Jürgen Kunow / Michael Rind
Archäologische Denkmalpflege
Theorie - Praxis - Berufsfelder
Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen
Public History – Geschichte in der Praxis
Herausgegeben von Irmgard Zündorf (Potsdam) und Stefanie Samida (Heidelberg)

Prof. Dr. Jürgen Kunow war Landesarchäologe in Brandenburg und im Rheinland sowie Mitglied der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts.

Prof. Dr. Michael M. Rind ist Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen und lehrt als apl. Prof. an der Universität in Münster.
Es mag ein etwas ungewöhnlicher Anfang für ein Buch sein, zunächst zu betonen, was es nicht sein will: Dieses Buch ist keine allgemeine Einführung in die hiesige Archäologie. Dies liefern eher andere Publikationen, die zu diesem Thema in Deutschland bereits erschienen sind. Dabei sind die erst- und die letztgenannte Publikation als Einstieg besonders geeignet (Eggers 1959; Müller-Karpe 1975; Eggert 32008; Trachsel 2008; Eggert/Samida 22013). Es liefert auch keine umfassende Darstellung in Methoden und Anwendungsmöglichkeiten der Feldarchäologie (Gersbach 1989), auch wenn diese natürlich überblicksartig angesprochen werden (siehe Kap. 3.1). Vielmehr bietet das Buch – und dieses erstmalig auf dem deutschsprachigen Buchmarkt – eine Einführung in das Berufsfeld ‚Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege‘ bzw. ‚Bodendenkmalpflege‘.
Was bedeutet dies aber konkret? Was erfahren Studierende eigentlich über die Arbeit der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege im Rahmen ihres mehrjährigen archäologischen Universitätsstudiums und warum könnte das Wissen, das diese Publikation vermittelt, für eine spätere Berufswahl relevant sein (siehe Kap. 4)? Sieht man von der praktischen Teilnahme – häufig in den Semesterferien – an Projekt- und LehrgrabungenLehrgrabung, Feldbegehungen oder Vermessungsarbeiten eines Universitätsinstitutes einmal ab, gibt es in der Regel keine Veranstaltungen, die in das Berufsfeld der Archäologischen Denkmalpflege einführen. Die Umsetzung und Ausgestaltung von DenkmalschutzDenkmalDenkmalschutz und Denkmalpflege für untertägige Fundplätze und obertägige Geländedenkmäler, aber auch der denkmalgerechte Umgang bei der Bergung und Erstversorgung von Funden oder die Anwendungsmöglichkeiten des Denkmalrechts für das archäologische KulturerbeKulturerbe werden in der Regel nicht thematisiert. Es sei denn, ein Mitarbeiter eines Denkmalamtes kann als Dozent oder Honorarprofessor für einschlägige Übungen und Seminare gewonnen werden. Weiterhin recht selten ist in Deutschland zudem der Fall, dass ein Mitarbeiter eines Landesdenkmalamtes zu einem späteren Zeitpunkt an die Universität auf Dauer zurückkehrt und dort Lehrveranstaltungen über die berufliche Praxis anbietet. Diese Darstellung gibt die reale Situation in Deutschland wieder – auch die Verfasser dieser Publikation haben unter diesen Voraussetzungen den Einstieg in das Berufsleben finden müssen.
Will man ‚Kustode‘ und ‚Anwalt‘ – selbstverständlich erfasst das generische Maskulinum hier und im Folgenden alle Geschlechter – für das archäologische KulturerbeKulturerbe sein, bedarf es besonderer Eigenschaften und mancher spezifischen Kenntnisse, darunter auch solche rechtlicher Natur. Beginnen wir mit einigen persönlichen Eigenschaften, die in der Darstellung vielleicht selbstverständlich, möglicherweise sogar ‚trivial‘ erscheinen, aber durchaus einen seriösen Hintergrund besitzen und im mittlerweile üblichen Sprachgebrauch zu den ‚außerfachlichen Kompetenzen‘ respektive ‚soft skills‘ zählen. In der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege bzw. Bodendenkmalpflege – beide Begriffe sind üblich und beschreiben das gleiche Berufsfeld (siehe Kap. 2.1.3) – hat man es weit stärker als Mitarbeitende in den Universitäten und selbst in den Museen mit quasi allen gesellschaftlichen und beruflichen Gruppen und deren Interessenslagen zu tun, insbesondere der Politik auf allen Ebenen sowie mit Entscheidungsträgern in Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen, den Denkmaleigentümern, Investoren und ‚Häuslebauern‘, Medienvertretern, Touristikern, Richtern und Anwälten, Bürgerinitiativen, Ehrenamtlern oder ‚Citizen Scientists‘ (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 2004). Die umfangreichste Gruppe ist jedoch eine andere: die ‚interessierte Öffentlichkeit‘. In der Fremdwahrnehmung (siehe Kap. 5) wird man bisweilen als ‚Behördenvertreter‘ gesehen, der Ver- und Gebote im Umgang mit dem archäologischen Kulturerbe erlässt. Das ist allerdings eher selten der Fall, da für die behördliche Umsetzung gesetzlicher Regelungen zumeist nicht die archäologischen Landesämter als Denkmalfachbehörden verantwortlich sind, sondern DenkmalschutzbehördenDenkmalDenkmal(schutz)behörde in den Kommunen und Bundesländern (siehe Kap. 2.6). Mögen sich die Archäologen mit ihrer fachlichen Expertise nicht immer gegenüber anderen öffentlichen Belangen oder wirtschaftlichen Investitionen in konkreten Verfahren durchsetzen, so gehen sie doch eher selten aus derartigen Auseinandersetzungen, ohne nicht wenigstens RettungsgrabungenRettungsgrabung bei drohender Zerstörung eines archäologischen Fundplatzes erfolgreich einfordern zu können. Mit anderen Worten: Staatliche Fürsorge und gesellschaftliche Akzeptanz für archäologische Belange haben auch in Konfliktfällen in den letzten Jahrzehnten zugenommen, selbst wenn man in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht mit Umweltbelangen oder dem Natur- und Landschaftsschutz ‚gleichziehen‘ konnte. Wichtig bei allen externen Verhandlungen, die man als Bodendenkmalpfleger diesbezüglich führt, sind eine gute Vorbereitung und eine Vorstellung, was man erreichen will bzw. kann. Dabei sind neben dem Fachwissen Überzeugungskraft verbunden mit Dialogbereitschaft und Verlässlichkeit gegenüber der ‚Gegenseite‘ wichtige Eigenschaften, denn man sieht sich bekanntlich mehrmals im (Arbeits-)Leben … Natürlich stellt sich im Laufe der beruflichen Tätigkeit auch eine situative Routine ein, aber ‚Learning by Doing‘ bleibt ‚bis zum Schluss‘ wichtig. Leider wird man während des Studiums überhaupt nicht auf die Alltagssituationen als Kustode des archäologischen Kulturerbes vorbereitet und trainiert. Hier ist durchaus Eigeninitiative gefordert (siehe Kap. 4).
