Inhalt

  1. Cover
  2. Über die Autorin
  3. Über dieses Buch
  4. Titel
  5. Impressum
  6. Einführung
  7. Teil I Gutle, Hannah, Henriette
  8. 1 Die Mutter des Geschäfts
  9. 2 »Nur eine Maschine«
  10. 3 Die Erfindung der Familie
  11. 4 Jagd nach einem Ehemann
  12. 5 Madame Montefiore
  13. 6 Ein gesünderes Klima
  14. 7 Concordia, Integritas, Industria
  15. 8 Verrat
  16. 9 Das finanzielle Talent der Mrs Rothschild
  17. 10 Eine Hochzeit und eine Beerdigung
  18. TEIL II CHARLOTTE, HANNAH MAYER, LOUISE
  19. 11 »Diese Welt voll Nebel und Sorgen«
  20. 12 Wegverheiraten
  21. 13 Einheiraten
  22. 14 Das Management der Kindheit
  23. 15 Eine Muse
  24. 16 »Wir haben sicherlich nicht so viel Hass verdient«
  25. 17 Der große Abgrund
  26. 18 Schlupflöcher und Vermächtnisse
  27. 19 Leben im Hotel
  28. 20 Die Lektion einer Mutter
  29. TEIL III CONSTANCE, EMMA, HANNAH, BLANCHE
  30. 21 Flirts
  31. 22 Erben und Grazien
  32. 23 Die Rose und der Löwe
  33. 24 Jungfräuliche Reden
  34. 25 Blanche in Böhmen
  35. 26 Das königliche Siegel
  36. 27 Rettung und Vorbeugung
  37. 28 Erhebungen
  38. 29 »In der Nacht sind schwere Geschütze gekommen«
  39. TEIL IV RÓZSIKA, DOLLY, MIRIAM, NICA, ROSIE
  40. 30 Grenzüberquerung
  41. 31 Stellungsbefehl
  42. 32 Wiederaufbau
  43. 33 Berufung
  44. 34 Vor den Bomben
  45. 35 Waffenschwestern
  46. 36 Echos
  47. 37 Die Baroness, der Vogel und der Mönch
  48. 38 Königin der Flöhe
  49. 39 Spare Rib und der »Subversive Stich«
  50. 40 »Ein glorreicher Indian Summer«
  51. 41 Mütter und Töchter
  52. Danksagung
  53. Personen
  54. Rothschild-Adressen
  55. Der Stammbaum der Rothschilds
  56. Bildnachweis
  57. Quellen
  58. Namen und Begriffe

Über die Autorin

Natalie Livingstone ist in London geboren und aufgewachsen. Sie schloss 1998 mit einem erstklassigen Abschluss in Geschichte am Christ’s College in Cambridge ab. Ihre Karriere als Feuilletonistin begann sie beim Daily Express. Heute schreibt sie für verschiedene Magazine, u. a. für US VOGUE, ELLE und THE TIMES. Als Romanautorin hat sie sich in England bereits einen Namen gemacht. Natalie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in London.

Über dieses Buch

Die verborgene Geschichte der berühmten Dynastie

Ihre Dinnerpartys waren legendär, sie haben Wahlkämpfe choreographiert, sich für soziale Reformen eingesetzt, an der Börse gehandelt und wissenschaftlich geforscht. Hinter den Kulissen hielten sie die Fäden in der Hand, aber in Erscheinung traten immer nur ihre Männer: die Frauen der mächtigen Rothschilds.

Die Historikerin Natalie Livingstone bereitet den geheimen Protagonistinnen endlich die ihnen zustehende Bühne. Beginnend mit Gutle Rothschild, der Mutter der Dynastie, erzählt sie die faszinierenden Lebensgeschichten der bislang unterschätzten Seite der Familie. Entstanden ist nicht nur eine Würdigung, sondern ein völlig neuer Blick auf über 200 Jahre europäischer Geschichte.

»Fesselnd, intim, schillernd, episch und aufschlussreich – dies ist eine brillante Geschichte der faszinierendsten und einflussreichsten Dynastie voller Politik und Glanz.«

SIMON SEBAG MONTEFIORE

»Natalie Livingstone zeigt, dass die Rothschild-Frauen die Samthandschuhe waren, mit denen sie die eiserne Faust ihrer männlichen Verwandten führten.«

HANNAH ROTHSCHILD

DIE FRAUEN DER ROTHSCHILDS erzählt eine Geschichte von Kunst, Kultur, Politik und Geld in Europa durch die Perspektive derer, die im Raum waren, aber oft unsichtbar geblieben sind. Ihre Geschichte ist keine Geschichte von Engeln und Märtyrern. Wir finden Tapferkeit, Vorstellungskraft und Intelligenz, aber auch Täuschung, Ignoranz und Anspruchsdenken. Diese Frauen waren Außenseiter und Konformisten, Konservative und Idealisten, Performer und Einsiedler. Alle waren sie jedoch durch ihren Namen gebunden, durch einen Wust von Erwartungen und Privilegien sowie durch ein Gefühl, von der männlichen und christlichen Welt um sie herum ausgeschlossen zu sein. Natalie Livingstone lenkt die Aufmerksamkeit auf diese Frauen und wirft Licht auf diese vernachlässigten Quellen der Macht, Vorstellungskraft und Innovation in der europäischen Geschichte. Gekonnt schenkt sie diesen komplizierten, privilegierten und begabten Frauen ein wenig von der Aufmerksamkeit, die sie schon lange verdient haben.

NATALIE LIVINGSTONE

Die FRAUEN der
ROTHSCHILDS

Das unterschätzte Geschlecht der
mächtigsten Dynastie der Welt

Aus dem Englischen von Rainer Schumacher

QUADRIGA

Einführung

Rothschild. Ein Name, der Bilder von Reichtum und Macht heraufbeschwört. Ein dynastischer Faden, der große Häuser und goldene Lebensart miteinander verbindet. Eine Bank, deren Unterstützung Monarchen und Staatsmänner auf der ganzen Welt suchten. Eine Bank, deren Entscheidungen Märkte bewegen konnten und deren Berühmtheit zwei Jahrhunderte voller historischer Veränderungen überdauerte. Der schnelle und dramatische Aufstieg der Rothschilds aus der beengten Welt des Frankfurter Ghettos in die Hauptstädte Europas ist sowohl das Thema zahlreicher Bücher als auch unzähliger Verschwörungstheorien. Es gibt nur wenige Studien über das moderne Judentum, die Finanzwirtschaft des 19. Jahrhunderts oder die Gründung des Staates Israel, in denen die Rothschilds nicht vorkommen. Die Dynastie ist so tief in die europäische Geschichte verwoben, dass man die Rothschilds schon als »die erste Europäische Wirtschaftsgemeinschaft« bezeichnet hat, und die moderne jüdische Geschichte ist derart mit der des Hauses Rothschild verbunden, dass man sie die »First Family des Judentums« nennt oder sogar »die königlich-jüdische Familie«. Aber was auf den ersten Blick als eine der am besten dokumentierten, wohlbekanntesten und durch und durch mythologisierten Dynastien erscheint, ist in Wahrheit nichts dergleichen. Denn die Hälfte der Rothschilds, nämlich die Frauen, ist fast unbekannt.

