren.
Schon einmal stand ihre Ehe auf der Kippe. Damals war sie fest entschlossen, sich von Axel zu trennen, weil er mit Karin Winter geschlafen hatte. Doch dann war sie zu der Überzeugung gelangt, ihm noch eine Chance zu geben. Gerda musste plötzlich an ihre Großmutter denken. Sie hatte sich damals in einen jungen, angehenden Arzt verliebt.
‚Aus gutem Hause‘, wie sie betonte. Doch er wurde sehr bald eingezogen, weil Deutschland sich plötzlich im Zweiten Weltkrieg befand. Frisch verheiratet wurde Gerdas Großmutter schon nach einem Jahr Witwe. Sie war gerade einmal zwanzig. Und sie hatte nie wieder geheiratet.
„Es gibt nur eine große Liebe im Leben“, entgegnete sie.
Vielleicht hatte sie recht, überlegte Gerda. Sie dachte an ihre erste große Liebe. Sie hieß Mareike. Das war noch in der Schulzeit. Ihre Küsse waren so heiß. Nie in ihrem Leben wurde Gerda wieder so leidenschaftlich geküsst. Mehr lief allerdings nicht, denn Mareike verliebte sich schon bald in Jennifer. Gerda hasste sie bis heute.
Axel hatte sie geheiratet, weil sie in dem Alter war, sich Kinder zu wünschen. Er wollte auch welche, also taten sie sich zusammen. Gerda verzog den Mund zu einem Lächeln. Nein, es war nicht ganz so unromantisch. Sie liebte ihn schon. Aber dass sie sich nie mehr verheiraten würde, falls ihm etwas passieren sollte, nein, so ewig war ihre Liebe dann doch nicht.
Unten im Flur ertönten plötzlich leise Schritte. Gerda richtete sich auf und lauschte. Jetzt war es wieder still. Trotzdem war sie davon überzeugt, etwas gehört zu haben. Oder hatte sie sich das Geräusch nur eingebildet? Nein, da war es wieder. Sie konnte die Schritte ganz deutlich hören.
Jemand hatte sich ins Haus geschlichen und war bemüht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Doch es gelang der Person nur unzureichend. Dies war ein altes Haus. Die Dielen knarrten bei jedem Schritt. Gerda stand auf, zog ihre Pantoffeln an und schlich zur Schlafzimmertür. Vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten.
Gerda öffnete die Tür einen Spaltbreit und blickte nach draußen. Im Treppenhaus brannte Licht. Sie öffnete die Tür und verließ das Schlafzimmer. Im selben Moment begann ihr Mann wieder laut zu schnarchen. Sie schloss die Tür und stieg so leise wie möglich die Treppe hinunter.
„Sieh da, mein Schwesterherz“, sagte Gerda mit gedämpfter Stimme. „So früh schon daheim?“
Erschrocken fuhr die junge Frau herum. Helga Dieling war schwarzhaarig, schlank, fast so groß wie ihre Schwester, mit einem ovalen Gesicht und lebhaften Augen. Ihr roter Mund war von Spott verzogen. Sie trug einen gelben Pulli und hellblaue Jeans. Ihre nackten Füße steckten in Sandalen. Ihre Arme waren braungebrannt wie ihr Gesicht. Herausfordern musterte sie Gerda.
„Geht dich das was an?“, fragte sie ärgerlich.
„Nein, eigentlich nicht. Es trifft sich nur gut.“
„So? Und warum?“
„Weil ich eine Frage auf dem Herzen habe“, flüsterte Gerda.
Helga verdrehte die Augen. „Jetzt?“ stöhnte sie. „Ich bin müde.“
„Ich auch“, entgegnete Gerda in scharfem Ton. „Es dauert nicht lange.“
„Na schön, meinetwegen.“
Gerda öffnete die Küchentür und tastete nach dem Lichtschalter. An der Decke leuchtete eine Zugpendellampe aus marmoriertem Glas auf. Die Wohnung von Gerda und Axel lag direkt über der Kneipe. Die Küche ging nach hinten, zum Hof hinaus. Vor dem altmodischen Fenster hing eine halbtransparente Gardine im Ranken-Design. Gerda hatte sie gleich nach dem Einzug angebracht. Es störte sie, dass sie eventuell jemand beim Kochen oder Essen beobachten könnte.
