Klausurenkurs
im Staatsrecht I

Staatsorganisationsrecht,
Grundrechte, Verfassungsprozessrecht

 

Ein Fall- und Repetitionsbuch für Anfänger

 

von

Dr. Christoph Degenhart
em. o. Professor an der Universität Leipzig
Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof a.D.

 

6., neu bearbeitete Auflage

 

www.cfmueller.de

Impressum

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ISBN 978-3-8114-5806-2

 

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Vorwort

Der auf die Anforderungen im „kleinen Schein“ und in der Zwischenprüfung ausgerichtete und mit den Schwerpunkte-Bänden Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht und Grundrechte. Staatsrecht II abgestimmte Klausurenband wurde für die Neuauflage 2022 umfassend aktualisiert. Die bisherigen Fälle 2, 10, 17, 20 und 21 wurden durch neue, aktuelle Fälle ersetzt, mit Fall 11 ein zusätzlicher neuer Fall eingefügt. Er greift wie auch die Fälle  2 (neu) und 10 (neu) Fragen zu Corona auf. Fall 20 (neu) behandelt ein Klimaschutzgesetz, Fall 21 (neu) die aktuelle Thematik des „Mietendeckels“ und Fall 22 (neu) die Schuldenaufnahme durch die EU. Die Klausurlösungen und Repetitoriumsabschnitte wurden unter Einbeziehung der neuesten Rechtsprechung aktualisiert und, soweit erforderlich, überarbeitet sowie teilweise um neue Textabschnitte ergänzt, in denen aktuelle Probleme und Entwicklungen dargestellt werden. Die Fälle 4 und 15 wurden umstrukturiert und gekürzt. Erfahrungsgemäß tauchen derartige aktuelle Fragen mit nur geringer zeitlicher Verzögerung in Klausurfällen auf. Für Anregungen aus dem Leserkreis danke ich. Sie sind stets willkommen (dres.degenhart@t-online.de), bitte aber um Verständnis, wenn ich sie nicht immer postwendend persönlich beantworten kann. Auf meiner neu gestalteten Internet-Seite informiere ich laufend über Neuerscheinungen und aktuelle Verfahren (www.christoph-degenhart.com).

Leipzig, im Frühjahr 2022        Christoph Degenhart

Vorwort zur 1. Auflage

Dieser auf die Schwerpunkte-Bände Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht und Grundrechte. Staatsrecht II abgestimmte Klausurenkurs ist auf die Anforderungen im „kleinen Schein“ und in der Zwischenprüfung ausgerichtet. Er folgt dem bewährten Konzept des Bandes „Klausurenkurs im Staatsrecht mit Bezügen zum Europarecht“, der künftig als „Klausurenkurs im Staatsrecht II – mit Bezügen zum Europarecht“ der konzentrierten Vorbereitung auf das Staatsexamen dienen soll. Diese Aufteilung des Stoffs entspricht einem vielfach geäußerten Wunsch der Leser.

In dem hier vorgelegten Band werden typische Musterklausuren aus kleiner Übung und Zwischenprüfung exemplarisch und realitätsnah gelöst, mit dem Ziel der Einarbeitung in die Technik der Fallbearbeitung und der Einübung typischer Argumentationsmuster, wie sie gerade im Staatsrecht so wichtig sind. Die Entstehung der Lösung kann dabei Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Jeder Musterlösung folgt ein Abschnitt „Wiederholung und Vertiefung“, in dem das Wichtigste zu besonders klausurrelevanten Problemen zusammengefasst wird.

Die in diesem Band enthaltenen 20 Fälle und die ihnen zugeordneten Wiederholungsabschnitte vermitteln einen Kernbestand des Wissens und decken damit prüfungsrelevante Fragenkreise zu einem erheblichen Teil ab.

Meinen ehemaligen Mitarbeitern Frau Nannette Ruß und Herrn Prof. Dr. Stefan Haack und meinen gegenwärtigen Mitarbeitern Frau Stefanie Schult und den Herren Diplomjuristen Ansgar Koreng und Stephan Dietrich danke ich für vielfältige Anregungen. Wie stets freue ich mich über Rückmeldungen aus dem Leserkreis (e-mail: degen@rz.uni-leipzig.de).

Leipzig, im August 2009        Christoph Degenhart

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Vorwort zur 1. Auflage

 Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

 1. Teil Allgemeiner Teil

  1. Abschnitt Zur Arbeit mit diesem Buch 1 – 11

  2. Abschnitt Staatsrecht in der Fallbearbeitung: Typische Fallkonstellationen – Aufbau 12 – 134

   I. Die wichtigsten Fallkonstellationen 12 – 18

   II. Zum Aufbau: Zulässigkeit und Begründetheit 19, 20

   III. Fälle mit Schwerpunkt im Staatsorganisationsrecht – insbesondere: Organstreitverfahren 21 – 46

    1. Organstreitverfahren, Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG 22 – 33

    2. Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG 34 – 46

   IV. Normenkontrollverfahren 47 – 74

    1. Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG 48 – 63

    2. Abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2a GG; §§ 13 Nr. 6a, 76 ff. BVerfGG 64

    3. Konkrete Normenkontrolle (Richtervorlage), Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG 65 – 74

   V. Fälle mit grundrechtlichem Schwerpunkt – Verfassungsbeschwerden 75 – 134

  3. Abschnitt Prüfungsrelevante staatsrechtliche Fragestellungen im Überblick 135, 136

 2. Teil Klausurfälle

  Fall 1 Parité

   Umfangreicher Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2–3 Std.
Parité-Gesetz – Wahlrechtsgrundsätze – Wahlrechtsgleichheit – politische Parteien – Wahlprüfungsbeschwerde

  Fall 2 Corona-Wahlen

   Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2 Std.
Wahlrechtsgrundsätze – Wahlperiode
Wiederholung und Vertiefung: Wahlrecht

  Fall 3 Front national allemand II (Boykottaufruf gegen Partei)

   Anspruchsvoller Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung /
Vorgerücktenübung, 3 Std.; nur Aufgabenteil A, 2 Std.
Staatliches Informationshandeln – Chancengleichheit politischer Parteien – Organstreitverfahren
Wiederholung und Vertiefung: Das Recht der politischen Parteien in staatsrechtlichen Fällen – Informationshandeln und Öffentlichkeitsarbeit des Staates

  Fall 4 I want a famous face (Schönheits-OP)

   Mittelschwerer Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 3 Std.; nur Aufgabe 1, 2 Std.
Gesetzgebungskompetenzen – Gesetzgebungsverfahren –
Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 12 I und Art. 2 I GG –
abstrakte Normenkontrolle
Wiederholung und Vertiefung: Gesetzgebungskompetenzen – Gesetzgebungsverfahren

