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Professor Dr. Dr.h.c. Klaus Spremann, Emeritus der Universität St. Gallen, hat für Banken und Vermögensverwaltungen gearbeitet, praktische Projekte ausgeführt und Kunden begleitet.
Kundenberatung, Finanzplanung und
Anlagestrategien in der Vermögensverwaltung
3., vollständig überarbeitete Auflage
Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb.de.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.
Die Vorauflagen erschienen im Oldenbourg Verlag, München.
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838558042
© UVK Verlag München 2022
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen
Internet: www.narr.de
eMail: info@narr.de
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Umschlagmotiv: © iStockphoto Sezeryadigar
utb-Nr. 5804
ISBN 978-3-8252-5804-7 (Print)
ISBN 978-3-8385-5804-2 (ePDF)
ISBN 978-3-8463-5804-7 (ePub)
Danke, dass Sie sich für dieses Buch entschieden haben. Es unterstützt die Aus- und Weiterbildung von Personen in der Kundenberatung von Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltungen. Gleichzeitig wendet es sich an Personen, die eigenes Finanzvermögen aufbauen und selbst verwalten.
Das Buch konzentriert sich auf drei Themen: Der Teil I (Kapitel 1 bis 6) behandelt die Kundenberatung, Teil II (Kapitel 7 bis 12) die Finanzplanung von Privatanlegern und Teil III (Kapitel 13 bis 16) Anlagestrategien und Anlagestile.
Das Ziel des Buches ist die Vermittlung von Wissen über die Finanzberatung – weder gibt es Anlagetipps noch Produktempfehlungen. Indes werden Argumente verdeutlicht, mit denen Anlageempfehlungen erklärt und begründet werden können. Das Buch möchte zu einer besser strukturierten praktischen Arbeit in der Vermögensverwaltung verhelfen. Im Anspruchsniveau folgt es dem vom CFB Board empfohlenen Niveau als Einführung.
Die Materialien stammen aus Kursen, die ich über Jahre hinweg in St. Gallen, Singapur, Zürich und in Vaduz gehalten habe. In all diesen Jahren haben mich Partner und Menschen begleitet und unterstützt. Von ihnen habe ich viel lernen können, auch über die Praxis. Ihnen allen sei gedankt. Mein Dank geht ebenso an das Lektorat des UVK Verlags für die Herstellung und Publikation dieser 3. Auflage.
Nun wünsche ich Ihnen als Leserin oder Leser nicht nur, dass Sie mit diesem Buch Ihre berufliche Tätigkeit in der Finanzberatung verbessern können. Vielleicht verhelfen Ihnen die Kenntnisse sogar dazu, mit der eigenen Geldanlage voranzukommen.
Klaus Spremann, Februar 2022
Zum Geleit
IKundenberatung
1Anbieter und Kundengruppen
1.1Angebot und Anbieter
1.1.1Acht Finanzdienstleistungen
1.1.2One-Stop-Banking oder Netzwerk von Partnern?
1.1.3Relationship oder Transaktion?
1.2Kundengruppen
1.2.1Personal, Premier und Private Banking
1.2.2Triage oder Selbstwahl
1.3Personal und Premier Banking
1.3.1Personal Banking
1.3.2Premier Banking
1.3.3Private Banking und Beratungsmandate
1.4Kunden bei Versicherungen
1.4.1Risikolebensversicherung oder gemischte Lebensversicherung
1.4.2Risikoausgleich
1.4.3Kalkulation
1.4.4Beurteilung
1.5Konklusion
1.5.1Eckpunkte und Gedankensplitter
1.5.2Fragen zur Lernkontrolle
2Private Banking
2.1Mandat und Portfoliomanagement
2.1.1Der Investmentprozess
2.1.2Beratung
2.1.3Institutionelle Anleger
2.1.4Robotergestütztes Asset Management
2.2Key Clients und Family Offices
2.2.1Key Clients
2.2.2Family Offices
2.2.3Der Trust
2.1.1Familienstiftung
2.2Preisgestaltung
2.2.1Preistransparenz?
2.2.2Praxis beim Pricing in Europa
2.2.3Alternativen zum herkömmlichen Pricing
2.3Konklusion
2.3.1Eckpunkte und Gedankensplitter
2.3.2Fragen zur Lernkontrolle
3Erstgespräch
3.1Akquise
3.1.1Woher die Kunden kommen
3.1.2Kundenbindung
3.2Inhaltspunkte des Erstgesprächs
3.2.1Kundenerwartung versus Gesprächsführung
3.2.2Anlageklassen
3.2.3Rendite, Sicherheit, Liquidität
3.2.4Ungleiche Information?
3.3Pflichtpunkte beim Erstgespräch
3.3.1Know-Your-Customer
3.3.2Vertragsbeziehung
3.3.3Big Five und triadische Systeme
3.4Konklusion
3.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
3.4.2Fragen zur Lernkontrolle
4Risikoaufklärung
4.1Risikoaufklärung
4.1.1Wissensdefizit überbrücken
4.1.2Erwartungswert und Repräsentant der Renditen
4.1.3Grafiken zur Risikoaufklärung
4.1.4Dienstleistungsinflation
4.2Zum Risiko der drei Anlageklassen
4.2.1Wurzel aus der Zeit
4.2.2Gibt es Zeithorizonteffekte?
4.2.3Zur Liquidität
4.2.4Fundamentaldaten und Stimmungen
4.3Dimensionen des Risikos
4.3.1Acht Arten des Risikos
4.3.2Risikostufen von Anlagen
4.3.3Investment Opportunity-Set
4.4Konklusion
4.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
4.4.2Fragen zur Lernkontrolle
5Risikoprofil
5.1Risikotoleranz und Risikofähigkeit
5.1.1Warum Unsicherheit von Nachteil ist
5.1.2Anlagevorschlag verlangt Risikotoleranz und Risikofähigkeit
5.1.3Welche Fragen werden gestellt?
