Auf ein Wort... Wenn in einem Betrieb oder Unternehmen erstmalig eine Betriebsratswahl durchgeführt wird, kommen viele Aufgaben auf die neu gewählten Betriebsräte zu.
In einem ersten Schritt sollte der Betriebsrat sich ein Arbeitsprogramm erarbeiten. Dies kann auf einer (mehrtägigen) Klausurtagung oder im Rahmen eines Seminars geschehen. Unter fachkundiger Anleitung wird die soziale Mitbestimmung diskutiert und dann muss sich das Gremium entscheiden, welche Aufgaben in welcher Reihenfolge abgearbeitet werden sollen.
Dies sind in der Regel Betriebsvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit oder zu den vielen Fragen der betrieblichen Ordnung. Vom Parkplatz über die private Nutzung von E-Mail-Accounts bis zur Dienstreiseordnung. Dann wird mit dem Arbeitgeber über die Spielregeln zum Thema Urlaub verhandelt und so weiter...
Parallel und ab dem Wahltag wird der Betriebsrat aber bei der personellen Mitbestimmung gefordert, da der Arbeitgeber seine Entscheidungen ab dem Wahltag nicht mehr kraft „Direktionsrecht“ treffen darf. Jede Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung muss erst die Hürde Betriebsrat überwinden. Eine Übergangszeit sieht das Gesetz nicht vor.
Fehler kann sich ein Betriebsrat bei der personellen Mitbestimmung nicht leisten. Dies könnte zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern gehen.
Auch alle Arten von Kündigung müssen vor deren Ausspruch „durch den Betriebsrat gehen“, egal ob es sich um ein ordentliche, eine fristlose oder eine Änderungskündigung handelt. Auch während der Probezeit.
Die dritte Säule der personellen Mitbestimmung ist die Beteiligung des Betriebsrats bei der Personalplanung und bei der internen Personalwirtschaft. Von der internen Ausschreibung von Arbeitsplätzen, über Beurteilung bis hin zu Zielvereinbarungen - nichts geht mehr ohne Betriebsrat.
Last not least gilt es Regeln zu finden, wie mit der betrieblichen Fort- oder Weiterbildung sowie bei der Berufsbildung umgegangen wird.
Zum Thema „Personelle Mitbestimmung“ bieten alle großen Bildungsträger für Betriebsräteschulungen Spezialseminare an. Zumindest für Teile des Betriebsrats ist ein solchen Seminar zu empfehlen.
Zweifelsohne gehört die „Personelle Mitbestimmung“ zu den interessantesten Aufgaben eines jeden Betriebsrats.
Ich wünsche Euch viel Spaß bei der Lektüre.
IMPRESSUM
Von der Einstellung bis zur Kündigung
Die personelle Mitbestimmung
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2023 - Christian Betz
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ISBN: 978-3-7562-9806-8
Autor:
Christian Betz - www.betriebsratundrecht.de
Unter „personelle Einzelmaßnahmen“ versteht das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in erster Linie folgende Begriffe (die in den §§ 99 und 102 BetrVG geregelt sind):
Mitbestimmung bei Einstellungen und bestehenden Arbeitsverhältnissen gemäß § 99 BetrVG:
Betriebsverfassungsgesetz
§ 99 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen
In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn 1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2. die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4. der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5. eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder6. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.
Mitbestimmung bei Kündigungen gemäß § 102 BetrVG:
Betriebsverfassungsgesetz
§102 Mitbestimmung bei Kündigungen
(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteiien. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn
1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.
(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn
1. die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3. der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.
(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.
Alle diese Maßnahmen konnte der Arbeitgeber in einem Betrieb ohne Betriebsrat „kraft Direktionsrecht“ aussprechen bzw. durchführen, es sei denn, dass es eine Regelung im Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers gab, die dem entgegenstand.
Wichtig!
Unabhängig was ein Arbeitnehmer in seinem individuellen Arbeitsvertrag vereinbart hat - das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats steht darüber, d.h. geht vor. Was bedeutet das? Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer in seinem Arbeitsvertrag eine Versetzung akzeptiert hat (egal ob in- oder extern), dann gilt das nur in einem Betrieb ohne Betriebsrat. Gibt es einen Betriebsrat oder wird später ein Betriebsrat gewählt, muss der Arbeitgeber (trotz der arbeitsvertraglichen Vereinbarung) zusätzlich die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung einholen. Das bedeutet: Der „Schutzschirm“ Betriebsrat steht über dem individuellen Arbeitsrecht. Gerade bei Versetzungen oder bei Ein- und Umgruppierungen wurden Ungerechtigkeiten Tür und Tor geöffnet. So kann es durchaus vorkommen, dass ein „angenehmer“ Arbeitnehmer von einer Versetzung verschont und dafür der „kritische“ Arbeitnehmer versetzt werden sollte. Und das unabhängig von sozialen Kriterien wie der Betriebszugehörigkeit oder dem Lebensalter.
