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G.F. Barner
– Staffel 22 –

E-Book 211-220

G.F. Barner

Impressum:

Epub-Version © 2022 Kelter Media GmbH & Co. KG, Averhoffstraße 14, 22085 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © Kelter Media GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74099-503-4

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Totentanz in Monterey

Roman von Barner, G.F.

Das Mädchen hatte alles – eine Figur, die einen Mann zum Seufzen bringen konnte, langes Haar, mit dem der Fahrtwind spielte, tiefblaue Augen, seidige Wimpern. Und der Busen erst, von dem man etwas zuviel sehen konnte, weil sie wegen der Hitze die Bluse zwei Knöpfe weit geöffnet hatte.

Kimball hatte immer ein Gefühl für Gefahr gehabt, er hatte es nun wieder. Sein Blick flog nach links über die Büsche vor dem Roque Creek in Südwest-Texas, ging dann zum nächsten schweren Transportwagen der Rowles und Williams Frachtlinie, deren Kolonnenboß Joe Kimball war.

Nichts, dachte Kimball. Verdammte Stille, verfluchte Ruhe. Sie gefällt mir nicht. Oder bin ich nur nervös, weil sie hier neben mir sitzt?

Er sah nach links, vergaß bei dem Anblick der Lady, die neben ihm auf dem Bock des Planwagens saß, einen Moment die Gefahr.

Jennifer Rowles saß an Kimballs Seite. Sie sah nach vorn, nur nach vorn, die Tochter des alten Bill Rowles aus Laredo. Sie hatte kein Gefühl für Gefahr, Kimball wußte es. Dafür hatte sie sicher andere Gefühle. Zum Beispiel für Kirby Williams, Sohn von Houston Williams und Teilhaber des alten Rowles. Houston Williams war tot, er war ein Jahr vor Ende des Bürgerkrieges gestorben. Nun hatte Kirby seinen Platz eingenommen.

Kirby Williams, Kriegsheld, kühl, sachlich, erst wenige Wochen wieder zu Hause, in einem Land, das zu nahe am Rio Grande lag.

Es gab zu viele Banditenhorden jenseits des Rio Grande, Guerillas, die am hellen Tag über den Grenzfluß ritten, Wagen überfielen. Häuser niederbrannten und Vieh raubten.

Zweimal hatte man Kimballs Kolonne überfallen, zweimal alles ausgeraubt.

Verdammt, grübelte Kimball, diese Unruhe in meinem alten Bauch. Und sie sitzt da, ist nichts als schön, aufreizend und beunruhigend für jeden Mann. Vielleicht auch für den verdammten Yankee, der da vor uns reitet?

Joe Kimball blickte zum Einschnitt des Roque Creeks, an dem die großen Bäume standen, unter denen Meri­water McCoy, der Yankee, gleich reiten mußte.

In Texas mochte man keine Yankees, denn die benahmen sich, als wären die Texaner Dreck. Die Yankees hatten gewonnen, aber Kimball wußte, daß sie Dresche bezogen hätten, wenn es nur solche Männer wie Kirby Williams gegeben hätte.

Mit sechsundzwanzig Jahren war Kirby schon Major gewesen, hatte seine eigene Schwadron in der Texasbrigade gehabt.

Ho, dachte Kimball, der hat die Yankees verdroschen, daß die Haare flogen, was? Und nun reitet so ein Yankee vor uns spazieren, glotzt dumm, trägt einen Texanerhut, der ihm gar nicht zusteht, weil er ein lausiger Yank ist.

Nun ja, er ist in Ordnung, nur ein bißchen blöd. Und Jennifer sieht dauernd zu dem Kerl hin. Dabei ist sie so gut wie verlobt und wird eines Tages Kirby Williams heiraten. Das haben Bill Rowles und Old Houston Williams so abgemacht gehabt. Dann steht kein R & W mehr auf den Planen der Wagen, wette ich.

Verdammt, sie sieht dauernd zu diesem Yankee, diesem reichen Geldonkel.

Sein Alter ist Präsident der Bank von Texas geworden – nach dem Krieg, versteht sich. Und er ist der einzige Sohn. Er will mit Kirby Geschäfte machen, aber der tritt ihn in den Hintern, wette ich. Kirby macht mit keinem Yankee ein Geschäft, wetten?

Joe Kimball sah nach rechts. Dort gab es auch nur Büsche, nichts als Unterholz. Links war es genauso.

»Verdammt, ich wollte, Kirby wäre jetzt hier«, sagte der Alte in seiner Unruhe.

»Kirby?« fragte Jennifer und schrak zusammen. »Was hast du gesagt, Kirby?«

»Ja, Kirby«, sagte Kimball mürrisch. »Paßt dir wohl nicht, was, Jennifer?«

»Was?«

Sie konnte richtig katzig werden, wie man so sagte, sie zeigte einem oft die Krallen. Jennifer Rowles war zu sehr die Tochter ihres Vaters – dickschädelig, aufbrausend.

»Ja«, knurrte Kimball. Er konnte es sich leisten zu knurren, denn er hatte sie als Kind auf seinen Knien gewiegt. »Der Yankee macht den Vorreiter, lachhaft ist das. Der träumt doch, der paßt ja gar nicht auf, sondern reitet spazieren. Und dann schielt er dauernd zu dir.«

»Kimball, was redest du für einen Unsinn zusammen?« fauchte Jennifer. Ihr Busen hob und senkte sich. Paradiesäpfel, wie Kimball den Busen nannte. »Joe, er ist ein ehrlicher Mann, und wir werden mit ihm Geschäfte machen, verstanden?«

»Wer ihr?« fragte der Alte mürrisch. »Da ist noch jemand, den ihr erst mal fragen müßt, Kirby. Und Kirby mag keine Yankees, der hat sie gefressen wie zehn Pfund Schmierseife!«

»Kirby kennt ihn ja gar nicht.«

»Na und?« fragte der Alte. »Yankee ist Yankee. Ihre feine Armee ist nicht mal in der Lage, die Grenze zu sichern und uns vor Überfällen dieser Halunken von jenseits der Grenze zu schützen. Feiner Verein, die Yankee-Armee. Sie sollten die Sache mal Kirby in die Hand geben. In einem halben Jahr wäre der Spuk vorbei, da hingen alle Bravados und Guerillas in den Bäumen.«

»Ihr habt alle einen Narren an Kirby gefressen. Nun ja, Kirby könnte das schaffen, aber er ist nicht hier. Und du führst lästerliche Reden, Joe Kimball.«

»Wenn ich bloß diesen Yankee sehe, der nicht mal weiß, daß eine texanische Akazie zweihundert Jahre alt wird und Schatten spen…«

Kimball sah zu dem Yankee. Der ritt gerade unter den texanischen Akazien durch, ritt spazieren, der Kerl.