5.1.4Beispiele für einen Profiler
5.2Empfehlungen der Entscheidungstheorie
5.2.1Jede Entscheidung führt auf ein Bündel möglicher Szenarien
5.2.2Aufstellung der Szenarien
5.2.3Empfehlung der normativen Entscheidungstheorie
5.3Empirisches Entscheidungsverhalten
5.3.1Deskription des tatsächlichen Entscheidungsverhaltens
5.3.2Abträglich sind Verluste zwischendurch
5.3.3Histogramm
5.3.4Parameter Anleihen und Aktien
5.4Konklusion
5.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
5.4.2Fragen zur Lernkontrolle
6Anlagevorschlag
6.1Optimizer
6.1.1Risk und Return
6.1.2Steuern und Gebühren
6.1.3Wie sich die reale Kaufkraft entwickelt
6.2Ebene der Einzelanlagen
6.2.1Vermögensallokation und Portfolioselektion
6.2.2Top-Down und Bottom-Up
6.3Konklusion
6.3.1Eckpunkte und Gedankensplitter
6.3.2Fragen zur Lernkontrolle
IIFinanzplanung
7Vermögensaufbau
7.1Konsum ohne Schwankungen
7.1.1Konsumieren oder Sparen?
7.1.2Leben wir in der Zukunft oder in der Vergangenheit?
7.2Wie viel sparen?
7.2.1Vier Lebensphasen
7.2.2Die Permanente Einkommenshypothese
7.2.3Ausbau der Beispielrechnung
7.3Welches Vermögen wird erreicht?
7.3.1Das Fünfzehnfache
7.3.2Die Stanley-Danko-Formel
7.3.3Selbstbindungen
7.4Konklusion
7.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
7.4.2Fragen zur Lernkontrolle
8Lebenszyklus-Hypothese
8.1Die Lebenszyklus-Hypothese
8.1.1Der Gesamtnutzen
8.1.2Budgetrestriktion
8.1.3Entwicklungen der Einkünfte
8.1.4Ein Fallbeispiel zur LZH
8.2Elemente der behavioristischen Finance
8.2.1Verhaltenswissenschaft und Sozialpsychologie
8.2.2Behavioristischen Lebenszyklus-Hypothese
8.2.3Hyperbolische Diskontierung
8.2.4Banking im Lebenszyklus
8.3Konklusion
8.3.1Eckpunkte und Gedankensplitter
8.3.2Fragen zur Lernkontrolle
9Vermögenspyramide
9.1Drei Kategorien von Verwendungszwecken
9.1.1Von der Gesamtsituation zu Vorhaben
9.1.2Realismus und Harmonisierung
9.1.3Reserven, gebundenes und freies Vermögen
9.1.4Vermögenspyramide mit drei Schichten
9.2Pyramide und Vermögensallokation
9.2.1Jede Schicht eine Assetklasse
9.2.2Vorgehensschritte
9.2.3Kategorien und Assetklassen
9.3Reserve und freies Vermögen
9.3.1Lebensereignisse
9.3.2Forderungen und gute Gelegenheiten
9.3.3Freies Vermögen
9.3.4Vermögen der Dynastie
9.4Konklusion
9.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
9.4.2Fragen zur Lernkontrolle
10Gebundenes Vermögen
10.1Vorsorge
10.1.1Anlage bereits angesammelten Deckungskapitals
10.1.2Ansparen des Deckungskapitals
10.1.3Beste Praktiken
10.2Shortfall-Ansatz
10.2.1Zielrendite und Ausfallwahrscheinlichkeit
10.2.4Stetige Rendite
10.2.5Auflösung nach der möglichen Aktienquote
10.2.6Laufzeitportfolio
10.3Kapitaldeckung für laufende Bezüge
10.3.1Verzehr des Vermögens oder nur der Vermögenserträge?
10.3.2Ergebnis
10.4Konklusion
10.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
10.4.2Fragen zur Lernkontrolle
11Weiteres Vermögen
11.1Immobilien
11.1.1Acht Formen von Anlagen in Immobilen
11.1.2Renditen von Immobilienanlagen
11.1.3Optimale Portfolios mit Immobilien
11.1.4Immobilien als Bedingung
11.2Realwirtschaft
11.2.1Geschäftsbetrieb und Humankapital
11.2.2Korrelation: Realwirtschaft zu Bonds und zu Aktien
11.2.3Bonds zur Diversifikation
11.3Konklusion
11.3.1Eckpunkte und Gedankensplitter
11.3.2Fragen zur Lernkontrolle
12Vermögensbilanz
12.1Das Samuelson-Modell
12.1.1Der Prozess der Wertentwicklung
12.1.2Entscheidung und drei Fragen
12.1.3Lösung im Samuelson-Modell
12.2Erweiterung zur Gesamtbilanz
12.2.1Einbezug von Verpflichtungen
12.2.2Einbezug von Humankapital
12.2.3Gesamtbilanz zur Finanzplanung
12.2.4Beispiele
12.2.5Eckpunkte und Gedankensplitter
12.2.6Fragen zur Lernkontrolle
IIIAnlagestrategien
13Passiv oder Aktiv?
13.1Buy-and-Hold
13.1.1Vorteile von Buy-and-Hold
13.1.2International Diversifizieren?
