Landschaft, Geschichte und Kultur zwischen Salzach und Lech
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ISBN 978-3-7917-3317-3
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Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg
Printed in Germany 2022
eISBN 978-3-7917-6217-3 (epub)
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Einleitung
Burg, Kirche, Wirtshaus – wo die Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen sichtbar ist
I. Die Bayerischen Alpen: Begriff, Naturraum, Grenzen
Grenzen: Natürliche, räumliche, historische und politische
Offizielle Definitionen der Bayerischen Alpen / Bayerische Hochalpen und Bayerische Voralpen / Bayerisches Hochland und Bayerisches Oberland
Im Flug über die Bayerischen Alpen
Am Rande: Das Ammergebirge / Karstblock Estergebirge / Rund um den Walchensee / Isarwinkel und „Benewand“ / Der Wetterstein: Bayerns echtes Hochgebirge / Das Werdenfelser Land / Das Karwendel: Über hundert Zweitausender, Ahornwälder und Isarquellen / Der (oder das) Rofan: Erinnerungsort an die Vorzeit / Die Tegernseer Berge: Terra Benedictina und „Immobilien-Hotspot“ / Spitzingsee, Wendelstein und Sudelfeld: Lockruf des Skisports / Die Chiemgauer Alpen: Freundliche Aussichtsberge / Zahmer und Wilder Kaiser: Geschichtlich gesehen eigentlich bayerisch / Reit im Winkl, Ruhpolding und Inzell: Das touristische Dreigestirn / Die Berchtesgadener Alpen: Geschichtlich gesehen eigentlich salzburgisch / Bayerische Ikonen: Untersberg, Ramsau, Watzmann und Königssee
Die Bayerischen Alpen aus der Nähe betrachtet
Gletscher und Ferner / Alpenländische Flussläufe Oberbayerns / Der Föhn
Der Mensch in den Bayerischen Alpen
Wege übers bayerische Gebirge: Pässe, Joche, Scharten / Alpenländische Nachbarschaften
Eine kurze Erdgeschichte
Zeugen der Erdgeschichte: Kalk, Fossilien und Eis / Die letzte Eiszeit
II. Geschichte von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert
Vor- und Frühgeschichte: Der frühe Mensch im bayerischen Alpenraum
Feuersteinwege durchziehen die Alpen / Ackerbauern pflanzen Getreide, Wanderhirten gehen ins Bergland / Auf der Suche nach Salz und Kupfer / Urwege und Höhensiedlungen / Bergstürze formen die Landschaft / Die Jahrhunderte der Kelten: Bergbau, Erz- und Salzgewinnung / Keltensiedlungen am Alpenrand / Keltische Karrenwege / Felsritzungen und Schalensteine / Rätselhafte Räter: Inschriften am Schneidjoch / Römerschlacht am Döttenbichl / Das Tropaeum Alpium
Einbindung ins Imperium Romanum
Raetia Latina, Raetia Romana / Via Claudia und Via Raetia / Pax Romana: Friedliches Landleben / Pilger und Heilige / Unruhige Völkerbewegungen / Was die Römer hinterlassen haben
Auftritt der Bajuwaren
Erfolgreiche christliche Heidenmission / Ortsnamen geben Hinweise auf die Besiedlungsgeschichte / Erste Kirchenbauten / Kein Kulturbruch zwischen Römern und Baiern / Baiern und Walchen: Sagen und Mythen / Bergkampf der Titanen: Thyrsus und Haymon
Ein neues Wegenetz des Mittelalters
Die ersten Rodungsklöster / Klöster kontrollieren die Passstraßen / Säumer und Saumtiere / Neue Machtzentren nördlich der Alpen / Neue Wege erschließen das Bergland / Wandel der Almwirtschaft / Die Wiederentdeckung von Erz und Salz / Reiterkrieger durchstreifen das Land / Bayern: Von der Ostalpenmacht zur Randmacht
Die hochmittelalterliche Kolonisation der Bergwelt
Ora et Labora et Lege: Terra Benedictina / Die Via Imperii: Die Reichsstraßen nach Italien / Kaiserliche Romfahrten / Wächter am Alpenrand: Herzöge und Grafen / Welschwein und Orientwaren / Burgenbau auf Bergeshöhen / Bergheld Otto von Wittelsbach / Das hohe Mittelalter: Eine kulturfreundliche Warmzeit
Rivalen an den Südgrenzen