Aber dann bewegten sich die Äste der Akazie, zwei Beine kamen zum Vorschein. Kimball glotzte verstört auf die Beine und den Mann, der wie Stein in die Tiefe fiel und hinter dem Yankee auf dem Pferd landete, ausholte und zuschlug.

Und dann brach – nachmittags gegen halb vier Uhr, auf der Mitte der Strecke zwischen Carrizo Springs und Artesia Wells in Texas – die Hölle los.

*

Kimball griff blitzschnell zum Gewehr. Er riß die Waffe hoch, gab Jennifer Rowles mit der Linken einen Stoß und schleuderte sie vom Bock in den Wagenkasten.

»Runter mit dir!« knurrte Kimball scharf. »Bleib unten!«

Der Mann, der McCoy niedergeschlagen hatte, sprang in diesem Moment vom Pferd. Er tat es so schnell, daß er hinter dem Pferd verschwand, ehe Kimball auf ihn anschlagen konnte.

Im gleichen Augenblick krachten zwei, drei Schüsse hinter Kimball, und jemand schrie scharf: »Die Hände von den Waffen, oder wir schießen euch alle nieder!«

Der Mann rechts, der Evans, den Fahrer des nächsten Wagens, getroffen hatte, war verschwunden. Kimball fuhr heftig zusammen, als es plötzlich links von ihm knallte. Die Kugel durchschlug mit einem häßlichen Platschen die Plane über Kimballs Kopf. Ehe Kimball das Gewehr herumnehmen konnte, schnellte ein Kerl von links heran und tauchte neben dem Bock auf. Sein Revolver zeigte auf Kimball, und er starrte den Kolonnenboß der R & W-Linie grimmig, an.

»Laß fallen, Kimball, oder du fällst vom Bock und stehst nie wieder auf!« Das genügte. Kimball warf die Waffe in den Kasten.

»Anhalten!«

Hinter Kimball ertönte in diesem Augenblick dieser Befehl. Er blickte sich um, sah den Mann und wußte nun, warum der Bursche Evans niedergeschossen hatte: Der Mann hatte Rückendeckung haben wollen, und solange Evans ihn hätte erwischen können, wäre es ihm unmöglich gewesen, auf Kimballs Wagen zu springen.

Der Bursche trug ein Halstuch vor dem Gesicht, hatte sich auf den Wagen geschwungen und den Colt auf Jennifer gerichtet.

Jennifer Rowles schrie einmal auf, dann hatte der Bursche sie gepackt und setzte ihr den Revolver an den Kopf.

»Rufe ihnen zu, wen ich hier habe!« sagte er eisig, als Kimball herumfuhr. »Los, rufe es den anderen zu, sonst passiert ihr etwas!«

»Verflucht noch mal!« knirschte Kimball. »Das bezahlt ihr Burschen irgendwann. He, Jackson, Taylor, nichts versuchen. Sie haben Jennifer.«

Die Wagen waren im üblichen Abstand von fünfzehn Yards gefahren. Kimballs Stimme reichte bis zum dritten Wagen, und Jackson, ein jüngerer Fahrer, gab den Ruf erschrocken weiter.

Jackson hatte einige Schüsse hinter sich und einen Schrei gehört. Er sah mehr als ein halbes Dutzend Gewehrläufe aus den Büschen lugen und gab den Gedanken an Widerstand nun auf. Alle neun Wagen standen auf dem staubigen Weg.

Hinter dem Pferd kam nun der Baumspringer heraus. Er bückte sich, entriß McCoy Messer und Revolver und näherte sich dann dem Wagen.

In diesem Moment wußte Kimball, daß er den Mann schon mal in Eagle Paß gesehen hatte. Er erkannte ihn, obwohl der Kerl wie alle anderen ein Halstuch trug und von seinem Gesicht nur die Augen zu sehen waren.

Der Mann hatte unwahrscheinlich krumme Beine, und er trug Stiefel ohne Sporen. Es waren Stiefel aus weichem Leder, wie sie manchmal Mexikaner trugen. Der Bursche war in ­Eagle Paß neugierig an den Wagen entlanggestrichen und dann zu einem anderen Mann hinübergegangen, der auf dem Vorbau von Elizarios Hotel in einem Schaukelstuhl gesessen hatte. Und der Mann im Schaukelstuhl war John Cavett gewesen.

Alle Teufel, dachte Kimball, während er an dem kleinen flinken Burschen mit den Säbelbeinen vorbeisah, einer der Kerle Cavetts, das hat noch gefehlt. Die Sheriffs suchen John Cavett seit vier Wochen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß er für Überfälle im Grenzgebiet verantwortlich war.

Cavett hatte zuletzt das Kommando über ein Nachschubdepot und verschwand mit ihm und einigen seiner Leute kurz vor Kriegsende. Niemand wußte, wo der Halunke haust.

Der kleine, wieselflinke Kerl stieg auf die Radnabe, starrte Kimball scharf an und streckte dann die Hand nach Kimballs Gewehr aus.

Er nahm die Waffe, stieß den Gewehrlauf in Kimballs Bauch und sagte: »Du geben den Revolver her – eh?«

»Gib ihm den Revolver«, sagte der Mann hinter Kimball mürrisch. »Mach schon, Kimball.«

»Der fünfte Überfall in drei Monaten«, erwiderte Kimball finster. Er zog vorsichtig den Colt und warf ihn dem kleinen Kerl zu, der ihn geschickt mit der Linken auffing. »Mister, eines Tages wird man euch aufhängen. Die Armee reitet seit einigen Wochen Streife an der Grenze, und eines Tages stoßt ihr auf eine Patrouille, hoffe ich.«

»Werde nicht frech«, fuhr ihn der Mann an. »Uns erwischt niemand.«

Kimball schwieg. Er sah sich um und entdeckte zwei Maskierte auf Evans’ Wagen. Sie verbanden Evans’ Schulter.