13.1.3Marktportfolio
13.2Erzeugung des Marktportfolios
13.2.1Marktindizes
13.2.2Tracking des Marktportfolios
13.3Alpha und Beta
13.3.1Beta und das CAPM
13.3.2Empirische Überprüfung des CAPM
13.3.3Anomalien und Verfeinerungen
13.3.4Erweiterungen zum Mehrfaktor-Modell
13.4Realitätsnähe der Prämissen
13.4.1Normalverteilung, Unabhängigkeit, Konstanz
13.4.2Fat-Tails, Trends und Volatilitäts-Cluster
13.5Konklusion
13.5.1Eckpunkte und Gedankensplitter
13.5.2Fragen zur Lernkontrolle
14Selektion
14.1Strategie und Stil
14.1.1Börsengurus und ihre Stile
14.1.2Selektionskriterium ist ein Thema
14.1.3Strategie und Stil
14.2Selektion im Konjunkturzyklus
14.2.1Betriebswirtschaftliche Kennzahlen
14.2.2Konjunkturzyklus
14.2.3Zyklische Investitionen
14.3Long-Short-Portfolios
14.3.1Von Leverage zu Short-Positionen
14.3.2Selektion als Anlagestil
14.3.3Erklärung der Vorteilhaftigkeit
14.3.4Ist die Börse ein Casino?
14.4Konklusion
14.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
14.4.2Fragen zur Lernkontrolle
15Timing
15.1Timing und Momentum
15.1.1Übersicht
15.1.2Markt-Timing mit dem Fed-Modell
15.1.3Momentum-Strategien
15.2Prozyklisch – Antizyklisch
15.2.1Exposure dem Kursniveau nachführen
15.2.2Prozykliker brauchen Antizykliker
15.2.3Warum nicht Stopp-Loss?
15.2.4Portfolio-Insurance und Return-Enhancement mit Optionen
15.3Das Trilemma der Geldanlage
15.3.1Dilemma und Trilemma
15.3.2Upside und Downside im Financial Engineering
15.4Konklusion
15.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
15.4.2Fragen zur Lernkontrolle
16Performance
16.1Zeit- und Geldgewichtung
16.1.1Global Investment Performance Standards (GIPS)
16.1.2Total Return
16.1.3Zeit- und Geldgewichtung
16.1.4Performance-Attribution
16.2Risikoadjustierung
16.1.5Die Sharpe-Ratio
16.1.6Das Jensensche Alpha
16.1.7Ein Zahlenbeispiel
16.3Tracking-Error und Information-Ratio
16.3.1Tracking-Error
16.3.2Information-Ratio
16.3.3Wie kann der Manager ein positives Alpha schaffen?
16.3.4Zur Entwicklung der Wissenschaft
16.4Konklusion
16.4.1Eckpunkte und Gedankensplitter
16.4.2Fragen zur Lernkontrolle
Endnoten
Stichwortverzeichnis
Weniger bemittelt, wohlhabend oder reich? Im Wealth Management geht es um immer die gleichen Dienstleistungen, doch die Ansprüche sind unterschiedlich und ändern sich
Das erste Kapitel wirft einen Blick auf die „Industrie“ der Vermögensverwaltung. Es zeigt die im Kern stehenden Finanzdienstleistungen und nennt die Zielgruppen.
Fünf Lernziele sollen erreicht werden: 1. Acht Dienstleistungen beschreiben können. 2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Stufen Personal Banking (Schalterkunden, Retailbanking), Premier Banking und Private Banking verbalisieren können. 3. Drei Vertragsverhältnisse der Execution-Only-Beziehung, des Beratungsmandats und des Verwaltungsmandats definieren. 4. Wichtige Ansätze und Vorgehensweisen verstehen. 5. Namen von Personen und Einrichtungen sowie Produktbezeichnungen und Begriffe in ein Gespräch einfließen lassen können.
Vor drei oder vier Jahrzehnten hatten nur wenige Familien eigene Finanzanlagen. Mit dem allgemein gestiegenen Wohlstand ist dies heute anders. Praktisch alle Menschen und Privathaushaltungen verfügen nicht nur über einen „Spargroschen“, sondern über Geldanlagen. Das gesamte Finanzvermögen (Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere, Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionsfonds) der privaten Haushalte beträgt 2021 weltweit 200 Billionen Euro, nach Abzug der privaten Verschuldung 154 Billionen €. Pro Kopf beträgt das Nettogeldvermögen in den USA (Platz 1) und in der Schweiz (Platz 2) etwas über 200 T€. In Österreich (Platz 16) und in Deutschland (Platz 18) liegt das durchschnittliche Finanzvermögen pro Kopf bei 60 T€.1
Heutzutage interessieren sich viele Menschen dafür, wie Geld am besten angelegt wird, welches Gewicht Aktien haben sollten und welche Wertpapiere man am besten wählt. Interesse besteht auch daran, wie ein persönliches Kapital aufgebaut wird. Das Wissen zu solchen Fragen der Vermögensverwaltung ist durch Praxis und Forschung gewachsen. Beste Praktiken wurden entwickelt. Nobelpreise wurden für Erkenntnisse zur Funktionsweise der Finanzmärkte vergeben. Aktuelle Preisinformationen und Wirtschaftsdaten sind überall erhältlich. All dieses Wissen – Praktiken, Theorie, Wirtschaftsdaten – wird in den Medien, Vorträgen und Schulungen angeboten. Die Finanznachrichten werden täglich mit Interpretationen, Meinungen und Empfehlungen angereichert und von einer Myriade von Analysten und Starinvestoren in den Medien verbreitet.
Dahinter steht eine stark ausgebaute Industrie von Finanzdienstleistern: Banken, Versicherungen, Finanzfirmen, Vermögensverwalter gehören ebenso dazu wie unabhängige, „freie“ Beraterinnen und Berater. Sie alle bieten professionellen Rat. Die meisten vermitteln ihrer Kundschaft auch Produkte für die Geldanlage. Banken ermöglichen ihren Kunden den Zugang zu den Finanzmärkten (Brokerage). Investmentbanken legen Investmentfonds (Anlagefonds) auf, darunter auch solche Fonds, die an Börsen gehandelt werden: Exchange Traded Funds (ETFs). Zudem konstruieren Investmentbanken im Financial Engineering Strukturierte Produkte und bieten diese zum Kauf an.
