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Wie sich Unternehmen mit hybridem Arbeiten
zukunftssicher aufstellen
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© 2022 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem 2022 erschienenen Buchtitel »Produktivität braucht kein Büro. Wie sich Unternehmen mit hybridem Arbeiten zukunftssicher aufstellen« von Teresa Hertwig © 2022 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-089-6
ISBN epub: 978-3-96740-158-5
Exposé-Erstellung und Beratung Sachbuch: Sabine Clever | www.clevercoaching.de
Lektorat: Sabine Rock, Frankfurt am Main | www.druckreif-rock.de
Umschlaggestaltung: Tina Mayer-Lockhoff, Berlin
Autorenfoto: Kimberley Jobson
Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de
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Vorwort von Prof. Dr. Pero Mićić
Einleitung: Was bedeuten Remote Work und hybrides Arbeiten überhaupt?
Remote Work ist mehr als Homeoffice!
Remote ist nicht gleich remote
Worum es in diesem Buch geht
Meine eigene Remote-Story
TEIL 1: WARUM REMOTE WORK POLARISIERT
1. Nine-to-five – wieso arbeiten wir eigentlich so?
Die Geschichte der Arbeit bis zu Remote Work
Arbeitsrevolutionen im Überblick
Remote Work: Das gab es schon mal!
2. Mobiles Arbeiten – das funktioniert bei uns nicht!
Die Macht des Mindsets
Überzeugung vs. Realität
Bedenken und Ängste
Nicht für alle Unternehmen
Wenn der Chef partout nicht will
3. Die Pandemie als Lehrmeister
Und plötzlich waren fast alle im Homeoffice
Homeoffice: Es funktionierte. Irgendwie.
Mitarbeiter wollen Homeoffice-Freiheiten
Das Büro: Gibt es einen Weg zurück?