Übergriffiger Gebirgsnachbar: Tirol / Alpine Großmacht Habsburg / Kuntersweg und Kesselbergstraße / Felix Fabri erklärt die Alpenwelt / Etzlaubs Pilgerkarte / Fataler „Bairischer Hausstreit“ / Kaiser Maximilian, „der große Waidmann“ / „Salzirrungen“ mit dem Fürsterzbistum Salzburg / Zankapfel Fürstpropstei Berchtesgaden / Ein Kloster „unerhörter Art“: Ettal / Das Werdenfelser Rottwesen / Das „Goldene Landl“ Werdenfels / Widerständige Bergherrschaften: Tegernsee, Waldeck und Aschau / Pankraz von Freyberg
Reformation und Gegenreformation
Sieg der Katholizität: Heiligenverehrung und Hexenglaube / Gnadenorte und Wallfahrten / Neuzeitlicher Landesausbau / Kohlenmeiler und Hammerwerke / Geheimnisvolle Venediger-Mandln / Saalforste und Soleleitungen / Salzkrieg mit dem Fürsterzbischof
Kriege um Vorherrschaft und Erbfolge
Bau von Festungen im Gebirge / Schwedenkrieg im Isarwinkel / Barocke Baukonjunktur / Aufstand der Oberländer / Patriotische Verklärung: Der Schmied von Kochel / Panduren und Krawatten / Umkämpfte Festungen Ehrenberg und Porta Claudia / Der Blaue Kurfürst erlebt sein Blaues Wunder / Bayerisch-tirolische Raubüberfälle. Rumoranten und Insurgenten / Protestantenverfolgung in Berchtesgaden
Geistliches Rokoko im Pfaffenwinkel
Baumeister, Passionsspieler, Holzschnitzer und Lüftlmaler / Absolutismus und Aufklärer: Die Säkularisation liegt in der Luft
Das Postkutschen-Zeitalter
Chausseen durchziehen die Alpen / Mit der Chaiselongue über alle Berge / Goethe überquert die Bayerischen Alpen / Der „Müllner-Peter von Sachrang“
Verbrechen und Sühne: Kriminalgeschichte der Bayerischen Alpen
Raubritter, unglückliche Gräfinnen und treulose Sennerinnen / Landschädliche, „Grattler“ und Vaganten
III. Drei große überzeitliche Themen: Wald, Jagd und Alm
Wald und Gebirge
Der alpine Urwald – ist eine Rekonstruktion möglich? / Der Naturwald schwindet – der Kulturwald entsteht / Rodung, Reut und Schwende / Nutzholz und Wertholz, Bannwald und Schlagwald / Isar und Loisach als Wasserstraßen / Erste Bayerische Forstordnung 1568 / Wechsel des Waldkleids seit dem 18. Jahrhundert
Die Jagd in den Bayerischen Alpen
Fastenspeise Fisch / Jagdfron der Untertanen / Raubzeug: Wölfe, Bären, Lämmergeier / Adelsjagd und Trophäensammeln / Herzogliche Jagdreviere / Wildschützen und kurfürstliche Jagdpartien / Wilderer belagern Burg Staufeneck / Die Causa Jennerwein – ohne Folklore betrachtet / Wiederansiedlung von alpenländischen Wildtieren
Die Almwirtschaft in den Bayerischen Alpen
Transhumanz, Fernweide und Milchverträglichkeit / Talwirtschaft und Almwirtschaft / Erzeugnisse der Almen / Bergbauernhöfe – Schwaighöfe / Geistliche „Sennerinnen-Wapplung“ / Ein neuer Berufsstand: Der Schweizer / Und wer bewirtschaftete Äcker und Almen? / Ist die Zeit oben stehen geblieben? / Forst und Jagd werden vorrangig / Almwirtschaft dient dem Natur-, Kultur- und Artenschutz
Exkurs: Haushalt, Speis und Trank
Hütten, Häuser, Höfe / Mehl, Milch und Schmalz / Wasser, Bier und Branntwein / Tabak und Schmalzler
IV. Das 19. Jahrhundert – Teil 1
Le Royaume de Bavière
Säkularisation: „Weg mit dem pfäffischen Zierrat“ / 1806: Bayern wird konstitutionelle Monarchie / Tirol – ein Danaergeschenk / Tiroler Adler rupft den Bayernlöwen / Andre Hofer: „Werfts die Baiern den Berg runter“ / Tiroler Sturm ins Bayerland / „Manner s’isch Zeit!“ / Das neue Bayern erhält Werdenfels und Berchtesgaden / Staatsgrenze quer durch die Bayerischen Alpen / Schmuggler und Schwärzer / Die neuen Gebiete: Bayern wird Alpenland / Erst Kloster, dann königlicher Sommersitz: Schloss Tegernsee / Berchtesgaden, bergumrankt
Wirtschaft und Politik im 19. Jahrhundert
Landwirtschaftliche Agrarprodukte / Geigen und Glas / Lehm, Torf und Stein / Salz und Metalle / Lagerstätten und Kohlegruben im Oberland / Münchner Trinkwasser aus dem Oberland / Dampfrösser auf Schienen / Die Mittenwaldbahn durchfährt das Karwendel / Steamer auf den Voralpenseen / Auftrumpfende Großbauern
Das königliche Gebirge