Nahezu alles über die Rothschilds – all die Bücher und Artikel, die Kolumnen, Mythen, Filme und Theaterstücke – drehen sich ausschließlich um die Männer der Familie. Mayer Amschel Rothschild wird stets als der »Gründervater« beschrieben, als habe die Dynastie ihren Ursprung nur in ihm allein. Und während seine und die Söhne seiner Frau Gutle, insgesamt fünf an der Zahl, weltberühmt sind, kennen nur wenige auch nur eine einzige ihrer fünf Töchter. Selbst Bücher, die behaupten, die Familie als Ganzes zu behandeln, beschäftigen sich tatsächlich nur mit den Männern. Count Cortis The Rise and Reign of the House of Rothschild besteht aus zwei Bänden und 34.140 Zeilen Text, von denen sich jedoch 34.000 allein auf die Männer konzentrieren11. Selbst Niall Fergusons »Die Geschichte der Rothschilds«, ein neueres Werk, das auch die Archive der Frauen als Quellen heranzieht, enthält mehr als fünfmal so viele Referenzen zu den Männern der Familie wie zu den Frauen.2

Die Wurzel dieser Ausgrenzung ist klar: Die Finanzwelt des 19. Jahrhunderts, in der die Familie zu Berühmtheit gelangte, war eine männliche. Aber die Rothschilds waren nie nur eine Bankiersfamilie. Zwar gründete ihr Einfluss stets auf ihren Bankgeschäften, doch er reichte weit darüber hinaus, in Literatur, Bildung, Sport, Naturwissenschaften, Gartenbau, Musik und Politik. Und dass die Frauen der Familie genau diesen Beschäftigungen nachgegangen sind, wird einem bei einem Blick in die historischen Aufzeichnungen sofort klar: Ihre Namen erscheinen in zeitgenössischen Zeitungsartikeln, Memoiren und Abonnentenlisten, Abbildungen von ihnen finden sich in Karikaturen, auf Fotos und auf Familienporträts. Aber sie bleiben stumm, ihre Geschichten unerzählt. Werke, die sich ausschließlich mit den Frauen der Familie Rothschild beschäftigen, beschränken sich auf eine Handvoll Essays und ein paar Einzelbiografien. Die meisten davon sind von weiblichen Nachfahren der Familie geschrieben, die sich darüber wundern, warum ihre Vorfahren gleichen Geschlechts in den historischen Aufzeichnungen nicht auftauchen.

Vor ein paar Jahren bin ich auf eines dieser Werke gestoßen: Rothschild Women von Miriam Rothschild, ein Essay in einem Katalog zu einer Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt3. Das Leben der Autorin, die 2005 verstorben ist, war an sich schon ein überraschender Hinweis darauf, dass die Frauen der Rothschilds bisher sträflich vernachlässigt worden sind. So fand ich heraus, dass Miriam eine typische Universalgelehrte des 20. Jahrhunderts war: eine brillante Zoologin, die unter anderem in Bletchley Park gearbeitet hat, und eine Pionierin der Umweltbewegung. Sie hat sowohl zu Schizophrenie geforscht als auch zu Gartenbauthemen, saß als erste Frau im Aufsichtsrat des Naturhistorischen Museums London und war als »Königin der Flöhe« bekannt, da sie sich wie kaum jemand sonst mit den flügellosen Insekten auskannte. »Es ist vollkommen unmöglich, sich auf ein Treffen mit Miriam Rothschild vorzubereiten«, schrieb ein Journalist. »Stellen Sie sich Beatrix Potter auf Speed vor. Das kommt dem schon recht nahe.«4 Dank Miriams Essay begann ich, immer mehr über eine ganze Linie von Rothschild-Frauen zu lernen, jede einzigartig in ihren Talenten, ihrem Charakter und in dem, was sie getan und geleistet hat. Nur eines hatten sie alle gemeinsam: die Prägung durch ihre außergewöhnliche Familie.

Miriam begann ihren Essay mit einem Zitat der Literaturkritikerin und Spezialistin für jüdische Geschichte Naomi Shepherd: »In der gesamten historischen Literatur, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts produziert worden ist, sind Frauen nur eine Fußnote in der Geschichte des jüdischen Überlebens.« Und nirgends, so erkannte ich, war das stärker ausgeprägt als in der Geschichte der Rothschild-Frauen. Inspiriert von Miriams Essay begann ich daraufhin mit meinen eigenen Studien zu diesen äußerst faszinierenden »Fußnoten«. Die Geschichte der Frauen der Familie Rothschild beginnt mit einem Ausschluss. Mayer Amschel Rothschild, der Gründer der Bankiersdynastie, verbot seinen weiblichen Nachfahren und den Ehefrauen der männlichen in seinem Testament ausdrücklich, je Anteile am Vermögen der Bank zu halten oder gar in die Entscheidungsprozesse einzugreifen. Deshalb hatte ich auch nicht erwartet, dass die Geschichte der Rothschild-Frauen ein Spiegelbild der männlichen sein würde; aber wie unterschiedlich sie wirklich war, das hat mich dann doch überrascht.

Je mehr ich recherchierte, desto mehr staunte ich über all die Leben, die in vorhergehenden Werken übersehen worden waren, wie auch über die komplizierten Muster aus Einflüssen und Reaktionen, die diese Biografien zusammenhielten. Am Anfang von alledem steht die Mutter des Geschäfts, Gutle, die ihren Mann über die Mitgift mit dem nötigen Grundkapital versorgt hat, und während sie sich um den Familienhaushalt kümmerte, hat sie auch noch eine wichtige Rolle in den frühen Jahren der Bank gespielt. In der darauffolgenden Generation, als das Unternehmen der Rothschilds rapide wuchs, schufen zwei Persönlichkeiten – eine eingeheiratet und eine in die Familie geboren – äußerst unterschiedliche Modelle für die Frauen der Rothschilds im 19. Jahrhundert. Hannah Rothschild (geb. Cohen) wurde im Privaten zur unersetzlichen Ratgeberin des Gründers des englischen Zweigs der Familie, während sie gleichzeitig das öffentliche Bild der Rothschilds formte. Zur selben Zeit schuf Henriette Rothschild, ihre Schwägerin, ein kühneres Modell dessen, was eine Rothschild-Frau sein sollte. Nachdem sie sich den Versuchen ihres Bruders erfolgreich widersetzt hatte, sie an einen »unpassenden« Mann zu verheiraten, zog Henriette nach London und ehelichte einen Mann, den die meisten ihrer Verwandten nie kennengelernt hatten. Dann half sie ihm, sein eigenes Geschäft zu gründen, das in direkter Konkurrenz zu dem ihrer Familie stand. Später, während ihrer langen Witwenschaft, erlangte sie auch persönliche Berühmtheit ob ihrer Dinnerpartys in Mayfair und ihres »großen Fundus an gewagtem, altem jüdischen Humor«.