Corona als Chance: Das muss jetzt geschehen
4. Unternehmen ganz ohne Büros
Die 100-Prozent-Remote-Work-Pioniere
Teamspirit aufrechterhalten
Automatisierung mit Bots nutzen
Virtuelle Treffen
Körperliche und mentale Gesundheit
Virtuell »wie im Büro« zusammenarbeiten
Präsenz – ganz ohne geht es nicht
TEIL 2: WARUM HYBRIDES ARBEITEN DIE ZUKUNFT IST
5. Wir sitzen schon längst im Spaceshuttle
Die rasante Entwicklung der Wirtschaft
Klimakrise, Nachhaltigkeit & Co – Unternehmen in der Verantwortung
Digitalisierung – Unternehmen im Dornröschenschlaf
Globalisierung – Unternehmen unter internationalem Druck
6. Zukunftsfähige Unternehmen
Wie hybrides Arbeiten das Überleben am Markt sichert
Hybridmodell – das Beste aus zwei Welten
Top-Mitarbeiter für zukunftsfähige Unternehmen finden
Generation Babyboomer bis Z: Lebensrealitäten verändern sich
7. Glückliche Mitarbeiter
Wie hybrides Arbeiten Produktivität und Lebensqualität steigert
Arbeitszeit und Zeitersparnis
Familie und Freizeit
Gesundheit, Stress, Biorhythmus
8. Funktionierende Gesellschaft
Mobiles Arbeiten für ein besseres Zusammenleben
Klimakrise und Nachhaltigkeit
Büroimmobilien und Wohneinheiten
Landflucht, Stadtflucht: Arbeiten von überall
Krankheit und Pflege – Chance Remote Work
9. Die Wirtschaft braucht hybrides Arbeiten
Ein Plädoyer für die Neuorganisation der Arbeitswelt
ownCloud: Mehr Innovation und Produktivität
karriere tutor: Vision glücklicher Mitarbeiter
brandung: Work-Life-Balance als zentraler Faktor
seedtrace: Motivation erwächst aus Vertrauen
JUNGLÜCK: Flexibilität ist wertschöpfend
The Female Company: Das richtige Team zählt
LIMESODA: Remote passt zu agilem Arbeiten
TEIL 3: WIE HYBRIDES ARBEITEN IM UNTERNEHMEN UMGESETZT WIRD UND WELCHE STOLPERSTEINE ES DABEI GIBT
10. Die Komplexität des hybriden Arbeitens
Der Stolperstein: Wir machen das einfach
Der Reifegrad des Unternehmens
Den Erfolg vom Zufall befreien
Die Kernanforderungen
Hybrides Arbeiten etablieren
11. Die Firmenkultur festlegen
Der Stolperstein: Keine firmenweite Entscheidung treffen
Sorry – ein PDF reicht nicht
Die Strategiephase – Entscheidungen treffen
Das ist aber unfair! Büro vs. Produktion
12. Das Wissen der Mitarbeiter nutzen
Der Stolperstein: Die Mitarbeiter außen vor lassen
Der Teamkodex – entlang der Leitplanken
13. Kein neuer Wein in alten Schläuchen
Der Stolperstein: Anforderungen an digitale Führung
Digitale Führung verändert Unternehmen
Das Mindset entscheidet
Kontrollverlust – Urangst vieler Unternehmen
Ergebnisorientiert – Leistung ist messbar
Digitale Führung – der 12-Punkte-Plan
Asynchronität & Automatisierung
14. Neue Arbeitsweise, neue Mitarbeiter?
Der Stolperstein: Recruiting, Bewerbung, Onboarding
Was tun, wenn Mitarbeiter nicht mitziehen?
Tipps für die Selbstorganisation
Talente: Die besten Mitarbeiter rekrutieren
Wie laufen Bewerbungsverfahren und -gespräche ab?
Erfolgreiches Remote Onboarding
15. Mein Haus, mein Auto, mein Schreibtisch
Der Stolperstein: Widerstand gegen Desksharing
Vorteile für Unternehmen
Die ungeliebte Konsequenz
Die Umsetzung
16. Digitales Kaffeekränzchen mit Donut
Der Stolperstein: die falschen digitalen Tools nutzen
Hardware: Mobiles Arbeiten braucht gute Technik
Die digitale Toolbox
Die soziale Komponente: Rituale etablieren
Nicht noch ein Tool!
Das Problem mit der Datensicherheit
17. Neue Form – neues Recht?
Stolperstein: Rechtliche Aspekte ignorieren
Arbeitszeitgesetze – nicht mehr zeitgemäß
Arbeitsvertrag – Begrifflichkeiten sind wichtig
Angestellte digitale Nomaden – das Ende der totalen Freiheit
TEIL 4: VISION EINER REMOTE-WORK-ARBEITSWELT
18. Braucht es ein Recht auf Homeoffice?
Regulierung der Unternehmenslandschaft
Homeoffice – nur Instrument in der Pandemie?
Macht eine gesetzliche Regelung Sinn?
19. Blick in die Zukunft
Mit Remote Work werden die Weichen gestellt
Worst-Case- und Best-Case-Szenarien
20. Nachwort: Zum Schluss – alles auf Anfang!
Vision einer Arbeitswelt 2050
Verwendete und weiterführende Literatur
Die Autorin
Es werden Zeiten kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern werden, da wir so Offenbares nicht gewusst haben. So sagte es Seneca sinngemäß vor zweitausend Jahren. Was ist es in der Arbeitswelt, das heute so offenbar ist, das aber nur wenige sehen, verstehen und nutzen?
Die nächsten Jahre bringen ein Maß an Veränderungen unserer Lebenswelt und Arbeitswelt, wie wir es bisher alle noch nicht erlebt haben. So gut wie jede Branche wird durch neue Technologien und Geschäftsmodelle neu gestaltet. Alles, was ein Mensch kognitiv kann, kann künstliche Intelligenz heute schon oder bald besser. Zumindest in spezialisierten Gebieten. Alles, was ein Mensch physisch kann, kann heute schon oder bald ein Roboter besser. Wir bewegen unsere Energieversorgung weg von fossiler Energie, die uns ein Jahrhundert lang getragen hat, hin zu regenerativer Energie. Die nächste Generation des Internets, das Metaverse, wird unsere Lebens- und Arbeitswelt in heute noch unvorstellbarer Weise virtualisieren. Die tragenden Industrien Europas werden in zehn Jahren kaum wiederzuerkennen sein.