Doch die Industrie wandelt sich und ist angesichts von Innovationen im Umbruch. Drei Kräfte wirken auf Veränderungen:
Die Strukturierung aller Leistungsprozesse, deren Digitalisierung sowie die immer breitere Nutzung des Internets.
Höhere Professionalisierung führt zu mehr Spezialisierung und schärferer Arbeitsteilung.
Das ständig umfangreichere Vorwissen der Kundschaft drückt sich in höheren Ansprüchen in der Vermögensverwaltung aus. So nimmt die von der Finanzberatung verlangte Qualität zu.
Beraterinnen und Berater werden zu Beziehungsmanagern (Relationship Manager, RM), die mehr bieten müssen als dann und wann einen einzelnen Ratschlag. Dies geschieht in einem Umfeld, in dem Geschäftsmodelle skalierbar werden, neue Vergütungsmodelle gesucht sind, und eine kritischere Kundschaft stärker fordert. Beraterinnen und Berater müssen die Funktion des Portfoliomanagements immer mehr abgeben, die mittlerweile von spezialisierten Portfoliomanagern sowie von Produkten (wie ETFs) übernommen werden. Die Arbeitsteilung nimmt zu. Und die Beraterinnen und Berater müssen der Kundschaft stärker verdeutlichen, worin der „Mehrwert“ besteht, den sie selbst und ihre Organisation schaffen.
Das allseitige, gleichwohl heterogene Interesse an Vermögensverwaltung bewirkt, dass die dazu gehörenden Finanzdienstleistungen in mehreren Varianten angeboten werden. So unterschiedlich die Bedarfsgruppen auch sind, besteht ein gemeinsamer Kern. Stets werden in der Vermögensverwaltung neben Produkten für die Geldanlage einschlägige Finanzmarktinformationen geboten, individualisierter Rat, Unterstützung bei Börsentransaktionen bis hin zur Gesamtübernahme aller Planungen und Ausführungen. Zu den genannten Dienstleistungen kommt noch der Bericht über das jeweils abgelaufene Jahr hinzu. Insgesamt umfasst die Vermögensverwaltung für private (nicht institutionelle) Personen und für Familien acht Dienstleistungen:
[1]Anlageprodukte anbieten oder vermitteln: Kontoführung, Zahlungsverkehr, Kreditvermittlung, Sparprodukte, Versicherungen, Renten, Fondssparen.
[2]Brokerage: Zugang zu Finanzmärkten, Depotverwaltung, Abrechnung der Börsenaufträge.
[3]Custody: Sichere Verwahrung der von Kunden gekauften Wertpapiere.
[4]Finanzinformationen: Kundenbezogene Aufbereitung von Finanz- und Wirtschaftsinformationen. Angebot von Finanzanalyse (Kaufempfehlungen) und Research zur Entwicklung von Ländern, Währungen und Zinsen.
[5]Individueller Rat: Den Kunden wird bewusst gemacht, in welcher finanziellen Situation sie stehen, welche Risikotoleranz und welche Ziele sie haben (Erarbeitung des Kundenprofils). Daraus werden Handlungsmöglichkeiten abgeleitet. Kunden erhalten auf ihre Situation und die persönlichen Ziele abgestimmte konkrete Vorschläge für die Vermögensstruktur.
[6]Reporting: Periodische Berichterstattung über das Vermögen, Erklärung der Performance.
[7]Extraservices: Pflege der Kundenbeziehung: Börsen-Apéros, Einladungen zu Kunst und Kultur, Concierge-Service, Organisation von medizinischen Dienstleistungen und anderes mehr.
[8]Family Offices: Strukturierung sehr großer Vermögen unter regulatorischer und juristischer Sicht, Governance des Familienvermögens, Dienstleistungen zur Erleichterung des täglichen Lebens (Dokumentenmanagement, Archivierung, Buchhaltung).
Die vier ersten Finanzdienste (Produkte, Brokerage, Custody, Finanzinformationen) sind eher standardisierte Funktionen. Die danach genannten Services (Rat, Reporting, Extraservice, Family Offices) sind individuelle Leistungen. In Zukunft dürften für Relationship Manager die individuellen Leistungen zunehmen, während das, was standardisierbar ist, von IT-Systemen, Robotern und von vorgefertigten Produkten bereit gestellt werden wird.
Bündel aus diesen Funktionen und Services, gedacht für die Vermögensverwaltung einer Privatkundschaft, werden als Private Banking bezeichnet. Mit dem Begriff wird (1) die von der Anlagekundschaft allgemein gewünschte Individualisierung und Hervorhebung aus dem Schaltergeschäft (Retailbanking) der Banken betont, sowie (2) die Vertraulichkeit der persönlichen Finanzsituation, Präferenzen und Ziele. Als alternative Bezeichnung für die Vermögensverwaltung der Privatkundschaft wird der Begriff Wealth Management verwendet. Mit Asset Management wird die Vermögensverwaltung der Institutionen (Versicherungsgesellschaften, Kirchen, Pensionskassen) sowie die der sehr wohlhabenden privaten Kapitalanleger bezeichnet.
Diese Dienstleistungen werden von Banken, Versicherungen, Finanzfirmen und unabhängigen Vermögensverwaltern angeboten. Große Banken bieten sämtliche Dienstleistungen für alle Kundensegmente an. Kleinere Banken, Finanzfirmen und Vermögensverwalter konzentrieren sich auf Teilbündel und einzelne Kundensegmente. Finanzanalyse und Research betreiben nur wenige Banken selbst, sondern kaufen sie ein. Nur sehr große Institute bieten ein eigenes Custody an. Kleinere Universalbanken bieten keine Family Offices an. Versicherungen und Pensionskassen offerieren Vermögensverwaltung an, aber ohne Extraservices. Discountbroker und Anlageroboter folgen strukturierten Schemata. Fintechs bauen eigene Infrastrukturen für Zahlungsverkehr auf.