  Fall 5 Minderheiten (Anhörung im Ausschuss)

   Anspruchsvoller Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2 Std.
Organstreitverfahren – Rechte des Abgeordneten – Minderheitenschutz – Geschäftsordnung und Verfassungsrecht

  Fall 6 Dreckschleuder (Rederecht und parlamentarische Ordnung)

   Anspruchsvoller Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2 Std.
Organstreitverfahren – Rechte des Abgeordneten – fraktionsloser Abgeordneter
Wiederholung und Vertiefung: Abgeordneter und Fraktion

  Fall 7 Frieden schaffen … (Untersuchungsausschuss Rüstungsexport)

   Umfangreicher Fall für die Zwischenprüfung, 3 Std.
Recht der Untersuchungsausschüsse – Organstreitverfahren
Wiederholung und Vertiefung: Recht der Untersuchungsausschüsse

  Fall 8 Kanzlerwahl

   Anspruchsvoller Fall für die Zwischenprüfung / evtl. Fortgeschrittenenübung, 3 Std.
Bundeskanzler – Bundespräsident – Bundestagsfraktionen – Vertrauensfrage – Organstreitverfahren
Wiederholung und Vertiefung: Vertrauensfrage

  Fall 9 Wende rückwärts (atomaufsichtliche Weisung)

   Umfangreicher Fall für die Zwischenprüfung / evtl. Fortgeschrittenenübung, 2–3 Std.
Bundesauftragsverwaltung – Bundestreue – Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – Schutzpflichten, Art. 2 II 1 GG – Bund-Länder-Streit
Wiederholung und Vertiefung: Bundesauftragsverwaltung – Bundestreue – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II 1 GG

  Fall 10 Wellenbrecher (Bundesnotbremse – Corona)

   Mittelschwerer Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2 Std.
Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten – Zustimmungsgesetze – Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG, „Grundrecht auf schulische Bildung“
Wiederholung und Vertiefung: Prüfungsrecht des Bundespräsidenten – Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG

  Fall 11 Kein Platz für Landesfremde (Beherbergungsverbot – Corona)

   Mittelschwerer Fall für die Anfängerübung/Zwischenprüfung
Freizügigkeit – Gleichheitssatz
Wiederholung und Vertiefung: Freizügigkeit, Art. 11 GG – Gleichheitssatz in der Fallbearbeitung

  Fall 12 Im Cyberspace der Sicherheit, der (Un-)Freiheit und des Rechts? (Videoüberwachung)

   Mittelschwerer Fall für die Zwischenprüfung, 2–3 Std.
Verfassungsbeschwerde – Allgemeines Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung – Fernmeldegeheimnis – Vorratsdatenspeicherung
Wiederholung und Vertiefung: Allgemeines Persönlichkeitsrecht – Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis – Innere Sicherheit und Grundrechte

  Fall 13 Nachschau (Betretungsrechte)

   Anspruchsvoller Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2-3 Std.
Wohnungsbegriff – Art. 13 GG und Betretungsrechte – Vereinigungsfreiheit – Verfassungsbeschwerde
Wiederholung und Vertiefung: Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG – Abgrenzung Art. 10 GG, Art. 13 GG und APR – Menschenwürde in der Fallbearbeitung

  Fall 14 Law and order (Dauerobservation)

   Anspruchsvoller, umfangreicher Fall für die Zwischenprüfung, 3 Std.
Gesetzgebungskompetenzen – Freiheit der Person – APR ne bis in idem
Wiederholung und Vertiefung: Freiheit der Person, Art. 2 II 2 iVm Art. 104 GG

  Fall 15 Integration (Burkaverbot im Unterricht)

   Kleiner Schein / Zwischenprüfung, 3 Std., gekürzt (nur erster Aufgabenteil) 2 Std.
Verfassungsbeschwerde – Art. 4 GG, Glaubens- und Gewissensfreiheit – Art. 6 GG, Elternrecht – Art. 7 GG, Schulhoheit
Wiederholung und Vertiefung: Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4 I, II GG – Ehe, Familie, Schule, Art. 6, 7 GG

  Fall 16 Sehen und gesehen werden (Persönlichkeitsschutz und Presseberichterstattung)

   Kleiner Schein / Zwischenprüfung, 2-3 Std.
Meinungsfreiheit – Pressefreiheit – Persönlichkeitsrecht – Drittwirkung – Urteilsverfassungsbeschwerde

  Fall 17 Internet für alle – auch im Vollzug?

   Mittelschwerer Fall für kleinen Schein / Zwischenprüfung, 2 Std.
Informationsfreiheit, Unterbringung – Recht auf Gehör
Wiederholung und Vertiefung: Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit, Art. 5 I, II GG – Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 III GG – Recht auf Gehör, Art. 103 I GG

  Fall 18 Oh veggie day … (Werbungsverbot für Lebensmittel)

   Anspruchsvoller Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2–3 Std.
Art. 12 I GG, Art. 5 I GG – Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz – Preiswerbungsverbot zum Klimaschutz
Wiederholung und Vertiefung: Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Fallbearbeitung, Art. 12 GG

  Fall 19 Greta (Versammlungsfreiheit)

   Kleiner Schein / Zwischenprüfung, 2 Std.
Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG
Wiederholung und Vertiefung: Schutzzweck, Systematik und Prüfungsschema von Art. 8 GG

  Fall 20 Die Wende (Atomausstieg)

   Umfangreicher Fall für die Zwischenprüfung, 3 Std.
Eigentumsgarantie, Art. 14 GG – Berufsfreiheit, Rückwirkung und Vertrauensschutz – Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz
Wiederholung und Vertiefung: Rückwirkung und Vertrauensschutz

  Fall 21 Bundesweiter Mietendeckel

   Anspruchsvoller, umfangreicher Fall für die Anfängerübung / Zwischenprüfung, 2–3 Std.
Eigentum, Art. 14 GG – Gesetzgebungskompetenzen – konkrete Normenkontrolle
Wiederholung und Vertiefung:  Art. 14 GG in der Fallbearbeitung

  Fall 22 Corona-Bonds (Eigenmittelbeschluss der EU)

   Anspruchsvoller, umfangreicher Fall für die Zwischenprüfung, 2–3 Std.
Integrationsermächtigung, Art. 23 GG – Verfassungsbeschwerde gegen Übertragung von Hoheitsrechten – Art. 38 I 1 GG
Wiederholung und Vertiefung: Schranken der Integrationsermächtigung in verfassungsgerichtlicher Kontrolle – Unionsrecht und Verfassungsrecht, Prüfungskompetenz des BVerfG – Exkurs: EMRK in der Fallbearbeitung

 Sachverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis
der abgekürzt zitierten Literatur

Im Folgenden werden neben der abgekürzt zitierten Literatur einige häufig gebrauchte Abkürzungen wiedergegeben; iÜ werden die üblichen Abkürzungen gebraucht.