Die dritte Generation der Rothschild-Frauen, die erste, die in ungeheurem Wohlstand geboren wurde, baute auf die Möglichkeiten auf, die ihre Mütter und Tanten geschaffen hatten, aber sie unterwanderte sie auch. So sorgte Hannah Mayer Rothschild für einen Skandal, als sie einen Christen heiratete und dem Judentum abschwor. Louisa de Rothschild wiederum ging ganz und gar im Studium der Literatur und Religion auf, und Charlotte von Rothschild sollte in die öffentliche Rolle schlüpfen, die Hannah begründet hatte. Es dauerte auch nicht lange, bis Charlotte die einflussreichste Gastgeberin im viktorianischen London geworden war. Ende des 19. Jahrhunderts sollte dann eine vierte Generation von Rothschild-Frauen einer noch größeren Zahl von unterschiedlichen Beschäftigungen nachgehen. Sie stellten die Familienregel auf die Probe und brachen sie manchmal auch, während sie in Kunst und Politik neue Rollen für sich suchten. Die einflussreiche Grosvenor Gallery, ein Zentrum für viktorianische Maler, die von der konservativen Royal Academy of Arts ausgeschlossen waren, wurde von einer Tochter der Familie Rothschild mitbegründet: Blanche Lindsay. Unter dem Titel Lady Rosebery entwickelte die Frau, die als Hannah Rothschild geboren worden war, einen beachtlichen politischen Einfluss. Sie verwandelte ihr Heim ins »gesellschaftliche Hauptquartier des Liberalismus« und brachte ihren Mann auf den Pfad zum Amt des Premierministers. Constance Rothschild wiederum war so entsetzt ob der sozialen Probleme im spätviktorianischen London, dass sie sich voll und ganz sozialen Reformen widmete. Auch war sie eine der treibenden Kräfte in der Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts. Emma, Lady Rothschild, hingegen hielt sich weitgehend im Hintergrund und nahm unter großen Opfern die traditionelle Rolle einer Rothschild-Matriarchin an, um die Familie durch all die Umwälzungen und Turbulenzen im Großbritannien des Fin de Siècle zu führen.

Die Geschichte der Familie zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde von zwei Frauen beherrscht, die in die Familie Rothschild eingeheiratet hatten: Rózsika, geb. Wertheimstein, war eine verwegene ungarische Intellektuelle mit einer Leidenschaft für den Eiskunstlauf und die Werke von Marcel Proust, während Dolly, geb. Pinto, eine privilegierte, scharfsinnige junge Frau war, die noch als Teenager mit einem älteren Rothschild verheiratet wurde. Im Ersten Weltkrieg in Positionen mit enormer politischer Verantwortung gedrängt, bewiesen diese Frauen sich als talentierte Diplomatinnen und Lobbyistinnen. Sie spielten eine bis dahin verkannte Rolle in den außenpolitischen Debatten, die in die »Balfour-Deklaration« mündeten, in der die britische Regierung sich der Schaffung einer jüdischen Heimat in Palästina verschrieb.

Dann, in der sechsten Generation, erkämpften Rózsikas Töchter sich ein Leben, das nur eine Generation zuvor noch undenkbar gewesen wäre, Miriam als Universalgelehrte und Wissenschaftlerin und Nica als Freundin und Förderin der wichtigsten Jazzmusiker des Jahrhunderts. Und da endet die Geschichte noch nicht: Ich lernte, dass Inspiration und Einfluss, die ihren Anfang Ende des 18. Jahrhunderts genommen hatten, sich bis in die siebte und achte Generation verfolgen lassen, bis zu den Rothschild-Frauen, die ihre Spuren als Feministinnen, Ökonomen, Schriftstellerinnen und Filmschaffende hinterlassen haben.

Je mehr ich forschte, desto mehr staunte ich auch über die Vielfalt und Bedeutsamkeit der Erfolge der weiblichen Rothschilds. Sie hatten Wahlkämpfe geleitet, waren Zeuginnen von Revolutionen und hatten an der Börse gehandelt. Sie hatten Premierminister beraten und wichtige Rollen in der Bürgerrechtsbewegung gespielt, die zur Wahl des ersten britischen Premierministers jüdischen Glaubens führte. Sie hatten wichtige feministische Werke verfasst und großen Einfluss auf die Kunstkritik genommen. Eine sorgte für einen großen, weltweiten Skandal im Frauentennis, als sie den Aufschlag über Kopf einführte; eine schockierte ihre eigene Familie, indem sie recht tief in die Halbwelt der Jazz-Cafés und Nachtclubs im Manhattan Mitte des 20. Jahrhunderts eintauchte, und eine züchtete Füchse, pflegte Flöhe in Säcken an ihren Bettpfosten zu halten und erklärte, die kleinen Tierchen unter dem Mikroskop zu untersuchen sei »besser als Marihuana«. Die Frauen der Rothschilds haben ihre Gedanken und Erfahrungen in Zeitungskolumnen und Memoiren niedergeschrieben, in begeisternden Briefen, Kurzgeschichten und schmerzhaft ehrlichen Tagebucheinträgen. Sie hatten ihre eigenen Archive, ihre eigene Kultur und Community, ihre eigenen Errungenschaften. Sie waren nicht einfach nur das weibliche Gegenstück zur männlichen Linie der Rothschilds. Sie bildeten eine eigene Dynastie.

Die Geschichte dieser Dynastie beginnt genau wie die der Männer im jüdischen Ghetto von Frankfurt und findet ihre Fortsetzungen in den Finanzhauptstädten Europas. Aber es ist nicht die gleiche Geschichte. Von Anfang an unterschied sich die Erfahrung der Frauen drastisch von der ihrer Brüder, Väter und Ehemänner. Sie waren der Macht stets nahe genug, um sie zu berühren, doch nie so nah, als dass sie sie hätten umarmen können. Sie waren gebildet und talentiert genug, um Bücher zu schreiben, aber nicht frei genug, um sie unter ihrem eigenen Namen zu publizieren. Sie gehörten einer der reichsten Familien der Welt an, aber sie hatten so gut wie kein eigenes Einkommen, das sie nach eigenem Gutdünken hätten ausgeben können. Doch mit Intelligenz, Entschlossenheit und, ja, auch mit reiner Sturheit gelang es ihnen dennoch, der Geschichte ihren Stempel aufzudrücken. Dabei stand ihnen immer die Familiengeschichte im Weg, vor deren Hintergrund bestimmte Erwartungen an sie gerichtet wurden. Im späteren Verlauf ihres Lebens wurde Gutle, die Urmutter der Rothschilds, als fromme, bescheidene und sich selbst aufopfernde Frau geradezu mythologisiert, die sich weigerte, das Heim der Familie in der Judengasse zu verlassen – ihre »bescheidene Hütte« –, und das trotz des Reichtums und der Macht ihrer Söhne. Das ist zumindest der Mythos, der gezielt von der männlichen Linie erschaffen worden ist, die ihre Vorfahrin zum Ideal einer Rothschild-Frau stilisieren wollte: geschäftig, pflichtbewusst und fruchtbar.