Einer der Kerle blieb neben Evans auf dem Bock sitzen.

Von den anderen Wagen ertönten wilde Flüche. Die Fahrer mußten ihre Gewehre abliefern, einige hatten auch noch Revolver. Auf jeden Wagen stieg nun ein Bandit.

Der Überfall hatte nur einige Minuten gedauert. Der kleine Kerl ging um den Wagen. Er warf Kimballs Waffen in den Kasten, hastete dann zu McCoys Pferd und zog wieder seinen Revolver, denn McCoy stöhnte und stemmte sich auf.

»Was wollt ihr?« fragte Kimball wütend. »Und wie stellt ihr euch die Weiterfahrt vor?«

»Das siehst du schon«, sagte der Mann hinter ihm. »Fertig da hinten?«

»Fertig!«

Kimball beobachtete den kleinen Mann. Der Bursche stand hinter McCoy, und als er dem Yankeebankierssohn den Colt in den Nacken setzte, erstarrte McCoy vor Schreck und stellte sein Stöhnen ein.

»Du steigen auf!« befahl der Mexikaner höhnisch. »Du sehen dich vorher um. Und dann aufsteigen, ja?«

»Kimball, sage ihm, was passiert ist«, forderte der Mann im Kasten den alten Fahrer auf.

»McCoy, hinter mir sitzt jemand und bedroht Jennifer«, sagte Kimball zähneknirschend. »Sie tun besser, was der Kerl will.«

McCoy sah sich um, stand auf und blickte an den Wagen entlang.

»Kimball, was bedeutet das?«

»Das bedeutet, daß sie uns haben und Widerstand eine verdammt sinnlose Sache ist«, erwiderte Kimball mürrisch.

McCoy preßte die Lippen zusammen, schwieg, zog sich ächzend in den Sattel und fiel beinahe wieder herunter, als sich der kleine Kerl wie ein Affe hinter ihm auf den Braunen schwang und ihm den Colt in die Rippen drückte.

»Vamos, Amigo«, sagte der Zwerg mit den Säbelbeinen und lachte leise. »Du besser machen keine Dummheiten, eh?«

»Fahr an, folge ihm«, sagte der Mann hinter Kimball. »Wir wollen nicht zu lange auf dem Weg bleiben.«

Kimball ließ die Leinen über die Pferde klatschen. Der Wagen rollte los. McCoy schwenkte auf Geheiß des Säbelbeinigen das Pferd nach Westen.

Verdammt noch mal, wohin bringen sie uns? grübelte Kimball. Was haben dieses Schurken vor?

*

Sie hielten nun in der Senke, wo die beiden Arme des Bonito Creeks den Zufluß zum Roque bildeten.

Kimball sah einen Reiter den Geröllhang herunterkommen. Der Mann trug Chaps über den dunklen und eng anliegenden Hosen, eine Bolerojacke mit Silberknöpfen und einen Patronengurt zusätzlich zum Waffengurt. Das Pferd, ein hochbeiniger Schecke, war mit dem teuersten Zaumzeug aufgezäumt worden, das Kimball jemals gesehen hatte.

Einen Moment später – der Mann war nun in der Senke – tauchten hinter ihm vier weitere Banditen auf. Sie führten jeder vier Pferde an den Longen, und Kimball begriff, daß sie ihnen im Abstand gefolgt und die Kolonne gesichert hatten.

Der sechste Mann erschien eine Minute darauf. Er saß locker wie der geborene Reiter im Sattel, war nicht sehr groß, schmal in den Hüften und trug zwei Revolver. Der Staub hatte sich auf seinen schwarzen Hosen, dem grauen Hemd und der schwarzen Lederweste festgesetzt.

Kimball erkannte ihn sofort. Der Mann war Kit Slayton, John Cavetts rechte Hand. Slaytons Ruf als Revolvermann reichte von Brownsville bis Piedras Negras. Er war im tiefen Süden von Texas bekannt wie ein bunter Hund.

Slayton war schon vor dem Krieg gefürchtet gewesen, war dann in die Südstaatenarmee eingetreten, doch nach zwei Jahren in Austin ins Jail gesteckt worden. Er hatte gespielt und einen Captain und einen Sergeant am Spieltisch erschossen. Der Captain hatte den Fehler gemacht, zuerst zu ziehen, der Sergeant hatte ihm helfen wollen, und am Ende waren sie beide tot gewesen.

Wie Slayton damals aus dem Jail entkommen war, war eine andere Geschichte, sie hatte noch zwei Männern das Leben gekostet. Slayton war zum Grenzbanditen geworden. Daß er es wagte, hier aufzutauchen, sprach für seine Selbstsicherheit. Der Mann kannte keine Furcht.

»Nichts«, meldete Slayton nasal. Er sprach durch die Nase, ein Zeichen für seinen Hochmut anderen gegenüber: »Laßt sie absteigen. Ah, Kimball, ich hörte, Kirby ist wieder im Land?«

Kimball kochte vor Grimm. Während des gesamten Krieges hatte Kimball für die Südstaatenarmee Nachschub gefahren. Er war zweimal mit vollbeladenen Wagen zur Texasbrigade gekommen. In Kirby Williams’ Einheit hatte Slayton zu der Zeit gedient. Slayton kannte also Kirby Williams sehr gut, und doch machte er sich an Kirbys Wagen heran.

Es sprach für Slaytons Kaltblütigkeit, daß er das Versteckspiel nun aufgab. Kimball hatte ihn erkannt, es war nicht mehr nötig, daß er sein Halstuch vor dem Gesicht behielt. Slayton zerrte es runter. Seine steingrauen Augen blickten den alten Kolonnenboß kalt an.

»Du hast richtig gehört«, erwiderte Kimball, »Slayton, es wird Kirby nicht besonders gefallen.«

Um Slaytons Mund kroch ein kurzes Lächeln.

»Das wird nichts ändern«, gab Slayton zurück. »Kirby soll sich nicht mausig machen, ändern kann er doch nichts. Ihr habt brandneue Hosen und Hemden für Fort McIntosh geladen?«

»Sieh selbst nach«, sagte Kimball finster.

Slayton kniff die Augen etwas zusammen, dann ritt er wortlos an zum zweiten Wagen und ließ eine Kiste öffnen.