Zu den größten Banken, die originäres Research betreiben, gehören die Bank of America Merrill Lynch und die UBS. Damit sind zwei sehr große Vermögensverwalter der Welt genannt. Die Größe wird an dem für Kunden verwalteten Vermögen gemessen, an den Assets under Management (AuM). Die AuM betragen von Merrill Lynch und der UBS betragen jeweils um die 5 Billionen Dollar.2 Zu den „Big Three“, den drei größten Asset Managern werden BlackRock, Vanguard, and State Street gerechnet. Auf nachfolgenden Plätzen stehen Fidelity Investments, Wells Fargo, Morgan Stanley, Credit Suisse, Royal Bank of Canada, HSBC, Deutsche Bank, BNP Paribas, Pictet und andere.
Die sehr großen Banken sind global tätig. Dies nicht nur, weil die Wohlhabenden in Städten wie London, New York, Singapur, Hongkong, Genf, Shanghai wohnen. Wohlhabende Personen sind oft Unternehmer. Sie tätigen Finanzgeschäfte, die überall Niederlassungen verlangen.
Einige Kunden wünschen im Wealth Management „alles aus einer Hand“ (One-Stop-Banking). Das verlangt eine vertikale und horizontale Integration, die nur sehr große Unternehmungen bieten können. Als Alternative bieten sich Institutionen, die ein Netzwerk aus verschiedenen Spezialanbietern betreiben. Das Netzwerk erbringt alle nachgefragten Dienstleistungen. Die spezialisierten Partner im Netzwerk haben sich durch Rahmenverträge rechtlich verbunden.
Große Häuser werben für das One-Stop-Banking. Die Deutsche Bank beispielsweise verbindet mit ihrem Deutsche Asset & Wealth Management alle Funktionen und Kapazitäten, um so ein umfassendes Sortiment von Produkten und Lösungen von Weltklasse anzubieten. Für alle soll ein einheitliches Modell gelten, in dessen Zentrum der Kunde gerückt wird. Fünf Aspekte werden betont: 1. Single Gateway. 2. One Bank Delivery. 3. Relationship Insights. 4. Solutions Across Asset Classes. 5. Market Connectivity.3 Kleinere Häuser und unabhängige Vermögensverwalter werben für die Zusammenstellung der Dienstleistungen in einem Netzwerk. Dazu verdeutlichen sie, für welche Teilfunktionen sie Spezialisten sind.
Der unabhängige Vermögensverwalter Bamert & Partner in Zug etwa spricht die Grundbeziehung von drei Parteien – Kunde, Vermögensverwalter, Depotbank – an und erläutert:4 „Unser Business-Modell verbindet Ihr Mandat mit Bamert & Partner. Ergänzend dazu besteht Ihr Auftrag an die Depotbank zur reinen Kontoführung. Dieser Kreis schließt sich durch den Rahmenvertrag, den wir mit Ihrer Bank eingehen.“
Private Banking-Kunden werden immer wieder von externen, unabhängigen Vermögensverwaltern umworben. Dabei handelt es sich um Finanzfirmen kleiner bis mittlerer Größe, die keine Banklizenz haben, indes Mandate für das Management von Portfolios sowie die Betreuung ihrer Kunden übernehmen. Erteilt die Kundin oder der Kunde einem solchermaßen freien Vermögensverwalter das Mandat, dann bleibt die bisherige Bankbeziehung bestehen: Das Wertpapierkonto und alle Transaktionen werden über die Hausbank abgewickelt. Nur werden Order vom Vermögensverwalter eingegeben, der dann gegenüber den Kundinnen und Kunden berichtet. Die Hausbank sorgt weiterhin für die sichere Verwahrung der Wertpapiere (Custody) und bedient wie bisher ihre Kundschaft mit Leistungen wie Führung der Konten, Zahlungsverkehr und Kredite. Die freien Vermögensverwalter werben mit einem aktiveren Portfoliomanagement oder einem besonderen Anlagestil, den sie als versprechend darstellen. Zudem gehen sie auf ihre Kundschaft stärker ein, als dies in einer Bankorganisation möglich ist.
In einem Netzwerk sind Spezialisierungen möglich. Der Kunde entscheidet bei der Wahl des Netzwerks, welche Spezialisierungen er wünscht. Einige der im Netzwerk zusammenarbeitenden Partner konzentrieren sich auf besondere Anlagestile oder Situationen, in denen Kunden stehen.
Arth Krawietz Pfau AG in Zürich etwa bietet sich als Sparringpartner im Lebenszyklus an und offeriert Unterstützung im Change Management. So etwa bei der Identifikation von Hürden und der Evaluation von Chancen. Auf Wunsch wird Coaching geleistet.5
Im Wealth Management gibt es zwei große Traditionen.
In der Schweiz liegt und lag die Betonung stets auf der sehr persönlichen, vertrauensvollen, auf Langfristigkeit beruhenden Beziehung zwischen Kunde und Bankberater. (1) Das Kernprodukt im Swiss Private Banking ist die Delegation der Geldanlage an die Bank. Die meisten Kundinnen und Kunden im Swiss Private Banking erteilen ein diskretionäres Mandat für die Vermögensverwaltung. „Mandat“ kommt vom Lateinischen aus der Hand geben und bedeutet hier, dass die Kundin oder der Kunde die Entscheidung über Käufe und Verkäufe von Wertpapieren ebenso wie die Ausführung der Order an die Bank delegiert. (2) Unabhängig davon zeigt sich die hohe Bedeutung der Beratung im Swiss Private Banking sowie die Unterstützung bei komplexeren Finanzfragen wie etwa einer Nachfolgeregelung. Hier sind alle Banken der Schweiz vorbereitet, direkt oder durch Hinzunahme von Partnern für Kunden individuelle Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.