Bis zu einem gewissen Punkt erfüllten die Frauen der Familie diese Rolle auch. Nur selten rebellierten sie gegen die Erwartungen, die mit ihrer Position einhergingen. Wie Miriam in ihrem Essay bemerkte: »Da gab es keine Rosa Luxemburg, keine Emma Goldman, keine Golda Meir und noch nicht einmal eine Lily Montefiore.« Als deutsche Jüdinnen in einer christlichen Gesellschaft und als Frauen in einer zutiefst patriarchalischen Familie ließen sie äußerste Vorsicht walten. Leise, vorsichtig und über Generationen hinweg gelang es ihnen aber dennoch, sich neue Wege zu erschließen. Jede Einzelne eröffnete neue Möglichkeiten für ihre Töchter und Enkelinnen. Die Geschichte der Rothschild-Frauen ist keine Geschichte des offenen Konflikts, sondern eine von komplizierten und manchmal schwierigen Verhandlungen. Stets bewegten sie sich zwischen Kreativität und Konformität, zwischen Trotz und Kompromiss, zwischen Verantwortung für die Familie und dem Ausleben ihres persönlichen Potenzials.

Ihr Reichtum konnte sie allerdings nicht vor dem ganzen Ausmaß des menschlichen Leids schützen. Krankheit, gebrochene Herzen und Verfolgung sind Leitmotive für viele dieser Frauen, wie wir es auch aus den Biografien anderer bemerkenswerter Frauen kennen: Leistungen werden übersehen, Ideen nicht geschätzt und oft auch ignoriert. Allein der Name »Rothschild« war schon Grund zur Furcht. Frauen, die außerhalb des »Einzugsbereichs« dieses Namens heirateten, wurden von einem Augenblick auf den anderen von der Familie ausgestoßen und als potenzielle Konkurrenz betrachtet. Und jene, deren Name durch eine arrangierte Hochzeit mit einem entfernten Rothschild-Cousin geschützt wurde, wurden oft Teil eines anderen Familienzweigs und in ein anderes Land geschickt, wo sie eine neue Sprache und Kultur erlernen mussten. Manche blühten unter diesen Bedingungen sogar auf: Charlotte de Rothschild, die ihre Kindheit in Frankfurt und Neapel verbrachte, wurde zur Galionsfigur der englischen Rothschilds, nachdem sie ihren Cousin Lionel geheiratet hatte. Als Gastgeberin im viktorianischen London sagte man ihr nach, ihre Einladungen seien begehrter als die der Königin. Andere hatten jedoch Probleme.

Im 19. Jahrhundert waren die Rothschild-Frauen überdies gleich doppelt isoliert: zum einen als Jüdinnen in einer christlichen Gesellschaft und zum anderen als Frauen angesichts der männlich geprägten Kultur ihrer eigenen Familie. Also rotteten sie sich zusammen und sorgten häufig dafür, dass sie nah beieinanderlebten. Auch schrieben sie sich endlose Briefe. »Wir Rothschilds sind unverbesserliche Schreiberlinge«, schrieb eine von ihnen5. Jeder Historiker, der die Familiendokumente durchgeht, wird einem zustimmen: Allein das Archiv einer der fleißigsten Briefeschreiberinnen der Familie enthält Hunderte von Briefen pro Jahr und das fast die ganze viktorianische Ära hindurch. Und die eifrigste Tagebuchschreiberin hat Dutzende von Bänden gefüllt, die mehr als fünfzig Jahre umspannen, jeder einzelne in einer geradezu winzigen Schrift gehalten. Diese Schriften gewähren einen einzigartigen Einblick darin, wer diese Frauen waren und was sie angetrieben hat. Auch zeigen sie den Prozess, durch den sie ihre Community zu dem geformt haben, was Miriam Rothschild »eine parallele, aber separate kleine Welt« genannt hat.

Die Frage, wer in dieser »separaten kleinen Welt« leben durfte und wer nicht, war nervenaufreibend. Die Grenzen der Familie wurden streng überwacht, und nur durch sorgfältig arrangierte Ehen kam man hinein oder hinaus. Viele Frauen bewegten sich jedoch auf die eine oder andere Weise über diese Grenzen hinweg: Sie verloren den Namen Rothschild durch Heirat, identifizierten sich aber weiterhin stark mit der Familie, in die sie hineingeboren worden waren. Oder sie sind in einer anderen Familie geboren worden, waren aber durch die Ehe verpflichtet, sich ein Leben innerhalb der Rothschilds aufzubauen. Manchmal wollten diese Frauen auch kein Teil der Rothschild-Gemeinschaft werden, ergaben sich dann aber in ihr Schicksal. Andere wiederum wollten zu dieser Gemeinschaft gehören, wurden allerdings daran gehindert. Identität ist jedoch nie wirklich klar definiert oder schwarz und weiß, und die Biografien, die wir in den folgenden Kapiteln erkunden werden, umfassen viele spannende und faszinierende Identitäten. Name und Nationalität verkomplizieren sie dabei genauso wie Geschlecht und Religion.

Dieses Buch ist kein Versuch, jede einzelne Rothschild-Frau mit einem allumfassenden Bericht zu würdigen. Solch ein Unterfangen wäre schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Die Familie gründete in ganz Europa Banken – in den fünf Städten Paris, Wien, Neapel, Frankfurt und London –, und dort gab es auch Communitys von Rothschild-Frauen. Innerhalb dieser Communitys entwickelten sich viele unterschiedliche Freundschaften, Cliquen und Familien. Im 20. Jahrhundert, als die Bank an Vermögen verlor und damit auch an Autorität innerhalb der Familie, zog es die Frauen immer weiter weg auf der Suche nach einem eigenen Leben.

Dieses Buch beschäftigt sich mit nur einer Linie von RothschildFrauen innerhalb des englischen Zweigs der Familie, von Beginn des

19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 21. Aber auch wenn ich mich nur auf diesen einen Zweig konzentriere, so gibt es doch noch immer viele Frauen, die ich leider nicht miteinschließen kann, vor allem aufgrund fehlender Quellen (viele Archive dieser Frauen sind ausgeplündert oder gezielt zerstört worden). Ich kann nur hoffen, dass spätere Historiker die außergewöhnlichen Geschichten dieser Auswahl an Rothschild-Frauen zu weiteren Studien inspirieren, um auch jene zu würdigen, die unerwähnt bleiben, obwohl sie es verdient haben.

Wenngleich die Frauen in diesem Buch durch ihre Verbindung zum englischen Zweig der Familie definiert sind, so reichen ihre Geschichten doch weit über England hinaus. Sie erstrecken sich vom East End Londons bis zur Ostküste der USA, von Spitalfields bis zu den schottischen Burgen, von Bletchley Park bis Buchenwald und vom Vatikan bis nach Palästina. Zur Besetzung gehören auch Rossini und Mendelssohn, Disraeli, Gladstone und Chaim Weizmann. Es treten auf Drogenhändler, Königin Victoria, Abstinenzler und Albert Einstein. Die Lebensläufe der in diesem Buch besprochenen Frauen erstrecken sich über dramatisch unterschiedliche Orte und Zeiten. Mayer Amschels Testament von 1812, das den Frauen jede Beteiligung am Bankgeschäft verbot, hatte nur noch wenig Einfluss auf seine Nachfahren im 20. Jahrhundert, als Nica Rothschild Flugzeuge steuerte, in der französischen Résistance kämpfte und Drag Races gegen Miles Davis in Manhattan fuhr.