Um solche Ungerechtigkeiten zu verhindern, hat der Gesetzgeber den Betriebsräten Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte gegeben. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber in Betrieben mit Betriebsrat (siehe Kapitel 2 - Ausnahmen) sein Direktionsrecht verliert und vor allen personellen Entscheidungen „seinen“ Betriebsrat beteiligen muss. Bei vielen Entscheidungen auf dem Personalsektor muss der Arbeitgeber die ausdrückliche Zustimmung seines Betriebsrats vorliegen haben, oder diese durch ein Arbeitsgericht ersetzen lassen. Dadurch kann der Betriebsrat Ungerechtigkeiten verhindern. Allerdings hat der Betriebsrat bei der personellen Mitbestimmung kein Initiativrecht. D.h. er kann zum Beispiel nicht erzwingen, dass Arbeitnehmer für bestimmte Tätigkeiten neu und zusätzlich eingestellt werden. Dies ist der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers vorbehalten. Aber - es gibt andere Wege zum Ziel. Davon später. Wenn aber eingestellt oder versetzt wird, dann nur gemeinsam mit dem Betriebsrat. Jede Eingruppierung oder Sonderzahlung muss vor deren Gewährung bzw. Umsetzung durch den Betriebsrat mitentschieden werden. Ohne Zustimmung durch den Betriebsrat, kann der Arbeitgeber die Maßnahme nicht durchführen.
„Vergisst“ der Arbeitgeber diese Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte, so hat dies schwerwiegende Folgen. Ohne die nötige oder bei fehlerhafter Beteiligung des Betriebsrats, würde zum Beispiel eine fristlose Kündigung selbst bei nachgewiesenem schwerem Diebstahl letztlich unwirksam werden.
Eine Einstellung, die ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats vollzogen wurde, bleibt mit sehr unangenehmen Folgen unwirksam. Eine in- oder externe Versetzung, die ohne die nötige (vorherige) Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochen wurde, muss der Arbeitgeber rückgängig machen. Der betroffene Arbeitnehmer muss der Versetzung nicht folgen, ohne dass dies negative Auswirkungen auf sein Arbeitsverhältnis haben kann. Deshalb sollte es im Sinn des Arbeitgebers und des Betriebsrats sein, die personelle Mitbestimmung gesetzeskonform zu vollziehen. Ausnahmeregelungen sieht das Gesetz nicht vor. „Eilverfahren“ gibt es. Diese sind im BetrVG aber in einem besonderen Teil behandelt. Auch hier gibt es strenge Regeln zu berücksichtigen. Ein Betriebsrat kann im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit durchaus einmal „ein Auge zudrücken“. Wenn zum Beispiel Überstunden angeordnet oder einfach geleistet und geduldet werden und der Betriebsrat zu spät oder gar nicht informiert wurde. Der Betriebsrat KANN ein Auge zudrücken (muss aber nicht)!
Bei allen Formen der personellen Mitbestimmung sollte der Betriebsrat aber nicht großzügig handeln und in keinem Fall auf die Mitbestimmung ganz oder teilweise verzichten. Will der Arbeitgeber diese Mitbestimmungsrechte nicht anerkennen, so hat der Betriebsrat viele gesetzliche Möglichkeiten, zu seinem Recht zu kommen. Vom arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren über ein Zwangsgeld, vom Ordnungswidrigkeitsverfahren bis hin zur Strafanzeige.
Allerdings sollte der Betriebsrat alles versuchen, um eine betriebsinterne Lösung zu finden. Es sollte nach einer bestimmten Taktik vorgegangen werden:
In einem ersten Schritt wird der Arbeitgeber im Rahmen eines Gesprächs darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat weitere Verstöße gegen das BetrVG nicht mehr hinnehmen will. Klappt das nicht, sollte der Arbeitgeber schriftlich auf seine Verstöße hingewiesen werden. Gleichzeitig sollte der Betriebsrat - ohne Androhung von Konsequenzen - darauf hingewiesen werden, dass der Betriebsrat auf seinen Mitbestimmungsrechten besteht.
Wenn sich jetzt der Arbeitgeber nicht zum Positiven ändert, wird es langsam ernst. Zu diesem Zeitpunkt muss der Betriebsrat in einer Sitzung darüber diskutieren, ob bei weiteren Verstößen des Arbeitgebers Rechtsmittel eingesetzt wird.
Wichtig!
Der Betriebsrat verliert sein Gesicht, wenn er dem Arbeitgeber Maßnahmen wie ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren etc. androht, Wochen später aber aus Angst vor Konsequenzen auf diese Rechtsmittel verzichtet. Deshalb muss der Betriebsrat schon zum Zeitpunkt der Androhung eines Verfahrens darüber sprechen, dass im Falle eines Falles kein Rückzieher mehr gemacht werden kann.
Der Betriebsrat muss seinen Arbeitgeber „erziehen“. Dabei ist es wichtig abzuschätzen, ob der Arbeitgeber nicht „kann“ oder nicht „will“. Davon im Artikel 22 dieses Buches mehr!
Die Ausnahmen bei der Mitbestimmung
Das BetrVG gilt in erster Linie für Arbeitnehmerinnen und für Menschen, die in den Betriebsablauf eingegliedert sind und mit am gemeinsamen Betriebsziel arbeiten (z.B. Leiharbeitnehmer). Ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber ist dabei keine zwingende Voraussetzung. Für Werkarbeitnehmer, (das sind Arbeitnehmer, die zwar im Betrieb tätig sind, die aber vollkommen autonom arbeiten und bei denen keine im Betrieb beschäftigten Menschen weisungsbefugt sind), ist der Betriebsrat (auch bei der personellen Mitbestimmung) nicht zuständig.
Achtung Unterschied!
Bei Leiharbeitnehmern ist der Betriebsrat zuständig, bei Werkarbeitnehmern nicht.
