KAPITEL 2
Diesel bog von der Pleasant Street ab und schlängelte sich auf engen Straßen, die eigentlich für Pferde und Fußgänger gedacht waren, um den historischen Kern von Marblehead herum. An der Weatherby Street bog er ab und parkte vor meinem Haus. Die Schindeln sind grau, die Fensterrahmen weiß, und neben der roten Haustür hängen zwei Zwiebellaternen.
Glo saß auf der Verandatreppe vor meinem Häuschen. Sie hatte die Kapuze ihres Sweatshirts über den Kopf gezogen und drückte ihre Leinentasche an die Brust. Sie ist Single wie ich, vier Jahre jünger als ich, ein paar Zentimeter kleiner und Verkäuferin bei Dazzle’s. Ihre roten Locken sind kurz geschnitten, und in puncto Kleidergeschmack bewegt sie sich zwischen einer Disney-Prinzessin und einem Punkrocker. Heute trug sie schwarze Uggs, eine schwarze Strumpfhose, einen kurzen schwarzen Rock und unter dem schwarzen Sweatshirt einen Strickpullover mit schwarzen, orangefarbenen, pinken und babyblauen Streifen. Als sie uns sah, stand sie auf und lächelte breit.
»Ich dachte schon, ihr würdet nie wieder heimkommen und ich müsste hier für immer und ewig sitzen bleiben«, sagte sie.
Ich sah mich auf der Straße um. »Wo ist dein Auto?«
»Es steht vor meiner Wohnung. Irgendetwas läuft aus.«
»Wie bist du hergekommen?«
»Mein Nachbar hat mich hier abgesetzt. Er musste sowieso irgendwohin. Ich dachte, du wolltest heute Morgen eine Suppe kochen.«
»Ich musste meine Pläne kurzfristig ändern«, erklärte ich ihr.
Diesel öffnete meine Haustür, Carl hüpfte ins Haus, und wir folgten ihm alle in die Küche, wo Katze Nr. 7143 auf einem Schemel hockte. Katerchen ist eine getigerte Kurzhaarkatze und hat nur ein Auge und einen halben Schwanz. Glo hat ihn aus dem Tierheim gerettet und ihn mir gegeben. Auf den Papieren aus dem Tierheim war er als Katze Nr. 7143 eingetragen, also heißt er seitdem so. Katerchen sprang von dem Hocker, schnüffelte an Carl und ging angewidert davon. Carl zeigte ihm den Vogel und kletterte auf den Hocker.
»Hast du in letzter Zeit mal wieder jemanden mit einem Fluch belegt?«, fragte Diesel Glo.
Glo legte ihre Tasche auf die Arbeitsplatte. »Nein. Ich wollte meinen Besen mit einem Zauber für gute Laune belegen, aber es hat nicht funktioniert. Er ist immer noch griesgrämig.«
Glo hat die gesamte Harry-Potter-Serie vier Mal gelesen und interessiert sich sehr für Zauberei. Vor einigen Monaten hat sie in einem Kuriositätenladen Ripple’s Zauberbuch entdeckt, und seitdem probiert sie ständig irgendwelche Zaubersprüche aus. Ich mag Glo sehr, und sie ist eine hervorragende Verkäuferin, aber als Zauberin ist sie eine Katastrophe.
»Was für eine Suppe kochst du?« Glo spähte in meinen Topf.
»Gemüse mit Rinderbouillon und Nudeln.«
»Gibst du exotische Kräuter dazu? Ich habe ein wenig pulverisiertes Molchauge bei mir.« Glo kramte in ihrer Tasche und zog ein kleines Gefäß hervor. »Und ich habe Eidechsenaugen, aber das Haltbarkeitsdatum könnte abgelaufen sein. Sie waren im Angebot.«
»Danke«, erwiderte ich. »Ich verzichte.«
Ich nahm den kleinen Schlüssel aus meiner Tasche, legte ihn auf die Arbeitsplatte und ging zur Spüle, um mir die Hände zu waschen.