Der Arbeitsalltag in unseren Unternehmen ist geprägt von Diskussionen darüber, ob und wie viel »Homeoffice« für die Produktivität und Gesundheit von Menschen gut ist. Wären wir nicht durch die Coronapandemie zu einem radikalen Bruch mit unserer traditionellen Arbeitsorganisation gezwungen worden, würden wir Videofonie und virtuelle Zusammenarbeit immer noch als seltene Ausnahme praktizieren.
Die Werkzeuge gab es schon lange. Schon ab 2005 hätten wir so arbeiten können wie heute. Aber wir hielten an unseren Gewohnheiten fest. Nicht, weil wir darüber logisch nachgedacht haben, sondern weil selbst ein Videogespräch meistens außerhalb der emotionalen Komfortzone lag.
Heute haben wir die Potenziale virtueller und hybrider Arbeit gerade erst angekratzt. Die Pioniere und Profis haben begonnen, die Kräfte ihrer Mitarbeiter buchstäblich zu entfesseln. Zum Vorteil aller. Seien Sie einer dieser Profis.
Teresa Hertwig leitet Sie mit diesem Buch in erstklassiger Weise an, im Hier und Jetzt Ihre Chancen für mehr Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens zu nutzen. Für mehr Produktivität und gleichzeitig für mehr Lebensqualität Ihrer Mitarbeiter. Es muss Pflichtlektüre sein, und die Inhalte gehören auf die Agenda jedes Führungsteams.
Ihr
Pero Mićić
Stellen Sie sich Ihr Unternehmen und Ihr Team doch einmal als Hallenfußballmannschaft vor. Seit Jahren ist die Mannschaft ein kleines Tor, eine überschaubare Spielfläche und ein sehr schnelles Spiel mit wenigen Fußballspielern auf dem Feld gewohnt. Sie tragen Hallenfußball-Schuhe, die für den nötigen Grip auf dem Boden sorgen, und die Witterungsverhältnisse spielen drinnen natürlich keine Rolle. Dann kommt plötzlich jemand und verkündet, dass die Mannschaft ab sofort auf Rasen spielen wird.
Jetzt könnte man denken: »Fußball ist Fußball, es ist der gleiche Sport, es ist nur ein anderer Ort – vorher Halle, jetzt Rasenplatz.« Doch der Trainer, also die Führungskraft, muss die Mannschaft nun aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen auf eine ganz neue Art trainieren, das Team braucht eine neue Vorgehensweise und eine neue Ausstattung. Für den Rasenfußball ist der Hallenschuh nicht geeignet, ohne Noppen auf der Sohle verliert der Spieler den Halt und rutscht insbesondere bei Regen auf dem Rasen aus. Obwohl es also der gleiche Sport ist, der nur an einem anderen Ort stattfindet, würde Ihre Mannschaft haushoch verlieren, wenn sie nicht auf die veränderten Bedingungen reagiert, die neuen Regeln kennt und umsetzt und das Zusammenspiel trainiert.
Auch bei Remote Work oder dem deutschen Pendant »Mobiles Arbeiten« ändert sich eben nicht nur der Ort – es ändern sich die gesamten Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit. Das Unternehmen und insbesondere Führung und Mitarbeiter* müssen sich auf eine völlig neue Arbeitsweise vorbereiten. Hybrides Arbeiten ist eine Mischung aus Präsenzzeit im Büro und Arbeitsphasen an einem beliebigen Ort außerhalb des Unternehmens. Das Ziel dieses Ansatzes: dass die Produktivität, die Kommunikation untereinander und das Wir-Gefühl der Teams gleichbleibend hoch sind, ganz egal, an welchem Ort sich der einzelne Mitarbeiter gerade befindet.
Es ist wichtig, zunächst die Begrifflichkeiten zu definieren, da gerade »mobiles Arbeiten« und »Homeoffice« oft synonym verwendet werden und es deshalb zu Irritationen kommen kann.
Der Begriff »Homeoffice« oder auch »Telearbeit« bezieht sich lediglich auf die Verlegung des Arbeitsortes in die eigenen vier Wände. Gesetzlich wird Telearbeit in der Arbeitsstättenverordnung definiert als »fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten«.