Helga folgte ihrer Schwester und setzte sich an den Küchentisch. Gerda schloss die Tür, blieb aber stehen.
„Also, was ist?“ fragte Helga.
„Hast du was mit dem Theater zu tun, das diese Winter da jetzt veranstaltet?“ wollte ihre Schwester wissen.
„Welche Winter?“ Helga überlegte einen Moment. „Ach die. Du meinst die Karin Winter?“
„Ja, genau die.“
„Nein, wieso kommst du auf so eine Schnapsidee?“
„Ihr seid doch gut miteinander bekannt.“
„Wer?“ fragte Helga erstaunt. „Ich und diese Karin?“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein.“
„Ach? Nein?“ fragte Gerda in einem süffisanten Tonfall. „Und was habt ihr im Hof dauernd zu bekakeln?“
„Mein Gott, gar nichts.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wir reden halt ein paar Worte miteinander, das ist alles.“
„Wirklich?“ Gerda zog die Augenbrauen hoch. „Seit wann machst du auf freundliche Nachbarin?“ wollte sie wissen. „Und warum muss der Axel auch immer gleich zum Müllkasten rausrennen, wenn er euch da zusammenstehen sieht?“
„Das fragst du ihn am besten selber“, entgegnete ihre Schwester.
„Die Antwort kann ich mir vorstellen, da brauch ich nicht zu fragen.“
Helga verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach du meine Güte, geht das Theater schon wieder los!“
„Vor fünf Jahren war das genau so.“
„Dein Gedächtnis möcht‘ ich haben. Du behältst auch nur, was dich ärgert.“
„Wenn ich Grund hab‘, mich zu ärgern“, konterte Gerda.
„Ja, ja, mir kommen die Tränen.“ Helga machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sonst noch was? Ich würd‘ nämlich gerne ins Bett ...“
„Warum hast du dich eigentlich wieder bei uns einquartiert?“ wollte Gerda wissen.
Helga verdrehte abermals die Augen und stöhnte leise. „Wie oft wollen wir das noch durchkauen?“ fragte sie. „Mein Freund hat mit seiner Firma pleite gemacht, ist mit allem Geld und mit meinem Schmuck getürmt, und ich saß völlig auf dem Trockenen.“
„Ja, so was passiert auch nur dir.“
„Es führen nicht alle so ein langweiliges Leben wie du.“
„Komisch, vor fünf Jahren war‘s ganz ähnlich“, sagte Gerda. „Du warst auch pleite, und dein damaliger Liebhaber steckte bis zum Hals in Schulden.“
„Die Sparsamste in der Familie bist schon immer du gewesen“, erwiderte Helga.
„Und du hast das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen“, hielt ihr Gerda entgegen. „Wenn du nicht mehr weiterweißt, kriechst du bei uns unter, das ist ja auch so bequem.“
„Also, wenn du‘s ganz genau wissen willst: Der Axel hat mir einen Brief geschrieben, mit dir allein hielt‘ er‘s nicht mehr länger aus.“
„Miststück!“ zischte Gerda.
Sie rannte aus der Küche und lief die Treppe hinauf ins erste Stockwerk. Mit einem lauten Knall fiel eine Tür ins Schloss. Helga erhob sich langsam. Ein feines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Warum führte sich Gerda bloß immer so auf? Früher waren sie und ihre Schwester ein Herz und eine Seele gewesen, was auch sicher daran lag, dass sie beide nach dem Unfalltod ihrer Eltern bei einer Pflegefamilie aufwuchsen und dort eine schwere Zeit durchgemacht hatten. Ihre Schwester war die einzige Familie, die sie noch hatte.