»Oh, mein Gott«, stieß Glo hervor. »Das ist der Lovey-Schlüssel. Ich wusste nicht, dass du die Sonette gekauft hast.«
»Ich habe keine Sonette gekauft«, erklärte ich. »Den Schlüssel habe ich gefunden. Eigentlich hat Carl ihn entdeckt.«
Glo hob den Schlüssel auf und betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Wenn du genau hinschaust, siehst du das L in der Mitte der Ranken. Der Schlüssel ist sehr alt, und Nina aus dem Raritätenkabinett sagte, er sei vielleicht verzaubert. Er gehört zu einem kleinen Buch mit Sonetten. Ich habe gespart, um mir das Buch bei Nina kaufen zu können, aber da ist mir anscheinend jemand zuvorgekommen.«
Ich band mir meine Kochschürze um und sah zu Glo hinüber. »Ich wusste gar nicht, dass du Poesie magst.«
»Nina hat mich einige der Sonette lesen lassen. Sie sind so romantisch. Und einige sind richtig schlüpfrig.«
»Was gibt es Schöneres als ein schlüpfriges Sonett«, meinte Diesel und nahm sich einen Bagel.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Diesel Sonette mochte, ob schlüpfrig oder nicht. Für mich war er eher ein Mann für Limericks.
Glo legte den Schlüssel wieder auf die Arbeitsplatte. »Nina hat mir erzählt, bei diesen Sonetten würde garantiert jeder Lust auf Sex kriegen, und ich dachte mir, das könnte sich vielleicht irgendwann als nützlich erweisen. Man weiß ja nie, richtig?«
Ich warf einen Blick auf Diesel und dachte, dass mir ein Zauber lieber wäre, mit dem sich Lustgefühle ignorieren ließen.
»Ich möchte ein paar Nachforschungen über Gilbert Reedy anstellen«, erklärte Diesel. »Darf ich deinen Computer benützen?«
»Natürlich.«
»Wer ist Gilbert Reedy?«, wollte Glo wissen.
»Ein Toter«, erwiderte Diesel. »Er hat heute Morgen einen Kopfsprung von seinem Balkon im dritten Stock gemacht.«
Ich deckte den Esszimmertisch für drei und servierte Suppe und frisch gebackenes Brot zum Mittagessen. Als Nachspeise gab es Haferflockenkekse.
Diesel schlenderte aus dem Wohnzimmer herüber und setzte sich zu mir und Glo, und Carl hüpfte auf den vierten Stuhl.
»Tschii?«, fragte Carl.
»Nein«, erwiderte Diesel. »Das ist Suppe. Erinnerst du dich an deinen Nervenzusammenbruch wegen des Kartoffelbreis? Suppe ist noch schlimmer.«
Carl zeigte ihm den Stinkefinger, sprang von seinem Stuhl, trippelte in die Küche und kam mit einer Schüssel wieder zurück. Er stellte die Schüssel auf den Tisch und kletterte auf den Stuhl. Er war zu klein – er schaffte es kaum, über die Tischkante zu schauen. Also sprang er wieder auf den Boden, rannte zum Wandschrank und holte sich sein Sitzkissen heraus. Dann kletterte er auf die Sitzerhöhung und zeigte allen sein furchterregendes Affengrinsen. Hoffnungsvoll.
»Ist das nicht süß?«, meinte Glo. »Er will Suppe.«
Ich hatte Carl bereits essen sehen und stimmte Diesel zu. Suppe hielt ich für keine gute Idee. Ich legte eine Scheibe Brot in Carls Schüssel und löffelte ein wenig Brühe darauf. Carl deutete auf meine Suppe und dann auf seine Schüssel. Er wollte mehr.
»Vergiss es«, sagte Diesel.
Carl warf seine Schüssel auf den Boden und starrte Diesel wütend an. Diesel seufzte tief, zog Carl von seinem Sitzkissen, trug ihn zur Hintertür und setzte ihn vor die Tür.
»Und wenn er nun davonläuft?«, fragte Glo.
»Dann habe ich Glück gehabt«, meinte Diesel.