Homeoffice bedeutet, dass die Arbeit nicht im Büro, sondern gelegentlich von zu Hause aus erledigt wird. Die Gewohnheiten der Präsenzkultur werden dabei aber oft beibehalten. So geht ein Mitarbeiter vielleicht deswegen ins Homeoffice, weil er dort ganz konzentriert eine Tabelle bearbeiten will und dafür ohnehin keinen Kontakt zu Kollegen braucht. Im Endeffekt handelt es sich also nur um eine Art Rückzug. Das hat nur wenig mit mobilem Arbeiten oder Remote Work zu tun.
Remote Work oder mobiles Arbeiten bedeutet, dass es egal ist, von welchem Ort aus der Beschäftigte arbeitet, sei es zu Hause, auf den griechischen Inseln oder im Co-Working-Space. Es geht also nicht um eine rein physische Abwesenheit (und Anwesenheit an einem anderen Arbeitsort), sondern um eine generell andere Arbeitsweise.
Den meisten ist nicht geläufig, welche Komplexität sich hinter dem Begriff »Remote Work« oder »Mobiles Arbeiten« verbirgt. Die Arbeitsabläufe im Unternehmen werden dabei völlig neu gestaltet, es braucht Leitlinien und Regeln, für die sich ein Unternehmen Zeit nehmen muss. Es geht darum, eine echte Remote-Arbeitskultur zu schaffen und Arbeitsabläufe, Tools und Kommunikationsstrukturen entsprechend zu organisieren. Nur wenn mobiles Arbeiten vom »Trial and Error«-Prinzip befreit wird, wie es Mitarbeiter während der Coronakrise erfahren haben, kann das Unternehmen eine gleichbleibende oder sogar steigende Produktivität erreichen. Dabei müssen zentrale Aspekte wie Erreichbarkeit, Austausch von Informationen und Transparenz der Arbeitsprozesse gegeben sein.
Die Grundlage von Remote Work ist eine Unternehmenskommunikation und Zusammenarbeit im Team, die an jedem Ort für jeden Mitarbeiter gleich funktioniert. Die Strukturen, Abläufe und Tools müssen gewährleisten, dass die Menschen, die im Büro sind, und diejenigen, die außerhalb der Firma arbeiten, die genau gleichen Bedingungen vorfinden.
Aus der Logik der Präsenzkultur heraus würde es reichen, dem Mitarbeiter einfach einen Laptop mit nach Hause zu geben, damit er dort nahtlos so weiterarbeitet wie zuvor im Büro. Doch das führt nur zu ungleichen Voraussetzungen und zahlreichen Schwierigkeiten. So ist der Mitarbeiter zu Hause plötzlich vom »Flurfunk« abgeschnitten und kann auch Kollegen nicht mehr einfach mal etwas über den Schreibtisch hinweg fragen. Die Leute im Büro denken dann schnell: »Ach, Frau Meier ist heute im Homeoffice, dann frage ich sie einfach morgen.« Aber genau das darf nicht passieren, es darf keine große Diskrepanz zwischen dem Arbeiten im Büro und dem mobilen Arbeiten geben. Das heißt: Frau Meier, die im Homeoffice ist oder in einem Café oder im Zug arbeitet, hat genau die gleichen Kommunikationsvoraussetzungen, den gleichen Zugriff auf Rituale, Inhalte und Informationen wie ihre Kollegen im Büro. Aus genau diesen Gründen sollten wir uns von dem Begriff »Homeoffice« verabschieden – er ist viel zu eng gefasst.
Das mobile Arbeiten ist jedoch nicht für jeden Mitarbeiter geeignet. Und das muss es auch nicht. Unternehmen sehen sich – nicht zuletzt aufgrund der Pandemie-Erfahrung – mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Belegschaft konfrontiert. Im Idealfall wird jeder einzelne Mitarbeiter dort abgeholt, wo sie oder er steht. Der eine braucht ein festes Office, die andere nutzt vielleicht dreimal im Monat das mobile Angebot. Ihr Kollege wiederum, der sich die Pendelzeit sparen will, findet es besser, zweimal pro Woche remote zu arbeiten. Wenn sie alle gemäß ihren Bedürfnissen arbeiten können, gibt es eine Mitarbeiterstruktur und ein Zusammenarbeiten, das die Vorteile beider Welten nutzt. Das Hybridmodell ermöglicht es Unternehmen, sich das Beste aus der Präsenzkultur im Büro und der Flexibilität des mobilen Arbeitens zu sichern.