Die Frauen der Rothschilds erzählen eine Geschichte von Kunst, Kultur, Politik und Geld in Europa durch die Perspektive derer, die im Raum waren, aber oft unsichtbar geblieben sind. Ihre Geschichte ist keine Geschichte von Engeln und Märtyrern. Wir finden Tapferkeit, Vorstellungskraft und Intelligenz, aber auch Täuschung, Ignoranz und Anspruchsdenken. Diese Frauen waren Außenseiter und Konformisten, Konservative und Idealisten, Performer und Einsiedler. Alle waren sie jedoch durch ihren Namen gebunden, durch einen Wust von Erwartungen und Privilegien sowie durch ein Gefühl, von der männlichen und christlichen Welt um sie herum ausgeschlossen zu sein. Indem ich die Aufmerksamkeit auf diese Frauen lenke, hoffe ich zum einen, Licht auf die vernachlässigten Quellen der Macht, Kraft und Vorstellungskraft in der europäischen Geschichte zu werfen, und zum anderen, diesen komplizierten, privilegierten und begabten Frauen ein wenig von der Aufmerksamkeit zu schenken, die sie schon lange verdient haben.

Teil I
Gutle, Hannah, Henriette

1 Die Mutter des Geschäfts

Die Mutter der Rothschild-Dynastie wurde 1753 in einem finsteren, engen Ghetto geboren. Schon Jahrhunderte vor der Geburt von Gutle Schnapper hatte man die Juden von Frankfurt auf einem Stück Land vor der östlichen Stadtmauer zusammengepfercht.6 Das war die sogenannte »Judengasse«, und Gutle musste davon ausgehen, dass sie ihr ganzes Leben dort verbringen würde. Frankfurts Juden wurden inmitten der dichtgedrängten Häuser geboren, beteten in der Synagoge dort und kauften dort auf dem Markt ein. Sie lernten, arbeiteten und starben an diesem Ort.

Die Grenzen ihrer Welt waren durch den Stadtrat schon vor Jahrhunderten strikt festgelegt worden, nur passten sie inzwischen nicht mehr zu der stetig wachsenden jüdischen Bevölkerung. Da die Juden sonst nirgendwohin konnten, waren sie gezwungen, die Gebäude immer höher zu bauen. Auch ragten die höheren Stockwerke deutlich über die unteren hinaus, um bei begrenzten Grundstücken mehr Wohnraum zu schaffen.7 Als Gutle alt genug war, um die Gasse hinunterzugehen, war der Blick auf den Himmel über ihr kaum breiter als zwei Armlängen. Es gab so wenig Tageslicht in der Judengasse, dass jedem Besucher sofort auffiel, wie blass die Juden hier waren. Auch machten die stickige, verrauchte Luft und der Gestank aus der Kanalisation es schwer, zu atmen.

Zur nächtlichen Sperrstunde und an christlichen Feiertagen wurden die Tore an beiden Enden der Judengasse geschlossen und die jüdische Bevölkerung der Stadt de facto eingesperrt. Zu anderen Zeiten waren die Juden, die sich aus dem Ghetto wagten, einer Vielzahl von bedrohlichen und demütigenden Regeln ausgesetzt. Wenn sie zum Beispiel nichtjüdische Straßen und Märkte besuchten, dann durften sie kein Obst und kein Gemüse anfassen. Und wenn jemand, und sei es ein Kind, zu ihnen sagte: »Mach Mores, Jud!« (Tu deine Pflicht, Jude!), dann waren sie dazu angehalten, den Hut zu ziehen und Platz zu machen.8 Wenig überraschend beschlossen daher einige von ihnen, die Enge der Judengasse nie zu verlassen. Außen an den Toren des Ghettos hing der Reichsadler, das Symbol, dass die Juden unter dem Schutz des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation standen. Doch die Juden in der Gasse gaben sich keinerlei Illusionen hin. Das war keine Zuflucht; das war ein Gefängnis.

Abbildung 1
Die Judengasse bildet den nordöstlichen Teil der kurvigen Straße, die auf der Brücke über den Main ihren Anfang nimmt.
Sie wurde außerhalb der alten, inneren Stadtmauer angelegt.

Die Häuser in der Judengasse hatten keine Nummern. Stattdessen trug jedes einen Namen gemäß dem Schild über seinem Eingang: das Haus zum Roten Schild, zum Löwen, zur Laterne, zur Katze. Gutles Familie, die Schnappers, lebten im Haus zur Eule, direkt hinter dem Ghettotor und in Hörweite eines Schlachthofs. Gebaut im Hinterhof eines älteren Gebäudes, hatte das Haus zur Eule keinen direkten Straßenzugang. Wollte man dorthin, musste man durch eine schmale Gasse und durch einen Hof. Wie die meisten Häuser, die von mehr als einer Familie bewohnt wurden, so lebten auch die Schnappers mit anderen zusammen, den Geigers und den Scheyers.9

Im Vergleich zu anderen hatte Gutle jedoch auch Glück. Seit 1179 war es Christen untersagt, gegen Zinsen Geld zu verleihen. Einige Juden der Stadt, denen die meisten anderen Berufe ja verboten waren, hatten sich daher dem Geldgeschäft gewidmet. So entstanden Banken, die christlichen und jüdischen Kaufleuten gleichermaßen dienten.10 Mehrere Generationen lang hatten auch die Schnappers so ein Geschäft. Als Gutles Vater, Wolf Salomon Schnapper, 1752 Bella Gans heiratete, da lief die Schnapper-Bank gut genug, dass das Paar aus dem angestammten Heim der Familie, dem Haus zur Laterne, ins Haus zur Eule ziehen konnte. Als Bella am 23. August 1753 schließlich Gutle gebar – ihr erstes Kind –, hatte Wolf Salomon schon eine ganze Reihe von illustren Kunden, einschließlich des Herzogs Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen.11 Durch seine Arbeit für den Herzog verdiente er sich einen sogenannten Bankierspass, der es ihm gestattete, das Ghetto auch zu Zeiten zu verlassen, da der Rest der jüdischen Bevölkerung dort eingesperrt wurde.12 Das alles hieß jedoch nicht, dass die Familie Schnapper sicher war – vor Feuer, Gewalt und Krankheit, vor allen Dingen, die das Leben der Juden in Frankfurt bedrohten. Gutles Mutter Bella starb, als Gutle gerade einmal sechs Jahre alt war. Um seine Familie und die Verbindung zu seinen Schwiegereltern aufrechtzuerhalten, arrangierte Gutles Vater daraufhin sofort eine neue Ehe, und zwar mit seiner Schwägerin. So wurde Gutles Tante ihre Stiefmutter.13