Der Mann mit dem Schecken war ihm gefolgt, er stieß einen leisen Ruf aus und hob ein Hemd hoch. Die acht Mexikaner lachten vor Freude, während die vier Amerikaner still blieben.

»Alles absteigen lassen!« befahl Slayton. »Verpackt ihre Waffen und laßt sie dann die Kisten mit den Hemden und Hosen abladen! Ah, Miss ­Rowles!«

Der Mann im Kasten ließ Jennifer Rowles nun frei. Sie stieg vom Wagen, sah Slayton zornig an und rief: »Sie verdammter Bandit, eines Tages wird man Sie dafür hängen!«

»Nicht doch«, erwiderte Slayton grinsend. »Sie sollten anständig mit mir reden, Miss Rowles. Ich mag Frauen nicht, die einen Mann beschimpfen.«

»Sie sind kein Mann, Sie sind ein erbärmlicher Bandit!« gab Jennifer schneidend scharf zurück. »Kirby wird Sie in die Hölle blasen, in die Sie längst gehören!«

»Kirby?«

Slayton lachte schallend, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich. Er sprang blitzschnell aus dem Sattel, packte Jennifer mit der Linken an der Schulter, schleuderte sie herum und zerriß ihr dabei die Bluse.

Der Stoff knirschte, die Bluse bestand nun aus zwei auseinanderklaffenden Teilen. Da Slayton auch Jennifers Unterrock mit zerfetzt hatte, konnte jeder, der nahe genug stand, ihre Brüste sehen.

Jennifer Rowles flog an den Wagen zurück, rutschte, fiel zu Boden. Sie hatte einen kurzen Schrei ausgestoßen, der im gleichen Augenblick jemand handeln ließ, mit dem Kimball nie gerechnet hätte: Merriwater McCoy.

Der Yankee hatte immer noch den kleinen Säbelbeinigen hinter sich, holte unvermutet aus und stieß seinen rechten Ellbogen nach hinten.

Es war der Fehler des kleinen Kerls, daß er zu Jennifer und dem wütenden Slayton geblickt hatte. Sein Revolver zeigte auf die Büsche.

McCoys Ellbogen krachte dem kleinen Kerl unter die Rippen. Dann warf sich McCoy blitzartig herum, schwang seinen linken Unterarm wie eine Keule und knallte ihn dem Burschen unter das Kinn.

Der kleine Mexikaner flog buchstäblich im Bogen vom Gaul und kam nicht mehr dazu, seinen Colt abzufeuern. Er schlug auf kopfgroße Steine, blieb liegen und rührte sich nicht mehr.

Im gleichen Moment hatte McCoy den Braunen herumgerissen. Das Tier sprang mit einem Riesensatz an, drehte dann und raste auf Slayton zu.

Es geschah so schnell, daß Slayton nicht mehr ausweichen konnte. Zwar sprang der Revolvermann noch zur Seite, doch McCoy konnte mehr, als es der alte Kimball jemals gedacht hätte. McCoy ließ seinen Stiefel in die Höhe schnellen. Er trat Slayton vor die Schulter. Der Revolverschwinger flog hintenüber.

Der Braune raste weiter, doch auch der Mann mit dem Schecken war angeritten. Er beherrschte sein Pferd meisterhaft. Ein Hackentritt jagte es an, der Schecke sprang, und dann donnerte er dem Braunen McCoys in die Seite.

Während wütende Banditen ihre Waffen auf die Fahrer anschlugen, strauchelte der Braune, rutschte auf dem Geröll aus und krachte auf die Flanke.

Es zeigte sich, daß McCoy nicht nur ein guter Reiter und harter Bursche war, denn er konnte sich noch abstoßen und kam aus dem Sattel.

Entsetzt sah Kimball, daß der Mann seinen Schecken gegen den am Boden liegenden McCoy antrieb und gleichzeitig mit der Rechten die in einer schweren, beschlagenen Lederscheide steckende Macheta herausriß.

»Rual!« schrie Slayton im selben Moment grell. »Nicht töten!«

Der Mexikaner schwang die Macheta herum. Die Sonne ließ die Klinge blinken, und dann schoß das fürchterliche Haumesser auf McCoy zu. Der sah zwar das Pferd, aber nicht die Macheta. Schon glaubte Kimball, daß der Mexikaner McCoy den Kopf herunterschlagen würde, als die Klinge jäh gedreht wurde. Der flache Stahl knallte McCoy mitten auf den Kopf.

Ohne einen Laut von sich zu geben, brach McCoy auf der Stelle zusammen.

Jennifer Rowles hatte entsetzt aufgeschrien und mit beiden Händen die zerfetzte Bluse zusammengehalten. Sie blieb am Boden sitzen, während Kimball wie erstarrt – er war genauso erschrocken wie die anderen Fahrer – zu McCoy blickte.

In einer Staubwolke kam der Schecke nun zum Stehen. Der Mexikaner starrte finster auf McCoy hinab. Kid Slayton erhob sich, zog seinen Revolver und ging langsam los. Sein grimmiger Blick traf Jennifer Rowles.

»Nun gut«, sagte er mit mühsam beherrschter Wut. »Wenn ich wollte, du verdammte Närrin, würde ich dich auf ein Brett binden und die Männer ihren Spaß mit dir haben lassen, aber noch will ich nicht. Merke es dir für alle Zeiten: So redet man nicht mit Kit Slayton. Rual, zwei Mann sollen den Yankee aufheben.«

Jennifer wurde bleich bis in die Lippen.

»Slayton, was – was haben Sie mit ihm vor?« stammelte sie entsetzt. »Sie können ihn nicht umbringen.«

»Kann ich nicht?« fragte Slayton höhnisch. Die beiden Männer liefen herbei und rissen McCoy an den Armen auf die Knie. »Ich hänge ihn auf, wenn ich will, aber er ist doch der Sohn von McCoy, was? Sein Vater hat eine Menge Geld, nehme ich an.«

Kimball erbleichte. Es war absolut nicht neu, daß Grenzbanditen Bürger, die selber Geld oder reiche Verwandte besaßen, verschleppten und sich Lösegeld zahlen ließen.