Vorweg einige Erkenntnisse, wobei es hier zunächst weniger um solche fachlicher Natur im engeren Sinne gehen soll. Eine möglichst breite und solide Ausbildung über Methoden des Faches und die Zeitepochen hinweg sollte das Studium gewährleisten und spezifisches Wissen zum landesweiten bzw. regionalen archäologischen KulturerbeKulturerbe lässt sich am neuen Arbeitsplatz vertiefen. Erfahrungsgemäß ist es leichter, sich im Laufe eines Berufslebens in Spezialgebiete oder einzelne Zeitepochen einzuarbeiten als umgekehrt allgemeine Grundlagen nachzuholen. Für beide vorrangig anzutreffende berufliche Typen, den ‚Generalisten‘ und den ‚Spezialisten‘, gilt zudem ‚Lifelong Learning‘. Die Autoren dieses Buches haben als Landesarchäologen und Direktoren von Landesämtern bei Einstellungen von jungen Kollegen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die späteren beruflichen Anforderungen fast immer unklar waren. Einer der beiden Autoren hat es auf Nachfrage seines eigenen beruflichen Werdegangs später einmal selbst auf den Punkt gebracht. „Mit der Bibliothek des Hauses kam ich vom ersten Tag an zurecht, alles andere war neu …“.
Zweifellos bestehen die größten Defizite bei Berufsanfängern beim Denkmalrecht und verwandten Rechtsgebieten. Natürlich ändern sich Gesetze im Laufe der Zeit und man muss schauen, ob zwischenzeitlich Änderungen oder wichtige Gerichtsurteile ergangen sind. Auch im Land Nordrhein-Westfalen, wo die beiden Autoren als Landesarchäologen tätig sind bzw. waren, befasst sich aktuell der Landtag mit einer Novellierung des Denkmalschutzgesetzes. Der Ausgang ist noch offen und mancher Bezug auf einen hier im Buch zitierten Gesetzesparagraphen (siehe Kap. 2.6) mag demnächst überholt sein. Doch geht es uns in dieser Einführung weniger um konkrete Paragraphen, sondern um die Kenntnis des ‚Baukastens‘, aus dem sich die Gesetze des Kulturgutschutzes in Grundfragen hierzulande (aber auch über Deutschland hinaus) bedienen. Da gibt es zu Einzelthemen in aller Regel verschiedene, allerdings zahlenmäßig beschränkte Alternativen, wobei tatsächlich wenig grundlegend Neues in den letzten Jahren an Einzelmodulen hinzugekommen ist. Ebenfalls eher nebulöse Vorstellungen bestehen zum vielseitigen Arbeitsalltag eines Bodendenkmalpflegers, etwa zu den Gutachten und Stellungnahmen, die er verfasst und die nicht selten eine erhebliche LangzeitwirkungLangzeitwirkung aufweisen, oder zu Abstimmungsgesprächen mit Bürgermeistern und Landräten, Bauherren und Landwirten. Wesentliche Fragen und die Antworten darauf bilden die Basis der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege in Deutschland und auch dieses Buches:
Was beinhaltet DenkmalschutzDenkmalDenkmalschutz, was DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege?
Welche Bedeutung über die Forschung hinaus haben archäologische Denkmäler für die Gesellschaft?
Wodurch sind archäologische Denkmäler gefährdet und welche Gegenstrategien wurden bzw. werden seitens der amtlichen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege entwickelt?
Wie werden archäologische Denkmäler geschützt?
Welche praktischen Maßnahmen und Verfahren im Umgang mit ortsfesten und beweglichen archäologischen Denkmälern lassen sich unterscheiden?
Wem gehören ArchaeologicaArchaeologica nach ihrer Entdeckung bzw. Freilegung?
Wer bezahlt bzw. kommt bei RettungsgrabungenRettungsgrabung und Forschungsgrabungen für die Kosten auf?
Welche unterschiedlichen Schutzgesetze für das archäologische Kulturgut gibt es auf welcher staatlichen Ebene?