Die Schnappers waren weder die wohlhabendste noch die respektabelste Familie im Ghetto, aber mit ihrem kleinen Geschäft und einem Familienstammbaum, der bis zu einer der ersten Familien zurückreichte, die im Ghetto ansässig wurde, den Gelhausers, waren sie hoch angesehen, und sie hatten obendrein auch mehr Geld als die meisten.14 Das Haus zur Eule diente gleichzeitig als Hauptquartier für das Geschäft der Schnappers, und so verbrachte Gutle ihre Kindheit umgeben von den Einrichtungsgegenständen und Utensilien einer kleinen Bank im 18. Jahrhundert. Wolf erwartete von seiner Erstgeborenen überdies, dass sie Lesen, Schreiben und Rechnen lernte. Diese Fähigkeiten sollten es Gutle ermöglichen, ihrem zukünftigen Ehemann zur Hand zu gehen. Tatsächlich verließen sich viele Geschäftsleute in der Judengasse auf ihre Frauen, zumal sie diese ja auch nicht entlohnen mussten, und Wolf Schnapper hat vermutlich vorausgesehen, dass Gutles Wissen im Bankgeschäft ihre Chancen auf eine gute Partie erhöhen würde. Allerdings hat er mit Sicherheit nicht vorausgesehen, welche Bedeutung die Dynastie bekommen würde, die mit der Ehe seiner Tochter ihren Anfang nehmen sollte. Der Ausgangspunkt des Rothschild-Imperiums war ein kleines Mädchen, das in der engen Welt des Frankfurter Ghettos nach Luft rang.

***

Abbildung 2
Die Judengasse, 1865.

Die physischen und juristischen Unterdrückungsmaßnahmen, denen die junge Gutle sich gegenübersah, hatten tiefreichende Wurzeln. Schon vor Errichtung der Ghettomauern hatte man die Juden der Stadt mittels Schikanen, Feindseligkeit, legalen Nachteilen und schierer Gewalt eingepfercht. Bereits vor Einrichtung des Ghettos hatte die Teilhabe der Juden am Finanzleben der Stadt zur Folge, dass die unterschwellige Feindseligkeit der christlichen Bevölkerung immer wieder durch geschäftsbedingte Vorurteile angefacht wurde. Über Jahrhunderte hinweg wurden Zeiten einer zerbrechlichen Toleranz immer wieder durch mörderische Massaker unterbrochen.15 Beim Pogrom von 1241 zum Beispiel wurden drei Viertel aller Juden der Stadt getötet. Ein Jahrhundert später ging in Folge des Schwarzen Todes eine Welle antijüdischer Gewalt durch ganz Europa, und auch in Frankfurt wurde das Judenviertel bis auf die Grundmauern niedergebrannt.16

Während Frankfurt immer mehr an Bedeutung gewann, wurden die Juden weiter in Schach gehalten. 1372, als die Stadt das Schultheißenamt vom Kaiser übernahm, wurde dann eine Reihe von Gesetzen erlassen, die verschiedene Formen der Diskriminierung formalisierte. Dies geschah in Form von strengen Regeln und Verboten, was die Arbeit, die Besteuerung und das Wohnrecht von Juden betraf. 1424 wurden all diese Gesetze und Regelungen dann erstmals in der sogenannten Judenstättigkeit zusammengefasst, die die Juden zwar als Stadtbewohner anerkannte, ihnen das Bürgerrecht aber verweigerte. Stattdessen wurden sie mit immer mehr Pflichten und Abgaben belastet, darunter eine »Schutzsteuer« in Höhe von 2.000 Gulden sowie eine jährliche Friedhofsmiete von 250 Gulden.17

1431 wurde die Zwangsumsiedlung der jüdischen Gemeinde aus der Stadtmitte erstmals diskutiert, als die römisch-katholische Kirche im Rahmen des Konzils von Basel erklärte, Juden sollten nur in extra für sie ausgewiesenen Arealen siedeln dürfen, weit weg von anderen Häusern und vor allem christlichen Kirchen.18 Die christlichen Kaufleute Frankfurts wiederum hatten andere – pragmatischere – Gründe, ihre jüdischen Konkurrenten aus dem ökonomischen Herzen der Stadt zu vertreiben. Doch was auch immer die Motivation sein mochte … das Areal, das man schließlich für die Juden bestimmte, war ein schmaler Streifen Land entlang der Ostmauer, im Stadtgraben. 1458 begann man dort mit dem Bau der Häuser. Zwei Jahre später wurden die Juden dann ins erste, per Gesetz eingerichtete Ghetto Europas getrieben.19

1610 lebten schon dreitausend Menschen in nur zweihundert Häusern.20 Neue Häuser entstanden zwischen den alten, und schließlich wurde auch in den Hinterhöfen der bestehenden gebaut sowie in den Gassen dazwischen.21 Irgendwann war jedoch auch dieser Raum aufgebraucht, und Nutzgebäude wie Ställe oder Ähnliches wurden in menschliche Behausungen umgewandelt. Gleichzeitig teilte man bereits existierende Häuser immer weiter auf, um mehrere Familien darin unterbringen zu können, und man baute auch immer mehr in die Höhe. Mit der Aufteilung kamen dann auch neue Namen. So wurde zum Beispiel ein Haus mit dem Namen »Zum Goldenen Löwen« in sieben Wohneinheiten unterteilt, und jede bekam ihr eigenes Schild, darunter »Löweneck« und »Löwengrube«.22 Abgestandenes Wasser und Müll verfaulten in den Höfen und Durchgängen, durch die Reste des alten Stadtgrabens floss ein stinkender Bach.

Gleichzeitig manifestierte sich der Judenhass in den christlichen Vierteln der Stadt in öffentlicher »Kunst«. So gab es ein Wandbild an einem der großen Wachtürme der Alten Brücke, das eine Gruppe von Juden in traditioneller rabbinischer Tracht zeigte, wie sie, angestiftet vom Satan, die Ausscheidungen eines Schweines fraß.23 Ein weiteres Bild, direkt darüber, zeigte ein totes Kleinkind, den Leib voller Stichwunden. Das sollte das Opfer eines jüdischen »Ritualmordes« sein, eine Praxis, die man den Juden schon lange unterstellte. Angeblich nutzten sie das Blut des Kindes für ihr ungesäuertes Brot. Normalerweise sollte solch ein Turm äußere Feinde abschrecken, doch in Frankfurt betrachtete man die Juden als Feind im Inneren.

