In Erinnerung an:
Andrea Lang, † 8. April 1990
Katrin Koch, † 10. April 2020
Sigrun Benesch, † 9. Jänner 1996
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1. Auflage April 2022
© 2022 edition riedenburg
Verlagsanschrift Adolf-Bekk-Straße 13, 5020 Salzburg, Österreich
Internet www.editionriedenburg.at
E-Mail verlag@editionriedenburg.at
Lektorat Dr. Heike Wolter, Regensburg
Bildnachweis Autorenfoto Verena Schauer © Wilhelm Bauer;
Fotos Kati Koch und Sabine Peterbauer © privat
Satz und Layout edition riedenburg
Herstellung Books on Demand GmbH
ISBN 978-3-99082-081-0
3063 Menschen sind im Jahr 2020 bei Verkehrsunfällen in Österreich und Deutschland gestorben. Eine Zahl, die im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung der beiden Länder vielleicht gering wirkt – und daher nicht viel in uns auslöst. Eine Zahl, die man in den Nachrichten hört, die aber spurlos an uns vorbeigleitet, die zu einer schlechten Nachricht von vielen wird, die im Alltag auf uns einprasseln.
Vielleicht sind wir sogar erleichtert, wenn wir über diese Zahl nachdenken. Wir betrachten die Statistiken und uns schießt der scheinbar alles wieder ins Lot bringende Gedanke in den Kopf:
Es betrifft mich nicht. Es betrifft niemanden, den ich kenne.
Und schon gehen wir weiter, fahren ein bisschen zu schnell, überholen mal zu riskant, ignorieren die schlechten Fahrbahnverhältnisse, belassen die viel zu alten Reifen eine weitere Saison – und mit jedem Mal, in dem wir glimpflich davonkommen, rückt die erschreckende Möglichkeit eines Unfalls weiter in die Ferne.
Die Möglichkeit, dass es anders kommen könnte.
Dabei vergessen wir, dass die Zahl der Unfälle selbst eine viel höhere ist und dass es noch viel mehr Menschen sind, die zwar nicht sterben, aber mit Traumata oder schweren Verletzungen durchs Leben gehen.
Diese Zahlen sind keine Gesamtheit. Es sind einzelne Menschen, Leben und Gesichter. Es sind Söhne und Töchter, Schwestern und Ehemänner und beste Freunde, die hier in einer kalten Statistik auftauchen. Ein unendliches Gewicht an Trauer liegt in der Zahl 3063, eine Gewissheit, dass all die gut gegangenen Momente auch katastrophal hätten enden können.
Alle hier zu lesenden Geschichten sind passiert. Jedes hier berichtete Schicksal stellt eine Zäsur im Leben der Opfer dar – eine Trennung in Davor und Danach.
Dieses Buch kann nicht dafür sorgen, dass keine Unfälle mehr passieren. Gute Ratschläge prallen vielleicht von vielen ab. Strengere Regelungen machen möglicherweise Angst oder erzürnen sogar, doch den unverbesserlichsten Raser wird auch das nicht aufhalten. Aber dieses Buch kann Folgendes:
Einen Einblick in die Welt der Sicherheitssysteme im Auto geben und deren Wirkung aufzeigen. Experten die Möglichkeit bieten, ihr Wissen über die Nachwirkungen von Unfällen zu teilen und die Relevanz von strengen Crashtests aufzuzeigen. Leeren Nummern eine Stimme und ein Gesicht geben.
Und damit sinnlose Tragödien und jahrelang prägende Erlebnisse zu einer Botschaft machen, die so manche nach einem Unfall erst weiterleben lässt:
Es darf nicht umsonst gewesen sein.
Verena Schauer
Der Tag.
Der 10. April 2020.
Der Tag, an dem eine neue Zeitrechnung begann: davor – danach.
Der Tag, an dem meine Tochter Kati starb.
Der Tag, an dem meine wunderschöne Kati die Erde verließ, um als Engel weiterzuleben.