Gesetzesbestimmungen werden in abgekürzter Schreibweise zitiert, wie sie aus Zeitgründen auch in der Klausur gebraucht werden kann, also: Art. 5 Abs. 1 S. 2 = Art. 5 I 2.

aA

andere(r) Auffassung

aaO

am angegebenen Orte

AbgG

Abgeordnetengesetz

a.f.

anders für

aF

alter Fassung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

APR

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Baldus/Grzeszick/Wienhues

Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2018

Bay

Bayern

BayVBl

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BbgVerfG

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

BerlVerfGH

Berliner Verfassungsgerichtshof

Bf.

Beschwerdeführer, Beschwerdeführerin, Beschwerdeführende

BonnK

Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Hamburg/Heidelberg 1950 ff.,
zit. nach Bearbeitern

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Textbuch Nr. 20)

BWG

Bundeswahlgesetz (Textbuch Nr. 30)

CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

Degenhart

Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht, 37. Aufl., Heidelberg 2021

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

Dreier I, II

Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Bd. II, 3. Aufl. 2015,
zit. nach Bearbeitern

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

e.A.

einstweilige Anordnung

EG

Europäische Gemeinschaft; als Gesetzestext: Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJS

Erste Juristische Staatsprüfung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EU

Europäische Union; als Gesetzestext: Vertrag über die Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

f./ff.

folgende (Seite)/folgenden

FAG

Finanzausgleichsgesetz

Fn

Fußnote

GeschOBT

Geschäftsordnung des Bundestags

GeschOBR

Geschäftsordnung des Bundesrats

ggf

gegebenenfalls

HdBStR

Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2./3. Aufl., zitiert nach Band und Auflage, Heidelberg

HessVGH

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Hillgruber/Goos

Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2020

hM

herrschende Meinung

Hufen

Staatsrecht II – Grundrechte, 6. Aufl., München 2018

idF

in der Fassung

idR

in der Regel

i.e.S.

im engeren Sinn

iFd

im Falle des

IfSG

Infektionsschutzgesetz

iSd

im Sinne des

iSv

im Sinne von

im Übrigen

iVm

in Verbindung mit

iW

im Wesentlichen

JA

Juristische Arbeitsblätter

Jarass/Pieroth

Grundgesetz, Kommentar, 16. Aufl., München 2020

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

Kingreen/Poscher

Grundrechte. Staatsrecht II, 37. Aufl., Heidelberg 2021

Kloepfer I

Verfassungsrecht I, München 2011

lt.

laut

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung

LVerfGMV

Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Maunz/Dürig

Grundgesetz, Kommentar, München 1958 ff.,
zit. nach Bearbeitern

MdB

Mitglied des Bundestags

mE

meines Erachtens

MMR

Multimedia und Recht

nF

neue Fassung

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK

Normenkontrolle

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVBl

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

ö-r

öffentlich-rechtlich

PartG

Parteiengesetz (Textbuch Nr. 35)

Peine/Siegel

Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Heidelberg 2021

Pestalozza

Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., München 1991

PUAG

Untersuchungsausschussgesetz (Textbuch Nr. 17)

RdE

Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

RhPfVerfGH

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

Rn

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Seite

s

siehe

Sachs

Grundgesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2021,
zit. nach Bearbeitern

SächsVBl

Sächsische Verwaltungsblätter

SächsVerfGH

Sächsischer Verfassungsgerichtshof

Schlaich/Korioth

Das Bundesverfassungsgericht, 10. Aufl., München 2015

st.

ständige

Stern I, II

Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München 1984, zit.: Stern I, Bd. II, München 1980, zit.: Stern II

Streinz

Europarecht, 11. Aufl., Heidelberg 2019

SV

Sachverhalt

Textbuch

Textbuch Deutsches Recht – Staats- und Verwaltungsrecht Bundesrepublik Deutschland, 61. Aufl., Heidelberg 2021

ThürVBl

Thüringer Verwaltungsblätter

ThürVerfGH

Thüringer Verfassungsgerichtshof

Übbl

Überblick

und Ähnliches

uU

unter Umständen

VA

Vorauflage

VB

Verfassungsbeschwerde

vertretb.

vertretbar

vgl

vergleiche

VersG

Versammlungsgesetz (Bund), Textbuch Nr. 80

vMKS

von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl.,
Bd. 1-3: München 2018,
zitiert nach Bearbeitern

VO

Verordnung

WahlprüfG

Wahlprüfungsgesetz

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

zT

zum Teil

zw

zweifelhaft

1. Teil Allgemeiner Teil

1. Abschnitt Zur Arbeit mit diesem Buch

1

Mit den nachstehenden 22 Klausurfällen sollen die für Anfängerübung und Zwischenprüfung wichtigsten Themenbereiche des Staatsrechts, also des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte, abgedeckt werden. Einige Grundfragen europäischen Rechts werden angesprochen, so die Bedeutung der EMRK und die verfassungsrechtlichen Schranken der Integration – Basiswissen, für das der leider häufig anzutreffende „Mut zur Lücke“ gänzlich unangebracht ist. Dabei sollen auch die wichtigsten Fallkonstellationen durchgespielt werden, in denen diese Themenbereiche typischerweise zu behandeln sind. Deshalb werden in den Fällen Verfassungsbeschwerden gegen Einzelakte, gegen Gesetze und Urteilsverfassungsbeschwerden ebenso behandelt wie Organstreitverfahren und Verfassungskonflikte im Bund-Länder-Verhältnis. Verfassungsrechtliche Fragestellungen in verwaltungsrechtlicher Einkleidung sind, anders als in der Fortgeschrittenenübung und im Staatsexamen, in der Anfängerübung bzw in den Klausuren der Zwischenprüfung nicht zu erwarten; einschlägige Fälle werden im Klausurenkurs im Staatsrecht II (9. Auflage 2021) behandelt.