Fremde! Im Gebirg! / Bayerns Könige in den Bergen / Wo König Max und Königin Marie Urlaub machten: Hohenschwangau / Max Zwoa: Königlicher Weitwanderer / Die ersten „Preißen“ entdecken die „Berje“ / Königin Marie geht in die Berge / Des Märchenkönigs Bergwelt / „Adler“ und „Möwe“ auf der Roseninsel / Märchenhafter Baustil-Charivari / Alpenkönig und Menschenfeind: Schloss Linderhof und Hochsitz Schachen / König Ludwigs jährliches Bergwanderprogramm / Das bayerische Montsalwatsch: Neuschwanstein / Des „Märchenkini“ letzter Traum: Falkenstein auf Sturmeshöh / Prinzregent und letzter König: Hirschjäger und „Millibauer“
Der Fremdenverkehr beginnt
Fremde Gäste in den Bergen / Wildbäder und Kurhäuser
V. Das 19. Jahrhundert – Teil 2
Die Entdeckung des bayerischen Hochgebirges
Das Hochgebirge: Mythischer Ort des Schreckens / Hort des Aberglaubens: Zwerge, Drachen und Vampirinnen / Kein Drang nach oben / Die Almer Hochgebirgswallfahrt durchs Steinerne Meer / Eine unbekannte Welt
Bergverklärung der Romantik
Albrecht von Haller, Franz Schubert, Adalbert Stifter, Johann Nepomuk Vogl
Die Entzauberung der Hochalpen
Erste Kartenwerke / Grenzsteine im Gebirge / Gipfelkreuze, Barometer und Höhenmesser / Hochwürden Valentin Stanić / Verwirrende Bergnamen: Palfen, Kampen, Unnütz / Die Erstbesteigung der Zugspitze
Erkundung und Erschließung
Eine neue Spezies in den Alpen: Der Bergsteiger / Die Gründung des Alpenvereins / Erste Wege und Schutzhütten
Hermann von Barth (1845–1876)
Auf die Berchtesgadener Alpen / Hommage an Kederbacher und Punz / Über den Wetterstein / „Schwindelfreier Kopf, elastischer und rascher Tritt“ / Wildheit und Böswilligkeit am Rossloch / „Aus den Nördlichen Kalkalpen“ / Gebrüder Schlagintweit: Vom Karwendel zum Hindukusch
VI. Mit fremden Augen: Ethnografie, Literatur und Kunst
Ethnografische Beschreibungen von Land und Leuten
Völkerkundliche Merkwürdigkeiten / Nikolaus und Krampus / Gespenstische Rauhnächte / Perchten und Buttenmandl / Schellenrührer und Maschkera / Volkstrachten, Dirndl und Lederhosen / Wahrlich kein Witz: Wildschützen und Haberfeldtreiber / Jodeln, Scheibenschießen und Prangerkrachen / Zither, Hackbrett und „Hoagascht“ / Sprache und historische Alpensagen
Die Bayerischen Alpen in der Literatur
Ulrich Hohoffs Bibliografie / Voralpenland und Bayerische Alpen in Erzählungen und Romanen / Alpiner Lesestoff in Millionenauflage / Das Bayerische als wohlfeiles Klischee / Ludwig Ganghofer, allerhöchst gelesen / Ludwig Thoma, ein verbitterter Realist
Die Bayerischen Alpen in der Landschaftsmalerei
Eröffnung des Fremdenverkehrs
Die Fremden aus Norddeutschland kommen / Salontiroler unterwegs / Der „gscherte Hamme(l)“ als touristisches Kunstprodukt / Vermehrung der Gipfelkreuze / Belle Époque in den Bergen: Edward Elgar
VII. Das 20. Jahrhundert in den Bayerischen Alpen
Es beginnt mit Musik, Malerei, Literatur – und Elektrizität!
Strauss’sche Alpensymphonie, „Blauer Reiter“ und „Lady Chatterley“ / Thomas Mann erklimmt den Hirschberg / Lovis Corinth am Walchensee / Kraftquell für die neue Elektrizität: Die Walchensee-Turbinen
Krieg, Revolution und Reaktion
Alpenkrieg und Brennergrenze / Revolutionärer Freistaat / Freikorps Werdenfels marschiert gen München / Rückkehr zur Monarchie? / Antijudaismus und Antisemitismus / Ordnungszelle Bayern / Heimatbewegung und alpenländische Volkslieder
Fremdenverkehr bringt mehr ein als Landwirtschaft
Popularisierung des Fremdenverkehrs / Kurbäder am Alpenrand / Ein neuer Wirtschaftsfaktor: Wintersport / Das neue Freizeitverhalten in den Bergen / Die Anfänge der bayerischen Bergwacht / Marginalisierte Almwirtschaft / Gralssucher im Hochland: Leo Maduschka
An Seil und Haken
Klettermaxen und Bergmädel / Alpinliteratur und Bergfilme / Bayerische Bergsteiger am Nanga Parbat
Technische Erschließung des Hochlandes: Berg- und Seilbahnen
Bergbahn auf den Wendelstein / Auf den Predigtstuhl hinaufschweben / Per Zahnrad auf die Zugspitze
Goldene Zwanzigerjahre?