Bei der personellen Mitbestimmung, also der Beteiligungen des Betriebsrats bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen und bei Kündigungen gibt es im Wesentlichen vier Ausnahmen:
1) Die Werkarbeitnehmer
2) Die leitenden Angestellten
3) Den Kleinbetrieb
4) Den Tendenzbetrieb
Ausnahme 1: Die Werkarbeitnehmer
Bei Arbeitnehmern mit einem „echten“ Werkvertrag (im Gegensatz zur verdeckten Leiharbeit) hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Wie erkennt der Betriebsrat einen „echten Werkvertrag“? Beim Werkvertrag schuldet der Arbeitnehmer nicht seine Arbeitsleistung, sondern ein Arbeitsziel oder einen Arbeitserfolg. Im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer dürfen gegenüber von Werkarbeitnehmern NICHT weisungsbefugt sein. Werkarbeitnehmer sind nicht in den Betriebsablauf (z.B. Überstunden, Urlaubsplanung) eingegliedert. Für Werkarbeitnehmer bezahlt der Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und er gewährt keinen Urlaub.
Praxistipp!
Ist für den Betriebsrat nicht eindeutig klar, ob es sich um echte Werkarbeitsverträge oder um eine Umgehung von arbeitsrechtlichen Gesetzen und/oder Tarifverträgen handelt, so hat er gern. § 80 Abs. 2 BetrVG das Recht, die nötigen Informationen beim Arbeitgeber anzufordern.
Siehe MUSTERBRIEF im Anhang:
Auskunft über Leih- Werkarbeitsverhältnisse
Ausnahme 2: Die „leitenden Angestellten“
(Siehe § 5 Abs. 3 BetrVG) „Leitender Angestellter“ ist ein schöner Titel, allerdings mit vielen negativen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmerinnen. Da „leitende Angestellte“ keine Arbeitnehmer (im Sinne des BetrVG) sind, fällt diese Gruppe nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsrats. Da der Begriff der „Leitenden“ gummiartig ist, wird oft zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber diskutiert oder gestritten, wer „leitender Angestellter“ ist und wer nicht. Vom Gesetz her gibt es ein paar Kriterien, die es vereinfachen sollen, die „Leitenden“ herauszufiltern. Im Einzelnen:
„Leitende Angestellte“ sind Menschen, die in erster Linie unternehmerisch tätig sind und Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand des Betriebs von Bedeutung sind und die sich dadurch deutlich von „normalen“ Arbeitnehmer unterscheiden. Dies können Leiter von Stabsabteilungen im Betrieb sein. Allein die Formulierung im Arbeitsvertrag ist kein Indiz, es kommt darauf an, dass tatsächlich Führungsaufgaben verrichtet werden. Ein weiteres Indiz für einen „leitenden Angestellten“ kann sein, dass der Mitarbeiter selbstständig einstellen oder kündigen darf. Selbstständig, d.h. ohne sich die Genehmigung „von oben“ zu holen. Ein „leitender Angestellter“ kann auch sein, wer vom Arbeitgeber eine Generalvollmacht oder Prokura verliehen bekommen hat und von davon einem in nicht unerheblichem Umfang Gebrauch macht. Es gibt - zum Beispiel im Bankenbereich - sogenannte Titularproristen, die für die Ausübung von bestimmten Tätigkeiten zwar Prokura haben aber trotzdem keine „leitenden Angestellten“ sind.
Wenn nach den o.g. Punkten immer noch nicht klar ist, ob ein Mitarbeiter „Leitender“ oder nicht ist, gibt es als Entscheidungshilfe noch das Kriterium des Einkommens. So muss der „Leitende“ ein Jahresentgelt erhalten, dass auf Unternehmensebene für „leitende Angestellte“ üblich ist und/oder das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch 4 verdienen. Dies ist im Jahr 2023 ein Jahreseinkommen von rund 118.440 €(= 39.480 € x 3).
Ausnahme 3: Der „Kleinbetrieb“
In Unternehmen (nicht: Betrieben!), in denen „in der Regel mehr als zwanzig zur Betriebsratswahl berechtigte Arbeitnehmer arbeiten, gelten alle Bestimmungen der „personellen Mitbestimmung“. D.h. in kleineren Betrieben hat der Betriebsrat dieses Mitbestimmungsrecht leider nicht. Dabei kommt es nicht auf die Belegschaftsstärke zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl an, oder zu einem bestimmten Stichtag, sondern darauf, wie viele Arbeitnehmer „in der Regel“ beschäftigt sind. Dabei kommt es auf die Arbeitnehmerzahl in der Vergangenheit an und auf eine Schätzung, wie viele in Zukunft beschäftigt sein werden. Bei der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer kommt es auch nicht auf den Betrieb an, die Mindestzahl muss im Unternehmen erreicht werden. Hat ein Unternehmen also zwei Betriebe, werden alle Arbeitnehmer gezählt.
Tipp!
Wird die Mindestanzahl von mehr als 20 Arbeitnehmern nicht erreicht, könnten Arbeitgeber und Betriebsrat - zur gegenseitigen Sicherheit - in einer Betriebsvereinbarung vereinbaren, dass die personelle Mitbestimmung bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen im vollen Umfang zum Tragen kommt.
Wichtig - Die Ausnahme von der Ausnahme!
Die Ausnahmeregelung des Kleinbetriebs betrifft nur die Mitbestimmung bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen (§ 99 BetrVG).
Bei allen Arten von Kündigungen hat der Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht, unabhängig von der Betriebsgröße (§ 102 BetrVG).
Ausnahme 4: Der Tendenzbetrieb
Jetzt wird es leider richtig kompliziert! Es gibt noch eine Ausnahmeregelung, nach der das Mitbestimmungsrecht bei der personellen Mitbestimmung nur teilweise zur Anwendung kommt, nämlich im sogenannten „Tendenzbetrieb. Allerdings ist der absolute Großteil der deutschen Betriebe und Unternehmen von dieser Ausnahmeregelung nicht betroffen. In sogenannten „Tendenzbetrieben“ können zwar Betriebsräte gewählt werden, die allerdings bei einer bestimmten Mitarbeitergruppe weniger Mitbestimmungsrechte haben.