»Dich nehmen wir mit«, erklärte Slayton eisig. »Ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe, Yankee: Sollte uns eine Patrouille begegnen, haben wir etwas in der Hand, was uns den Weg freimacht. Und dann: Wieviel, meinst du, bist du deinem Vater wert?«

»Sie – müssen – verrückt sein«, stöhnte McCoy. »Damit kommen Sie nicht durch, Mann.«

»Und wie ich damit durchkommen werde«, schnaubte Slayton. »Dein Alter kann fünftausend Dollar für dich zahlen, das ist genug. Eigentlich sollte ich auch noch das Girl mitnehmen, wäre gar nicht so schlecht, was? Ich weiß jedoch, daß der alte Bill Rowles kaum über Geld verfügt. Er könnte nicht genug zahlen, und ich werde doch die Kuh nicht schlachten, die uns Milch gibt, was? Die R & W wird noch ganz andere Geschäfte mit den Yankees machen. Ich habe da einige Dinge gehört. He, bindet ihn auf ein Pferd. Und dann laßt endlich abladen, wir verlieren zuviel Zeit.«

Kimball und die Fahrer wurden mit Waffengewalt zu den Ladungen getrieben. Sie mußten alle Kisten mit neuer Kleidung von den Wagen schaffen, sahen ein paar Banditen mit Tragsätteln ankommen und begriffen es erst, als man ihnen die Pferde ausschirrte: Slayton nahm sich nicht nur die brandneue Kleidung, er belud die Gespannpferde.

In dieser Gegend gab es keine einzige Ranch mehr. Auf zwanzig Meilen in die Runde war kein Pferd zu bekommen, und nur der Zufall, daß während der bald einsetzenden Nacht noch jemand auf der mehr als sieben Meilen entfernten Straße fuhr, konnte es ermöglichen, daß sie Hilfe aus Artesia Wells oder Carrizo Springs herbeiholten.

Das ist genau geplant, überlegte Kimball grimmig, während er die Traglasten zu den Sätteln brachte, er hat die ganze Nacht vor sich.

Haben wir Pech, verfolgt man die Halunken erst am Morgen. Er entwischt über die Grenze und nimmt McCoy mit. Verdammt noch mal, ich mag keine Yankees leiden, aber der Bursche hat Mut bewiesen. Sein Vater wird zahlen müssen, wenn er ihn wiedersehen will.

Plötzlich dachte Kimball an Kirby Williams. Kirby war kein Mann, der sich hinter dem Ofen verkroch, wenn jemand Jennifers Bluse zerriß und Pferde stahl.

Kirby muß es erfahren, dachte Kimball. Und wenn er in Laredo ist und nicht gerade unterwegs, Slayton, dann sieh dich vor. Kirby wird dich jagen, bis er dich hat.

*

»Kirby!«

Der schrille Schrei ließ das Stimmengewirr im Laredo Palace mit einem Schlag verstummen. Kirby blieb stocksteif am Tresen stehen, denn hinter ihm rannten Männer auseinander. Vor ihm stemmte Ruby Callahan die schlanken Hände, die einen Mann so zärtlich streicheln konnten, wenn der Mann ihr gefiel, gegen den Tresen.

»Kirby, du Hund, dreh dich um!«

Kirby Williams blickte in Rubys Augen, grüngraue Augen, Katzenaugen, hatte er sie einmal genannt, und Katze, das hatte er zu ihr gesagt. Es war lange her, schrecklich lange. Er war einer jener jungen Männer gewesen, die gewisse Dinge bei einer älteren Frau gelernt hatten, und die Frau, rotblond, schlank, vollbusig und mit einem Hinterteil, auf dem die Blicke von hundert Männern gelegen hatten.

Ruby sah ihn an, sie stand anscheinend so, daß der Mann hinter Kirby sie nicht sehen konnte.

»Paß auf, Kirby«, sagte sie und bewegte kaum die Lippen. Sie blieb eiskalt. Krach war sie gewohnt, Streit erst recht, prügelnde Männer waren im Laredo Palace keine Seltenheit. »Bruce Tucker, Kirby, er hat die Hand am Colt. Paß auf.«

In ihren Augen war doch Angst, er sah es nun. Es war keine Angst um die Einrichtung, um Spiegel, Gläser oder Flaschen. Sie hatte Angst um ihn.

Eigentlich hatte er gar nicht hergehen wollen, aber er hatte etwas herunterspülen müssen. Er hatte immer an sie gedacht, an ihre Zärtlichkeit, die Ruhe, die sie ausströmte, wenn sie wollte, denn sie konnte auch ganz anders sein.

»Kirby, du Halunke, drehst du dich bald um?«

Kirby stellte sein Glas langsam hin. Er machte es sehr vorsichtig. Gleichzeitig rutschte seine Hand nach links, er hielt beide Hände weit vom Körper fort.

»Bruce?« fragte er bedächtig. Er wußte, daß nur Ruhe helfen konnte, nur Kühle und Überlegenheit. »Bruce, was soll das denn?«

Dabei drehte er sich, aber er hielt die Hände ruhig, griff nicht zum Colt.

Es war so still, daß er das Summen der Fliegen hören konnte. Er sah die Gesichter der Männer und der vier, fünf Girls, die hier für Ruby arbeiteten.

»Du hast getrunken, Bruce, wie?«

»Das geht dich Kerl gar nichts an!« schrie Bruce wütend. »Ich bring dich um!«

»Bruce, sei vernünftig.«

»Gestern hattest du die Hand am Revolver. Jetzt habe ich sie am Colt. Zieh, sage ich!«

»Nein«, sagte Kirby ruhig.

»Du sollst ziehen!« brüllte Bruce. »Ich schwöre dir, du ziehst, oder ich schieße und lege dich auf die Nase!«

»Das wäre Mord, Bruce. Mann, du hast ein wenig zuviel getrunken. Sei vernünftig, es kommt nichts dabei heraus, ich schieße mich nicht mit dir.«

»Nein? Du verdammter Lump, mich rauszufeuern, mich zu feuern, das hast du nicht umsonst getan! Zieh, oder ich zerschieße dir den linken Fuß!«

Er schrie es und riß den Colt heraus.

»Ich ziehe nicht, Bruce, du reibst dich ganz umsonst an mir.«

»Verfluchter Hund, das werden wir sehen, das werden wir ja gleich sehen!«

Bruce Tuckers Colt stieß eine Feuerlanze aus. Der brüllende Knall ließ den Saloon erzittern. Ein Schlag traf Kirbys linkes Bein. Es gab kein Brennen, keinen Schmerz, nur einen Hieb. Kirby wußte, daß Bruce Tucker den Stiefelschaft durchschossen hatte.