Oberammergau wird international / Im Flugzeug über die Alpen / Ödön von Horváth über die Zwanzigerjahre in den Bergen
Berg Heil! Die Bayerischen Alpen im „Dritten Reich“
Landtags- und Reichstagswahlen 1932 und 1933 / Machtergreifung und „Gleichschaltung“ im Gau München-Oberbayern / Flucht über die Berge: Wilhelm Hoegner / Bayerische Bergbauern: Rassisch unklar und katholisch „infiziert“ / NS-ideologische Schulungszentren in Oberbayern / Vorkriegs- und Kriegskonjunktur. Reichsautobahn und Alpenstraße / IV. Olympische Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen 1936 / Die Militarisierung der Alpen: Kasernenbau und Gebirgsjägertruppe / 1938: Österreich wird Deutsche Ostmark / NS-Prominenz zieht ins Bergland / „Dieser Ort ist judenrein“ / Anpassung und Emigration
NS-Reichskanzlei in den Bergen
Berghof und Kehlsteinhaus: Der Obersalzberg / Gebirgsjäger im Kriegseinsatz / „Kraft durch Freude“ läuft weiter
Luftkrieg und US-Occupation
NS-Alpenfestung: Wahn und Wirklichkeit / Schicksale am Kriegsende / Liesl Karlstadt wird Gebirgsjäger / Gerüchte übers „Nazi-Gold“ / Sturm auf die Alpenfestung / US-Tiger-Division besetzt Südbayern
Nachkriegsjahre
Die „schlechte Zeit“ / Ruhpolding macht den Wiederanfang / Die Amis entdecken die Berge / Wiederaufleben der Gebirgsjägertruppe
Wirtschaftswunderbergland
Industrielle Weichenstellung nach Süddeutschland / Der ländliche Bereich verändert sich / Ende der bergbäuerlichen Wirtschaft / Fremde werden Touristen / Mit dem Auto in die Berge
Spielplatz des Alpinsports
Neue Massentrends im Winter / Wirkmacht der Outdoor-Industrie / Der Berg als Klettergerüst / Berge als Geschäftsmodell / Die Berge als Freizeitpark / Abriss und Neubau: Die Höllentalangerhütte / Missglückte Olympiabewerbung Münchens 2018 / UNESCO-Weltkulturerbe Garmisch-Partenkirchen? / E-Mobility und „Over-Tourismus“
Die Bayerischen Alpen im Licht wissenschaftlicher Bemühungen
Wissenschaftliche Bewahrung der Tradition / Bayerische Bergwacht im Einsatz / Gebirgsjägerbrigade Bayern / Bemühungen um Natur- und Kulturschutz in den Bergen / Naturwissenschaftliche und technische Einrichtungen in den Bayerischen Alpen / Staatlich geschützte Natur / Energiegewinnung in den Bayerischen Alpen
Ereignisgeschichte der letzten Jahrzehnte
Wiedervereinigung, Braunbär Bruno und Präsident Obama / Das Verkehrswesen in den Bayerischen Alpen
Ausblick
Anhang
Literatur / Register / Bildnachweis
Schnell und heftig rauscht unten der Fluss, nachdem er die Felsenge von Klobenstein überwunden hat, und windet sich weiter durchs bayerische Achental in Richtung Chiemsee. Tiroler Ache heißt der Gebirgsfluss auch hier noch nach seinem Ursprung in Tirol jenseits der alten Grenze. Wir wandern weiter und vor uns öffnet sich der Streichensattel, ein eher sanfter Gebirgspass auf gut 800 Metern Seehöhe. Wie unter einem Brennglas verortet, begegnen uns hier die Geschichte der Bayerischen Alpen sowie die vielen Fragestellungen, die mit ihr verbunden sind. Schon die Nähe zum Tirolischen! Sie begleitet diese Gebirgsregion bis heute. Und der Name Streichen weist in tiefere Zeiten. Mit dem alten römisch-lateinischen Wort Strictus bezeichnete man im Mittelalter den festen Saumweg, der hier über den Berg nach Süden führte und der eine Burg zur Überwachung geradezu herausforderte. Und in der Tat stand im Hochmittelalter hier oben eine Ritterburg. Übrigens ein Zeichen, dass zu dieser Zeit ein Klimaoptimum geherrscht haben muss: wärmer war es als heute, sonst wäre die dauerhafte Bewohnbarkeit auf dem Streichen für zwei Jahrhunderte gar nicht möglich gewesen. Die Ritter lebten auch keineswegs isoliert, der tragische Tod eines Kuno von Streichen auf dem Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas zeugt für internationale Verbindungen.
Die Kirche St. Servatius auf dem Streichen (820 m) am Saumweg von Schleching ins Tirolische war ursprünglich die Kapelle einer Burg. Später entwickelte sich eine Wallfahrt zum heilkräftigen Servatiusbründl.
Die Innenwände der Kirche sind über und über bedeckt mit farbigen gotischen Seccomalereien aus den 1440er Jahren und dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Gut zu erkennen sind die für das Gebirge besonders zuständigen Heiligen Christophorus, Leonhard und Ägidius mit der Hirschkuh.
Wenn auch die Burg verfiel, ihre Kirche blieb bestehen, die Streichenkirche Sankt Servatius, ein wahres kunstgeschichtliches Kleinod voller Wandbilder und qualitätvoller farbiger Fresken im gotischen Stil. Wieso dieser Aufwand im ausgehenden Mittelalter inmitten der Berge? Waren es die „Bergschätze“ Salz und Erz oder die ringsum liegenden Almen, die dies ermöglicht hatten? Unser erster Blick fällt freilich auf das Wirtshaus, unverkennbar hervorgegangen aus dem ehemaligen Mesnerhäusl, ein typisch gebirgsbayerischer Bau mit hölzernen Obergeschossen, blumengeschmückten Balkonen und einer niederen gemütlichen Stube. Doch auch hier greift die moderne Zeit an. Seit Mai 2021 stand das Anwesen leer und zum Verkauf. Die Gemeinde gerierte sich einem Ankauf unwillig gegenüber, und die Pläne eines Finanzinvestors blieben undurchsichtig. Doch nach drei Monaten erhielt ein Kulturverein den Kaufzuschlag – mit der Maßgabe, das typisch gebirgsbayerische Ensemble aus Burg, Kirche und Wirtshaus zu erhalten. Ein schöner Auftakt für unsere Geschichte der Bayerischen Alpen!