Der Tag, an dem ein junger rücksichtsloser Autofahrer von einer Sekunde auf die andere meiner Tochter das Leben nahm.
Der Tag, an dem Katis Träume von einem langen Leben mit ihrem Herzensmenschen Julian, von ihrem Traumjob als Volksschullehrerin, ihren Reisen, ihren Festen und Treffen mit ihren geliebten Freundinnen ein abruptes Ende nahmen.
Der Tag, an dem Oliver seine zwei Jahre ältere, immer lustige, temperamentvolle Schwester, auf die er so stolz ist, für immer verlor.
Der Tag, an dem ich das erste Mal spürte, wie sich der Boden unter meinen Füßen zu öffnen und ich in ein schwarzes Loch zu fallen schien.
Der Tag, an dem ich mich nur mehr am Sarg von meiner Kati verabschieden konnte und sie mich nicht mehr mit ihren strahlend blauen Augen anlachte.
Der Tag, an dem die Worte „Nie wieder“ eine reale, wirklich endgültige und schmerzhafte Bedeutung bekamen.
Und der Tag, an dem Viktor Frankls Zitat „Man muss auch aus Katastrophen noch einen Triumph schlagen“ für mich Realität wurde.
Denn es war auch der Tag, an dem der Kampf begann.
Der Kampf gegen.
Gegen das Fallen.
Gegen meine Verzweiflung und Sehnsucht nach Kati.
Gegen meine Wut auf Raser und eine Politik, die bisher viel zu wenig dagegen unternommen hat.
Der Kampf dafür.
Für mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen.
Für kleine Schritte zurück in mein altes Leben, das nie wieder so sein kann wie vorher.
Für ein glückliches Leben für Oliver, Julian, Marlene mit Nils und Patenkind Lotti, Meli, Angie, Nathi, Thomas mit Fatema mit Alisa und Arian, Alfred und Andrea, Didi, Claudia, Petra und alle Freunde und Familienangehörige, die Kati so sehr geliebt haben, schrecklich vermissen und immer vermissen werden.
Dafür, dass Kati unvergessen bleibt.
Dafür.
Dafür, dass ihr sinnloser Tod nicht umsonst war.
Passen Sie gut auf sich auf, liebe Leser und Leserinnen,
mit stillem Gruß,
Sabine Peterbauer
Wissen Sie eigentlich, wie Ihr Fahrzeug es schafft, die Insassen bei einem Unfall zu schützen? Dank der ausgeklügelten Sicherheitssysteme im Auto gehen selbst schwere Unfälle oft glimpflich aus – häufig wissen autofahrende Personen allerdings nicht, wie diese Schutzmaßnahmen aussehen und was man tun kann, um deren Wirksamkeit zu erhöhen. Die passiven Sicherheitssysteme sorgen dafür, dass die Insassen so gut wie möglich geschützt werden, wenn der Unfall nicht mehr zu verhindern ist. „Nur die Kombination Knautschzone und deren gezielte Verformung beim Crash, Airbags und Gurt sichern die hohen Überlebenschancen bei schweren Unfällen“, erklärt ÖAMTC-Techniker Steffan Kerbl.
Neben den Sicherheitssystemen für die Insassen gibt es etwa auch schon „fußgängerfreundliche“ Motorhauben, die aufspringen und so den Aufprall entschärfen. „Trotz der Tatsache, dass wir schon so lange an der Fahrzeugsicherheit arbeiten, besteht noch immer viel Handlungsbedarf. Schwachstellen sind überall, besonders die ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen, also Fahrradfahrer/-innen und Fußgänger/-innen, sind hier ein Problem“, erzählt der Experte. Motorhauben sind weniger gefährlich als der Motorraum darunter.