Was ist ein solcher Tendenzbetrieb?
*Anmerkungen des Autors zu Krankenhäusern:
In den letzten Jahren wurden viele Krankenhäuser, die von den Städten oder Landkreisen betrieben wurden, aus finanziellen Gründen privatisiert. In der Regel wurden dann gemeinnützige GmbH gegründet. Dabei handelt es sich um Mischbetriebe, d.h. es Hegt durchaus ein karitativer Gedanke vor, allerdings ist auch das Gewinnstreben im Vordergrund. Die Unterscheidung „Tendenzbetrieb“ - ja oder nein - ist hier oft schwierig zu treffen. Es gibt deshalb viele Krankenhäuser, die mit Ihrem Betriebsrat oder mit der Gewerkschaft eine Vereinbarung getroffen haben, dass „auf die Einrede des Tendenzschutzes verzichtet wird“ und dass die Mitbestimmung der Betriebsräte im vollen Umfang akzeptiert wird. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung kann beim Autor angefordert werden.
Wenn schon weniger Mitbestimmung - Bei wem?
Wenn es sich tatsächlich um einen Tendenzbetrieb handelt, wird ein Betriebsrat nach den ganz normalen Wahlverfahren gewählt. Besteht dann ein Betriebsrat, hat dieser beschnittene Rechte. Dies ist aber nur der Fall, wenn es sich 1) um eine „personelle Maßnahme“ handelt, die „Tendenzcharakter“ hat und 2), dass der betroffene Arbeitnehmer ein sogenannter „Tendenzträger“ ist.
Beide Kriterien sind vom Arbeitgeber zu beweisen, was nicht leicht und nicht ohne Risiko ist: Kündigt der Arbeitgeber z.B. einen Mitarbeiter, ohne den Betriebsrat zu beteiligen (weil der der Meinung ist, es handelt sich um einen Tendenzträger) und stellt das Arbeitsgericht fest, dass der Arbeitnehmer kein „Tendenzträger“ ist, gibt es keine Kündigung, weil diese unwirksam ist. Das Risiko hierfür trägt allein der Arbeitgeber.
Tipp!
Wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat umstritten ist, ob es sich um einen Tendenzbetrieb handelt oder nicht oder ob der betroffene Arbeitnehmer ein Tendenzträger ist oder nicht entscheidet das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren. Ein solches Verfahren birgt für den Betriebsrat nahezu kein Kostenrisiko und kann an allen Rechtsantragstellen der deutschen Arbeitsgerichte eingeleitet werden. Einfach beim Arbeitsgericht vor Ort vorbeigehen und dort mit den Leuten reden. Das kostet nichts und hilft weiter.
Verzicht auf die Einrede des Tendenzschutzes
Arbeitgeber sind gut beraten, wenn Sie auf Basis einer sogenannten freiwilligen Betriebsvereinbarung mit Ihrem Betriebsrat, oder mit der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft in einem Tarifvertrag, auf die Einrede des Tendenzschutzes verzichten, und dem Betriebsrat die vollen Mitbestimmungsrechte des Gesetzes einräumen, und zwar unabhängig davon, ob die Maßnahme einen „Tendenzträger“ betrifft oder nicht. Das hat sich in der Praxis bewährt. Ein Muster einer solchen Vereinbarung kann beim Autor angefordert werden.
Eine solche Vereinbarung ist eine Geste der vertrauensvollen Zusammenarbeit und für Arbeitgeber und Betriebsräte unbedingt zu empfehlen. Dadurch sind ständige Diskussionen über Tendenzträger bzw. Tendenzcharakter vom Tisch.
Zur Einführung einer solchen Vereinbarung sollte der Betriebsrat aktiv werden und das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen.
Das Mitbestimmungsverfahren in der Praxis
Das BetrVG gibt dem Betriebsrat starke Rechte, mit denen er die Interessen „seiner Wähler“ vertreten kann. In der Hauptsache wird zwischen „Mitbestimmung, Mitwirkung und Informationsrecht“ unterschieden.
1. Die Mitbestimmung
Das stärkere Recht ist das Mitbestimmungsrecht. „Mitbestimmung“ des Betriebsrats bedeutet, dass der Arbeitgeber keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme mehr ohne die Zustimmung des Betriebsrats treffen darf. Dies betrifft bei der personellen Mitbestimmung alle Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen (§ 99 BetrVG). Betriebsrat und Arbeitgeber sind hier absolut gleichberechtigt.
Will der Arbeitgeber zum Beispiel einen Arbeitnehmer neu einstellen oder von A nach B versetzen, muss er vorher die Zustimmung des Betriebsrats vorliegen haben. Stimmt der Betriebsrat diesem Antrag nicht zu, kann weder eingestellt noch versetzt werden. Egal was im Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers steht.
Es bleibt dem Arbeitgeber dann nur, beim zuständigen Arbeitsgericht einen Antrag zu stellen, dass das Gericht die nötige Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Ein solches Arbeitsgerichtsverfahren ist für den Arbeitgeber sehr schwer zu gewinnen und deshalb in der Praxis auch eine absolute Ausnahme.
2. Die Mitwirkung
Anders als bei den unter 1) genannten Maßnahmen, (Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung) hat der Betriebsrat bei allen Formen der Kündigung kein Mitbestimmungsrecht, sondern ein Mitwirkungsrecht.