Gebirge einzugrenzen und zu gliedern ist ein problematisches Unternehmen. Moderne Staatsgrenzen sind wohl am ungeeignetsten, beruhen sie doch auf politischen Vorgängen und haben sich im Laufe der Zeiten geändert. Aber finden sich natürliche Grenzen? Bergkämme, Gipfellinien, Tallandschaften? Oder gibt uns die Geologie Hinweise auf verschiedene Gesteinsarten, die Ethnografie auf diverse Sprachen und Lebensstile, oder kennt gar die Biologie Grenzen innerhalb der Pflanzen- und Tierwelt? Alle diese Probleme spielen bei der Definition der „Bayerischen Alpen“ eine Rolle.
Der Freistaat Bayern ist das einzige deutsche Bundesland, das an den Alpen Anteil hat. Mit Recht könnte man den gesamten Alpenbogen zwischen der baden-württembergischen Landesgrenze im Westen und den österreichischen Staatsgrenzen im Süden und Osten als die „Alpen Bayerns“ bezeichnen. Staatsrechtlich gesehen mag das korrekt sein, aber es widerspricht dem historischen Begriff der „Bayerischen Alpen“. Dieser bezieht sich nämlich dezidiert nur auf die Oberbayerischen Alpen, auf die Gebirgszüge zwischen den Flüssen Lech im Westen und der Salzburger Salzach im Osten.
Denn nun kommt die Geschichte ins Spiel. Die längste Zeit seiner Geschichte beschränkte sich das bayerische Herrschaftsgebiet auf das altbayerische Territorium, das sich in den heutigen Regierungsbezirken Oberpfalz, Niederbayern und Oberbayern widerspiegelt. Bayerisch-Schwaben und Franken sind erst Erwerbungen des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung dieser Landesteile ist ganz anders verlaufen als in Altbayern.
Bayerische Alpen, korrekt Baierische Alpen oder Baierisches Gebirge, tauchen aber schon viel früher, im Spätmittelalter auf und beziehen sich auf das damalige Herzogtum Bayern, das aber nicht Schwaben umfasst hatte. Die Allgäuer Alpen gehören also nicht zu den Bayerischen (sprich Oberbayerischen) Alpen. Eine Ungereimtheit fällt natürlich auf: Auch der Wetterstein und die Berchtesgadener Alpen kamen erst Anfang des 19. Jahrhunderts zu Bayern, zählen also genaugenommen nicht zum altbaierischen Kern. Aber trotzdem werden sie zu den Bayerischen Alpen gezählt.
1844 erschien in München das Werk „Topische Geographie von Bayern“. Verfasser war der damalige Oberleutnant Friedrich Wilhelm Walther von Walderstötten (1805–1889). Seine topografische Zusammenfassung des Königreichs Bayern trug offiziellen Charakter, weshalb sie auch dem Thronfolger Maximilian, dem späteren König Max II., gewidmet war. Walther nannte die gesamten Alpen des Königreichs Bayern „Die Kalkalpen Südbayerns“ und unterschied klar 1. die Allgäuer Alpen, 2. die Bayerischen Alpen im engeren Sinne und 3. die Salzburger Alpen, deren bayerischer Anteil.
Der Wiener Geograf August Böhm veröffentlichte 1887 eine Geschichte der „Eintheilung der Ost-Alpen“ und rekurrierte darin auf die Dreiteilung der Bayerischen Alpen in die Allgäuer Alpen, die Altbayerischen Alpen (gemeint sind die Oberbayerischen Alpen) und die Salzburger Alpen. Unser Thema sind demnach die Bayerischen Alpen im engeren Sinne, d. h. die Oberbayerischen Alpen.
Die auf diese Weise zwischen Lech und Saalach eingegrenzten Bayerischen Alpen stoßen im Süden auf das österreichische Bundesland Tirol und im Osten auf das Bundesland Salzburg. Die gegenwärtigen Grenzlinien folgen dabei nicht den Tälern, sondern den Graten und Bergkämmen, welche die Berggipfel verbinden. Völkerrechtler nennen dies „orografische Grenzen“. Wie angedeutet, sind diese modernen Staatsgrenzen das Ergebnis einer in unserem Raum fast 1000-jährigen politischen Entwicklung, der wir in diesem Buch nachgehen werden.
Folglich kann sich eine Geschichte der Bayerischen Alpen nicht auf die oberbayerische Region beschränken, sondern muss auch die Tiroler Bergwelt, das Kaisergebirge und die Salzburger Alpen behandeln. Innsbruck und Salzburg werden häufig genannt werden. Das historische Einflussgebiet Bayerns reichte schließlich über den Reschenpass und den Brennerpass weit nach Süden hinaus und bezog auch die Salzburger Berge mit ein. Bis ins 16. Jahrhundert zählten das Kaisergebirge, Kitzbühel, Kufstein und Rattenberg am Inn zum bayerischen „Land im Gebürg“. Mithin beinhaltet unsere Geschichtsdarstellung ein Terrain, das einen bedeutenden Teil der Ostalpen umfasst.