2

Selbstverständlich können die vorliegenden Fälle nicht den gesamten, für Anfängerübung oder Zwischenprüfung relevanten Stoff abdecken. Der Klausurenband musste sich insoweit auf das absolut Notwendige beschränken und kann die in den Schwerpunkte-Lehrbüchern angesprochenen Probleme nicht umfassend behandeln. Er enthält vielmehr entsprechend der Konzeption der Reihe Schwerpunkte Klausurenkurs einen Kernbestand des Wissens in dem für Anfängerübung und Zwischenprüfung erforderlichen Maße. Zu praktisch besonders wichtigen Themenbereichen, insbesondere zu den Grundrechten, findet sich deshalb auch im Anhang zu den Falllösungen ein Abschnitt „Wiederholung und Vertiefung“. Hier sollen verallgemeinernd die wichtigsten Probleme stichwortartig angedeutet und vor allem jene Fragen behandelt werden, mit denen sich die Kandidaten nach den Erfahrungen des Verf. in der Fallbearbeitung meist besonders schwer tun. Hier werden auch die gerade für das Staatsrecht so wichtigen Argumentationsmuster aufgezeigt, deren Kenntnis für eine rechtlich strukturierte Fallbearbeitung erforderlich ist. Formulierungsbeispiele erleichtern den Einstieg in die Problembehandlung.

3

Den Einzelklausuren vorangestellt ist der allgemeine Teil, der im folgenden 2. Abschnitt neben Hinweisen auf typische, häufig wiederkehrende Fallkonstellationen die wichtigsten Prüfungsreihenfolgen (Aufbauschemata) für staatsrechtliche Fälle enthält, auch hier entsprechend dem Anliegen dieses Buches, die wichtigsten Fallkonstellationen zu erfassen. Der 3. Abschnitt gibt einen tabellarischen Überblick über die wichtigsten Problembereiche, in denen Studierende nach Besuch der Vorlesungen Staatsrecht I und II zumindest Grundkenntnisse haben sollten. In dieser tabellarischen Übersicht wird auf die Klausurlösungen verwiesen, in denen diese Probleme behandelt werden. Soweit sie in den Klausuren nicht enthalten sind, werden Hinweise auf die entsprechenden Fundstellen in den Schwerpunkte-Lehrbüchern von Degenhart bzw Kingreen/Poscher gegeben. Ferner werden die Fundstellen im vorliegenden Klausurenbuch wie auch in den Schwerpunktebänden genannt, in denen zu den hier behandelten Fragen weiter nachgelesen werden kann.

4

Zum Schwierigkeitsgrad der Aufgaben ist anzumerken, dass es sich durchweg um Klausuren handelt, die in der Anfängerübung bzw der Zwischenprüfung gestellt wurden oder gestellt werden könnten. Dabei ist es jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass einzelne Fragestellungen auch Bestandteil von Examensklausuren sein könnten. Diese und anspruchsvollere Zwischenprüfungsklausuren unterscheiden sich mitunter eher durch ihre Länge, als durch den Schwierigkeitsgrad.

5

Darstellung der Fälle – Herangehensweise: Die Darstellung der einzelnen Fälle erfolgt jeweils nach einem vielfach bewährten Muster und orientiert sich an der Vorgehensweise in der schriftlichen Arbeit.

6

-

An erster Stelle steht der Aufgabentext. Dass dieser und vor allem auch der Bearbeitervermerk („A legt Verfassungsbeschwerde ein – mit Aussicht auf Erfolg?“ oder: „Der Bundespräsident möchte wissen, ob er die Ausfertigung des Gesetzes verweigern darf.“) sorgfältig zu lesen sind, dürfte sich herumgesprochen haben.

7

-

Dem Aufgabentext schließen sich Vorüberlegungen an, die der idealtypische Bearbeiter anstellen würde, ehe er in den Entwurf einer Arbeitsgliederung und in die schriftliche Ausarbeitung eintritt.

8

-

Es folgt eine Gliederung, in der stichwortartig auch wesentliche Probleme benannt werden und die Lösung durch Symbole oder Kürzel angedeutet wird. Eine derartige Arbeitsgliederung sollte auch in der Prüfung angefertigt werden. Vorüberlegungen und Erstellung der Arbeitsgliederung sollten etwa ein Drittel, die schriftliche Ausarbeitung sollte dann etwa zwei Drittel der Arbeitszeit in Anspruch nehmen.

9

-

Es folgt die eigentliche Klausurlösung, als Musterlösung nicht deshalb bezeichnet, weil sie die allein richtige Lösung darstellen soll, sondern weil sie beispielhaft das wiedergibt, was in der Bearbeitung erwartet würde. Die Lösung entspricht dem, was von einem guten bis sehr guten Kandidaten erwartet würde, geht aber anders als die Musterlösungen in den meisten Fallsammlungen nicht darüber hinaus. Der vorliegende Klausurenkurs soll eben gerade kein Lehrbuch in Klausurenform sein. Während die Vorüberlegungen auch Hinweise zum Aufbau enthalten, enthält der Text der Musterlösung selbst nur das, was auch in die Klausur gehört. Anmerkungen zum Aufbau, wie auch vertiefende und weiterführende Hinweise sind ausschließlich in den Fußnoten enthalten. Es schließt sich dann das schon erwähnte Repetitorium zu den wichtigsten in der Klausur behandelten Themenbereichen an. Es enthält abschließend die Rubrik „Zur Wiederholung – Aus der Ausbildungsliteratur – Aktuelle Rechtsprechung – Weitere Fälle im thematischen Zusammenhang“. Hier wird auch auf aktuelle Entwicklungen und Probleme hingewiesen, mit denen in Übung und Prüfung zu rechnen ist.

10

Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen bieten sich an, das Buch durchzuarbeiten. Zur Vorbereitung auf die Zwischenprüfung kann etwa die Stofftabelle am Ende des einführenden Teils durchgegangen werden, um gezielt die Themenbereiche einzuüben bzw zu wiederholen, in denen Lücken gesehen werden. Oder aber die Klausuren werden der Reihe nach abgearbeitet. Bei der Durcharbeitung der einzelnen Klausuren ist es natürlich ideal, wenn zunächst in der angegebenen Zeit die Klausur bearbeitet und dann mit der Musterlösung verglichen wird, um schließlich Lücken gezielt zu schließen. Fehlt hierfür die Zeit, sollte doch zumindest für jeden Fall ohne weitere Hilfsmittel außer den Gesetzestexten eine Arbeitsskizze entsprechend der vorangestellten Gliederung in der hierfür vorgegebenen Zeit erarbeitet werden.