»Er wird nicht davonlaufen«, sagte ich zu Diesel. »Er wird dort draußen im Regen stehen bleiben, bis du ihn wieder ins Haus lässt, und dann wird das ganze Haus nach nassem Affen stinken.«
Wir hörten ein Kratzen an der Tür, dann drehte sich das Schloss, die Tür ging auf, und Carl stapfte an uns vorbei ins Wohnzimmer. Er schaltete den Fernseher ein, zappte sich durch einige Programme und entschied sich dann für den Teleshopping-Kanal. Wir verdrehten alle die Augen und widmeten uns unserer Suppe.
»Hast du etwas Interessantes über Reedy gefunden?«, erkundigte ich mich bei Diesel.
»Sein Fachgebiet war die elisabethanische Literatur. Er war Single. Stammte ursprünglich aus dem Mittleren Westen. Fuhr einen Hybridwagen. War zweiundvierzig Jahre alt. Kein Hinweis auf irgendetwas Außergewöhnliches.«
»Mann, das ist wirklich beeindruckend«, staunte Glo. »Musstest du dir ein bestimmtes Suchprogramm kaufen, um das alles herauszufinden?«
Diesel tunkte den Rest seiner Suppe mit einem Stück Brotrinde auf. »Nein. Das stand alles auf seiner Facebook-Seite. Er hatte auch einen Blog, wo er etwas darüber schrieb, dass er ein Buch mit Sonetten gefunden habe, das angeblich magische Kräfte besitzt.«
Glos Augen weiteten sich. »Ich wette, er meinte Loveys Buch! Habt ihr dort den Schlüssel gefunden? Hatte Gilbert Reedy ihn bei sich?«
»Vielleicht«, erwiderte Diesel. »Vielleicht aber auch nicht.«
Carl trippelte ins Esszimmer und zeigte Diesel seinen nackten Hintern. Das verfehlte jedoch seine Wirkung, da Carl diese Show nicht zum ersten Mal aufführte.
»Junger Mann«, sagte Diesel. »So bekommst du keine Nachspeise.«
Carl richtete sich interessiert auf. »Iip?«
»Kekse«, erklärte ich ihm.
Carl sprang auf seinen Kindersitz, setzte sich kerzengerade hin und faltete die Hände auf dem Tisch. Er war ein braver Affe. Ich gab ihm einen Keks, und er schob ihn sich in den Mund.
»Wo sind deine Manieren?«, mahnte Diesel.
Carl spuckte den Keks auf den Tisch, hob ihn auf und knabberte langsam daran.
»Ich sollte mich wahrscheinlich auf den Heimweg machen«, meinte Glo, als wir unser Mittagessen beendet hatten. »Ich muss Wäsche waschen, und mein Besen könnte sich einsam fühlen.« Sie trug ihren Teller in die Küche, schlüpfte in ihr Sweatshirt und hängte sich ihre Tasche über die Schulter. »Danke für die Suppe und die Kekse. Wir sehen uns dann morgen früh in alter Frische.« Sie ging zur Hintertür hinaus und kam nach einer Minute wieder zurück. »Ich habe ja kein Auto«, stellte sie fest. »Das hatte ich ganz vergessen.«
»Kein Problem«, meinte Diesel. »Lizzy und ich wollten ohnehin gerade los. Wir können dich zu Hause absetzen.«
Ich zog meine Augenbrauen nach oben und sah Diesel an. »Wir wollten gerade los?«
»Wir müssen uns mit ein paar Leuten treffen. Und das eine oder andere erledigen«, erklärte Diesel.
Zwanzig Minuten später setzten wir Glo ab. Nach weiteren fünfzehn Minuten parkten wir vor Gilbert Reedys Wohnhaus. Eine Sperrholzplatte verdeckte die zerbrochene Balkontür. Das war das einzige Anzeichen dafür, dass sich hier eine Tragödie ereignet hatte. Die Leiche war vom Gehsteig entfernt worden. Die Polizeiautos waren verschwunden. Auch das Absperrband war nicht mehr am Tatort.
Diesel stieg aus und öffnete mir die Tür. »Wir werden uns ein wenig umschauen.«
»Du schaust dich um. Ich warte hier.«
»So funktioniert das nicht«, entgegnete Diesel. »Wir sind Partner.«
»Ich will aber nicht dein Partner sein.«
»Und ich will nicht mit einem Affen leben.«
Das war ein gutes Argument, also öffnete ich meinen Gurt und folgte ihm in die kleine Eingangshalle des Hauses. Als Diesel zum Aufzug ging, wich ich einen Schritt zurück.