In den angelsächsischen Ländern standen (1) der Vertrieb von Anlageprodukten und das Brokerage im Mittelpunkt. Bei der Vermögensverwaltung geht es (2) um Standardisierung, Skalierung des Geschäfts und um wenige Grundtypen von Anlageprodukten – wie Anlagefonds und ETFs. Damit kann ein überwiegender Teil der Bedürfnisse in der Vermögensverwaltung auf kostengünstige Art befriedigt werden. Doch die Situation wandelt sich. Die amerikanische Bank Charles Schwab war als Discount Broker früher auf die Execution-Only-Beziehung konzentriert. Heute betont die Homepage: Every Schwab account comes with investment help and guidance. Der Rat wird mit standardisierten Verfahren über das Internet geboten. Standardisierte Prozeduren im Phone Banking mit einer Service Line sind üblich.
Aus Kostengründen – und vielleicht sogar, um unbeeinflusst von Ratgebern handeln zu können – wünschen Anlagekunden ab und zu eine solche Execution-Only-Beziehung, ein Discount-Brokerage. Jedoch werden Finanzdienstleister immer mehr in die Pflicht genommen: Überall wurden Gesetze zum Schutz der Kunden geschaffen. Daher wird auch eine reine Execution-Only-Beziehung eine Risikoaufklärung vorsehen. Und es bestehen Sorgfaltspflichten und Grundsätze wie Know-Your-Customer.
Die Execution-Only-Beziehung wird heute von zwei Institutionen angeboten: (1) Erstens von Banken, die vom Grundsatz her in der Vermögensverwaltung zwar Beratung und Gespräche vorsehen, indes neuerdings parallel das E-Banking und die Möglichkeit der Direktanlage über das Internet anbieten. (2) Zweitens von FinTechs, die einzig die Execution-Only-Beziehung anbieten. Dies weitgehend ohne menschlichen Rat. Die Fintechs haben die Pflichtteile der Kundenbeziehung (Risikoaufklärung, Identitätsprüfung neuer Kunden) voll strukturiert und erledigen alles über das Internet. Manche FinTechs, bezeichnet als Neo Broker, engen ihr Leistungsspektrum auf ganz wenige Produkte ein, so dass sie ungewohnt geringe Leistungspreise setzen können.
Doch auch hier ist die Industrie in Bewegung: Einige Discount Broker möchten sich stattdessen ergänzen, um Beziehungen pflegen und finanziellen Ratschlag auch durch menschliche Berater vermitteln zu können. Banken, die traditionell ausführlich und umfassend beraten haben, bieten ihren Kunden hingegen abgemagerte Beratungen an, um Preiszugeständnisse machen zu können. Zunehmend werden im Private Banking eigens wählbare Beratungspakete angeboten.
Jedenfalls wird bei der Aufnahme oder Änderung einer Vertragsbeziehung nicht allein die Vermögensallokation festgelegt, wie also die verschiedenen Geldanlagen gewichtet werden und welcher Anlagestrategie gefolgt werden sollte. Ebenso festzulegen ist die gewünschte Intensität der (menschlichen) Beratung. Dabei wird diskutiert, ob sich Finanzberaterinnen und Finanzberater nicht von ihrer Organisation lösen sollten, um ganz frei zu arbeiten. Das hätte auch Folgen für die Art der Honorierung.
Wie in anderen Lebensbereichen auch, unterscheidet sich die Privatkundschaft bei den an eine Vermögensverwaltung gestellten Wünschen und Ansprüchen. Die Vorstellungen darüber, was üblich sein sollte oder erwartet werden kann, sind zudem im Wandel. Die Veränderungen in der Vermögensverwaltung sind nicht losgelöst vom Entwicklungsprozess in der Gesellschaft als Ganzes. Die Anbieter teilen die Privatkundschaft nach ihrem Bedarf in Zielgruppen ein.6
Die Ansprüche sind in der Regel umso größer, je höher das zu verwaltende Vermögen ist. Auch die Bereitschaft, für Dienste zu zahlen, nimmt mit der Höhe des Vermögens zu. Daher dient den Finanzdienstleistern die Vermögenshöhe als Indikator für das von einer Kundin oder einem Kunden gestellte Anspruchsniveau sowie für die Zahlungsbereitschaft.
Bei der Einschätzung von Anspruchsniveau und Zahlungsbereitschaft wird zum vorhandenen Finanzvermögen das Potenzial hinzugerechnet. Das Potenzial ist die für die nächsten Jahre erwartete Vermögensänderung. Es liegt auf der Hand: Wer ein hohes Arbeitseinkommen bezieht, wird mit der Zeit ein höheres Finanzvermögen haben und stellt bereits heute mehr Ansprüche an die Vermögensverwaltung. Andererseits: Wer von Kapitalanlagen lebt und entspart, wird mit der Zeit hinsichtlich der Breite und Tiefe der benötigten Vermögensverwaltung bescheidener. Das Anspruchsniveau wird anhand des erwarteten Vermögens eingestuft, das eine Person oder ein Privathaushalt in fünf oder in zehn Jahren haben dürfte.
Wie kann das zukünftige Vermögen eingeschätzt werden? Mehrere Zeichen deuten darauf hin, ob das Finanzvermögen plus Potenzial eines Kunden noch steigen oder ob es zurückgehen wird:
Ein erstes Indiz ist ein Baukredit. Haushalte, die ein Haus bauen, stehen oft zu Beginn einer Lebensphase der weiteren Entwicklung von Einkommen und Vermögen.