In den Jahren 2006 bis 2008 wurde eine umfassende Erhebung zur Situation von Archäologen in Europa von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Leonardo da Vinci II gefördert (Aitchison 2010). An der Studie Discovering the Archaeologists of Europe (DISCO) beteiligten sich zwölf EU-Staaten (https://www.discovering-archaeologists.eu/DISCO_Transnational_Report.pdf.). Auch Deutschland – koordiniert vom Verband der Landesarchäologen, der hierzu zeitnah auch ein internationales Kolloquium veranstaltete (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 2010) – war darunter. Der umfassende Report liegt veröffentlicht vor (https://www.discovering-archaeologists.eu/national_reports/Disco-D-dt-korr-05-final.pdf). Analysen für Deutschland insgesamt (Krausse/Nübold 2010) und einige Bundesländer (Kunow et al. 2010) ergänzen diesen Report. Im Rahmen des Leonardo-Programms der EU wurde erfolgreich eine Fortschreibung der ‚DISCO-Studie‘ (2012–2014) beantragt, an der sich neben einigen der bisherigen Länder sieben weitere beteiligten. Die Ergebnisse wurden 2014 ebenfalls in einem Report vorgelegt und berücksichtigen nicht nur weitere Länderbeteiligungen, sondern zudem auch neue Abfragen und Aktualisierungen. Deutschland beteiligte sich wiederum an der Studie; federführend waren das Universitätsinstitut für Klassische Archäologie in Bonn und der Deutsche Archäologen-Verband (DArV) (https://www.discovering-archaeologists.eu/national_reports/2014/DE%20DISCO%202014%20Germany%20national%20report%20german.pdf). Auffällig ist beim Studienvergleich von 2008 und 2014 ein massiver Einbruch, der in Folge der großen Weltwirtschaftskrise insbesondere die südeuropäischen Länder und auch die dortigen Archäologen ereilte und sich etwa in Entlassungen oder Gehaltskürzungen niederschlug. Die eingetretene Ernüchterung wurde als ‚After the Goldrush‘ treffend charakterisiert und so konnte, ohne dass zwischenzeitlich im nennenswerten Umfang bessere Arbeitsbedingungen und Stellen hinzugekommen waren, die Bundesrepublik Deutschland ihren früheren Mittelfeldplatz im europäischen Vergleich, der unterschiedliche Faktoren wie ‚Archäologendichte‘ im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, Alters- und Geschlechtsverteilung, Qualitätsstandards und Qualifikation der Grabungsleiter, Organisationsgrößen, Vertragsdauer und Stellensicherheit etc. einbezog, erheblich verbessern.
Wir können auf die vielen wichtigen Abfragen und Statistiken, die eine Fundgrube nicht nur für Arbeitsmarktforscher, sondern für die Archäologie in Deutschland insgesamt sind, nicht eingehen; diese sind andernorts bequem nachzulesen. Unser Augenmerk richtet sich nur auf die einzelnen Berufsfelder und die unterschiedlichen Chancen, hier als Universitätsabsolvent ‚unterzukommen‘. Danach wird die Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege (unter Einbeziehung der Landes- und KommunalarchäologienArchäologieKommunalarchäologie sowie der Grabungsfachfirmen) für weit mehr als die Hälfte der Universitätsabgänger das spätere berufliche Tätigkeitsfeld sein, das erheblich mehr feste Beschäftigungsverhältnisse generiert als Universitäten (eine Vielzahl der dortigen Arbeitsverträge sind als Projektstellen zeitlich befristet) oder Museen (siehe Kap. 4). Es ist also durchaus sinnvoll, sich während des Studiums mit der Archäologischen Denkmalpflege zu beschäftigen, auch wenn man später eine abweichende persönliche Berufswahl trifft. Häufig nehmen allerdings andere oder auch der Zufall einem die Entscheidung ab. Die Auswahl an Angeboten für Berufseinsteiger ist zumeist nicht wirklich groß. Wohl eher selten findet man den Traumjob auf Anhieb, aber ebenfalls nicht selten erlebt man doch im Laufe der Zeit eine gewisse Erfüllung am eingenommenen Arbeitsplatz. Eine gute Vorbereitung darauf will diese Einführung in die Archäologische Denkmalpflege liefern.
Bonn und Münster, August 2021
Worum geht es in dieser ‚Einführung in die Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege‘ und an wen insbesondere richten wir uns? Die in Deutschland in der Praxis stehenden Bodendenkmalpfleger – wir kommen auf Begrifflichkeiten und deren Synonymität gleich zurück – haben ein archäologisches Studium absolviert, dessen konkrete Bezeichnung einerseits und Arbeitsauftrag gegenüber anderen archäologischen Tätigkeitsfeldern andererseits uns noch beschäftigen werden (siehe Kap. 3.2 und 4). Sie, also die nach Beendigung des Studiums in der Archäologischen Denkmalpflege Tätigen, werden an der Universität auf ihre spätere berufliche Tätigkeit im Grunde nicht vorbereitet, wenn man von praktischen Einsätzen im Gelände etwa auf LehrgrabungenLehrgrabung oder Surveys absieht.