»Warte mal«, sagte ich. »Wo willst du hin?«
»Reedy wohnte in 4B.«
»Du willst in seine Wohnung einbrechen?«
»Ja.«
»Das ist verboten. Und es ist widerlich.«
Diesel zog mich in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf mit der Zahl drei. »Ich hab damit kein Problem.«
»Aber ich.«
»Du bist der Juniorpartner, also hast du nur fünfzehn Prozent Stimmrecht.«
»Warum bin ich der Juniorpartner? Ich bin genauso stark wie du.«
Die Aufzugtür öffnete sich, und Diesel schob mich in den Flur. »Das glaubst auch nur du.«
»Du spürst Menschen auf, die besondere Fähigkeiten haben, und ich kann Gegenstände finden, die etwas Magisches an sich haben. Ich sehe da keinen Unterschied.«
»Schätzchen, ich besitze eine lange Liste von besonderen Talenten. Und seien wir ehrlich – du kannst Cupcakes backen.«
Mir blieb der Mund offen stehen.
Diesel grinste mich an. »Klingt es besser, wenn ich sage, dass deine Cupcakes wirklich großartig sind?«
»Du kriegst von mir keinen einzigen mehr.«
Diesel legte einen Arm um meine Schultern und zog mich an sich. »Das ist nicht dein Ernst.« Er entfernte das Klebeband, mit dem die Tür zu 4B versiegelt war, legte seine Hand über das Bolzenschloss und führte eins der Talente auf seiner Liste vor. Das Schloss drehte sich. Diesel bekam einfach alles auf. Er drehte den Türknauf, und wir betraten Reedys Apartment.
Die Wohnung war klein, aber gemütlich eingerichtet. Eine dick gepolsterte Couch mit zwei Sesseln. Ein großer Sofatisch, beladen mit Büchern, einigen Stiften und einem mit einem großen Gummiband zusammengehaltenen Stapel Papier. Ein Flachbildfernseher gegenüber der Couch. Ein Schreibtisch neben der eingeschlagenen Balkontür. Wir warfen einen Blick in die Küche. Die Küchengeräte waren alt, aber sauber. Ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Ein Kaffeebecher in der Spüle. Es gab ein Schlafzimmer und ein Badezimmer. Auch dort war nichts Außergewöhnliches zu sehen.
»Was tun wir hier?«, wollte ich von Diesel wissen.
»Wir suchen nach etwas.«
»Damit kommen wir der Sache schon näher.«
Wir gingen zu dem Bücherregal neben Reedys Schreibtisch. Er besaß eine umfangreiche Sammlung von Klassikern, einige Biografien, ein paar historische Romane und eine große Gedichtsammlung, die ein ganzes Fach beanspruchte. Das Buch mit den Sonetten war nicht darunter. Ich ging in Reedys Schlafzimmer und sah mich dort um. Auch keine Spur davon. Das Gleiche galt für Bad und Küche.
»Es scheint alles an seinem Platz zu sein«, sagte ich zu Diesel. »Aber Loveys Sonette kann ich nicht entdecken.«
»Möglicherweise hat die Spurensicherung das Buch mitgenommen«, meinte Diesel, »was allerdings nicht sehr wahrscheinlich ist. Wieso auch? Ich glaube eher, dass der Mörder das Buch an sich genommen hat.«
Ich ging zu dem Couchtisch hinüber und starrte auf die Shakespeare-Anthologie, die mindestens vierzehn Pfund wog. Der Einband war verblichen. Die Seiten hatten Eselsohren und waren vom Alter vergilbt. Ein linierter Notizblock diente als Lesezeichen. Ich schlug das Buch an dieser Stelle auf und überflog die Seite.