Vor dem Ausspruch jeder Kündigung, also bei der
muss der Arbeitgeber ein Zustimmungsverfahren beim Betriebsrat ein leiten. Kündigt der Arbeitgeber ohne ein solches Verfahren, ist die Kündigung rechtlich unwirksam (das heißt wie nicht ausgesprochen). Dies wäre selbst der Fall, wenn der betroffene Arbeitnehmer nachweislich einen schweren Diebstahl begangen hat. Nachdem der Betriebsrat zur geplanten Kündigung durch den Arbeitgeber angehört wurde, hat er in einer bestimmten Frist (§ 102 BetrVG - 3 Tage oder eine Woche) drei verschiedene Möglichkeiten:
Hat der Betriebsrat einer beantragten Kündigung frist- und formgemäß widersprochen, kann der Arbeitgeber diese Kündigung trotzdem aussprechen.
Allerdings hat ein Widerspruch des Betriebsrats erhebliche Auswirkungen auf den betroffenen Arbeitnehmer. Der betroffene Arbeitnehmer muss (Achtung! auf sein Verlangen hin) über den Kündigungszeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden. Und zwar so lange, bis ein Arbeitsgericht in der 1., 2. oder gar 3. Instanz rechtskräftig über den Kündigungsschutzprozess entschieden hat. Das kann Jahre dauern. Voraussetzung für den Weiterbeschäftigungsanspruch ist, dass der betroffene Arbeitnehmer gegen die Kündigung eine Klage beim Arbeitsgericht einreicht und beim Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen ausdrücklich verlangt.
Tipp!
Der Betriebsrat sollte davon ausgehen, dass gekündigte Arbeitnehmer nicht wissen, dass Sie die Weiterbeschäftigung ausdrücklich verlangen können. Wenn euer Betriebsrat einer Kündigung frist- und formgemäß widersprochen habt, sollte in einem Gespräch mit dem Betroffenen auf diese Möglichkeit hingewiesen werden.
Siehe Musterbrief im Anhang:
Antrag auf Weiterbeschäftigung
Der Antrag an den Betriebsrat
Welcher Betriebsrat ist zuständig?
Es gibt in vielen Unternehmen mehrere Betriebsräte, zusätzlich einen Gesamtbetriebsrat (GBR) und einen Konzernbetriebsrat (KBR). Auf Betriebsebene kann dann noch eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gewählt und aktiv sein. Die personelle Mitbestimmung bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- oder Umgruppierungen (§ 99 BetrVG) sowie bei allen Arten von Kündigungen (§ 102 BetrVG) bleibt aber beim Betriebsrat vor Ort. Es kann aber passieren, dass zwei Betriebsräte zuständig sind, nämlich:
Wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer von dem Betrieb in A zum Betrieb in B versetzt wird (und in A und B Betriebsräte bestehen) so hat der Betriebsrat des abgebenden Betriebes ein Mitbestimmungsrecht (Versetzung) und der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes ebenfalls (Einstellung). Da es sich bei der Beteiligung bei Versetzungen um ein echtes Mitbestimmungsrecht handelt, kann die Versetzung erst vollzogen werden, wenn beide Betriebsräte form- und fristgerecht ihre Zustimmung beschlossen haben.
Die Beteiligung der JAV erfolgt indirekt. Ein Vertreter der JAV nimmt an jeder Betriebsratssitzung teil. Die Einladung dazu gehört zu den Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden. Wenn ein Punkt auf der Tagesordnung steht, der überwiegend Jugendliche oder Auszubildende betrifft, hat die gesamte JAV ein Teilnahmerecht an der Betriebsratssitzung.
Beteiligung der JAV
In diesem Fall haben die Vertreter der Azubis und Jugendlichen auch ein Stimmrecht.
Umstritten ist, ob die JAV ein Mitbestimmungsrecht bei einzelnen personellen Entscheidungen hat. Das Bundesarbeitsgericht hat, das im Fall eines Ausbildungsleiters bejaht, da diese Entscheidung ja überwiegend Jugendliche und/oder Auszubildende betroffen hat. Fasst der Betriebsrat einen Beschluss, der ein Stimmrecht der JAV beinhaltet hätte, ohne JAV, so ist dieser Beschluss unwirksam. Wenn der Betriebsrat einen Beschluss fasst, der überwiegend Jugendliche und/oder Azubis betrifft, so kann die JAV beim Betriebsrat (über den Betriebsratsvorsitzenden) beantragen, dass der Beschluss „ausgesetzt“ wird. Der Betriebsrat ist dann zur „Aussetzung“ verpflichtet.
In der folgenden Woche sollen Betriebsrat und JAV versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Gegebenenfalls soll dazu die im Betrieb vertretene Gewerkschaft mit eingeschalten werden. Einigen sich Betriebsrat und JAV innerhalb der Woche nicht, entscheidet der Betriebsrat neu über den umstrittenen Antrag. Dann gibt es kein Vetorecht der JAV mehr. Ansonsten beschränkt sich die Arbeit der JAV auf eine beratende Teilnahme an den Betriebsratssitzungen. Wie die JAV in die Betriebsratsarbeit eingebaut wird, sollte - falls vorhanden - in der Geschäftsordnung des Betriebsrats einfließen.