»Bruce, ich warne dich.«

»Du warnst mich – du mich? Paß auf, jetzt ist deine Wade an der Reihe.«

Der Colt hob sich, der Finger zuckte zurück, der Hammer schnellte nach vorn.

In derselben Sekunde stieß Kirby nach rechts ab. Er flog im Krachen des zweiten Schusses zu Boden, riß im Fallen seinen Revolver heraus und sah, wie Tucker torkelnd herumkam, dann stand und erneut zielte.

Die eine Sekunde hatte Kirby genügt. Er feuerte, ehe Tucker genaues Ziel nehmen konnte. Das Geschoß traf Tuckers Revolverlauf, riß die Waffe zur Seite, fetzte sie aus Tuckers Faust. Danach schlug das Geschoß in die Wand ein.

Eins der Mädchen kreischte schrill los. Aus Tuckers Hand flog der Revolver bis unter die Tür. Tuckers Arm war mitgerissen worden, und der bullige Mann stand eine Sekunde wie erstarrt, bis er losbrüllte. Im nächsten Augenblick stürzte er sich auf Kirby.

Kirby schnellte in die Höhe. Er wollte nicht schießen, machte damit aber einen Fehler, denn in einem Schwung riß Tucker den nächsten Stuhl mit. Er schleuderte ihn auf den hochschnellenden Kirby, und er traf so gut, daß der Stuhl Kirby die Beine wegriß.

Kirby stürzte so unglücklich über den Stuhl, daß sein Handgelenk auf die Tresenkante prallte. Schmerz zuckte durch Kirbys Arm, der Revolver entfiel seiner Hand und blieb auf der Platte liegen.

»Kirby, paß auf, er hat ein Messer.«

Kirby hörte Rubys hellen Schrei, sah Tucker vor sich und stieß sich ab. Es war die einzige Chance, dem Messer zu entgehen. Dennoch war Tucker zu schnell herangekommen. Sein Messer fuhr nur um Zollbreite über Kirbys Brust hinweg. Dann streifte es Kirbys linken Oberarm. Die Klinge zerschnitt den Jackenärmel.

Der Schnitt brachte leichten, brennenden Schmerz, obwohl die Klinge kaum fingerlang über den Arm gefahren war. Aber Kirby lag am Boden, der mit voller Wucht geführte Stoß hatte ihn verfehlt.

Tucker schrie plötzlich schrill auf. Er schrie wie ein Mann, der sich selbst verletzt hatte und lag nun halb über dem Tresen. Als Tuckers Stoß so gut wie ins Leere gegangen war, war Tucker mit dem ausgestreckten Arm gegen den Tresen geprallt. Die Klinge hatte sich ins Holz gebohrt, das Messer jäh festgesteckt. Tuckers Hand war über das Heft und die Klinge geschossen, bis sie auch an den Tresen geschlagen war.

Nun hob Tucker schreiend seine Hand hoch. Der Schnitt war so tief, daß er bis auf den Knochen durchgegangen war. Einen Moment starrte Tucker wie hypnotisiert auf seine aufgeschnittene Handfläche. Und der Moment reichte Kirby.

Kirby Williams tauchte neben Tucker in die Höhe, riß die Faust hoch und schlug sie Tucker wie einen Hammer ins Genick.

Der fürchterliche Hieb warf Tucker mit der Nase auf die Tresenplatte. Dennoch blieb der Mann bei Besinnung, wenngleich er schwer stöhnte und es einen Augenblick den Anschein hatte, als würde er vom Tresen abrutschen und zu Boden krachen.

Tucker fiel nicht um, er hatte Kirbys Colt gesehen, streckte die Linke aus und wollte ihn an sich reißen. Im gleichen Moment schmetterte ihm Kirby die Faust an den Kopf.

»Paß auf, Langfinger«, sagte Kirby finster. »Ich hätte dich schon neulich verprügeln sollen. Jetzt lernst du deine Lektion!«

Unter vier wuchtigen Hieben taumelte Tucker zur Tür. Dann erwischte ihn ein Volltreffer am Kinnwinkel, und er segelte mit den nach außen fliegenden Schwingtürflügeln auf den Vorbau. Dort stolperte er bis zur Kante.

Draußen waren einige Leute zur Seite gesprungen, und sie sahen nun, daß Tucker mit glasigen Augen über die Kante kippte und auf die Straße stürzte. Er versuchte sich aufzustemmen, doch er schaffte es nicht, fiel auf die Brust und blieb reglos liegen.

Kirby Williams war aus der Tür gekommen. Er trat an Tuckers Seite, packte den Mann im Genick und schleifte ihn zum Tränktrog. Dort tauchte er ihn mit dem Kopf einige Male unter. Tucker regte sich wieder. Kirby ließ ihn los, ging zwei Schritte zurück und sagte eisig: »Steh auf, es ist noch nicht zu Ende, du Strolch!«

Bruce Tucker schüttelte ein paarmal den Kopf. Dann stemmte er sich auf, taumelte an den Balkon, stöhnte schwer.

»Ich habe genug, Kirby.«

Danach torkelte er davon. Er hatte endlich seinen Meister gefunden.

Kirby sah ihm kühl nach. Sein Blick wanderte über die Menschenmenge zur Tür des Saloons. Dort stand Ruby.

»Komm her, Kirby«, sagte sie, während Männer Kirby umdrängten und ihm auf die Schulter klopften. »Komm schon, dein Arm muß verbunden werden.«

Einen Moment dachte er an Jennifer Rowles, ehe er sich in Bewegung setzte und man ihm Platz machte. Es war nichts dabei, wenn er zu Ruby ging und sich von ihr verbinden ließ. Sie machte das jede Woche zwei-, dreimal, wenn jemand im Saloon bei einer Prügelei verletzt worden war, Jennifer, dachte Kirby, zum Teufel mit Jennifer und ihrem Dickschädel. Fährt mit Kimball nach San Antonio, um diesen Merriwater McCoy abzuholen, sagt mir aber kein Wort. Erst Bill kommt damit heraus, daß sich da ein Riesengeschäft mit dem Yankee anbahnen soll. Hinter meinem Rücken verhandeln sie mit dem Yankee. Und ich soll es schlucken.