Universitätslehrer betonen gerne, dass sie Wissenschaftler ausbilden, die (so jedenfalls die Theorie) in jedem späteren Berufsfeld – also Universität, Museum, Bodendenkmalpflege, DenkmalbehördeDenkmalDenkmal(schutz)behörde, Kulturverwaltung, Forschungseinrichtung, GrabungsfirmaGrabungsfirma, Medienarbeit etc., um die wichtigsten zu nennen – reüssieren können. Vor diesem Hintergrund hatte vor mehr als zwanzig Jahren der Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland (1999b) unterschiedliche Fachvertreter zum Kolloquium ‚Bodendenkmalpflege als Beruf – Ein Ausbildungsziel der Universitäten?‘ nach Königswinter (Rheinland) eingeladen. Natürlich forderte und fordert die Landesarchäologie nicht, dass an den Universitäten jetzt Bodendenkmalpfleger ausgebildet werden sollten; auch wir unterstützen die große fachliche Breite im Studium. Als Vertreter der deutschen Universitäten hat seinerzeit Bernhard Hänsel$Hänsel, Bernhard, Prähistoriker und Lehrstuhlinhaber an der FU Berlin, seine Auffassung von Lehre pointiert dargestellt, indem er auf das Beispiel verwies, wonach Universitäten ja Juristen ausbilden würden und nicht Richter, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte. Aber dieser Vergleich passt nicht so ganz. Die unterschiedlichen beruflichen Ausgangssituationen und Aufgabenstellungen in den drei großen Arbeitsfeldern Universität, Museum, DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege sind doch weit stärker auseinanderdriftend als eben die Positionsverschiebung von einem Anwalt hin zu einem Staatsanwalt (selbst zu einem Richter); hier wechselt man eigentlich nur zu einer ‚anderen‘ Seite, ohne dass sich fachbezogene Grundlagen und insbesondere die Klientel ändern (siehe Kap. 4).
Bernhard Hänsel$Hänsel, Bernhard beendete seinen Königswinterer Beitrag (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 1999b, 148) mit einem Fazit und zugleich einem Appell:
„Meine Aufforderung an die Denkmalpfleger lautet also: Kommen Sie mit den Anforderungen von heute in die Universitäten, erliegen Sie aber nicht der Versuchung, schon die Studierenden in Ihren Alltagsstreß einzubeziehen!“
Die vorliegende Einführung leistet auch in diesem Sinn Aufklärungsarbeit. Aber nicht allein für Studierende, auch für weitere Kreise, die sich mit KulturerbeKulturerbe und DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege beschäftigen – wie Politiker und Kulturverwaltungen, DenkmaleigentümerDenkmalDenkmaleigentümer, Juristen, Touristiker, Journalisten oder Historiker und verwandte akademische Disziplinen – wurde diese Einführung geschrieben.
Das vorliegende Buch versteht sich als eine Einführung und ein Handbuch insbesondere für die Studierenden der archäologischen und geschichtswissenschaftlichen Fächer sowie verwandter denkmalpflegerischer Studienrichtungen. Dabei orientiert sich die Gliederung an dem bewährten und vorgegebenen Aufbau der UTB-Reihe Public History – Geschichte in der Praxis mit den drei großen Abschnitten ‚Theorie – Praxis – Berufsfelder‘.
Kapitel 2 liefert die theoretische Basis, wobei es in diesem Abschnitt nicht um ‚emphatisches Theoretisieren‘ gehen soll. Zunächst müssen jedoch einige Grundlagen bezüglich der Quellen, mit denen der Bodendenkmalpfleger arbeitet, erörtert werden. Dabei handelt es sich um die beiden Hauptkategorien ortsfeste und bewegliche BodendenkmälerBodendenkmalbewegliches und ihre historische Aussagekraft, mithin ihren Zeugnis- und Erkenntniswert für unsere Gesellschaft. Es war kein geradliniger Weg von der Begeisterung für die ‚vaterländischen Altertümer‘ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu unserem heutigen wissenschaftsbasierten Umgang. Die wichtigsten Etappen hierzu zeichnet dieses Kapitel nach. Eine besondere Bedeutung fällt hierbei dem Zeitraum des NationalsozialismusNationalsozialismus zu, in dem Ausgrabungsergebnisse, aber auch die Stätten der ‚germanischen Vorzeit‘ politisch instrumentalisiert wurden und sich Archäologen in Universitäten, Museen, aber auch in Denkmalämtern dem Staat ideologisch andienten. Bedeutungs- und Wertewandel archäologischer Quellen werden diesbezüglich im Kapitel nachgezeichnet und Nachdruck darauf gelegt, dass archäologische Fundstätten und Bodendenkmäler einen weit größeren Bedeutungskanon besitzen als nur den Wert für die Fachwissenschaft, wie man ihn üblicherweise an den Universitäten vermittelt. Ein ‚Bodendenkmal‘ ist eine rechtliche Kategorie; dadurch wird die eigenständige Positionierung von DenkmalschutzDenkmalDenkmalschutz und DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege gegenüber anderen öffentlichen Belangen gesetzlich abgesichert. In Deutschland liegt die sogenannte KulturhoheitKulturhoheit bei den Bundesländern, deshalb haben wir analog zu deren Anzahl 16 verschiedene Denkmalschutzgesetze, die sich nicht nur im Detail unterscheiden. Ohne die genaue Kenntnis der gesetzlichen Möglichkeiten ist es nicht möglich, ein guter ‚Anwalt‘ für das KulturerbeKulturerbe zu sein. Deshalb schließt das theoretische Kapitel mit einem umfangreichen Abschnitt zum Denkmalrecht ab.