Ein zweites Indiz für die Vermögenshöhe plus Potenzial ist der Lebensstil: Viele, wenngleich nicht alle Personen, orientieren sich bei ihren Geldausgaben an dem Einkommen, das sie selbst für sich als nachhaltig und dauerhaft ansehen. Das ist die Aussage der auf MILTON FRIEDMAN (1912-2006) zurückgehenden Permanenten Einkommenshypothese (PEH). Daher deutet der heutige Lebensstil auf das Vermögen, das später wohl vorhanden und dann anzulegen sein wird.
Ein drittes Indiz ist der familiäre Hintergrund. Dazu gehört die Gesamtsituation im Lebenskreis. So etwa, ob es unternehmerische Beteiligungen gibt, ob einmal ein Erbe angetreten werden kann, oder eben vielleicht Verpflichtungen drohen.
Je nach Vermögen plus Potenzial kommt eines von drei Kundensegmenten infrage. Das (1) untere Segment heißt Personal Banking, das (2) mittlere wird als Premier Banking oder ähnlich bezeichnet, das (3) obere Kundensegment ist das Private Banking. Weitere Kundengruppen, die Finanzanlagen tätigen, sind (4) Firmen und Institutionen wie zum Beispiel die Kirchen oder Stiftungen. Viele Banken betrachten auch (5) Jugendliche oder Kinder als eigenes Segment. Neuerdings behandeln Finanzdienstleister (6) Personen, die ihr Kapital entnehmen und davon leben, als eigenes Segment mit speziellen Bedürfnissen. Selbstverständlich werden in jeder Kategorie Untergruppen gebildet, wenn sie dadurch besser angesprochen werden können.
Welche Vermögenshöhen einschließlich Potenzial die Segmente Personal, Premier und Private Banking trennen, wird in der Industrie unterschiedlich gehandhabt. Diese Beträge sind indikativ:
Das untere und das mittlere Segment – Personal und Premier Banking – werden durch ein (in fünf Jahren erwartetes) Finanzvermögen von 100 T€ getrennt.
Das mittlere und das obere Segment – Premier und Private Banking – werden durch Finanzvermögen inklusive Potenzial von 1 M€ (Million Euro) unterschieden.
Die meisten regionalen Banken konzentrieren sich auf Personal und Premier Banking. Große Geschäftsbanken legen ihren Schwerpunkt auf das Premier Banking. Privatbanken sehen das Private Banking und die Vermögensverwaltung für institutionelle Kunden als ihr Kerngeschäft an.
Oft verwenden Banken weitere Indikatoren, um für Kunden die jeweils passende Angebotsklasse zu bestimmen. Kunden mit geringerem Vermögen werden einem höheren Segment zugeordnet, falls die Kunden komplexere Geldanlagen vorhaben und dafür auch das Verständnis mitbringen. Das ist der Fall, wenn sie Derivate kaufen wollen (und auch das Verständnis dafür aufbringen). Oder es handelt sich um Unternehmer, die Finanzierungen benötigen.
In Europa werden die Grenzen zwischen den Segmenten eher verdeckt gehalten, damit Kunden in den unteren Segmenten nicht denken, sie würden vernachlässigt. In Amerika besteht große Transparenz über die angebotenen Programme und das jeweils verlangte Mindestvermögen.
Übersichten zur Vermögenssituation bietet der Allianz Global Wealth Report. Vor wenigen Jahren wurden zwei Punkte betont: 1. Die Menschen in den ärmeren Ländern werden wohlhabender, auch wenn eine Konvergenz der durchschnittlichen Vermögenssituation noch längere Zeit dauern sollte. 2. Angesichts des demografischen Wandels, der stärkere eigenverantwortliche Vorsorge notwendig macht, werden die Menschen mit ihrer Neigung zu risikoarmen Sparformen kaum den verlangten langfristigen Vermögensaufbau schaffen. Die Ausgabe 2021 des Reports berichtet: „Die deutschen Haushalte werden ihrem Ruf als die ängstlichsten Sparer nicht mehr gerecht – sie öffnen sich dem Wandel.“7
In einigen Städten wie Genf, Zürich, Vaduz und in Luxemburg gibt es Laufkundschaft: Personen, die bei einem Besuch in der Stadt die Schalterhalle einer Bank besuchen und um ein Erstgespräch nachsuchen. Zum Zeitpunkt der Terminvereinbarung kann an der Rezeption schlecht gefragt werden, wie hoch das Finanzvermögen sei. Banken nehmen bei der Laufkundschaft im ersten, kurzen Gespräch eine Triage vor: Ein Senior Banker weist den interessierten Kunden eine Anlageberaterin oder einen Anlageberater zu. Die dann entstehende Beziehung wird kaum mehr geändert. Die Triage ist für den Gesamterfolg einer Kundenbeziehung wichtig.
Eine Alternative zur Triage ist ein Selbstwahlschema: Anstatt einem Neukunden ein Segment zuzuweisen, trifft der Neukunde selbst die Wahl. Dazu werden Interessierte mit den Abstufungen und Segmenten im Wealth Management vertraut gemacht. Einfache Darstellungen der Angebotsstufen genügen. Wir alle sind mit Selbstwahlschemata bestens vertraut. Die Kunden entscheiden für sich, ob sie im untersten, im mittleren oder im obersten Segment des Wealth Management ihr Erstgespräch führen wollen. Selbstwahlschema setzen große Preistransparenz voraus.