Denn geografisch wird die Gesamtheit der Alpen in einen West- und einen Ostteil gegliedert. Die Trennlinie verläuft längs einer fiktiven Linie vom Bodensee entlang des Rheins über den Splügenpass zum Comer See. Unsere Bayerischen Alpen gehören somit eindeutig in die Ostalpen, und zwar an deren Nordrand. Für die Geologen sind die Bayerischen Alpen ein Teil der nördlichen Kalkalpen, bestehen sie doch ganz überwiegend aus Kalkgestein, das sich aus 200 Millionen Jahre alten Ablagerungen des Tethys-Meeres gebildet hatte. Gegen Süden treffen die Kalkalpen auf die aus den älteren Gneisen und Granit aufgebauten Zentralalpen.
Offizielle Definitionen der „Bayerischen Alpen“. Die Schwierigkeiten, die Bayerischen Alpen genau zu klassifizieren, demonstrieren auch Versuche mit offiziellem Charakter und internationaler Gültigkeit: Die „Internationale vereinheitlichte orografische Einteilung der Alpen (IVOEA)“ unterstellt die Ammergauer, Wallgauer, Chiemgauer Alpen und das Mangfallgebirge den Bayerischen Alpen, zählt aber den Wetterstein, das Karwendel, die Brandenberger Alpen und das Kaisergebirge zu den Nordtiroler Alpen und die Berchtesgadener Alpen zu den Salzburger Nordalpen.
In der seit 1984 geltenden Systematisierung des Deutschen Alpenvereins (DAV) werden die Bayerischen Alpen ganz allgemein unter die Nördlichen Ostalpen subsummiert und in zwölf Gebirgsgruppen unterteilt. Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt werden Wetterstein und Karwendel den Inntaler Riffkalkketten zugerechnet und die Berchtesgadener Alpen den Salzburger Plateau-Kalkalpen.
Machen wir uns es etwas einfacher: Naturräumlich ist Oberbayern nämlich sehr übersichtlich von Süd nach Nord in mehrere geologische Regionen gegliedert.
Rechnen wir die innere Bergzone zu den Bayerischen Hochalpen. Es sind felsige Kalkmassive, deren Zacken über 2000 Meter hoch aufragen. Die Gebirgsgruppen werden dabei meist zerteilt und erstrecken sich über bayerisches wie österreichisches Gebiet. Von West nach Ost sind dies das Ammergebirge (Kreuzspitze 2185 m), das Wettersteinmassiv mit den höchsten Bergen der deutschen Alpen, der Zugspitze (2964 m) und des Hochwanners (2744 m) sowie das Karwendelgebirge (Östliche Karwendelspitze 2537 m). Die Chiemgauer Alpen (Sonntagshorn 1961 m) bilden eine sanfte Grenze zum schroffen Tiroler Kaisergebirge. Gegen Salzburg hin steigt die Berchtesgadener Bergwelt dann dramatisch in die Höhe und erreicht im Steinernen Meer eine Durchschnittshöhe von 2500 Metern. Der Watzmann ist mit 2713 Höhenmetern der dritthöchste Berg der deutschen Alpen. Seine Ostwand fährt 1900 Meter über dem Königssee auf und stellt die höchste Felswand der Ostalpen dar. Am sagenumwobenen Untersberg hat Oberbayern noch mit dem Hochthron (1972 m) Anteil. Ein Drittel des 70 Quadratkilometer umfassenden Untersbergmassivs gehört zu Salzburg, zwei Drittel zu Oberbayern.
Seen im Hochland sind der Eibsee, der Spitzingsee, der tirolische Achensee, der Walchsee im Zahmen Kaiser, der Weitsee und der Königssee. Zentrale Ortschaften, die Zugang ins Hochgebirge gewähren, sind Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden.
Davor legt sich eine Zone niedrigerer, mit Gras oder Wald bedeckter Berge, die wir als die Bayerischen Voralpen bezeichnen. Sie reichen vom Estergebirge im Westen (Krottenkopf 2086 m) über die Kocheler Berge mit der Benediktenwand zum Isarwinkel und weiter zum Mangfallgebirge mit den Tegernseer Bergen (Halser Spitze 1863 m) und den Schlierseer Bergen. Auch die Chiemgauer Alpen mit Hochgern und Hochfelln rechnen wir eher zu den Voralpen.
Den Münchnern gelten alle diese voralpinen Erhebungen zwischen Loisach, Inn und Tiroler Ache als ihre „Hausberge“ mit den bekannten Landmarken des Hörnles, des Braunecks, des Herzogstands, des Hirschbergs, des Wallbergs, der Rotwand und der schartigen Kampenwand.
Eingesprenkelt in die Voralpen sind die Seen Staffelsee, Kochelsee, Tegernsee und Schliersee. Als zentrale Orte innerhalb der Voralpen sind Kochel, Lenggries, Rottach-Egern, Bayrischzell, Reit im Winkl, Ruhpolding und Bad Reichenhall zu nennen.
Im Sprachgebrauch, der sich auch in der Literatur niedergeschlagen hat, ist seit dem 19. Jahrhundert für das bayerische Gebirge der allgemeine Regionalbegriff Hochland, Bayerisches Hochland, verbürgt. Es beginnt dort, wo die Berge aus dem Flachland aufzusteigen beginnen, zuerst als Vorberge Gestalt annehmen und dann ins eigentliche Gebirge, ins Hochland übergehen. Nach unserer Einteilung umfasst das Bayerische Hochland demnach die Bayerischen Hochalpen und die Bayerischen Voralpen zusammen.