Vor diesem Hintergrund aus Klaustrophobie und Unterdrückung entwickelte die Gemeinschaft, in die Gutle geboren wurde, ihre eigene Form von Politik und Kultur. Die Frankfurter Juden sprachen ihre eigene Sprache, Judendeutsch, besser bekannt als Jiddisch, eine Mischung aus Deutsch und Hebräisch. Auch hatten sie ihre eigenen Autoritäten, die genauso anfällig für Korruption und Amtsmissbrauch waren wie ihre christlichen Pendants.24 Trotz des Verbots von Druckerpressen im Ghetto publizierten die Frankfurter Juden hebräische Thorakommentare, säkulare Texte, religiöse Handbücher und populäre Balladen, die den Soundtrack von Gutles Kindheit bildeten.25 Die Synagoge und das Badehaus waren die ersten Gebäude, die 1711 und 1721 nach den großen Bränden im Ghetto neu aufgebaut wurden.26 Eine Dynastie von Rabbinern, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichte, zog Gelehrte aus ganz Europa in die Jeschiwa, die jüdische Hochschule, und Besucher staunten über die prachtvoll dekorierten Steinbögen, die hohen Fenster und den feinen Kupferschmuck der Synagoge.27 Zwischen den öffentlichen Gebäuden lagen Wein- und Bierlokale sowie Kaffeehäuser. Zwar verbot die Judenstättigkeit das Kartenspiel, das Würfeln und Roulette, doch andere Spielformen waren erlaubt, solange die Einsätze einen Kupferkreuzer nicht überstiegen.28

Dass sich im Ghetto auch eine eigene Hierarchie entwickelte, war unausweichlich.29 So gab es deutliche Unterschiede zwischen jenen, denen die Judenstättigkeit beschränkte Rechte einräumte, und Studenten von außerhalb sowie Dienern.30 Auch genossen unterschiedliche Personen einen unterschiedlichen Ruf. Vor allem geschätzt wurden Ärzte und Rabbiner, während man Zöllner und Nachtwächter eher verachtete, da man ihre Berufe mit Verbrechen in Verbindung brachte.31 Zudem gab es Unterscheidungen nach Wohlstand, zwischen Mittellosen und reichen Kaufleuten oder Bankiers, einschließlich der sogenannten »Hofjuden«, die all den großen und kleinen Fürsten dienten, welche den Flickenteppich bildeten, der als Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation bekannt war.

Indem sie sich auf ihre Geschäfte, ihre eigene Politik und ihre religiösen Pflichten konzentrierten, hatten die Männer des Frankfurter Ghettos sich ein gewisses Maß an Freiheit in der Judengasse und im Rahmen der Judenstättigkeit erarbeitet. Doch als Jüdin, als Frau, hatte Gutle Schnapper keinen Zugriff auf diese beschränkte Freiheit. Freitagabends, kurz nach Beginn des Sabbats, durfte sie nicht mehr in der Stadt. Man glaubte, Frauen würden sich dann »in Gruppen zusammenrotten« und »die Leute belästigen«, und wenn Gutle gegen diese Regel verstoßen hätte, dann hätten die Büttel sie »mit Fäkalien eingedeckt«.32 Ferner durften nur verheiratete Frauen am Sabbatmorgen in die Synagoge, und dann auch nur, wenn ihre Männer in der Judengasse geboren waren und somit unter die Judenstättigkeit fielen.33 Ehen mussten überdies rasch geschlossen werden, und der Partner wurde taktisch gewählt. Nur zwölf solcher Eheschließungen waren jährlich im Ghetto erlaubt.34

Abbildung 3
Mayer Amschel Rothschild, Gutles Mann und Gründer der Rothschild-Bank.

1770 gehörte Gutle zu den Glücklichen. Wolf Schnapper fand einen Mann für seine Tochter.35 Am 29. August, nach acht Tagen eingeschlossen im Haus ihrer Familie, ging Gutle durch die Judengasse zum Hof der Großen Synagoge. Der Mann, der dort auf sie wartete, schaute gelassen drein. »In seinen Augen spiegelten sich Vernunft und gesunder Menschenverstand.«36 Über einem Kapuzenmantel trug er einen Gebetsschal, den Tallit. Gutle war zu diesem Zeitpunkt gerade mal siebzehn Jahre alt.

Die Familie des Mannes war genauso wohlhabend wie ihre und hatte einen frommen Ruf. Doch der Mann, den Gutle heiraten sollte, war weder Rabbiner noch ein Gelehrter. Er hatte die letzten Jahre eine Lehre in einer Bank in Hannover gemacht, und seit seiner Rückkehr ins Ghetto hatte er sich ein kleines, eigenes Geschäft aufgebaut.

Er hieß Mayer Amschel Rothschild.

***

Der Name »Rothschild« stammte vom Namen eines Hauses in der Judengasse, dem Haus zum Roten Schild, das ein Vorfahre von Mayer Amschel um 1567 herum erbaut hatte.37 Zu der Zeit hatte »Roter Schild« sich nur auf das Haus bezogen, doch im Laufe der Jahrzehnte wurde der Name dann auch auf die Familie übertragen, die in dem Haus wohnte. Und als Mayer Amschels Ururgroßvater Mitte des 17. Jahrhunderts vom Haus zum Roten Schild ins Haus Hinterpfann gezogen war, da hatte sich diese Assoziation schon so verfestigt, dass der Name die Familie begleitete. Das war die Entstehung der Familie Rothschild.38

Drei Generationen später lebten die Rothschilds noch immer im Haus Hinterpfann, als Mayer Amschel 1744 als Sohn von Amschel Moses Rothschild und seiner Frau Schönche dort geboren wurde. Amschel Mayers Eltern starben beide innerhalb eines Jahres, wodurch das Studium ihres Sohnes an der berühmten Jeschiwa von Fürth unterbrochen wurde.39 Seine Brüder schickten ihn nach Hannover, wo er in der Bank von Wolf Jacob Oppenheim in die Lehre gehen sollte. Dort, in der Abteilung für seltene Münzen, konnte er seiner Faszination für Numismatik freien Lauf lassen.40 Münzsammler waren zu jener Zeit zumeist Aristokraten, und als Mayer Amschel im Alter von achtzehn Jahren wieder nach Frankfurt zurückkehrte, da war er nicht nur ein fähiger Münzhändler, sondern hatte sich auch schon ein beachtliches Netzwerk aufgebaut.41 Im September 1769 verlieh ihm ein Kunde in diesem Netzwerk, der gierige Münzsammler Wilhelm von Hessen-Kassel, den Titel eines Hoffaktors.42 Das war ein wichtiges Anzeichen dafür, dass Mayer Amschel Karriere machte, und ohne Zweifel ließ auch Wolf Schnapper sich vom jungen Rothschild mit seinem aristokratischen Förderer beeindrucken.43

Mayer Amschel hatte viel durch diese Eheschließung zu gewinnen. Die Schnappers waren eine angesehene Familie. Eine Verbindung mit ihnen lohnte sich. Und Gutles Mitgift war hoch. 2.400 Gulden stellten eine wichtige Kapitalspritze für Mayer Amschels Unternehmen dar, zumal er sich nicht mehr nur auf Münzen beschränkte, sondern sein Geschäft auf Antiquitäten und Textilien ausdehnte. Auch sollte es nicht mehr lange dauern, bis er sich auf ein weiteres Geschäftsfeld spezialisierte: Banken.44

Die Verbindung von zwei derart prominenten Familien stellte ein bedeutsames Ereignis für die jüdische Gemeinde dar. So fand die Hochzeit auch vor großem Publikum statt, einschließlich des Oberrabbiners, der Gemeindeältesten und der Gelehrten.45 Während der Zeremonie standen Gutle und Mayer Amschel nebeneinander und legten den Treueschwur ab. Als Symbol ihrer Verbindung waren ihre Hochzeitsgürtel an den Ösen miteinander verbunden.46 Am Ende der Zeremonie warf das Paar ein Weinglas gegen die Mauer der Synagoge, um an die Zerstörung des alten Tempels zu erinnern, wie sie in der Thora beschrieben ist.