»Komm schon, Kirby.«

Rubys Stimme war kühl, unpersönlich, aber in ihren Augen lag etwas, und das war alles andere als kühl und unpersönlich. Plötzlich wußte Kirby, daß er besser nicht mit ihr in ihre Wohnung über dem Saloon ging, aber er ging weiter, folgte ihr.

Kirby hatte das Gefühl, in die Höhle einer Löwin zu gehen.

*

»Fertig«, sagte sie kurz und klopfte einmal leicht an den Verband. »In Ordnung, Kirby.«

Nichts war in Ordnung, er wußte es nur zu gut. Es hatte schon angefangen, als sie ihm einfach die Jacke ausgezogen und das Hemd über den Kopf gestreift hatte. Ihre Hände hatten ihn berührt, und einen Moment hatten sie sich angeblickt.

Es war wieder wie früher, damals, nachdem ihr Mann gestorben und Kirby in den Saloon gekommen war, um sich still in seine Ecke zu verdrücken. Er hatte sie bewundert, geliebt, begehrt, aber er hatte sich zurückgehalten. Vielleicht war es gerade seine Zurückhaltung gewesen, wie?

»Willst du einen Drink, Kirby?«

»Ja«, sagte er nur und sah ihr nach, wie sie zum Schrank ging und ihre Hüften schwangen.

Zum Teufel, dachte Kirby, ich bin nicht mehr der junge Bursche, der ich damals war. Ich bin so gut wie verlobt, und doch habe ich Ruby nie vergessen können. Selbst dann nicht, wenn Jennifer bei mir ist.

»Trink«, murmelte sie, stand wieder vor ihm, stellte das linke Bein vor. Ihr Schenkel zeichnete sich etwas zu deutlich für ihn und seine Stimmung durch den Stoff des Rockes ab. »Auf was, Kirby? Darauf, daß du endlich gekommen bist? Oder auf deine Verlobung?«

»Sei ruhig«, sagte er barsch und trank. »Fang bloß nicht davon an, sage ich dir.«

Er nahm ihr die Flasche ab, goß das Glas gleich noch mal voll.

»Also doch«, sagte sie leise. »Ärger, Kirby? Sie hat einen zu dicken Schädel, was? Verstehe mich richtig, Kirby, es geht mich gar nichts an. Du bist dein eigener Herr, und ich bin nicht eifersüchtig auf Jennifer. Sicher hat sie alles, was eine Frau haben muß, aber sie befiehlt, und du sollst spuren, ja?«

»Ja, verdammt!« grollte er. »Geschäfte mit Yankees. Aber nicht mit mir.«

Er mußte es loswerden, er war froh, daß er endlich mit jemandem reden konnte, von dem er wußte, daß er verstanden wurde. Kirby trank und sprach, redete sich alles von der Seele.

»Ach, Kirby, Kirby.« Ruby seufzte, als er endlich alles gesagt hatte. »Kirby, dir gehört mehr der R & W als den Rowles. Denk an deine Männer, Kirby. Einige hast du aus dem Krieg mitgebracht, die keine Heimat mehr hatten, keinen Platz zum Schlafen. Du wirst an sie denken müssen, wenn du dich entscheidest. Auf die Dauer kommst du nicht herum, mit den Yankees Geschäfte zu machen.«

»Kann sein«, erwiderte er. »Hinter meinem Rücken, das regt mich auf, verstehst du? Sicher, es geht auch um meine Männer, gute Männer, vielleicht die besten der Welt. Ich habe immer zu dir kommen wollen.«

»Ich weiß«, sagte sie nur. »Aber ein Mann wie du, der ist treu, der denkt doch, daß er sein Mädchen betrügt, wenn er zu einer Frau geht. Du bist nicht verlobt, Kirby.«

»Gott sei Dank nicht!« fauchte er ärgerlich. Er sah zu ihr hoch, griff nach ihrer Hüfte. »Du hast mir mehr gegeben als jede andere Frau, weißt du das eigentlich?«

»Ja«, sagte sie, als er sie herumzog und sie auf seinen Knien landete. »Kirby, ich bin eine Frau, die dich verteufelt gern hat. Kirby…«

Er streichelte sie und fühlte, daß er sie haben mußte, daß er seit fünf Jahren nichts als diesen einen Wunsch gehabt hatte, obwohl es andere Frauen gegeben hatte.

»O Kirby, ich bin doch viel zu alt für dich.«

»Blödsinn. Ich habe immer an dich denken müssen, immer. Wenn ich dich nur berühre, werde ich verrückt.«

»Kirby, Kirby, eines Tages wirst du deiner richtigen Liebe begegnen, ich weiß es. Und dann werde ich nicht mehr auf dich warten, ja, ich werde vielleicht sogar glücklich sein, wenn du die zu dir passende Frau gefunden hast. Aber Jennifer paßt nicht zu dir.«

»Ich glaub’s beinahe auch. Sei doch von Jennifer still, verdammt.«

Mit seiner Beherrschung war es vorbei. Er öffnete ihre Bluse, küßte ihre Brüste. Sie stöhnte und krallte ihre Finger in seinen Nacken. Da hob er sie hoch, trug sie in ihr Schlafzimmer.

Die Straßenlaterne und die Laterne im Hof warfen matten Lichtschein über ihren schlanken und doch auch vollen Körper.

»Kirby, ich muß doch nach unten. Kirby, schließ wenigstens ab.«

Er hörte nicht hin, und sie vergaß, daß die Tür nicht verschlossen war, einer ihrer Waiter hochkommen konnte. Ihr Körper zitterte, bäumte sich auf, als er über sie sank und seine Hände ihre Brüste streichelten.

Seine Leidenschaft trug sie beide in ungeahnte Höhen.

*

Sie lag auf der Seite, die Augen weit offen, das Haar zerwühlt, aber glücklich ihr Lächeln. Sie war noch einmal nach unten gegangen, hatte gesagt, daß Kirby fort war. Dann war sie wiedergekommen, fiebernd vor Erwartung, zitternd vor Leidenschaft.

Irgendwo schlug eine Uhr die zweite Morgenstunde. Mondlicht fiel durch das Fenster auf ihre Schultern. Dann war ihr Lächeln jäh fort, sie setzte sich abrupt auf, hörte die Rufe unten, das Klopfen an der längst verschlossenen Haustür.