11

Für die Fallbearbeitung werden nur die in den zugelassenen Textsammlungen enthaltenen Gesetze benötigt, etwa weitere erforderliche Vorschriften werden wiedergegeben. Es wird dringend empfohlen, beim Durcharbeiten der Lösungen die angegebenen Vorschriften nachzulesen. Man wird feststellen, dass auch sehr vertraute Vorschriften mitunter überraschende Details enthalten, und man wird auf Vorschriften stoßen, die man noch nie bewusst aufgenommen hat. Wer aber in der Klausursituation zB mit einer Vorschrift wie der des Art. 87 GG konfrontiert ist und den Text der Vorschrift noch nie bewusst in sich aufgenommen hat, wird wertvolle Arbeitszeit verlieren, ehe er überhaupt zu einem Textverständnis der Vorschrift gelangt; ebenso die Bearbeiterin oder der Bearbeiter, die oder der bei der Gesetzesprüfung erstmals staunend den Kompetenzkatalog des Art. 74 GG zu erfassen sucht.

Für die Klausurbearbeitung selbst gilt:

2. Abschnitt Staatsrecht in der Fallbearbeitung: Typische Fallkonstellationen – Aufbau

I. Die wichtigsten Fallkonstellationen

12

Fälle aus dem Staatsrecht werden sehr häufig – wenn auch nicht immer – in prozessualer Einkleidung gestellt. Die Beteiligten suchen um Rechtsschutz nach, wenden sich an das Gericht – in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten ist dies das BVerfG, seltener das Verfassungsgericht eines Landes. Bei den Beteiligten kann es sich zum einen um Verfassungsorgane wie den Bundestag, die Bundesregierung oder auch die Regierung eines Landes handeln, um Teile dieser Verfassungsorgane wie zB eine Fraktion im Bundestag oder auch einzelne ihrer Mitglieder, einen einzelnen Abgeordneten, einen Bundesminister, den Bundeskanzler. Beteiligt kann aber auch ein Bürger sein, der sich in seinen verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt sieht und dagegen das Verfassungsgericht anrufen will.

13

In letzterem Fall kommt iW nur der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde in Betracht. Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 93 I Nr. 4a GG „jedermann“ mit der Begründung erheben, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in einem seiner Grundrechte bzw grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. „Jedermann“ bedeutet: jeder, der Träger von Grundrechten sein kann, also natürliche Personen und – wegen Art. 19 III GG – auch juristische Personen, wenn auch unter bestimmten, etwa in Fall 15, 19 näher ausgeführten Voraussetzungen, nicht aber: der Staat und seine Organe. Bei der Verfassungsbeschwerde geht es um Grundrechte – genauer: um die Beeinträchtigung von Grundrechten durch den Staat, durch Gesetze, Verwaltungsakte und gerichtliche Entscheidungen. Der materielle Schwerpunkt des Falles liegt also bei der Grundrechtsprüfung, hieran orientiert sich der Aufbau.

14

In staatsorganisatorischen Fällen sind die möglichen Ausgangslagen noch vielgestaltiger. Wohl häufigste Fallgestaltung ist die, dass die Beteiligten sich um gegenseitige Rechte und Pflichten streiten – Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz, aber auch aus einfachgesetzlichen Normen des Staatsrechts, wie dem Gesetz über die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (PUAG – Fall 7) oder dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EuZBLG). In einer derartigen Fallkonstellation ist in erster Linie das Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG einschlägig. In diesem Verfahren geht es um Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Der Verfahrensgegenstand bestimmt auch hier den Aufbau: bei der Begründetheit geht es um die Frage, ob der Antragsgegner gegen das Grundgesetz verstoßen und hierdurch Rechte des Antragstellers verletzt hat. Dabei muss es sich stets um Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz handeln; nur darauf kann ein Antrag im Organstreitverfahren gestützt werden, nicht also zB auf § 18 III PUAG (Fall 7). Während im Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG über wechselseitige Rechte und Pflichten von Organen des Bundes zu entscheiden ist, sind entsprechende Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 I Nr. 3 GG zu klären. Das Verfahren ist dem Organstreitverfahren nachgebildet. Für etwaige Verfassungskonflikte zwischen den Verfassungsorganen eines Landes sind die Organstreitverfahren nach der jeweiligen Landesverfassung einschlägig.

15

Eine Sonderstellung nehmen die Normenkontrollverfahren ein, also die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG und die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 I GG. Das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist ein „objektives“ Verfahren – es gibt einen Antragsteller, aber keinen Antragsgegner. Die Begründetheitsprüfung erfolgt als Normprüfung; hieran orientiert sich der Aufbau. Dies gilt auch für die konkrete Normenkontrolle – auch hier steht dem Antragsteller, also dem vorlegenden Gericht, kein Antragsgegner gegenüber.

16

Insgesamt kann festgehalten werden, dass für Aufgaben mit Schwerpunkt im staatsorganisatorischen Bereich die häufigste prozessuale Einkleidung die des Organstreitverfahrens ist, seltener die des Bund-Länder-Streits und die der Normenkontrollverfahren. Mittelbar können hier auch grundrechtliche Fragen eine Rolle spielen, wenn hiervon das Verhalten eines Staatsorgans abhängt. So kann die Verpflichtung des Bundespräsidenten zur Ausfertigung eines Gesetzes dann entfallen, wenn dieses gegen Grundrechte verstößt. Die Verpflichtung der Bundesregierung, einem Untersuchungsausschuss des Bundestags Akten zugänglich zu machen, kann dann entfallen, wenn hierdurch schutzwürdige Grundrechtspositionen Privater, von denen in den fraglichen Akten die Rede ist, verletzt würden. Will der Bürger seine verfassungsmäßigen Rechte geltend machen, ist die prozessuale Einkleidung regelmäßig die der Verfassungsbeschwerde. Hier können wiederum in der Begründetheit Fragen des Staatsorganisationsrechts, etwa der Gesetzgebungskompetenzen oder des Gesetzgebungsverfahrens und allgemeine Verfassungsprinzipien wie das Rechtsstaatsprinzip eine Rolle spielen. Denn typische Fragestellung im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ist die nach der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs durch oder auf Grund eines Gesetzes. Hierzu muss das Gesetz in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein.