Die Migros Bank stellt im Internet diese Fragen für die Selbstbestimmung des Kundensegments: (1) Wollen Sie über einen längeren Zeitraum hinweg mehr als 100.000 Franken anlegen? Dann eröffnen sich Ihnen alle Möglichkeiten der Vermögensverwaltung mit Anlagefonds. Dabei sind fünf Anlagestrategien für die Ziele Einkommen, Konservativ, Ausgewogen, Wachstum oder Dynamik möglich. (2) Möchten Sie langfristig über CHF 250.000 investieren, dann profitieren Sie von den Vorteilen der klassischen Vermögensverwaltung (wieder werden fünf Anlagestrategien verfolgt und das Geld wird in sorgfältig ausgewählte Direktanlagen und Anlagefonds investiert). (3) Ferner wird ein Premium Banking angeboten, das ab 750.000 Franken Depotwert zusätzliche Vergünstigungen bietet. In diesem Segment wird ein persönlicher Ansprechpartner für alle Bankbelange zugeordnet.8
Das unterste Kundensegment in der Vermögensverwaltung für Privatpersonen, das Personal Banking, kann so skizziert werden: Die Kunden werden als Individualkunden bezeichnet und das Geschäft mit ihnen wird als Schaltergeschäft gestaltet. In Filialen sind Automaten zur Selbstbedienung eingerichtet, und es gibt eine Service Line für Telefonanrufe. Parallel dazu besteht Zugang zum IT-System der Bank über E-Banking und über Apps. Die Kunden legen Festgeld an, zeichnen Sparverträge oder wählen das Fondssparen. Individualkunden geben aber keine Börsenaufträge auf und sie unterhalten kein Depot (Wertpapierkonto).
Die Konditionen im Onlinegeschäft sind günstiger als im Schaltergeschäft mit Bedienung. Kunden sollen dazu motiviert werden, die Transaktionen direkt einzugeben. In den USA lassen die Banken zu diesem Zweck die Warteschlange in der Schalterhalle sehr lang werden, und selbst beim Phonebanking müssen Kundinnen und Kunden einige Zeit warten. So wird die Bankkundschaft gedrängt, möglichst viele Transaktionen Online einzugeben.
Da die Transaktionen im Personal Banking vergleichsweise kleine Geldbeträge betreffen, wird Kunden mit Anlagewunsch ein Plan vorgeschlagen. Ein jeder Plan bündelt und reduziert die Kosten für jede einzelne der Transaktionen. Beim Personal Banking hat die Kundschaft entweder einen Sparplan oder einen Bezugsplan mit Anlagefonds, die gut diversifiziert den Markt breit abdecken. Die Anlagefonds stehen in drei Risikogruppen zur Verfügung, etwa mit 0% Aktien (Einkommen), 25% (Renditeorientierung) und 50% Aktien (Ausgewogenheit). Eine höhere Aktienquote wird in diesem Segment nicht angeboten.
Zur Beratung werden Printmedien eingesetzt sowie Erläuterungen in Prospekten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank müssen vermeiden, dass sie ein Kunde in lange Gespräche über Randthemen verwickelt. Fragen etwa nach einzelnen Aktien werden durch Verweis auf die angebotenen Fonds und die Notwendigkeit der Diversifikation umgelenkt. Gleichwohl wird das Bankpersonal die Kundschaft stets fragen, ob sonst noch eine Frage besteht: Jedes Gespräch bietet Anknüpfungspunkte für Cross-Selling. Kunden werden gefragt, ob für sie nicht auch eine Kreditkarte nützlich wäre und ob sie die neue App kennen.
Um trotz der Betonung von Produkten Individualisierung zu erreichen, bilden die Banken eine Grundmenge von Situationen, in denen ein Kunde sich befinden könnte. Jede Situation wird in Broschüren und Bildern dargestellt. Die Kundin oder der Kunde sind eingeladen, anhand der bebilderten Situationen erkennen zu lassen, welche der Situationen persönlich vorliegt und daher die finanziellen Bedürfnisse wiedergibt. Ohne großen Aufwand trifft die Identifikation gut individuell nützliche Finanzdienstleistungen. Eine klassische Einteilung orientiert sich am Lebenszyklus. Die Situationen sind (1) der Berufsanfang (Dienstleistungen: Finanzierung Autokauf, Krankenversicherung), (2) die Gründung einer Familie (Kredit, Versicherung), (3) der später folgende Hausbau, (4) die Zeit der Karriere (Anlagefonds), (5) das Alter und die Verrentung von Kapitalien oder (6) die Überlegungen zu einem Testament. Selbstverständlich wollen Banken nach einem Todesfall das Vermögen weiter verwalten. Doch darüber sprechen sie nicht in ihrer werbenden Ansprache mit der Kundschaft.
Im mittleren Segment haben die Kunden ein Finanzvermögen, dessen Höhe (in fünf bis zehn Jahren) zwischen 100 T€ und 1 M€ liegen dürfte. Die Kundenbeziehung wird mit einer Bezeichnung wie Advance oder Premier hervorgehoben. Die Banken halten für Kunden im Premier Banking eigene Räumlichkeiten mit einer Sitzecke für Wartezeiten bereit. Dort kann man sich mit einem Getränk bedienen. Außerdem wird ein als bevorzugt erkennbarer Service geboten, zum Beispiel durch kurze Wartezeiten. E-Mails werden schnell, individuell und treffend beantwortet. Nur selten haben Kunden in diesem Segment einen persönlich zugeordneten Ansprechpartner. Premier Kunden führen ein Wertpapierkonto (Depot), das für alle Wertpapiere geeignet ist.
Dennoch wird den meisten Kunden im Premier Banking angeraten, Anteile von Investmentfonds zu kaufen. Als Basis für die Geldanlage im Premier Banking werden fünf Anlagefonds angeboten, die Bezeichnungen wie Einkommen oder Sicherheit, Konservativ, Ausgewogen, Wachstum und DynamikSparplanBezugsplan