»He, he, Kirby, wo ist Kirby? Habt ihr Kirby nicht gesehen? Überfall auf Kimballs Kolonne. Überfall! Kirby!«

Kirby sprang aus dem Bett, fuhr in seine Hose.

»Mein Gott«, stieß sie hervor. »Kirby, sie suchen dich. Was ist los, Überfall auf Joe Kimballs Kolonne? Kirby, ist Jennifer nicht mit ihm nach San Antonio gefahren?«

»Ja«, sagte er knapp. »Herrgott, und das jetzt. Gib mir ein Hemd, wenn du noch eines im Schrank hast, schnell.«

Unten polterte es. Fields, Rubys Waiter, der nach vorn heraus schlief, riß das Fenster auf.

»Was soll das Gebrüll, Mann? Kirby ist schon vor zweieinhalb Stunden gegangen. He, was ist los, Überfall?«

»Ja, verdammt. Man hat die Kolonne überfallen, Pferde und Ware gestohlen und McCoy, den Yankee, auch gleich mitgenommen. Wo mag Kirby denn bloß sein? Bill Rowles tobt und brüllt nach ihm!«

Ruby lief zum Schrank, holte ein Hemd heraus, warf es Kirby zu.

»Du lieber Himmel, Kirby, mein Mann war viel kleiner und schmalbrüstiger. Zieh es an, laß es aber offen. Kirby, was erzählst du ihnen, wo du gewesen bist?«

»Am Fluß«, sagte er kühl. »Ich habe oft da unten gehockt und ins Wasser gestarrt. Sie sehen mich schon nicht hier herauskommen. Es wäre mir aber gleich.«

»Nein, Kirby. Niemand braucht das zu wissen. Denk an Jennifer.«

»Na und?« fragte er. »Hat sie vielleicht an mich gedacht? Jetzt habe ich genug von den verfluchten Bravados, nun reicht es mir. Ich werde es ihnen zeigen, was es heißt, meine Wagen zu überfallen. Die sind wohl verrückt geworden, was? Ich nehme meine besten Männer mit und reite bis an den Südpol, um die Kerle zu erwischen.«

»Kirby, Kirby, paß bloß auf dich auf.«

Er nahm die Stiefel in die Hand und huschte zur Tür.

»Warte«, sagte sie hastig. »Ich lenke Fields ab, dann kommst du besser hinaus.«

Sie zog ihren Morgenmantel über und lief die Treppe runter. Gleich darauf klopfte sie an die Tür von Fields’ Zimmer. Kirby schlich durch den Flur, zog die Hoftür auf, huschte hinaus.

Das war das Ende einer wilden Nacht, er wußte es. Aber es würde wieder eine Nacht wie diese geben.

*

»Ist das alles, Jackson?«

»Ja, Sir, das läßt Joe Kimball ausrichten.«

In der Station der R & W drängten sich an die dreißig Fahrer. Wütend rannte der alte Bill Rowles auf und ab. Aber mehr noch schien er sich Sorgen um den Yankee zu machen.

»Mason!«

Kirbys Stimme zerschnitt das Stimmengewirr, brachte jäh Ruhe.

»Sir?«

Sie nannten ihn alle Sir, niemand sagte Boß zu ihm. Der Boß war einmal sein Vater gewesen. Rowles hatte man Old Bill genannt, aber Respekt hatten diese rauhen, wilden Frachtwagenburschen nur vor Kirby, obwohl viele doppelt so alt wie Kirby waren.

Mason trat vor, baumlang, sehnig, blond. Er hatte stahlgraue Augen, war Sergeant-Major unter Kirby gewesen und gehörte zu den sechs Männern, die Kirby aus dem Krieg mit nach Laredo gebracht hatte.

»Mason, nimm dir Handley, Page, Murray und Corzon!« befahl Kirby scharf. »Jeder zwei Pferde, Proviant und genug Munition. In drei Minuten steht ihr fertig draußen, verstanden?«

»In drei Minuten fertig draußen, Befehl, Sir!«

Sie stürmten sofort hinaus. Voran der hagere Murray, der beste Gewehrschütze, den Kirby jemals gesehen hatte. Dann Handley, ein stämmiger, völlig ruhiger Mann, aber ein Mann, der lautlos töten konnte. Lee Page folgte Murray wie ein Schatten. Page konnte nachts beinahe so gut wie am Tag sehen. Er besaß Falkenaugen, sah alles, sah die kleinste, verdächtige Bewegung.

Den Schluß machte Manuel Cor­zon, ein Mann aus dem Carrizo-Streifen, der ständig vier Wurfmesser bei sich trug, einem Raubtier glich, Schultern wie ein Elefant besaß, Kraft hatte, daß er Eisen verbiegen konnte. Und doch war er ein Schleicher, wie es vielleicht keinen zweiten gab.

»Kirby«, polterte der alte Bill. »Fünf Mann sollen reichen? Nimm zehn mit, fünfzehn, soviel du willst. Es sollen über ein Dutzend Bravados gewesen sein. Vielleicht haben jenseits der Grenze noch mehr gewartet, was? Dieses verfluchte Gesindel.«

»Fünf Mann genügen«, antwortete Kirby knapp. »Ich reite in Artesia Wells vorbei. Schick mir ein paar Männer mit Pferden für Kimball nach.«

»Die Spur dürfte längst tot sein«, knurrte der Alte. »Ein Glück, daß diese Halunken nicht noch Jennifer mitgenommen haben. Kirby, du mußt McCoy finden.«

»Unsere Pferde und die Ladung zuerst«, antwortete Kirby finster. »Hör mir mit McCoy auf. Wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um.«

»Kirby, nimm Vernunft an, die Zukunft der R & W hängt davon ab, daß du McCoy findest und herausholst.«

»Du weißt nicht mal, um was für Aufträge es sich handelt«, gab Kirby scharf zurück. »Geschäfte mit Yankees, die Texas zu ihrer Kolonie gemacht haben, wie? Hol’s der Teufel…! Na gut, ich werde ihn schon finden, tot oder lebendig. Ich sage dir, wenn Cavett wirklich dahintersteckt, dann sind fünftausend Dollar gerade eine Anzahlung, der Hund wird mehr haben wollen, er läßt den Yankee vielleicht niemals frei.«