„Motorhauben sind recht ‚weich‘, das Blech gibt erstaunlich viel nach. Trifft man aber mit dem Kopf genau auf die Stelle, an der darunter die Batterie sitzt, ist es wie Stein – daher kann eine aufspringende Motorhaube, die schon in manchen Autos eingebaut ist, oft das Schlimmste verhindern“, erläutert der ehemalige Chef-Techniker des ÖAMTC Max Lang. Er weiß aus eigener Erfahrung, was ein Verkehrsunfall bedeuten kann: Seine erste Frau Andrea ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Nicht nur als Experte, sondern auch als Angehöriger liegt ihm die Sicherheit im Auto besonders am Herzen. Er fasst zusammen: „Es kommt der Widerspruch auf, dass das Auto einerseits stabil, andererseits auch weich für ungeschützte Verkehrsteilnehmer sein soll.“
Es bleibt die Erkenntnis: Man kann froh sein, dass all diese Schutzsysteme in einem PKW da sind, aber meist versteht man nicht wirklich, wie sie funktionieren. Wir werfen daher einen genauen Blick auf die wichtigsten Sicherheitssysteme im Auto: Knautschzone, Airbag und Gurt.
Der Unfall ist vorbei und man betrachtet erstmals das eigene Auto. Die Front zerfleddert, eingedrückt, es sieht nach einem Wunder aus, dass man unverletzt aus der Situation herausgekommen ist. „Es war ein Frontalcrash. Das andere Fahrzeug war bis zum Mitteltunnel eingedrückt, unser Auto fahrunfähig durch den deformierten Kotflügel. Dadurch wurde auch die Lenkung blockiert“, erzählt der 37-jährige Stefan W. über seinen Unfall. Zusätzlich waren Motorhaube und Kühlergrill deformiert oder fielen sogar ab. Beide Autos waren ein Totalschaden und stark beschädigt, Airbag gab es keinen. Doch niemand wurde dabei verletzt. Wie ist das möglich?
Der Begriff „Knautschzone“ ist vermutlich den meisten Menschen schon zu Ohren gekommen – aber lange nicht so viele wissen, wie genau uns die gezielte Verformung des Autos schützt. Ist es ein gutes oder schlechtes Zeichen, wenn die Front des Wagens nach dem Unfall völlig zerstört ist? Und was genau passiert, wenn die Knautschzone zum Einsatz kommt?
Die Knautschzone ist 1952 aus einer patentierten Idee des Ingenieurs Béla Barényi entstanden. Als eine der drei wichtigsten passiven Sicherheitssysteme im Auto kann eine gute Knautschzone entscheidend über Leben und Tod sein. Bei einem Frontalcrash wird durch die gezielte Verformung des Autos dem Aufprall etwas von seiner Härte genommen, denn sie baut die kinetische Energie, die durch den Zusammenstoß entsteht, so gut wie möglich ab.
„Die häufigsten Unfälle sind Frontalcrashs und diese sind auch die gefährlichsten. Es muss unglaublich viel Energie abgebaut werden, vor allem, wenn sich beide Aufprallgegner bewegen“, erzählt der ehemalige ÖAMTC-Cheftechniker Max Lang.
Die Knautschzone bezeichnet den Bereich des Autos, der sich bei einem Aufprall „zusammenknautscht“ und so die Fahrgastzelle schützt. Sowohl die Front als auch das Heck eines Autos schützen die Insassen mit dieser gezielten Deformation. Bei einem Frontalcrash wird etwa im vorderen Bereich des Autos der Motorraum zusammengedrückt.
Die ersten Zentimeter der Knautschzone sind relativ „weich“, bei der Kollision dringt der Unfallgegner also recht einfach in den Frontbereich ein. Je näher aber das Hindernis zur Fahrgastzelle kommt, desto steifer wird die Knautschzone – so wird die Energie des Aufpralls im „weicheren“ Bereich abgebaut, aber durch die rechtzeitige Verhärtung ein Kontakt mit dem menschlichen Körper verhindert.