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Abgrenzungsprobleme können sich dann ergeben, wenn der potenzielle Antragsteller bzw Beschwerdeführer, der seine verfassungsmäßigen Rechte beeinträchtigt sieht, einerseits als Person Grundrechtsträger, andererseits auch Beteiligter am Verfassungsleben ist. Dies ist der Fall beim einzelnen Bundestagsabgeordneten. Er ist dann, wenn der Bundespräsident den Bundestag vorzeitig auflöst, im Bestand seines Mandats und damit als Beteiligter des Verfassungslebens betroffen. Demgegenüber ist er als Träger des grundrechtsgleichen passiven Wahlrechts aus Art. 38 II GG betroffen, wenn die Bundesregierung unzulässig in den Wahlkampf eingreift.[1] In ersterem Fall ist das Organstreitverfahren einschlägig, im letzteren die Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde konnte auch von jenen Bundestagsabgeordneten erhoben werden, die sich durch den Vertrag von Lissabon in ihren Rechten als Staatsbürger, insbesondere auch Art. 38 I 1 GG verletzt sahen.[2] Die Abgrenzung dieser beiden Verfahren ist von besonderer Bedeutung, wenn die rechtliche Stellung der politischen Parteien in Frage steht.[3] Denn diese sind einerseits Grundrechtsträger, andererseits Beteiligte am Verfassungsleben.

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Nicht jede Arbeit aus dem Staatsrecht wird in prozessualer Einkleidung gestellt – mitunter wird auch schlicht eine materielle Rechtsfrage gestellt, etwa nach der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder eines bestimmten Verhaltens eines Verfassungsorgans. Deshalb gilt für jede Klausur: der Bearbeitervermerk ist genau zu lesen. Wenn auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde geprüft wird, die einer der Beteiligten erheben könnte, ist dies nicht nur überflüssig, sondern falsch, davon abgesehen, dass der Bearbeiter die erfahrungsgemäß selten zu reichlich bemessene Bearbeitungszeit vergeudet.

Dies ist ein generelles Problem. Erfahrungsgemäß wird oft ein zu großer Anteil der Bearbeitungszeit auf die Zulässigkeitsprüfung verwandt. Tatsächlich jedoch liegt hier in aller Regel nicht der Schwerpunkt der Arbeit; in den seltensten Fällen wird der Zulässigkeitsteil mehr als ein Drittel des Umfangs der Klausurbearbeitung in Anspruch nehmen – wenn überhaupt.

II. Zum Aufbau: Zulässigkeit und Begründetheit

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Wenn bereits ein Rechtsbehelf eingelegt wurde und nun nach dessen Erfolgsaussichten gefragt wird, ist der Aufbau klar: Der Rechtsbehelf – sei es nun Verfassungsbeschwerde, Antrag im Organstreitverfahren oder Normenkontrollantrag – muss, um Erfolg zu haben, zulässig und begründet sein. In dieser Reihenfolge prüft das Gericht, in dieser Reihenfolge ist die Aufgabe zu bearbeiten. Sollte der Antrag unzulässig sein, ist die Begründetheit hilfsgutachtlich zu prüfen.

Dies ist iÜ der einzige Fall, in dem ein Hilfsgutachten erforderlich ist. Wenn demgegenüber sich zB in der Begründetheitsprüfung herausstellt, dass das Gesetz, das den Gegenstand der Verfassungsbeschwerde oder des Normenkontrollantrags bildet, schon aus formellen Gründen nichtig ist, wird die materielle Verfassungsmäßigkeit nicht etwa in einem Hilfsgutachten geprüft, sondern unverändert im eigentlichen Gutachten. Der Bearbeiter hat alle zur Begründetheit des Rechtsbehelfs führenden Verfassungsverstöße zu untersuchen. Er ist auch nicht so frei wie das Gericht, das ggf die eine oder andere Frage, auf die es nicht mehr ankommt, offenlassen kann.

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In der Reihenfolge Zulässigkeit – Begründetheit ist regelmäßig auch zu prüfen, wenn gefragt wird, ob ein Beteiligter sich mit Aussicht auf Erfolg an das BVerfG wenden kann; hier muss zunächst untersucht werden, welcher Rechtsbehelf in Betracht kommt. Wenn allerdings ein Beteiligter verfassungsrechtliche Bedenken – zB gegen ein Gesetz, gegen das Verhalten eines anderen Beteiligten – äußert und nun wissen will, ob seine Bedenken zu Recht bestehen und ob er ggf das Verfassungsgericht anrufen kann, sollte erst die materielle Rechtslage geprüft werden – entscheidend ist also immer der Bearbeitervermerk. Hier kann es auch geboten sein, die Zulässigkeit unterschiedlicher verfassungsgerichtlicher Verfahren zu erörtern. Insbesondere dann, wenn nur ganz allgemein davon die Rede ist, dass ein Beteiligter „das BVerfG anrufen“ will, ist vor Eintritt in die Zulässigkeitsprüfung in einem eigenen Prüfungspunkt die statthafte Verfahrensart zu erörtern; vgl den Fall zum Rederecht des Abgeordneten, wo Organstreitverfahren und Verfassungsbeschwerde abzugrenzen sind: geht es um Statusrechte des Abgeordneten aus dem Grundgesetz, ist ersteres einschlägig.

III. Fälle mit Schwerpunkt im Staatsorganisationsrecht – insbesondere: Organstreitverfahren

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Wenn im Sachverhalt von Auseinandersetzungen zwischen Verfassungsorganen die Rede ist, diese sich durch Maßnahmen oder auch Unterlassungen der jeweils anderen Seite in ihren Rechten verletzt sehen, so ist dies regelmäßig die Fallgestaltung des Organstreitverfahrens; dieses ist dann an erster Stelle zu prüfen. Im Organstreitverfahren entscheidet das BVerfG über die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten der obersten Bundesorgane und weiterer Beteiligter am Verfassungsleben. Kommt also der Bearbeiter im Zuge seiner Vorüberlegungen und der Erstellung der Arbeitsgliederung (s Rn 8) zu dem Ergebnis, dass das Organstreitverfahren für den Sachverhalt „passt“, so beginnt die schriftliche Ausarbeitung mit der Überschrift.