Kapitel 3 ist der Praxis gewidmet. Es beschreibt die Grundlagen und Methoden der praktischen Arbeit von der InventarisierungInventarisation/Inventarisierung der Bodendenkmäler bis hin zu schwierigen Selektionsprozessen, denen man in der Städtebausanierung, beim Autobahnbau oder in Regionen, wo der Abbau oberflächennaher BodenschätzeBodenschätze (Sand, Kies) und der Braunkohlenbergbau umgeht, als Bodendenkmalpfleger unterliegt. Es sind hier in aller Regel irreversible zu treffende Entscheidungen, welche Fundstätten durch RettungsgrabungenRettungsgrabung noch ausreichend erforscht werden können und welche man notgedrungen nur teil- oder bisweilen sogar ununtersucht aufgeben muss. Aber nicht nur Rettungsgrabungen kennzeichnen die Alltagsarbeit der Bodendenkmalpflege. Dieses Buch befasst sich auch mit den grundlegenden strategischen Konzepten, um das KulturerbeKulturerbe nachhaltig zu sichern und durch InwertsetzungInwertsetzung und VermittlungVermittlung der Gesellschaft zu erschließen, die Basis jeglicher öffentlichen Akzeptanz. Unterschiedlicher Umgang mit den Denkmälern ist dabei erforderlich; die Palette hierfür ist groß und reicht vom unveränderten Belassen (mit kontrolliertem MonitoringMonitoring) bis hin zu wissenschaftlich fundierten Rekonstruktionen und Nachbauten. Hierbei hat es die amtliche Bodendenkmalpflege mit einer Vielzahl von Zielkonflikten und gesellschaftlichen Interessensgruppen zu tun.
Das Kapitel 4 schließlich beschäftigt sich mit dem Studium als Ausgangsvoraussetzung für eine spätere berufliche Tätigkeit, wobei es an deutschen Universitäten unterschiedliche Einzelarchäologien gibt, die in der Lehre angeboten werden. Nicht alle sind gleichermaßen geeignet für einen Einstieg in das hiesige Berufsleben. Verschiedene Berufsfelder stehen dann aber bereit, die dieses Kapitel in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden näher ausführt.
Das letzte Kapitel (Kap. 5) befasst sich dann zusammenfassend mit dem Image der Bodendenkmalpfleger und greift hier verschiedene Topoi und Vorstellungen auf, die in der Gesellschaft zu unserer Arbeit kursieren und stellt dabei manches richtig.
Um eine Kommunikation mit dem Leser überhaupt zu ermöglichen, muss man sich zunächst zu einigen archäologischen Grundbegriffen und ihrer Verwendung und Ausdeutung verständigen. Dieser Abschnitt widmet sich also der Fachsprache. Der Begriff ‚Archäologie‘ (in recht wörtlicher Übersetzung: ‚Altertumskunde‘ oder ‚Altertümerkunde‘) leitet sich aus dem Altgriechischen archaiologia ab und meinte seinerzeit so etwas wie eine erzählerische ‚Darstellung vom Alten‘ oder „Kunde von den [mythischen] Anfängen“ (Eggert 2006, 3f.; Eggert/Samida 2013, 6f.). Als einer der Begründer der modernen und ‚gegenständlichen‘ Archäologie, die ihre Anfänge im Zeitalter der Aufklärung nimmt, gilt Johann Joachim Winckelmann$Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768). Seine 1764 in erster Auflage erschienene Geschichte der Kunst des Altertums gilt noch heute als epochales Standardwerk. Im Winckelmannschen Sinne, der in seinem berühmt gewordenen Zitat von ‚edler Einfalt und stiller Größe‘ der Objekte sprach, wurde nach Beginn des 19. Jahrhunderts bald an mehreren deutschen Universitäten die Klassische Archäologie als eine vor allem kunstgeschichtlich orientierte Wissenschaft gelehrt. Man bezog die Archäologie dabei – Winckelmann folgend – begrifflich und kulturgeschichtlich auf Stätten und Objekte aus dem mediterranen Raum. Die heimischen Hinterlassenschaften hingegen bezeichnete man als ‚vaterländische Altert(h)ümer‘ und sprach von der ‚heidnischen Vorzeit‘ (siehe Kap. 2.3.2).
Eine neue Begrifflichkeit tauchte nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst in England und Frankreich auf: Prehistory bzw. Prehistoric Times und Archéologie Préhistorique (Hoika 1998, 52f.). Dieser Terminus wurde als Lehnwort ‚Prähistorie‘ übernommen oder eingedeutscht in ‚VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘, die zugleich den älteren und mythisch aufgeladenen Begriff einer hiesigen ‚Vorzeit‘ verdrängte. Prähistorie bzw. prähistorisch konnte sich jedoch zunächst nicht durchsetzen, auch wenn manches wichtige Museum wie das Völkerkundemuseum in Berlin eine auch internationalen Ansprüchen genügende imposante ‚Prähistorische Abteilung‘ unterhielt – ihre offizielle Bezeichnung ‚Sammlung vaterländischer und anderer vorgeschichtlicher Altertümer‘ wich allerdings davon ab. Im Jahr 1880 präsentierte man dort die große ‚Ausstellung prähistorischer und anthropologischer FundeFund (Begriff) Deutschlands‘ und erstellte einen begleitenden Katalog. Später wurde die Sammlung bzw. Abteilung ausgegründet und 1931 in das heutige Staatliche Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin umbenannt.