Das Ziel ist es, den Fahrgastbereich völlig unversehrt zu lassen, sodass die Insassen gar nicht erst in Berührung mit dem Hindernis kommen.
Den Bereich um die Fahrgastzelle anfällig für Aufprälle zu machen scheint für Viele auf den ersten Blick absurd. Kein Wunder, dass man vor 1952 auf möglichst harte Fahrzeuge setzte, um das Eindringen eines Unfallgegners vollständig zu verhindern. Das mag logischer erscheinen.
Aber wieso wurden Autos trotzdem weicher gemacht?
Die Antwort hat einen physikalischen Ursprung. Die progressive Festigkeit, also der unterschiedlich hohe Härtegrad der Knautschzone, sorgt dafür, dass die Energie des Aufpralls nicht direkt auf die Insassen einwirkt.
Knallt man mit einem unnachgiebigen, fast „steinharten“ Fahrzeug gegen eine Wand, bekommt vielleicht das Auto nichts ab, aber die Energie wirkt vollständig auf den Menschen ein. Man würde härter gegen Gurt und Airbag knallen und ohne jegliches Eindringen vom Unfallgegner schwere innere Verletzungen davontragen. Solch einer Energie würden die Rippen nicht standhalten, der Airbag würde vermutlich platzen und die Überlebenschancen sinken stark.
Die Knautschzone ist zwar heute Bestandteil jedes Autos, allerdings nicht überall gleich effektiv. Der Unterschied lässt sich simpel erklären: Fährt ein SUV mit langer Schnauze und viel Aufprallfläche frontal gegen einen Kleinwagen, kann der kleine PKW nicht so viel Knautschzone anbieten wie sein großes Gegenüber. Ein Wagen mit doppelter Masse liefert auch doppelt so viel Energie beim Aufprall, die abgebaut werden muss. „Einmal haben wir einen Crashtest gemacht, in dem ein kleines und großes Auto gegeneinander gekracht sind. Der hohe schwere Wagen ist dem kleinen Auto einfach über die Schnauze drübergefahren und hat somit jegliche Knautschzone überwunden“, berichtet der Techniker. Der erste Widerstand entstand erst da, wo die Stoßstange gegen die A-Säule stieß – die gezielte Verformung konnte so nicht ihre Wirkung entfalten.
Bei kleinen Autos sollte durch die Konstruktion der Selbstschutz schneller beginnen, die Knautschzone sollte also sehr viel schneller härter werden als bei den großen. Der größere Wagen könnte einen Teil seiner Knautschzone als Partnerschutz „herschenken“ und erst später für den Eigenschutz verwenden. Der SUV müsste dann mehr Energie abbauen als der Kleinwagen und würde so seinen Unfallgegner mitschützen.
Die Knautschzone hat also nicht nur den Zweck des Eigenschutzes, sondern es wird gemeinsam Energie abgebaut, sodass beide Unfallgegner sich auch gegenseitig schützen.
Hier eine kurze Grafik zur Erklärung der verschiedenen Säulen im Auto:
Die Fahrgastzelle ist durch das deformierbare Material in Front und Heck des Autos gut gepolstert. Bei Seitencrashs ist die Situation allerdings ein bisschen anders. „Wir haben Ende der 80er Jahre den ersten Seitencrashtest gemacht und es war eine Katastrophe. Der Rammbock ist ungefähr 40 Zentimeter in die Fahrgastzelle eingedrungen“, erzählt Max Lang.
Da die Seiten beim Auto kaum Material für eine Knautschzone bieten, wurde wieder in die gegensätzliche Richtung nach einer Lösung gesucht: Die Seiten mussten steifer werden. Trotz starker Kritik wurden die Schwellen unter der Tür und die A-, B- und C-Säule steifer gemacht. Zusätzlich wurden in den Türen eine Art „Querstreben“ eingesetzt. Nach diesen Maßnahmen drang der Rammbock nicht einmal mehr 20 Zentimeter ein.