Siehe MUSTERGESCHÄFTSORDNUNG im Anhang
Der richtige Zeitpunkt für die Mitbestimmung
Die Mitbestimmung des Betriebsrats muss erfolgen, vor eine personelle Maßnahme (Einstellung, Versetzung., Ein- und Umgruppierung) vollzogen bzw. ausgesprochen wird. Wenn einem ex- oder internen Bewerber die Einstellung vom Chef zugesagt worden ist, ist es für die Mitbestimmung definitiv zu spät. Ist eine fristlose Kündigung ausgesprochen, kann ein Mitbestimmungsverfahren nicht mehr erfolgen, da alle Anträge an den Betriebsrat grundsätzlich vor dem Ausspruch gestellt werden müssen. Die Kündigung wäre rechtsunwirksam, d.h. wie nicht ausgesprochen. Allerdings muss das ein Arbeitsgericht feststellen.
Wird ein Arbeitnehmer von der Entgeltgruppe 4 in die Entgeltgruppe 5 höhergruppiert oder umgekehrt, braucht der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Umgruppierung die Zustimmung des Betriebsrats. Liegt diese nicht vor, ist die Umgruppierung unwirksam, egal ob rauf oder runter. Der Zeitpunkt beginnt dann, wenn dem Betriebsrat alle nötigen Informationen zur personellen Maßnahme vorliegen. Erst dann!
Die Form der Mitbestimmung
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bei allen Formen der personellen Mitbestimmung so ausgiebig informieren, dass dieser in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen. Dazu muss der Betriebsrat alle für die Beschlussfassung relevanten Informationen vorliegen haben.
Es ist nicht vorgesehen, dass der Betriebsrat recherchiert und „Detektiv spielt“ um an nötigen Informationen zu kommen. Es ist nicht die Aufgabe des Betriebsrats zu forschen, ob es bei einer Kündigung Arbeitnehmer gibt, die über kürzere Betriebszugehörigkeiten verfügen oder ob es sonst Gründe gibt, die gegen eine soziale Auswahl sprechen.
Trägt der Arbeitgeber mit der Antragstellung diese Fakten nicht vor, kann der Betriebsrat nicht entscheiden. In diesem Fall sollte sinngemäß folgender Brief an den Arbeitgeber geschrieben werden:
An die
Geschäftsführerin der XY GmbH
Ort, Datum
Sehr geehrte Frau XY,
mit Schreiben vom xx.xx.2023 beantragen Sie beim Betriebsrat die betriebsbedingte Kündigung des Kollegen XY zum 30. Dezember 2023. Warum Ihre Auswahl auf Herrn XY gefallen ist, tragen Sie im Antrag nicht vor. Ebenso fehlen Angaben zur sozialen Auswahl.
Mangels dieser Informationen ist der Betriebsrat nicht in der Lage, über ihren Antrag zu entscheiden. Der Betriebsrat bittet Sie, mindestens die oben genannten Fakten nachzuliefern.
Rein vorsorglich möchte Sie der Betriebsrat darauf aufmerksam machen, dass die Wochenfrist des § 102 BetrVG erst zu laufen beginnt, wenn alle nötigen Informationen beim Betriebsrat eingegangen sind.
Ein solches Schreiben sollte im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit vom Betriebsrat gewählt werden.
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, seinen Antrag auf Einstellung, Versetzung, Ein- oder Umgruppierung (§ 99 BetrVG) schriftlich zu stellen. Eine solche Verpflichtung sieht das BetrVG nicht vor. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber seinen Antrag mündlich oder per E-Mail stellen darf. Allerdings ist es für den Arbeitgeber bei späteren Streitigkeiten schwer nachzuweisen, welche Informationen er wann an den Betriebsrat gegeben hat und welche nicht. Im Rahmen der Beweispflicht sind Arbeitgeber und Betriebsrat sicher gut beraten, wenn sie in einer „freiwilligen Betriebsvereinbarung“ Spielregeln für die personelle Mitbestimmung treffen. Darunter gehört auch die Schriftform des Arbeitgebers bei allen Anträgen im Rahmen der personellen Mitbestimmung.
Achtung:
Ansprechpartner für den Arbeitgeber ist ausschiießiich der Betriebsratsvorsitzende. Ist der Betriebsratsvorsitzende verhindert (nur bei: Krankheit, Seminar, Urlaub) so ist der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der einzig richtige Ansprechpartner. „Normale Betriebsratsmitglieder" sind nicht empfangsberechtigt.
Der Betriebsratsvorsitzende ist also der „Briefkasten des Betriebsrats".
Clevere Betriebsräte wählen nicht nur einen stellvertretenden Vorsitzenden, sondern (je nach Betriebsgröße) mehrere und teilen dies dem Arbeitgeber mit.
Eine entsprechende Vereinbarung findet Ihr am Ende dieses Buches unter „Mustergeschäftsordnung".
Da die Schriftform für den Arbeitgeberantrag nicht unbedingt nötig ist, kann der Arbeitgeber einen solchen Antrag auch per E-Mail stellen. Besteht in einem Betrieb ein „Personalausschuss", so muss der Arbeitgeber alle Anträge im Rahmen der personellen Mitbestimmung an den Vorsitzenden des Personalausschusses stellen. Der Betriebsratsvorsitzende bzw. der Vorsitzende des Personalausschusses überprüfen nun, ob alle Informationen vorliegen, die der Betriebsrat zur Beschlussfassung benötigt. Dies können sein (nicht abschließend):
Erst wenn der Betriebsratsvorsitzende alle Unterlagen vorliegen hat, kann er den Antrag des Arbeitgebers auf die Tagesordnung der folgenden Betriebsratssitzung setzen.