Die 1909 erstmals erschienene Prähistorische ZeitschriftPrähistorische Zeitschrift steht hingegen unmittelbar in dieser Namenstradition und hat bis heute ihre ursprüngliche Bezeichnung behalten, was, wie noch zu zeigen sein wird, im Zuge zahlreicher Namensänderungen beinahe schon eine Ausnahme darstellt. Nicht Prähistorie, wohl aber VorgeschichteVorgeschichte (Begriff) hatte als neue Bezeichnung Konjunktur. So übernahm sie das erste, ausschließlich für heimische Bodenfunde noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs konzipierte Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Kunow 2017a, 22f.). Einen wesentlichen Anteil an der Popularisierung des Begriffs über akademische Kreise hinaus hatte Gustaf Kossinnas$Kossinna, Gustaf (auch Gustav) (1858–1931) etwa gleichzeitig vorgelegte Monographie Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft, die eine Vielzahl von Auflagen erzielte, wobei die achte und letzte noch im Kriegsjahr 1941 erschien (Grünert 2002, 232–236). Auch die von Kossinna gegründete mitgliederstarke Gesellschaft für Vorgeschichte suchte ihren Zuspruch vor allem ‚außerhalb des Faches‘ (ebd. 237f.). Obwohl ‚Vorgeschichte‘ natürlich kein Nazi-Begriff war und bereits früher Anwendung fand – erinnert sei ebenfalls an das 1927 gegründete Vorgeschichtliche Seminar an der Universität Marburg mit dem ersten diesbezüglichen Ordinariat in Deutschland (siehe Kap. 2.3) –, bekamen im ‚Dritten Reich‚Drittes Reich‘‘ neu entstandene Denkmalämter, einschlägige Museen und Universitätsinstitute zumeist das Attribut ‚vorgeschichtlich‘ (Pape 2002a; 2002b). Die Reichspropaganda sekundierte dieses und verlautbarte: „Die Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung sind das alte Testament des deutschen Volkes“ (siehe Kap. 2.4.2). Das führte dazu, dass nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Begriffe ‚Vorgeschichte‘ oder ‚vorgeschichtlich‘ als diskreditiert galten und bald aus dem aktiven Sprachgebrauch verschwanden. Nur noch ältere Institutionen hielten daran fest.
Aber bereits früher, nämlich schon im 19. Jahrhundert, hatte man an diesem Begriff inhaltlich Anstoß genommen. ‚VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘ markierte aus Sicht der Kritiker einen (wie auch immer definierten) Zeitraum ‚vor‘ der Geschichte. Sie verwendeten für diesen ältesten Zeitabschnitt stattdessen den Terminus ‚UrgeschichteUrgeschichte (Begriff)‘ (Urban 1996), der nicht zuletzt durch Rudolf Virchows$Virchow, Rudolf Gesellschaften für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gerade in akademischen Kreisen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Zuspruch fand (siehe Kap. 2.3.3). Etwa zeitgleich kam nun auch für jüngere Zeitabschnitte die Etikettierung ‚Frühgeschichte‘ auf, die eine vergleichsweise schriftarme jüngere Epoche (grob gesprochen für Deutschland der Zeitraum bis zum Ende der Karolingerzeit zu Beginn des 10. Jahrhunderts) zum Gegenstand hat und sich bei ihrer Erforschung weitgehend auf archäologische Methoden und Quellen stützt (Hoika 1998, 53; 69). Heutzutage bezeichnen sich die meisten universitären Fachinstitute in Deutschland als ‚ur- und frühgeschichtlich‘ oder auch ‚vor- und frühgeschichtlich‘ (ebd. 58 mit Abb. 2). An aktuell zwei Universitäten in Deutschland (Berlin und Halle) hat man sich davon abweichend für ein ‚Institut für Prähistorische Archäologie‘ entschieden und die alten Institutsschilder entfernt. Egal welche konkrete Bezeichnung ein derartiges Institut begrifflich auch gewählt hat, ein Unterschied im Lehrplan gegenüber anderen lässt sich dadurch nicht ableiten; die Begriffe werden synonym verwendet (Ament 1996). Inhaltliche Unterschiede bestehen indessen gegenüber den Instituten für Provinzialrömische ArchäologieArchäologieProvinzialrömische Archäologie oder ArchäologieNeuzeitarchäologieMittelalterArchäologieMittelalterarchäologie-/Neuzeitarchäologie, wo man andere archäologische Einzelfächer lehrt (Eggert 2006, 3ff.; 135ff.; 170ff.).
Was geschah nun außerhalb der Universitäten, also bei den Bezeichnungen der Landesämter und einschlägigen Fachmuseen? In der DDR behielten die Landesmuseen in Halle und Dresden ihre Traditionsbezeichnung aus der Vorkriegszeit bei, nämlich ‚Landesmuseum für VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘; in den Städten Potsdam, Schwerin und Weimar unterhielt man hingegen ein ‚Museum für Ur- und Frühgeschichte‘, wobei diese fünf Häuser nicht nur die mit Abstand umfangreichsten Sammlungen an Bodenfunden aufwiesen, sondern mit ihren angegliederten Forschungsstellen auch die Gebietsbodendenkmalpflege für die DDR-Bezirke versahen (siehe Kap. 2.3.5). Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam hingegen in der alten Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung ‚Archäologie‘, die man bis dahin insbesondere mit der Klassischen Archäologie und dem mediterranen Raum verband, nun auch einen heimischen Bezug. So wurde als Dachverband der Landesämter im Jahr 1949 der Verband der westdeutschen Landesarchäologen gegründet (siehe Kap. 2.5.1). Nach der WiedervereinigungWiedervereinigung setzte dann ein großer Namenswechsel vielerorts ein. Manches Landesamt (etwa Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein sowie etwas früher bereits Westfalen) führt seitdem die Bezeichnung ‚Archäologie‘ im Amtstitel; überregional bedeutende Museen mit hiesigen Bodenfunden etwa in Brandenburg, Chemnitz, Frankfurt, Herne (früher Münster), München oder Schleswig schlossen sich dem an und legten ihren in der Regel Jahrzehnte alten Namen ab. Die Intention dahinter war und ist immer die gleiche. Mit dem Begriff ‚Archäologie‘ können Öffentlichkeit und Politik etwas anfangen. Diese verbinden mit Archäologie die Vorstellung von einer ‚ausgrabenden‘ Wissenschaft, die mit gegenständlichen historischen oder kulturhistorischen Quellen (aufgelassenen Stätten und zugehörigen Bodenfunden) arbeitet, die illiterat, also nicht-schriftlich, sind und als authentische Zeugnisse einer vergangenen Epoche gelten (Eggert 2006, 189–192; Eggert/Samida 2013, 5–9). Bewusst und mit Kalkül haben sich die Herausgeber des großen populärwissenschaftlichen Magazins Archäologie in DeutschlandArchäologie in Deutschland (Zeitschrift) im Jahr 1984 bei der Gründung der Zeitschrift diesbezüglich entschieden. ‚Archäologie‘ hat sich im Laufe der Jahrzehnte sprachlich auch für die Feldaktivitäten hierzulande etabliert – selbst wenn etwa die ‚Bodendenkmäler der Neuzeit‘ (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 1995) oder ‚Archäologie der ModerneArchäologieder Moderne‘ (siehe Kap. 2.2.4) vielleicht dem ein oder anderen als contradictio in adiecto aufstößt. Bezeichnungen wie UrgeschichteUrgeschichte (Begriff), Vorgeschichte oder Prähistorie hingegen sind (fast) nur noch im akademischen Milieu üblich.
