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Inhaltsverzeichnis
Was
1 Vorwort, Fragestellung und Begrifflichkeiten
2 Verortung der Sonderbauten im nationalsozialistischen Weltbild
2.1 Das NS-Frauenbild und die nationalsozialistische Sexual- und Körperpolitik
2.2 Prostitutionspolitik im Nationalsozialismus
2.3 Sexualität im Gewaltkosmos Konzentrationslager
3 Der Sonderbau
3.1 Prämienverordnung und Motivation der SS
3.2 Bildung und Struktur der KL-Bordelle
4 Die „Bordellinsassinnen“
4.1 Herkunft und soziale Verortung der Frauen: Was ist „asozial“?
4.2 Hierarchie der Lagergesellschaft
4.3 Selektion und Rekrutierung der Frauen und der Mythos der „freiwilligen Meldung“
5 Leben im Sonderbau
5.1 Alltag im Bordell und Bordellbetrieb
5.2 Der Bordellbesuch
5.3 Bewältigungsstrategien und Lebensbedingungen im Sonderbau
5.4 Menschenversuche
6 Die Freier
6.1 Motivation der Häftlingsfreier
6.2 Sichtweisen der Häftlingsfreier auf die Zwangsprostituierten und das Lagerbordell
7 Der Umgang mit den Frauen und dem Thema nach 1945
8 Resümee
Literaturverzeichnis
Was
Soll ich euch schenken
Außer den Lichtblumen
Und Trauerblättern
Meiner Worte
Ich gehöre meinen Worten
Die euch gehören
Rose Ausländer, „Was“[1]
Die Existenz der Bordelle für die männlichen Häftlinge in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern nimmt zeitlich wie räumlich gesehen nur einen kleinen Bereich der Geschichte ein: von Mitte 1942 bis Mai 1945 erbaut, existierten diese Bordelle in insgesamt zehn Konzentrationslagern.[2]
Auf den ersten Blick scheint es ein Gegensatz zu sein, dass im Dritten Reich die („wilde“, d.h. nicht staatlich gelenkte) Prostitution sanktioniert und bestraft wurde, während zugleich gerade in den KL, und nicht nur an diesen Orten, der Staat selbst sich als Bordellbauer und – betreiber betätigte. Zu beleuchten ist, mit welcher Motivation und zu welchem Ziele jene KL-Bordelle erbaut wurden, wie der Bordellbetrieb gestaltet wurde und warum und welche Frauen dafür in Frage kamen, in jene Bordelle überstellt und in ihnen festgehalten zu werden, ebenso, mit welchen Mechanismen der Ausgrenzung einerseits und Selektion andererseits die betroffenen Frauen konfrontiert waren. Dafür ist es nötig, jene erzwungene Prostitution in den Kontext der nationalsozialistischen Weltanschauung und des Gewaltsystems Konzentrationslager zu stellen und in diesem zu verorten. Zugleich soll hinterfragt werden, welche Motivation die Häftlingsfreier für einen Bordellbesuch gehabt haben. Weiterhin ist das Ziel, aufzuzeigen, dass und wie die Ausgrenzung und Demütigung der derart ausgebeuteten Frauen auch nach dem Dritten Reich fortgeführt wurde.
Verwendet wurden für diese Arbeit sowohl Originalquellen, vor allem aus dem Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, wie auch aktuelle Forschungsliteratur.
Auffallend ist, dass die KL-Bordelle zugleich Stätten der Mystifikation als auch des gesellschaftlichen Tabus waren (und größtenteils noch sind) und dass erst die neuere Forschung sich explizit mit ihnen beschäftigt. Diese Tabuisierung unterliegt mehreren Gründen; zum einen, dass die Thematisierung von Bordellen für die Häftlinge sich nicht in den Opferdiskurs der Nachkriegsgesellschaft einfügte, der sich auf einige wenige markante Orte des Leidens reduzierte, um anschaulich und möglichst symbolisch zu bleiben. Zum zweiten setzte sich die Klassifizierung der in den KL zur Prostitution gezwungenen Frauen als „Asoziale“ auch nach Kriegsende fort; zum dritten unterliegen Menschen, die derartig traumatische Behandlungen erlebt haben, oftmals dem Gefühl der Scham, das sie am Reden zu hindern im Stande ist. Auch die Gedenkstätten der KL verschwiegen das Thema der KL-Bordelle, wie bei Führungen in Buchenwald; in Auschwitz sind Aussagen von Zeitzeugen über das Bordell sogar aus Interviews entfernt worden.[3]
Erst in den 1990iger Jahren begann die Erforschung der KL-Bordelle mit einer Pionierarbeit von Paul und Kassing, die beide über die Hefte der Häftlingsgesellschaften nach ehemaligen Zwangsprostituierten gesucht und diese befragt hatten. 1994 erschien die Monographie„ Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus“ von Paul; ein Jahr später wurde in der ARD der Film „Das große Schweigen“ von Niemeyer und Tann gezeigt, der sich der Thematik annahm.