Das bringt uns zu der Frage, wo die Bayerischen Alpen, von Norden aus gesehen, eigentlich beginnen. Geschickt gemachte Postkarten lassen die Alpen ja unmittelbar hinter der Münchner Frauenkirche aufsteigen, doch liegen zwischen München und der Zugspitze immerhin an die 100 Kilometer Distanz. Denn dazwischen erstreckt sich das bayerische Alpenvorland. Es handelt sich um eine breite Moränenlandschaft. Sie ist entstanden, als sich die Alpengletscher während der Eiszeit nach Norden ausbreiteten und nachher wieder zurückzogen.
Glazialer Herkunft sind auch die Seen, die in das Alpenvorland eingebettet sind: Staffelsee, Ammersee, Starnberger See, Chiemsee (der größte von allen) und Waginger See. In Geschichte und Literatur repräsentieren diese den Alpen vorgelagerte Regionen das Bayerische Oberland zwischen Lech und Inn, den Chiemgau östlich des Inns und den Rupertiwinkel entlang der Salzach.
Wichtige Orte des Oberlands sind Schongau, Penzberg, Bad Tölz und Miesbach, im Chiemgau liegen die Städte Rosenheim und Traunstein, und Tittmoning ist der Hauptort des ehemaligen salzburgischen Rupertiwinkels. Für die Münchner erstreckt sich das Oberland südlich ihrer Stadtgrenzen, ihre eigene Stadt zählen sie nicht zum bäuerlich und landwirtschaftlich geprägten Oberland.
Ein gedanklicher Flug über die Landschaften der Bayerischen Alpen macht uns vertraut mit den einzelnen Gebirgen, ihren Besonderheiten, Gipfeln und Ortschaften. Beginnen wir am Lech, der die westlich gelegenen Allgäuer Alpen von den östlichen Bayerischen Alpen trennt. Die ersten Gebirgszüge auf oberbayerischer Seite gehören zum Ammergebirge bzw. zu den Ammergauer Alpen. Das Flüsschen Ammer hat ihm seinen Namen gegeben. Auf dem Säuling (2047 m) über Schwangau, der Kreuzspitze (2185 m) und dem Daniel (2340 m) erreicht es seine höchsten Gipfel. Nach Norden flacht es über das Murnauer Moos und den Staffelsee aus.
Seit der Römerzeit durchlaufen wichtige Verkehrswege das Ammergebirge und verbinden das Alpenvorland mit Tirol und Oberitalien. Im Mittelalter herrschten die reichen Klöster Steingaden, Rottenbuch und Ettal über das Ammer-Gebiet. Von der geistlichen Prägung zeugen noch die Passionsspiele in Oberammergau und die Wieskirche. Nach der Säkularisation – dem Übergang an den Staat – wurden die wald- und wildreichen Ammergauer Alpen zum königlich-bayerischen Hofjagdrevier erklärt, was eine ökonomische Erschließung im modernen Sinne während des 19. Jahrhunderts weitgehend verhindert hat. Von der ehemaligen königlichen Anwesenheit künden noch verschiedene Jagd- und Pürsch(Pirsch)hütten und natürlich die Königsschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein (die von manchen aber den Allgäuer Alpen zugerechnet werden) sowie Linderhof. Noch heute zeigt sich die vom Königshaus eingeforderte Exklusivität in der vergleichsweise dünnen touristischen Infrastruktur des inneren Ammergebirges. Seit 1963 genießt es den Status eines der großflächigsten deutschen Naturschutzgebiete.
Durch die Loisach getrennt, baut sich östlich das Estergebirge auf. Mit dem Krottenkopf erreicht es eine Höhe von 2086 m. Das Estergebirge besteht im Wesentlichen aus einem kompakten Kalkblock, auf dem sich deutliche Karstphänomene wie Dolinen, Schlucklöcher und Höhlen zeigen. Bekannt ist das Angerlloch bzw. die Angerer Höhle, die 600 Meter tief begangen werden kann. Im Winter hängt sie allerdings voller Fledermäuse. Namengebend für das Estergebirge war vermutlich die hochgelegene Esterbergalm, die bereits 1380 urkundlich erwähnt wurde. Auf 1262 m Höhe liegend, bezeichnet sie sich als höchstgelegenen Bergbauernhof Deutschlands, auf dem die Tiere ganzjährig untergebracht sind.