Andererseits konnte sie verstehen, weshalb Gerda in letzter Zeit so schlecht gelaunt war. Der Grund dafür hieß Axel. Das Zusammenleben mit ihm war nicht einfach. Aber das war es vermutlich noch nie. Axel war starrköpfig und störrisch wie ein Esel. Als Gerda ihr damals sagte, dass sie sich verliebt hat, schien alles gut zu sein. Doch als Helga den neuen Freund ihrer Schwester kennenlernte, war sie ziemlich skeptisch.
Axel sah sehr gut aus, aber er wusste das auch und nutzte es weidlich aus. Gerda schien das nicht zu bemerken. Stattdessen war sie eifrig bemüht, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Zunächst behielt Helga ihre Eindrücke für sich. Sie wusste, wie sehr ihre Schwester gelitten hatte, als ihr früherer Freund sie verließ. Umso mehr wünschte ihr Helga von Herzen, dass sie endlich den Richtigen fände.
Aber je länger die Beziehung zwischen Axel und Gerda dauerte, desto mehr war Helga davon überzeugt, dass ihre Schwester in ihr Unglück lief. Sie waren gerade mal vier Wochen zusammen, da zog er schon bei ihr ein. Besorgt meinte Helga: „Lass dir doch noch etwas Zeit damit. Du kennst ihn doch noch gar nicht richtig.“
Aber Gerda lachte nur.
„Ach, du bist eine notorische Schwarzseherin. Axel und ich lieben uns. Diesmal ist es etwas Ernstes. Glaube mir.“
Das beruhigte Helga keinesfalls. Ihre Schwester wohnte in einer geräumigen, hübschen Dachterrassenwohnung, die sie sich von ihrem Gehalt als Gruppenleiterin im Finanzwesen gut leisten konnte. Die Möbel waren geschmackvoll und erlesen. Es war verständlich, dass Axel sich dort wohlfühlte. Vor allem, wenn man vorher nur in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung gelebt hatte.
Außerdem fiel Helga auf, dass Axel nicht besonders zärtlich mit ihrer Schwester umging. Das beunruhigte sie noch mehr. Auf Helga wirkte Axel arrogant und egoistisch.
In den kommenden Monaten meldete sich Gerda immer seltener bei ihr. Helga wollte sich nicht aufdrängen und beschränkte sich darauf, sie einmal in der Woche anzurufen. Doch die einstige Vertrautheit, die immer zwischen ihnen bestanden hatte, wollte sich nicht mehr einstellen. Stattdessen hörte sich Gerda bedrückt an.
Als Helga ihre Schwester dann zufällig in der Stadt traf, war sie erschrocken. Sie hatte stark abgenommen und sah ziemlich blass aus. Sie lud Gerda auf eine Tasse Kaffee ein, doch es war schwierig, an sie heranzukommen. Zunächst blockte sie völlig ab. Helga musste ihr erst auf den Kopf zusagen, dass sie mit Axel Probleme habe, bis sie endlich zugab, dass es nicht leicht mit ihm sei.
Er rührte im Haushalt keinen Finger. Wenn sie abends von der Arbeit nach Hause kam, musste sie noch einkaufen gehen, kochen und putzen. Nie hörte sie dafür ein anerkennendes Wort von ihm. Beschwerte sie sich darüber, verschwand er für ein paar Tage. Während seiner Abwesenheit war Gerda ständig von Unruhe erfüllt. Einerseits sorgte sie sich, ihm könne etwas zugestoßen sein, andererseits vermutete sie ihn bei einer anderen Frau.
Kam er dann endlich zurück, schloss sie ihn jedes Mal überglücklich in die Arme. Kein Wort, über das, was geschehen oder wo er gewesen war. Axel nutzte ihre gefühlsmäßige Abhängigkeit schamlos aus. Für Helga war dieser Mann ein eiskalter Egoist. Inzwischen hatte er auch seine Stelle bei der Verpackungsfirma hingeschmissen und arbeitete stattdessen in einem Fitnesscenter.
„Verdient er denn da überhaupt genug?“ wollte Helga wissen.
Gerda zuckte nur mit den Schultern.
„Dann trägst du jetzt auch noch den Großteil eurer gemeinsamen Kosten.“
Als ihre Schwester nichts darauf erwiderte, seufzte Helga tief. Genau das hatte sie immer befürchtet. Sie strich ihr sanft über die Wange.