Um das Jahr 2000 herum folgte Schikorras „Kontinuitäten der Ausgrenzung“, in der sich mit der Ausgrenzung von „Asozialen“ beschäftigt wird, ebenso mit ihrer Situation im KL, die auch die erzwungene Prostitution beinhaltet.
Nach dem Kosovokrieg erfolgten weiterhin Publikationen, die sich mit sexueller Gewalt im Krieg beschäftigten; diese befassten sich u. a. mit der Frage, inwiefern die serbischen Vergewaltigungslager in Bosnien mit den nationalsozialistischen KL-Bordellen vergleichbar sind.
Ab dem Jahr 2006 erschienen mehrere wissenschaftliche Abhandlungen von Sommer, in denen er die KL-Bordelle vor allem auf ihre Einordnung in das nationalsozialistische System des Terrors hin untersucht. Vor allem die 2009 veröffentlichte Doktorarbeit „Das KZ- Bordell“ ist hier zu nennen. Anlässlich einer Ausstellung in Mauthausen zu diesem Thema erschien ebenso ein relativ umfangreicher Begleitband.
Bezüglich der Thematik der Häftlingsbordelle zeigen sich in den verschiedenen Publikationen differente Begrifflichkeiten, die für diese Arbeit auch zu klären sind. So setze ich Begriffe, die der Terminologie des Nationalsozialismus entlehnt sind, in Anführungszeichen, um Missverständnissen wie dem einer Identifikation mit jener Weltanschauung vorzubeugen. Die Abkürzung des Wortes „Konzentrationslager“ erfolgt in dieser Arbeit durchgehend als „KL“, da dieses Kürzel in der lager- wie auch in der SS- internen und auch in der „zivilen“ Sprache verwendet wurde und nicht, wie es sich allgemein durchgesetzt hat, als „KZ“.
Der Begriff „Sonderbau“ bezog sich im KL auf alle Gebäude, deren Existenz tabuisiert wurde, wie z. B. Krematorien, Gaskammern, aber auch Häftlingsbordelle. Da der offizielle Name des Bordells allerdings „Sonderbaracke“ lautete und das dazugehörige Kommando „Sonderkommando“ bzw. „Arbeitskommando Sonderbau“, bezieht sich in dieser Abhandlung der Begriff „Sonderbau“ immer nur auf die Bordelle, auch, wenn er im Plural verwendet wird. Synonym verwende ich die Begriffe „Häftlingsbordell“, „KL-Bordell“ und „Lagerbordell“, wobei mit beiden letzteren Begriffen im jeweiligen Kontext auch die Bordelle für die ukrainischen Wachmannschaften und die Bordelle für die SS gemeint sein können.