Nördlich ans Estergebirge schließen sich die Walchenseeberge an. Heimgarten und Herzogstand sind typische Vertreter der Voralpen. Der 802 Meter hoch gelegene Walchensee ist der oberbayerische Sagensee schlechthin. Seine Tiefe von 193 Metern war in früheren Zeiten wirklich unergründlich. Ertrunkene – von denen es viele gab, denn selbst Fischer und Fergen konnten nicht schwimmen – gab der See nicht mehr her: „Ergründest Du mich, so schluck ich Dich.“ Zahlreiche Legenden handeln von der Furcht, dass der Walchensee einst seine Wassermassen über das Oberland ergießen lassen und auch das sündige München überschwemmen würde. Während des verheerenden Erdbebens in Lissabon im Jahr 1755 soll der See wie ein siedender Topf gebrodelt haben. Bis 1793 wurde in München dagegen täglich eine Messe gelesen. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts hieß es: „200 Meter über Tölz liegt so recht im Herzen des Isarwinkels der dunkle fast schwarze Walchensee in tiefster melancholischer Einsamkeit, ein See so eigenartig düster in seinem Charakter, dass er mit keinem andern der bayerischen Gebirge verglichen werden kann.“
Zwischen Kochel und dem Walchensee windet sich seit dem 15. Jahrhundert die Kesselbergstraße empor. Sie war eine der ersten neuzeitlichen befestigten und für den ganzjährigen Frachtverkehr geeigneten Straßen im gesamten Alpenraum. Seit 1924 wird das natürliche 200-Meter-Gefälle zwischen Walchensee und Kochelsee zur Erzeugung elektrischen Stroms genutzt. Die Verläufe der umliegenden Gebirgsbäche und Flüsse – wie der jungen Isar – wurden deswegen künstlich verändert und umgeleitet. Einen kurzen Medienhype erlangte nach dem Jahr 2000 der Jochberg, weil hier ein Pumpspeicherkraftwerk geplant war, ein mittlerweile aufgegebenes Vorhaben. Von München aus gesehen, vermitteln der Walchensee und seine Berge den ersten Eindruck von „Mountain-Feeling“: Entsprechend stark wirkt sich hier heute der postmoderne „Action“-Tourismus aus.
Als Isarwinkel firmiert die Gebirgszone zwischen dem Walchensee und der Isar – ein treffender Ausdruck auch deshalb, weil die junge Isar hier nach einem fast 90 Grad-Knick senkrecht nach Norden fließt. Aus dem Isarwinkel mit den Hauptorten Bad Tölz und Lenggries sowie dem Seitental der Jachenau wurden bis vor 200 Jahren Baumstämme in großen Mengen über die Isar nach München geflößt. Den Beruf des Gebirgsflößers hat man dort nicht vergessen, wenn auch die Flößerei heute eher dem Touristen-Gaudium dient. Die knapp 20 Kilometer lange Jachenau ist ein typisches Gebirgstal mit weit voneinander liegenden Streusiedlungen. Wegen des rauen Klimas genossen die Jachenauer Bauern besondere Vorrechte in der Forstwirtschaft, die sie sich zum Teil bis heute zu bewahren vermochten.
Das Wettersteinmassiv trennt das bayerische Oberland – das Voralpengebiet – vom bayerischen Hochland, dem Gebirge.
Dominiert wird der Isarwinkel von der 1801 Meter hohen Benediktenwand, einem breiten Felsriegel, der aus dem Voralpengebiet schroff und steil auffährt und jeden Reisenden, der nach Süden unterwegs ist, optisch auf die Alpen vorbereitet. Ihren Namen, der schon im Hochmittelalter als Mons Sancti Benedicti gebräuchlich war, hat sie vom unterhalb der Felswand liegenden Kloster Benediktbeuern erhalten, das in der Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen eine Glanzrolle spielt.
Begeben wir uns nun nach Süden und folgen der Loisach aufwärts Richtung Garmisch-Partenkirchen. Wir treffen auf das Wettersteinmassiv, dessen hohe Gipfel und Spitzen bei guter Wetterlage schon vom Alpenvorland deutlich zu erkennen sind und die bei Föhn quasi bis kurz vor München reichen. Im Wetterstein erlangen die Bayerischen Alpen mit den höchsten deutschen Bergen Zugspitze (2926 m) und Hochwanner (2744 m) echte Hochgebirgsquantität und -qualität. Beide Gipfel sind überdies eingebettet in Gebirgskämme, die mit der Alpspitze, den Plattspitzen, dem Schneefernerkopf und der Dreitorspitze über 2600 Meter Höhe verlaufen. Vom Hochgebirgscharakter zeugen auch noch Reste von Gletschern und ewigem Schnee im Zugspitzplatt, zackige Grate und tief eingefurchte Klammen durchs Partnach- und Höllental.
An 310 Tagen des Jahres herrscht Frost auf der Zugspitze, von Winter zu Sommer gibt es Klimaschwankungen zwischen maximal -35,6° C und +17,9° C. Der Wind erreicht in der Spitze 335 km/h, die Schneehöhe 7,8 Meter. Der Eibsee unterhalb der Zugspitze auf 973 Metern Höhe ist der Rest eines gigantischen vorzeitlichen Bergsturzes.
Das Territorium zwischen unterer Loisach und junger Isar bildete bis ins 18. Jahrhundert die eigenständige Grafschaft Werdenfels, die wiederum dem Hochstift Freising unterstand. In Tracht und Brauchtum vermochten sich die Werdenfelser noch bis ins 20. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Auch das gesamte Wettersteinmassiv gehörte zur freisingischen Grafschaft Werdenfels. Während die Talorte Partenkirchen und Mittenwald ihre Bedeutung als Etappen an den wichtigen Transitstrecken über die Alpen seit der Römerzeit bewahren und ausbauen konnten, verblieb das zwischen ihnen liegende Hochgebirge trotz seiner schieren Größe im Abseits.