Gleiches gilt im Grunde für den Begriff ‚Bodendenkmalpflege‘, der erstmals in den 1930er Jahren Verbreitung fand (siehe Kap. 2.3.4). Elf unserer sechzehn Denkmalschutzgesetze sprechen zwar von der Schutzkategorie ‚Bodendenkmal‘ und von daher liegt es nahe, auch weiterhin Bodendenkmalschutz und Bodendenkmalpflege als Begriffe zu verwenden. Allerdings finden wir in drei unserer Denkmalschutzgesetze (Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein) stattdessen die Kategorien ‚Unbewegliche und bewegliche archäologische Sachzeugen‘ ‚Archäologische KulturdenkmaleKulturdenkmal und FlächendenkmaleFlächendenkmale‘ sowie ‚Archäologische Denkmale‘. Auch in der juristischen Diktion sehen wir also diese Synonymität. Daher verwundert es nicht, wenn statt ‚Bodendenkmalpflege‘ immer häufiger in Deutschland auch im amtlichen Kontext (und hier ebenfalls für den Buchtitel gewählt) der Begriff ‚Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege‘ auftaucht, der im Gegensatz zur Bodendenkmalpflege in der Öffentlichkeit auf keinerlei Verständnisschwierigkeiten stößt und an Akzeptanz sicherlich zunehmen wird. Dynamisierung charakterisiert demnach nicht nur die vielfältigen Arbeitsinhalte, die unsere ‚Einführung‘ in den folgenden Kapiteln darstellt, auch Begriffe und sprachliche Bezeichnungen sind einem Wandel unterworfen.
„Geist ohne Methode schädigt die Wissenschaft nicht minder als Methode ohne Geist.“
(Ernst Bernheim$Bernheim, Ernst, Lehrbuch der Historischen Methode und Geschichtsphilosophie)
Die Archäologie in Deutschland, das mag erstaunen, hat die zentrale Frage nach Definition und Systematik ihrer Quellen und Objekte, also der ortsfesten und beweglichen Bodendenkmäler, erst recht spät methodisch aufgegriffen. Dieses Kapitel soll den Weg zu unseren heutigen Vorstellungen und Kenntnissen aufzeigen und damit die Grundlagen zum Verständnis für die folgenden Abschnitte in dieser Einführung liefern.
Ein richtungsweisendes Kolloquium zu dieser Thematik führte im Herbst 1989 der Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland – ein Zusammenschluss der Landesarchäologen der seinerzeit noch elf Bundesländer (siehe Kap. 2.5) – mit seiner Veranstaltung „Archäologie und Recht – Was ist ein Bodendenkmal?“ durch. Der Kolloquiumsband hierzu gibt die Vorträge von Archäologen sowie Juristen wieder und wird durch eine Beispielsammlung von knapp 40 Bodendenkmälern ergänzt, die eine gute Vorstellung von der Vielfalt dieser Geländezeugnisse geben (Horn/Kier/Kunow/Trier 1991).
Noch zuvor griff man zur Charakterisierung der Archäologie und ihrer Quellen auf eine häufig zitierte Metapher des Prähistorikers Paul Reinecke$Reinecke, Paul (1872–1958) von der ‚Wissenschaft des Spatens‘ zurück, die letztendlich auf Heinrich Schliemann$Schliemann, Heinrich (1822–1890) zurückgeht und auch in der Öffentlichkeit tief verankert ist. So wenig, wie die Medizin die ‚Wissenschaft des Skalpells‘ ist, trifft die Gleichsetzung der Archäologie mit einer ‚SpatenwissenschaftSpatenwissenschaft‘ zu. Zum einen kommen auf AusgrabungAusgrabungen für Erdarbeiten neben dem Spaten Gegenstände höchst unterschiedlicher Skalierung, von Großgeräten wie Bagger oder Raupe bis hin zu Feingeräten wie Spachtel oder Pinsel, zum Einsatz, zum anderen – und das ist in unserem Kontext sicherlich entscheidender – wird durch schlichte Benennung eines Arbeitsgerätes in keiner Weise deutlich, um welche Objekte in der sogenannten Spatenwissenschaft es eigentlich geht, kurzum: was ein Bodendenkmal (Pl.: Bodendenkmäler oder Bodendenkmale) ist.
