Sie steht auf einem Dach. Ein Haus irgendwo in Shuja’iyya, Gaza City. Das pfeifende Zischen der Rakete zerfetzt ihr fast das Trommelfell. Der Rauch brennt in ihren Augen und sie weiß, dass sie sich jetzt schleunigst in Deckung bringen muss. Der Gegenangriff der Israelis wird nicht lange auf sich warten lassen. Im Inneren des Gebäudes ist es dunkel, der Strom ist mal wieder ausgefallen. Und das, obwohl das Hotel über einen eigenen Generator verfügt. Es dauert einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Das Treppenhaus hat kleine Luken, durch die das Licht vorbeifahrender Autos einfällt und über die Stufen flattert wie Mückenschwärme. Alle rennen hastig die Treppe runter. Auf der letzten Stufe stolpert der CNN-Kollege. Sie zieht ihn mit sich an die innere Wand des Treppenhauses. An der Eingangstür laufen Menschen vorbei. Vermummte Männer. Aber auch Frauen und Kinder. Ihr Kameramann überlegt, ebenfalls vor die Tür zu gehen, als es zum ersten Mal knallt. Das war die Warnrakete, sie ist irgendwo in einem Gebäude der Nachbarschaft eingeschlagen. Die Leute stürmen aus den Häusern. Schrille Schreie von panischen Frauen wehen zu ihr herüber. Ein Mann brüllt Allahu Akbar. Dann entfernt sich das Stimmengewirr. Ein paar Minuten lang herrscht gespenstische Ruhe. Die Geräusche, die sie jetzt hört, kommen überwiegend aus dem Hotel. Fast hat sie das Gefühl, als höre sie irgendwo Geschirr klappern. Wäscht dort jemand ab?
Sie kommt kaum dazu, diesen Gedanken zu Ende zu führen – wie aus dem Nichts detoniert die Bombe. Kurz danach folgt noch eine Explosion. Die Wände neben ihr beben. Glas splittert. Der Einschlag muss ganz nah gewesen sein. Vielleicht ein, zwei Häuser weiter. Der Rauch kriecht nun auch in ihr Gebäude, und sie und die Kollegen laufen nach draußen. Das Stimmengewirr setzt wieder ein. Irgendwo schreit jemand um Hilfe. Langsam kommt das Heulen der Sirenen näher.
Neben ihnen fällt ein Gebäude wie ein Kartenhaus zusammen. Wie ein Riese, der stolpert und mit einem Donnern zu Boden stürzt.