„Er nutzt dich nur aus, merkst du das nicht? Warum trennst du dich nicht von ihm? Du findest schon einen anderen. Einen, der es besser mit dir meint.“
„Ich liebe ihn“, entgegnete Gerda trotzig. „Aber du konntest ihn ja noch nie leiden. Du hast schon immer etwas an ihm auszusetzen gehabt. Glaub mir, Axel kommt schon wieder auf die Füße. Ein Freund von ihm macht demnächst ein Lokal auf. Da könnte er mit einem kleinen Startkapital einsteigen.“
Ein schrecklicher Gedanke schoss Helga durch den Kopf. Bisher hatte ihre Schwester ihr Geld gut angelegt. Sollte das jetzt anders werden? Sie beschwor Gerda, ihm das Geld nicht zu geben, doch sie hörte nicht. Gemeinsam mit Axel und dessen Freund eröffnete sie die „Adlerklause“. Trotzdem arbeitete sie weiterhin als Gruppenleiterin im Finanzwesen, damit sie nicht mittellos dastanden, falls das Projekt scheitern sollte.
Das Geschäft lief gut. Axel schien endlich etwas gefunden zu haben, dass ihm Spaß machte und mit dem er Geld verdienen konnte. Zwei Jahre später starb sein Freund überraschend an Krebs. Zuerst wollte Axel alles hinschmeißen und das Lokal verkaufen, weil er die Arbeit nicht allein bewältigen konnte. Doch Gerda überzeugte ihn, es nicht zu tun. Sie gab ihren Job als Gruppenleiterin auf, um fortan nur noch in der „Adlerklause“ zu arbeiten.
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IN DER KNEIPE HERRSCHTE Hochbetrieb. Axel pendelte mit mehreren Tabletts zwischen der Küche und dem Lokal hin und her, um die bestellten Speisen zu servieren. Er schwitzte. Sein Gesicht war rot angelaufen. Er sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
Kalle, Rudi und Petz saßen wieder an ihrem Stammtisch im hinteren Teil des Lokals und unterhielten sich angeregt.
„Eine verrückte Geschichte“, sagte Rudi. „Bist du auch sicher?“
„Natürlich“, antwortete Petz. „Irrtum ausgeschlossen. Es war der Bankräuber, dafür leg‘ ich meine Hand ins Feuer.“
„Das hilft aber nicht gegen Rheuma“, sagte Kalle.
„Hm.“ Rudi kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Möglich wär‘s schon. Der Typ ist vor einer Woche entlassen worden.“
„Und er kam aus dem Haus gestürzt, in dem drüben diese Winter wohnt“, ergänzte Petz.
„In dem die Winter ...?“ Rudis Gesicht bekam einen ungläubigen Ausdruck. „Ist der Kalle deswegen so bissig?“
„Macht euch nur über mich lustig.“
„Tun wir ja gar nicht“, sagte Petz beschwichtigend. „Aber Tatsachen bleiben nun mal Tatsachen.“
„Sagte die Bank und pfändete das Gehalt“, entgegnete Kalle.
„Das ist schon seltsam“, meinte Rudi.
„Was?“ wollte Petz wissen. „Dass es den Räuber an den Ort seines Überfalls zurückzieht?“
„Ne, das meine ich nicht.“
„Sondern?“
„Seit einer Woche ist dieser Bartels auf freiem ...“
„Richtig“, unterbrach ihn Petz. „So hieß er. Bartels, Holger Bartels.“
„Seit einer Woche ist dieser Bartels auf freiem Fuß“, wiederholte Rudi. „Und seit zwei Wochen führt uns die Karin Weber nun umgekehrten Striptease vor.“
„Oochch, Rudi“, rief Kalle grinsend. „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“
„Die Leidenschaft schlägt dir wirklich auf die Birne“, sagte Petz. „Wie lange sitzen wir hier schon an diesem Tisch?“
„Wie lange?“ Kalle blickte ihn verständnislos an. „Was meinst du damit?“