Gutles und Mayer Amschels erstes Heim war das Haus Hinterpfann, wo Mayer Amschel seine Kindheit verbracht hatte und seine beiden Brüder Moses und Carl noch immer lebten. Das schmale, enge Haus stand direkt an der Ghettomauer und war zwischen die Gebäude davor gequetscht.47 Aus den oberen Fenstern hätte man theoretisch über die Mauer hinwegschauen können, doch sie waren zugemauert, um der christlichen Bevölkerung jenseits der Mauer »die Schmach« zu ersparen, dass Juden auf sie hinabblickten. Wie der Dichter Ludwig Börne über ähnliche Häuser in der Judengasse sagte:

»Das Sonnenlicht schien nie zwischen die engen Wände und niedrigen Decken vorzudringen.«48

In diesem Zwielicht gründete Gutle ihre Familie. Im August 1771 wurde Jeanette geboren. Ihr folgten Amschel Mayer (1773), Salomon Mayer (1774), Nathan Mayer (1777), Isabella (1781) und Babette (1784).49 Selbst in der damaligen Zeit war die Häufigkeit, mit der Gutle schwanger wurde, ungewöhnlich. Insgesamt sollte sie neunzehn Mal guter Hoffnung sein. Einige dieser Schwangerschaften endeten mit einer Totgeburt, ein paar ihrer Kinder starben früh. Zehn überlebten jedoch bis ins Erwachsenenalter.50

Doch Gutle produzierte und nährte nicht nur die nächste Generation von Rothschilds. In der Zeit steten finanziellen Wachstums konnte Mayer Amschel jede Hilfe brauchen, die er bekommen konnte, besonders in der Buchhaltung.51 Da sie in einer ähnlichen Umgebung aufgewachsen war, brachte Gutle jede Menge Geschäftserfahrung mit; außerdem verwaltete sie natürlich auch den Haushalt. Und sie war eine gnadenlose Buchhalterin. Trotz des zunehmenden Reichtums der Familie zweigte sie nur einen kleinen Teil davon für den eigenen Haushalt ab.52 Sie war der Inbegriff einer sparsamen Matriarchin, die laut einem Freund »nichts ausgab, sondern immer sparte«.53 In der Enge des Hauses Hinterpfann war Gutle ständig in Bewegung. Sie kümmerte sich um ihre immer größer werdende Kinderschar, behielt die Haushaltsausgaben im Auge, kochte und putzte … und all das, während sie gleichzeitig überschüssiges Geld ins Geschäft pumpte.

Die Männer der Familie wussten ihren Beitrag jedoch nur selten zu schätzen. Einer ihrer Söhne, Carl, schrieb später einen Brief an seinen Bruder Salomon, in dem er bissig bemerkte, dass Frauen »schlechte Kassierer« seien.54 Doch genau wie die männlichen Juden von Frankfurt auch mühten die Frauen der Rothschilds sich redlich ab, nur wurden sie dafür oft mit Verachtung belohnt.

2 »Nur eine Maschine«

Im November 1786 führte ein blühendes Geschäft dazu, dass Gutle und Mayer Amschel aus dem Haus Hinterpfann ausziehen und ein neues Haus kaufen konnten. Es lag fast genau in der Mitte der Judengasse. Das Haus zum Grünen Schild öffnete sich nach Westen, zu einer Gasse, die zum mittleren Tor des Ghettos führte, zu dem einzigen, durch das man direkt in die Stadt gelangte. Die Gasse war ungewöhnlich breit, und so war das Haus zum Grünen Schild auch besser durchlüftet und heller als die anderen Gebäude in der Straße.55 Die Treppe zum ersten Stock war zwar schmal und steil, aber auch mit einem schmiedeeisernen Geländer gesichert statt mit den üblichen verdreckten Seilen. Vorn im ersten Stock lag die gute Stube des Hauses, wo abends kurz Licht durch die Butzenfenster fiel.56 Das Haus zum Grünen Schild war aber nicht nur eines der auffälligsten in der Straße, es war auch eines der am besten eingerichteten. So hatte es einen eigenen Brunnen im Keller und eine Handpumpe, mit der man Wasser in die Küche pumpen konnte.57

Das Haus zum Grünen Schild beherbergte einen geschäftigen und chaotischen Haushalt. Überall lagen Kataloge herum, Münzen und andere teure Dinge, erworben von Mayer Amschel, als er sein Geschäft auf Antiquitäten ausgedehnt hatte: Schnitzereien, Edelsteine und Medaillen. Auch wuchs die Kinderschar immer weiter. Vier davon wurden in den Jahren nach dem Umzug geboren: Carl (1788), Julie (1790), Henriette (1791) und Jacob, genannt James (1792).58 Später, als das Haus dank der Dynastie, die dort ihren Ursprung hatte, berühmt geworden war, wurde es für Besucher umgebaut. Das Kontor, das in einem kleinen Nebengebäude hinter dem Haus lag, wurde möbliert und mit einer Geldkiste ausgestattet. Dazu kamen ein Schreibpult, ein Sessel und ein Schrank für die Kassenbücher.59 Im späten 18. Jahrhundert war das Haus ein hektischer, chaotischer Ort. Schränke standen offen, und überall lagen Papiere herum. Nur wenige Dinge waren weggeschlossen, und ständig kamen und gingen Kunden und Familienmitglieder.60 Der einzige wirklich sichere Ort war ein zweiter, geheimer Keller, den man über eine Falltür unter der Treppe erreichen konnte.61

Abbildung 4
Das Haus zum Grünen Schild, wo Gutle und Mayer Amschel seit 1786 lebten.

Im Herbst 1792, ein paar Monate nach der Geburt von Gutles jüngstem Sohn Jacob/James, erreichten die Kriege im Zuge der Französischen Revolution Frankfurt und die Judengasse. Französische Soldaten stürmten die Stadt, und im Oktober flatterte die Trikolore vor dem Nordtor der Judengasse.62 Dass die Eroberer ständig von Liberté, Égalité und Fraternité sprachen, beeindruckte die Frankfurter Juden nur wenig, denn es schützte sie nicht im Mindesten vor der Gewalt und der Demütigung durch die Besatzer. Tatsächlich litten die Bewohner der Judengasse unter den Franzosen sogar mehr als zuvor.63 Außerdem gab es keinen Grund zu glauben, dass die französische Besatzung länger andauern würde, und in der Tat: In den folgenden Jahren kämpften gleich mehrere Nationen um die Kontrolle über das wirtschaftliche Juwel Frankfurt. Die französischen Truppen mussten die Stadt für die Preußen und Hessen räumen, die wiederum ihrerseits vor den Österreichern kapitulierten. Als die Franzosen 1796 wieder vorrückten und die Stadt unter Artilleriebeschuss nahmen, hatte das verheerende Auswirkungen. In der Judengasse brach ein Brand aus. Das Haus zum Grünen Schild überlebte zwar, aber hundertneunzehn Häuser – ungefähr die Hälfte aller Gebäude in der Judengasse – wurden zerstört.64