1. Organstreitverfahren, Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG

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Hat einer der Beteiligten bereits einen Antrag zum BVerfG gestellt, so würde die Bearbeitung etwa mit der Formulierung beginnen:

„Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. Er könnte als Antrag im Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig sein.“ Ist noch kein Antrag gestellt, so würde entsprechend formuliert: „A (also zB der Bundestag, der Abgeordnete A, die A-Fraktion, der Ausschuss) könnte gegen B (also zB die Bundesregierung, den Bundespräsidenten) einen Antrag im Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG stellen. Dieser müsste zulässig und begründet sein.“

Nach der Zwischenüberschrift:

A. Zulässigkeit (näher Degenhart Rn 840 ff.)

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(derartige Zwischenüberschriften sollten den wesentlichen Gliederungspunkten vorangestellt sein) folgt nun die Prüfung der einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die nachstehende Reihenfolge hat sich nicht nur als zweckmäßig erwiesen; sie gibt auch das Muster vor, nach dem sich die Zulässigkeit durchweg richtet. Wenn die Zuständigkeit des Gerichts feststeht, beziehen sich die ersten Prüfungspunkte auf die Beteiligten: Im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist das Recht, ein Verfahren einzuleiten, Partei in einem Verfahren zu sein, für jedes Verfahren besonders geregelt. Dies gilt auch für die Frage, was überhaupt Gegenstand des Verfahrens sein kann – eine Handlung oder eine Unterlassung des Gegners, ein Gesetz, eine anderweitige Maßnahme der öffentlichen Gewalt. Der Antragsteller oder Beschwerdeführer muss sich in einer bestimmten Beziehung zum Gegenstand des Verfahrens befinden: er muss geltend machen, in seinen Rechten verletzt oder doch von der Nichtigkeit des angegriffenen Gesetzes überzeugt zu sein. Schließlich sind wie in allen Verfahren bestimmte Formen einzuhalten und in aller Regel auch Fristen zu wahren. Vorab noch einen eigenen Prüfungspunkt „Zuständigkeit des BVerfG“ einzufügen, wie dies häufig in Musterlösungen und Aufbauschemata anzutreffen ist, halte ich für überflüssig, da die Zuständigkeit des BVerfG ohnehin nur für die ausdrücklich vorgesehenen Verfahren besteht (Enumerativprinzip) und sich aus deren Zulässigkeitsvoraussetzungen ohne Weiteres ergibt.

I. Beteiligtenfähigkeit

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Die Beteiligtenfähigkeit ist im Organstreitverfahren stets sowohl auf Seiten des Antragstellers wie auf Seiten des Antragsgegners eigens und sorgfältig zu prüfen – das Organstreitverfahren ist nur für bestimmte Beteiligte am Verfassungsleben eröffnet.

1. Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers (Aktivseite)

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Oberste Bundesorgane, Art. 93 I Nr. 1 GG; sie sind aufgezählt in § 63 BVerfGG;

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Teile dieser Organe: diese müssen durch das Grundgesetz oder eine Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattet sein – so etwa die Fraktion, die einerseits durch die GeschOBT mit eigenen Rechten ausgestattet ist, andererseits aber auch als notwendige Einrichtung des Verfassungslebens; es muss sich um ständige Untergliederungen des jeweiligen Verfassungsorgans handeln. Der einzelne Abgeordnete ist daher nicht als „Teil des Bundestags“ beteiligtenfähig, sondern als „anderer Beteiligter“.

Beteiligtenfähig sind auch „andere Beteiligte, die durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet sind – dies folgt unmittelbar aus Art. 93 I Nr. 1 GG; anderer Beteiligter in diesem Sinn ist das einzelne MdB, dessen Rechtsstellung sich aus Art. 38 I 2 GG – Grundsatz des freien Mandats – ergibt; weiterhin sind hier die politischen Parteien zu nennen.[4] Wenn diese allerdings als Grundrechtsträger betroffen sind – weil ihnen gegenüber zB ein Versammlungsverbot ausgesprochen wurde –, dann ist die Verfassungsbeschwerde die richtige Verfahrensart. Welches die richtige Verfahrensart ist, kann entweder im Rahmen der Beteiligtenfähigkeit erörtert werden, oder aber in einer Vorbemerkung zur Zulässigkeitsprüfung. Letzteres erscheint mir vorzugswürdig: erst wenn der Bearbeiter sich darüber im Klaren ist, welche Verfahrensart in Betracht kommt, können deren Zulässigkeitsvoraussetzungen i.e. erörtert werden.

Wenn der Antragsteller im Zeitraum zwischen Antragstellung und Entscheidung seinen Status verliert, wenn also zB der Abgeordnete aus dem Bundestag ausscheidet, ist dies für seine Beteiligtenfähigkeit grundsätzlich unschädlich: Maßgeblich für die Parteifähigkeit von Abgeordneten im Organstreit ist ihr Status zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Verfassungsstreit anhängig gemacht haben.[5] Eine andere Frage ist, ob dann noch das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen ist, s.u. V.

2. Beteiligtenfähigkeit des Antragsgegners (Passivseite)

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Hier gelten die gleichen Kriterien wie für die Aktivseite.

II. Gegenstand des Verfahrens (Streitgegenstand)

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Es muss ein geeigneter Verfahrensgegenstand vorliegen – eine konkrete Maßnahme des Antragsgegners oder eine rechtlich relevante Unterlassung; eine Unterlassung ist dann einer positiven Handlung gleichzustellen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht (etwa die grundsätzliche Verpflichtung des Bundespräsidenten, ein Gesetz auszufertigen).

III. Antragsbefugnis

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Der Antragsteller im Organstreitverfahren muss geltend machen, dass er in seinen Rechten aus der Verfassung verletzt ist.

Es muss sich hierbei um Rechte aus dem Grundgesetz handeln – Bestimmungen der Geschäftsordnungen genügen hier also nicht. Rechte aus dem Grundgesetz können sich zum einen aus einzelnen Normen des Grundgesetzes ergeben, so zB aus Art. 23 V GG, wonach die Bundesregierung eine Stellungnahme des Bundesrats beachten muss, oder aus Art. 38 I 2 GG: in den Bestand des Mandats wird eingegriffen, wenn der Bundespräsident den Bundestag auflöst, ohne dass die verfassungsmäßigen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Sehr häufig aber muss in staatsorganisationsrechtlichen Konflikten auf allgemeine Verfassungsgrundsätze zurückgegriffen werden. So ist zB das Recht des Bundestags, von der Bundesregierung Informationen zu verlangen, im Grundgesetz nicht erwähnt (anders als in einigen Landesverfassungen das entsprechende Recht des Landtags). Es muss dann auf die Kontrollfunktion des Parlaments im Verhältnis zur Bundesregierung zurückgegriffen werden. Auch die Rechtsstellung der Fraktion kann nur allgemein aus der Bedeutung für das parlamentarische Verfahren und damit die parlamentarische Demokratie und auch aus Art. 21 GG abgeleitet werden. Zu beachten ist jedoch, dass im Organstreitverfahren keine allgemeine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Handelns von Verfassungsorganen angestrebt werden kann.