»Reedy hat sich mit Shakespeares Sonetten beschäftigt«, berichtete ich Diesel. »Und er hat sich Notizen dazu gemacht. Er hat die Zeile Oft blickt zu heiß des Himmels Auge nieder abgeschrieben und Schlüssel zum Luxuria-Stein dazugeschrieben und zweimal unterstrichen. Und weiter unten auf der Seite hat er eine Liste von Fachzeitschriften und Fachbüchern erstellt. Loveys Buch steht auf der Liste an letzter Stelle.«
Diesel warf einen Blick über meine Schulter und las Reedys Notizen. »Luxuria ist lateinisch für Wollust.«
»Du kannst Latein?«
»Superbia, Acedia, Luxuria, Ira, Gula, Invidia, Avaritia. Die sieben Todsünden. Damit erschöpfen sich meine Lateinkenntnisse.«
»Glaubst du, dass Reedy getötet wurde, weil er Nachforschungen über den Luxuria-Stein angestellt hat?«
»Seit Jahrhunderten sind die Menschen hinter den Steinen her, allein aus dem Glauben heraus, dass es sie gibt. Und sie haben schreckliche Dinge getan, um sie in ihren Besitz zu bringen. Es würde mich nicht wundern, wenn Reedy das letzte Opfer in einer langen Reihe wäre.«
Wir verstummten, als jemand versuchte, den Türknauf zu drehen. Er kratzte und rüttelte daran. Dann folgte eine kurze Pause. Weiteres Kratzen und Rütteln. Jemand versuchte, das Schloss zu knacken – vergeblich. Diesel schlich zur Tür und spähte durch den Türspion. Als er sich wieder zu mir umdrehte, grinste er.
»Das war Hatchet«, sagte Diesel. »Er scheint wieder zu gehen.«
Steven Hatchet ist ein Teigmännchen mit rotem, strohigem Haar. Er hat Wulf Treue geschworen, kleidet sich immer, als wäre er auf einem Mittelalterfest, und ist komplett verrückt. Er ist Ende zwanzig und der einzige Mensch, der ähnliche Fähigkeiten wie ich besitzt. Angeblich können wir beide die Energie spüren, die in ganz gewöhnlichen Gegenständen steckt. Zunächst klingt das nach Fantasyland, aber ich glaube, es ist nicht viel anders, als wenn ein Bauer eine Wünschelrute in die Hand nimmt, um eine Wasserader unter der Erde zu finden.
Wir gingen ein letztes Mal durch das Apartment, und Diesel nahm die Anthologie, den Notizblock und die Ordner an sich.
»Du kannst diese Sachen nicht mitnehmen«, protestierte ich. »Das ist Diebstahl.«
»Ich leihe sie mir nur aus«, beschwichtigte Diesel mich. »Eines Tages bringe ich sie vielleicht zurück.«
Diesel verschloss die Tür und zog das Absperrband wieder an seinen Platz. Wir fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und rannten unten im Flur Hatchet in die Arme, der eine Kettensäge in der Hand hielt.
»Weiß Wulf, dass du mit Elektrowerkzeugen herumspielst?«, fragte Diesel Hatchet.
»Mein Herr weiß nur, dass ich seinen Auftrag erledigen werde. Es interessiert ihn nicht, wie ich das tue. Mehr müsst Ihr und Eure Schlampe nicht wissen.«
Ich kniff meine Augen zusammen und schob mich ein paar Zentimeter in Hatchets Richtung. »Schlampe? Wie bitte?«
Diesel legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich so weit zurück, dass ich mit der Faust außer Reichweite von Hatchets Nase war.
»Es ist kein Geheimnis«, meinte Diesel. »Jeder weiß, dass Wulf nach dem Luxuria-Stein sucht.«
»Und wir werden ihn finden«, erwiderte Hatchet. »Wir haben die Sonette, und schon bald werden wir auch den Schlüssel dazu finden.«
»Warum hast du den Schlüssel nicht an dich genommen, als du die Sonette geholt hast?«, wollte Diesel wissen.
Hatchets Gesicht wurde knallrot. »Das war ein Versehen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zum Aufzug.
»Er wird mit der Kettensäge ein Loch in Reedys Wohnungstür schneiden«, sagte ich zu Diesel.
»Wohl kaum«, erwiderte Diesel. »Das ist eine Brandschutztür aus Metall. Wenn Hatchet in die Wohnung will, wird er durch die Wand gehen müssen.«