Den Begriff „Sexarbeit“, in diesem Kontext „Sexzwangsarbeit“, der sich in der Literatur durchzusetzen scheint, definiere ich als problematisch und schließe seine Verwendung für diese Abhandlung kategorisch aus. Der in dieser Wortzusammensetzung enthaltene Begriff „Arbeit“ entstammt dem mittelhochdeutschen Sprachgebrauch, in welchem er „arebeit“„Mühsal“, „Mühe“ bedeutet und wäre demgemäß eigentlich für die Prostitution als auch für die Zwangsprostitution verwendbar. Da das Wort „Arbeit“ allerdings heute anders konnotiert ist, scheint mir seine Verwendung nicht deutlich genug auf die Hintergründe von Prostitution und Zwangsprostitution hinzuweisen. Damit möchte ich nicht leugnen, dass das zur Verfügung stellen des Körpers für sexuelle Handlungen gegen Entgelt Mühe oder Mühsal bedeutet und erkenne eben dies als Arbeit an, insofern, als dass auch Ausbeutung Arbeit sein kann. Der Begriff „Sexarbeit“ jedoch dient meines Erachtens der Verharmlosung dieser Tätigkeit und rückt sie in die Nähe einer Supermarktmentalität, in der ungeachtet körperlicher und seelischer Folgeschäden Menschen dem Kauf und Verkauf ihrer selbst preisgegeben werden und in dem die Vorstellung vor allem von Frauen als Ware als legitim dargestellt wird. Für die Handlung des Zurverfügungstellens eines Körpers für die sexuelle Befriedigung einer anderen Person auf Zeit und gegen Entgelt, in wessen Besitz auch immer dieses gelangt, verwende ich den Begriff „Prostitution“. In einigen Publikationen wird die Meinung herausgestellt, man könne gerade im Zusammenhang der Häftlingsbordelle diesen Begriff nicht verwenden, da Prostitution bedeute, sexuelle Dienste gegen Geld oder Sachleistungen auszuführen, den Frauen aus den Häftlingsbordellen sei der „Lohn“ allerdings vorenthalten worden. Dies ist zwar eine Tatsache, schließt allerdings die Verwendung des Terminus „Prostitution“ aus meiner Sicht aus zweierlei Gründen nicht aus: Erstens entstammt er dem lateinischen „se prostituere“, was soviel bedeutet wie „sich preisgeben“ - diese ursprüngliche Wortbedeutung scheint mir die Handlung angemessen zu beschreiben und schließt auch ein Entgelt, dass die Prostituierte selbst erhält, nicht zwingend ein. Zweitens zeigt sich, betrachtet man die Geschichte der Prostitution bis in die Gegenwart, dass die (finanziellen) Nutznießer der weiblichen Prostitution stets Männer, teilweise auch Frauen, waren und sind, die als Freier, Zuhälter, „Koberzimmervermieter“, Menschenhändler oder „Ausgehaltene“ fungieren. Der so genannte „Hurenlohn“ verblieb und verbleibt damit stets nur zum kleineren Teil, wenn überhaupt, bei der Prostituierten oder besser, bei der sich Prostituierenden; somit ist das Vorenthalten des „Lohns“ durch die SS kein Grund, den Terminus „Prostitution“ nicht anzuwenden, weil in der Wortbedeutung nicht definiert wird, an wen das (meiste) Entgelt auszuliefern ist. Hinsichtlich des Unterschiedes zwischen „Prostitution“ und „Zwangsprostitution“ erlaube ich mir weiterhin, anzumerken, dass aus meiner Sicht Prostitution in einem patriarchalen System nicht freiwillig sein kann, in irgendeiner Form immer dem Zwang unterliegt und meines Erachtens dahinter stets finanzielle, soziale und seelische Nöte zu vermuten sind. Der Begriff „Zwangsprostitution“ setzt sich für mich also aus einer Dopplung zusammen, ich verwende im Hinblick auf die KL-Bordelle dennoch den Begriff „Zwangsprostitution“ bzw. „erzwungene Prostitution“, um Missverständnissen vorzubeugen und um deutlich zu machen, dass in den Fällen der in den KL-Bordellen ausgebeuteten Frauen deutlich sichtbare (!) Gewalt angewendet wurde. Die Begriffe „sexuelle Gewalt“ und „sexualisierte Gewalt“ verwende ich synonym für jede Art der Gewalt, die eine sexuelle Konnotation beinhaltet, gleich, ob der dieser Gewalt inhärente Zielsetzung vordergründig aus der Befriedigung der Sexualität mittels Zwang einer anderen Person gegenüber oder die Herbeiführung von Demütigung und erzwungene Ohnmacht mit Hilfe der aufgezwungenen Sexualität inne ist. Aus Gründen des Personen- und Opferschutzes sind teilweise Namen abgekürzt aufgeführt oder Personen anonymisiert worden. Die jeweiligen Anonymisierungen sind der gängigen Forschungsliteratur entnommen und entsprechend gekennzeichnet.