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Soweit es sich beim Antragsteller um Teile eines Verfassungsorgans – zB eine Fraktion als Teil des Verfassungsorgans Bundestag – handelt, können auch Rechte des Organs geltend gemacht werden, dem der Antragsteller angehört. Die Fraktion kann also Rechte des Bundestags gegen die Bundesregierung geltend machen. Man spricht hier von gesetzlicher „Prozessstandschaft.[6] Dem einzelnen Abgeordneten kommt dieses Recht nicht zu. Er ist nicht „Organteil“, sondern „anderer Beteiligter“.[7]

Wie stets, sind im Rahmen der Zulässigkeit die materiellen Fragen nicht zu entscheiden; der Antragsteller muss die Verletzung seiner Rechte lediglich plausibel geltend machen, sie muss auf Grund seines Vortrags als möglich erscheinen.

Gleichwohl sollte der Bearbeiter sich bemühen, die möglicherweise verletzten Rechte des Antragstellers möglichst klar zu benennen – hierdurch erfolgt die entscheidende Weichenstellung für die Begründetheitsprüfung.

IV. Form und Frist

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Die Notwendigkeit der Schriftform folgt aus § 23 BVerfGG.

Der Antrag ist fristgebunden. Es gilt die 6-Monats-Frist nach § 64 III BVerfGG ab Bekanntwerden der Maßnahme oder der Unterlassung.

V. Rechtsschutzbedürfnis

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Dass ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, ist an sich ungeschriebene Voraussetzung aller Verfahren vor dem BVerfG. Es wird jedoch grundsätzlich vermutet, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind, kann ausnahmsweise aber entfallen. Hierauf ist nur einzugehen, wenn besondere Umstände konkrete Anhaltspunkte für fehlendes Rechtsschutzbedürfnis liefern, so im Fall BVerfGE 90, 286: Fraktion als Antragsteller, obwohl ihre Mitglieder als Mitglieder der Bundesregierung der Maßnahme zugestimmt hatten.

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist auch dann gesondert festzustellen, wenn der Antragsteller, nachdem das Verfahren anhängig gemacht wurde, seine Beteiligtenstellung verloren hat, weil er zB aus dem Bundestag ausgeschieden ist,[8] oder wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung in der Vergangenheit liegt.[9] Hier genügt jedoch, dass ein objektives Interesse daran besteht, die aufgeworfene Rechtsfrage zu klären. Dies liegt daran, dass es vor dem BVerfG nicht nur um subjektiven Rechtsschutz geht, sondern stets auch objektiv um den Schutz der Verfassung.

B. Begründetheit

Der Antrag ist begründet, wenn die streitgegenständliche Maßnahme verfassungswidrig war und hierdurch der Antragsteller (oder das Organ, dem er angehört) in seinen Rechten verletzt wird.

Auf die Formulierung des Obersatzes für die Begründetheitsprüfung ist stets besondere Sorgfalt zu verwenden. Denn hierdurch wird der weitere Aufbau vorgezeichnet, hieraus ergibt sich das Prüfprogramm. – Geht es um eine Unterlassung, könnte der Obersatz etwa wie folgt abgewandelt werden:

„… wenn die Unterlassung der Maßnahme gegen Normen der Verfassung verstieß und der Antragsteller einen Anspruch auf Erlass dieser Maßnahme hatte.“

Ein bestimmtes Aufbauschema kann hier angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Verfassungskonflikte nicht gegeben werden; gleichwohl lassen sich bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Fallgestaltungen ausmachen:

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(1) Die „Anspruchssituation“: Ein Verfassungsorgan begehrt von einem anderen Verfassungsorgan ein Handeln, eine bestimmte „Leistung“: Der Bundestag oder auch ein einzelner Abgeordneter begehrt von der Bundesregierung Informationen; diese lehnt die Beantwortung der Fragen ab. Hier wäre wie folgt aufzubauen:

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Zunächst wird die verfassungsrechtliche Grundlage für das Auskunftsverlangen ermittelt – hier hat es seine Grundlage in der verfassungsrechtlichen Stellung des Bundestags bzw des Abgeordneten: Kontrollfunktion des Bundestags im Verhältnis zur Bundesregierung;

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es sind dann i.e. die Voraussetzungen des Auskunftsverlangens zu prüfen: Erforderlichkeit für die Wahrnehmung der parlamentarischen Aufgaben;

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schließlich sind die Einwendungen der Bundesregierung zu würdigen – etwa Berufung auf „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“, sie sind in Ausgleich zu bringen mit den Aufgaben des Bundestags.

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(2) Die „Eingriffssituation“: Ein Verfassungsorgan – der Antragsgegner – greift durch eine Maßnahme in Rechte eines anderen Verfassungsorgans – des Antragstellers – ein, zB die Bundesregierung durch eine Weisung an das Land bei der Auftragsverwaltung oder der Bundespräsident durch vorzeitige Auflösung des Bundestags in Rechte des Abgeordneten.

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Zunächst ist dann zu fragen: welches konkrete Recht des Antragstellers ist hier betroffen; dabei kann es sich um explizit im Grundgesetz normierte Rechte handeln – hier: das Mandat des Abgeordneten, Art. 38 I 2 GG in seinem Bestand –, oder aber um allgemeine Verfassungsgrundsätze, die dann näher begründet werden müssen;

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in einem zweiten gedanklichen Schritt ist festzustellen, worin nun genau die behauptete Rechtsverletzung – der „Eingriff“ – liegt;

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im Folgenden ist dann zu prüfen, ob das Handeln des Antragsgegners verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, ob er also befugt war, die streitige Maßnahme zu treffen.

(3) Diese Aufbauhinweise passen für die Mehrzahl der Fälle; es wird also jeweils von der verfassungsrechtlichen Position der Antragsteller ausgegangen. Mitunter kann auch ein Aufbau sinnvoll sein, bei dem zunächst nach der Verfassungsmäßigkeit des Handelns des Antragsgegners gefragt und dann erörtert wird, ob der Antragsteller hierdurch in seinen Rechten verletzt wurde.

C. Entscheidung des BVerfG

In allen verfassungsgerichtlichen Verfahren ist abschließend festzustellen, wie das BVerfG entscheiden wird; dies ist für die einzelnen Verfahren unterschiedlich geregelt – für das Organstreitverfahren in § 67 BVerfGG.

Das BVerfG beschränkt sich im Organstreitverfahren auf eine feststellende Entscheidung, § 67 BVerfGG. Die Bearbeitung wird also im Fall der Begründetheit des Antrags mit dem Hinweis schließen:

„Das BVerfG wird feststellen, dass der Antragsgegner durch sein Handeln bzw Unterlassen gegen die Bestimmung zB des Art. 68 GG oder des Art. 82 GG verstoßen hat.“

2. Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG

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