Ganz anders hat sich von Beginn an, nämlich mit den ersten einschlägigen Denkmalgesetzen in Deutschland um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die Jurisprudenz mit dem Rechtsbegriff ‚Bodendenkmal‘ oder auch ‚Archäologisches DenkmalDenkmal‘ – beide Begriffe tauchen synonym in unseren Denkmalschutzgesetzen auf (siehe Kap. 2.1.3) – definitorisch auseinandersetzen müssen, ging es doch darum, Rechtssicherheit zu schaffen. Und so führen noch heute unsere Gesetze in dieser oder vergleichbarer definitorischer Form aus: Bodendenkmäler sind bewegliche oder unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden (Martin/Krautzberger 2017). Der Begriff ‚Boden‘ braucht dabei nicht zu irritieren, da auch Objekte in Gewässern, also in Flüssen, Seen oder Meeren (oder im gefrorenen Zustand, also im Eis) einbezogen sind, bisweilen sogar noch extra darauf hingewiesen wird. Man rechnet gemäß der oben angeführten Definition demnach das Bodendenkmal der Gattung ‚Denkmal‘ – einige Denkmalschutzgesetze verwenden bedeutungsgleich zum ‚Denkmal‘ den Terminus ‚KulturdenkmalDenkmalKulturdenkmal‘ – zu, an dessen Erhalt ein öffentliches Interesse besteht. Hierfür müssen dann einzelne Gründe etwa geschichtlicher, künstlerischer, heimatkundlicher oder auch wissenschaftlicher Art vorliegen. In einem späteren Kapitel wird darauf zurückzukommen sein (siehe Kap. 2.6).
In der Ausbildung an Universitätsinstituten wird vielfach den Studierenden archäologischer Fächer der stark einschränkende Eindruck vermittelt, Bodendenkmäler seien primär als ‚archäologische Quelle‘ zu bewerten und daher ausschließlich wegen ihrer Bedeutung für die Forschung, also allein aus (fach-)wissenschaftlichen Gründen schützenswert – selbst aus dem Kreis der Landesarchäologen hörte man vereinzelt diese Auffassung (Reichstein 1991; 1993). Diese Sichtweise verkennt, dass das ‚öffentliche Interesse‘ an Erhalt und Schutz eines Denkmals erheblich breiter angelegt ist und eine Reduktion allein auf die Bedeutung für die (eigene) Wissenschaft ungenügend (siehe Kap. 2.4.2). Dieses mag bei Bodendenkmälern aus unserer jüngsten Vergangenheit besonders schnell einleuchten, wenn wir uns als Archäologen oder – präziser – Bodendenkmalpfleger auch vor dem Hintergrund gesetzlicher Zuständigkeit mit Geländeobjekten aus unserer jüngsten Vergangenheit beschäftigen müssen, wie etwa den in großen Teilen eingeebneten Konzentrations-Konzentrationslager oder ArbeitslagernArbeitslager (Abb. 1) – der Historiker Ulrich Herbert (2021, 82–104) hat weiter ausgreifend eine ausführliche Studie dem „Jahrhundert der Lager“ gewidmet – aus der Zeit des sogenannten Dritten Reich‚Drittes Reich‘s (Theune 2014; diverse Beiträge einer Fachtagung: Kersting et al. 2017; Ausstellungsführer mit Lagerporträts: Haubold-Stolle et al. 2020). Noch jünger datieren die in den Erdboden eingegrabenen Zeugnisse des Kalten Krieges (Cold War Monuments) wie BunkeranlagenBunkeranlagen und Raketenstellungen (Hoppe/Wegener 2014), die aktuell im Zuge von Konversionsmaßnahmen besonders bedroht sind, oder heute nur noch untertägig vorhandene Relikte der Berliner MauerBerliner Mauer aus ihren Anfangsjahren (Dressler 2020a) sowie die Fluchttunnel, die man nach dem Mauerbau als unterirdische Verbindung von Berlin-West nach Berlin-Ost gegraben hat und die nach neuerlicher Zugänglichmachung und Sicherung ein breites, auch touristisches Interesse als ‚Berliner Unterwelten‘ finden (Dressler 2020b).

Abb. 1
Diese, in der jüngeren bzw. jüngsten Vergangenheit entstandenen Objekte sind nach Gesetzeslage Bodendenkmäler – allerdings tritt hier ein expliziter oder gar exklusiver archäologischer Forschungsansatz zurück. Dennoch gibt es natürlich gute Gründe für den Erhalt und gesetzlichen Schutz auch dieser Bodendenkmäler. Aber diese Situation trifft nicht nur auf Objekte des . Jahrhunderts zu. Auch Relikte aus früheren Jahrhunderten wie montanarchäologische Zeugnisse des Mittelalters mit ihren Pingen und Schlackenhalden, renaissancezeitliche Landwehren oder ein Aussichtshügel, ein sogenannter Point de vue, in ansonsten heute eingeebneten barockzeitlichen Parkanlagen unterliegen dem Schutz- und Erhaltungsgedanken, ohne dass die Archäologische DenkmalpflegeDenkmal
53GG19913419932833Forschungsfreiheit1993Ausgrabungultima ratio32in totoEinvernehmenRessourceAbgrabungBodenschätzeBraunkohle35
5AusgrabungAusgrabungVermittlung
$Eggert, Manfred K.H.2006230250246