Die Betriebsratssitzung
Erst wenn alle Informationen beim Betriebsratsvorsitzenden gelandet sind, beginnen die Fristen zu laufen. Es ist deshalb eine Pflicht des Vorsitzenden, die beantragte personelle Maßnahme auf die nächstmögliche Sitzung des Gremiums (oder des Personalausschusses) zu setzen. Die Einladung und die Tagesordnung zur Sitzung muss den einzelnen Betriebsratsmitgliedern so rechtzeitig zugehen, dass diese sich noch auf die Sitzung vorbereiten (= lesen von Kommentaren und Gesetzen, Führen von Gesprächen, Telefonieren mit der Gewerkschaft etc.) können. Es kommt in der Praxis vor, dass ein Tagesordnungspunkt kurzfristig im Laufe der Sitzung aufgenommen werden soll. Die ist nur möglich, wenn der Betriebsrat diese Erweiterung der Tagesordnung einstimmig beschlossen hat. Gibt es eine Gegenstimme oder eine Enthaltung, so ist die Erweiterung der Tagesordnung nicht möglich.
Achtung!
Die Sitzung muss so geplant werden, dass der Arbeitgeber noch im Laufe der Wochenfrist über den Beschluss des Betriebsrats informiert werden kann. Reagiert der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist nicht (weil er keine Sitzung anberaumt hat) so gilt seine Zustimmung als gegeben.
TOP (= Tagesordnungspunk) 5:
Antrag des Arbeitgebers auf Einstellung von Frau XY zum xx.xx.2023 in der Abteilung Einkauf. Eingruppierung in die Entgeltgruppe xx des Tarifvertrages. Folgende weitere Informationen:
Arbeitsverhältnis unbefristet
Vollzeit, also 38,5 Stunden pro Woche
Auswirkungen: Keine, da Arbeitsplatz zusätzlich eingerichtet wurde
Schwerbehinderung: Nein
Die Bewerbungsunterlagen aller in- und externen Bewerber Hegen vor und können beim Betriebsratsvorsitzenden oder während der Sitzung eingesehen werden:
Beschlussempfehlung des Vorsitzenden: Zustimmung
Die Meinungsbildung im Betriebsrat vollzieht sich nach der entsprechenden Diskussion demokratisch durch das Feststellen von Mehrheiten. Einfacher gesagt: Es wird abgestimmt. Der Betriebsratsvorsitzende stellt einen Antrag und die Betriebsratsmitglieder signalisieren ihre Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung durch ihr Handzeichen.
Ein übliches Verfahren bei Abstimmungen durch den Betriebsratsvorsitzenden ist:
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Wer ist dagegen? Danke. Gibt es Enthaltungen? Danke. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit (oder einstimmig) angenommen (oder abgelehnt).
Vor der Abstimmung muss der Betriebsratsvorsitzende grundsätzlich überprüfen, ob der Betriebsrat überhaupt beschlussfähig ist. Ein Betriebsrat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teil nimmt. Alle Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) dürfen mitstimmen, wenn der Beschluss auch die Belange von Jugendlichen oder Auszubildenden betrifft. Der Vorsitzende der JAV hat immer Sitz und Stimme in den Betriebsratssitzungen. Versagt der Betriebsrat den Vertretern der JAV und/oder Schwerbehindertenvertretung zu einem Tagesordnungspunkt, in dem es um ihre Belange geht, das Stimmrecht, oder werden die Vertreter nicht beteiligt, ist der so gefasste Beschluss unwirksam.
In der Regel reicht bei Abstimmungen die einfache Mehrheit aus.
Das ist die Mehrheit der Betriebsräte, die an der Abstimmung teilgenommen haben. Es gibt jedoch ein paar Ausnahmen, bei denen der Gesetzgeber eine qualifizierte Mehrheit verlangt, zum Beispiel bei der Abwahl des Betriebsratsvorsitzenden. In diesem Fall muss die Mehrheit der absoluten Zahl der Betriebsräte erreicht werden. Konkretes Beispiel: Bei einem 9-köpfigen Betriebsrat müssen 5 Betriebsräte mit „Ja“ stimmen.
Wie werden die abgegebenen Stimmen bewertet?
Ja-Stimmen zählen als Zustimmung
Enthaltungen sind Gegenstimmen.
Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.
Das Protokoll
Betriebsverfassungsgesetz
§ 34 Sitzungsniederschrift
(1) Über jede Verhandlung des Betriebsrats ist eine Niederschrift aufzunehmen, die mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefasst sind, enthält. Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied zu unterzeichnen. Der Niederschrift ist eine Anwesenheitsliste beizufügen, in die sich jeder Teilnehmer eigenhändig einzutragen hat. Nimmt ein Betriebsratsmitglied mittels Video- und Telefonkonferenz an der Sitzung teil, so hat es seine Teilnahme gegenüber dem Vorsitzenden in Textform zu bestätigen. Die Bestätigung ist der Niederschrift beizufügen.
(2) Hat der Arbeitgeber oder ein Beauftragter einer Gewerkschaft an der Sitzung teilgenommen, so ist ihm der entsprechende Teil der Niederschrift abschriftlich auszuhändigen. Einwendungen gegen die Niederschrift sind unverzüglich schriftlich zu erheben; sie sind der Niederschrift beizufügen.
(3) Die Mitglieder des Betriebsrats haben das Recht, die Unterlagen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse jederzeit einzusehen.
Nach jeder Betriebsratssitzung muss ein Protokoll (auch Niederschrift genannt) erstellt werden. Ein solches Protokoll (§ 34 BetrVG) ist eine Urkunde. Es dient dazu, dass sich die Betriebsratsmitglieder nach dessen Lektüre sicher sein können, dass die gefassten Beschlüsse richtig dargestellt sind.
In arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat werden diese Protokolle regelmäßig vom Richter angefordert, um bei umstrittenen Beschlüssen zu überprüfen, ob vom Betriebsrat die Formalien eingehalten worden sind. Außerdem sind die Protokolle eine gute Grundlage für den Betriebsratsvorsitzenden, um sich auf den Tätigkeitsbericht im Rahmen einer Betriebsversammlung vorzubereiten.
Im Protokoll müssen mindestens stehen:
Das Protokoll muss nach seiner Erstellung vom Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied unterschrieben werden. Dies kann auch der Protokollführer sein. Eine Kopie dieses Protokolls erhalten die Sitzungsteilnehmer. Der Arbeitgeber und der Gewerkschaftsvertreter erhalten nur einen Auszug des Protokolls: Nämlich nur zu dem Thema, bei dem sie an der Sitzung anwesend waren.
Die Richtigkeit des Protokolls soll in der folgenden Sitzung vom Betriebsratsgremium beschlossen werden.
Eigene Betroffenheit eines Betriebsratsmitglieds
Ist von der Einstellung Versetzung, Ein- oder Umgruppierung oder Kündigung ein Betriebsratsmitglied persönlich betroffen, so darf dieses Mitglied nicht an der Abstimmung teilnehmen. Es ist empfehlenswert, dass das Mitglied während der Abstimmung die Sitzung verlässt.
Die Möglichkeiten des Betriebsrats
Bei der personellen Mitbestimmung hat der Betriebsrat vier Möglichkeiten, nämlich
1. Die Zustimmung
2. Die Zustimmungsverweigerung
3. Die Bedenken
4. Der Widerspruch
Diese Begrifflichkeiten dürfen auf keinen Fall verwechselt werden. Es gibt die folgende Möglichkeiten, wenn der Betriebsrat einer beantragten personellen Maßnahme nicht folgen will:
Die Möglichkeiten des Betriebsrats
1) | Einstellung. | Zustimmung Verweigerung der Zustimmung |
2) | Ein-/Umgnippierung. | Zustimmung Verweigerung der Zustimmung |
3) | Versetzung | Zustimmung Verweigerung der Zustimmung |
4) | Kündigung | Zustimmung Bedenken zur Kündigung Widerspruch der Kündigung |
5) | fristlose Kündigung | Zustimmung Bedenken zur Kündigung |
Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats
Eine „Zustimmungsverweigerung gibt es nur bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen (§ 99 BetrVG). Einer Kündigung wiederum kann der Betriebsrat die Zustimmung nicht verweigern.
Der Betriebsrat kann seine Zustimmung nicht willkürlich, „aus dem Bauch heraus“ verweigern. Er braucht dazu Gründe, die im BetrVG einzeln aufgeführt sind. Er darf nur „Nein“ sagen, wenn mindestens einer der sechs Verweigerungsgründe aus dem Betriebsverfassungsgesetz zutrifft. Kann er einen solchen Grund nicht ins Feld führen, kann er die Zustimmung zur beantragten personellen Maßnahme nicht verweigern.
Verweigerungsgrund Nr. 1:
Verstoß gegen Rechtsvorschriften
Der Betriebsrat stellt fest, dass die beantragte Einstellung oder Versetzung gegen ein Gesetz, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung verstößt.
Welche Gesetzesverstöße sind in der Praxis denkbar?
Jeder einzelne dieser Gründe berechtigt den Betriebsrat, seine Zustimmung zur beantragten Einstellung oder Versetzung zu verweigern.
Praxisproblem: Einstellung (oder Versetzung) im Zusammenhang mit einer falschen Eingruppierung (oder Umgruppierung:
Es kommt in der Praxis vor, dass der Arbeitgeber die Zustimmung zu einer Einstellung beantragt, was vom Betriebsrat befürwortet wird. Im Einstellungsverfahren stellt der Betriebsrat aber fest, dass die vorgesehene Eingruppierung falsch ist. Oder: Der Arbeitnehmer wird mit Zustimmung des Betriebsrats versetzt. Danach wird klar, dass er nach der Versetzung umgruppiert werden soll.
Der Betriebsrat kann nicht die Zustimmung zu einer Einstellung verweigern, weil am neuen Arbeitsplatz die vorgesehene tarifliche Eingruppierung nicht stimmt. In diesem Fall ist es strategisch gut, aus dem laufenden Mitbestimmungsverfahren zur Einstellung ein zweites Mitbestimmungsverfahren zur Eingruppierung zu machen. Das Recht steht dem Betriebsrat zu, weil im Gesetz die Zustimmung des Betriebsrats auch vor jeder Eingruppierung verlangt wird. Diese beiden Mitbestimmungsverfahren (Einstellung und Eingruppierung) werden dann getrennt abgehandelt und vom Betriebsrat entschieden.
Dies gilt auch bei Versetzungen, wenn am neuen Arbeitsplatz eine andere Eingruppierung vorgesehen ist und der betroffene Arbeitnehmer umgruppiert werden soll. Auch in diesem Fall sollte der Betriebsrat aus dem Versetzungsantrag zwei Verfahren - Versetzung und Umgruppierung - machen und beide getrennt behandeln.
Verweigerungsgrund Nr. 2:
Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie
Die Voraussetzung für diesen Zustimmungsverweigerungsgrund ist, dass der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber so genannte Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) vereinbart hat. Solche Richtlinien gibt es im Großteil aller Betriebe nicht, obwohl sie vor allem für Betriebe mit sehr vielen Arbeitnehmern ganz praktisch sind. In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmer kann der Betriebsrat die Vereinbarung solcher „Auswahlrichtlinien“ erzwingen. Ob das sinnvoll ist, sollte aber bezweifelt werden.