Remote Work gibt es, auch im Kontext des hybriden Arbeitens, in verschiedenen Varianten, die ich nach dem jeweiligen Radius definiert habe und die sich in Unternehmen etabliert haben:
City Remote ist die Vereinbarung mit dem Mitarbeiter, dass er ortsunabhängig innerhalb einer bestimmten Stadt bzw. Region arbeiten darf, sei es zu Hause, im Café oder im Co-Working-Space.
Half Remote bedeutet City Remote plus wochenweises Arbeiten in einer anderen Stadt bzw. Region, bei Freunden, der Familie, dem Partner oder im Ausland.
Full Remote ist komplett ortsunabhängiges Arbeiten, solange Sie den Planeten nicht verlassen, also egal an welchem Ort auf der Welt.
Unternehmen können theoretisch neben dem orts- auch zeitunabhängiges Arbeiten erlauben; dann ist der Mitarbeiter nicht an eine feste Arbeitszeit gebunden. Das kann für einzelne Abteilungen unterschiedlich gestaltet werden und setzt das Prinzip des ergebnisorientierten Arbeitens voraus.
Remote Work ist die nächste große Arbeitsrevolution. Für das Buch konnte ich auf meine Erfahrungen aus der Beratung zahlreicher KMU aus den unterschiedlichsten Branchen und von Start-ups und Konzernen zurückgreifen. Sie haben mir gezeigt, dass hybrides Arbeiten das Zukunftsmodell der Arbeit ist, von dem sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeiter profitieren werden. Ich habe darüber hinaus die Erkenntnisse aus dem von mir initiierten »Remote Leadership Circle«, in dem sich Geschäftsführer und Führungskräfte von hybrid arbeitenden Unternehmen austauschen, genutzt, habe Experten aus meinem Netzwerk zu rechtlichen Aspekten und Compliance befragt sowie Interviews mit diversen Geschäftsführern, Führungskräften, Organisations- und Personalentwicklern zu verschiedenen Aspekten von Remote Work und hybridem Arbeiten geführt. Sie alle kommen auf den folgenden Seiten zu Wort.
Wir waren lange eine bestimmte Arbeitsweise gewohnt. Die tägliche Fahrt zur Arbeit, die Stunden im Büro, der Feierabend, das Wochenende, Urlaubstage. Doch wieso arbeiten wir eigentlich so? Und warum hinterfragen wir zwar durchaus diese Arbeitsweise und entwickeln vielleicht sogar bessere Alternativen, bleiben dann aber doch meist beim Bewährten?
Nun, viele Unternehmen sträubten sich lange gegen jegliche Veränderung, sie befürchteten Kontrollverlust, weniger Teamzusammenhalt und abnehmende Produktivität. Die Auswirkungen der Coronakrise haben gezeigt, dass mobiles Arbeiten – obwohl es von jetzt auf gleich »irgendwie« klappen musste – überraschend gut funktionierte. Tatsächlich wollten die meisten Mitarbeiter nach dieser Erfahrung nicht mehr Vollzeit zurück ins Büro. Viele unterschätzen jedoch die Komplexität des mobilen Arbeitens; und nur wenn alle Aspekte dieses Arbeitsmodells ausreichend beachtet werden, kann es über die Krise hinaus ein erfolgreicher Dauerbrenner werden. Hier können Unternehmen viel von den erfolgreichen 100-Prozent-Remote-Firmen lernen, auch wenn die meisten Unternehmen, die aus der Präsenzkultur kommen, wohl eher ein Hybridmodell umsetzen werden.
Die Welt verändert sich rasend schnell, Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft stehen vor großen Herausforderungen, zu deren Bewältigung das mobile Arbeiten einen wertvollen Beitrag leisten kann. Globalisierung, Digitalisierung und disruptive Geschäftsmodelle zwingen Unternehmen dazu, neue Wege einzuschlagen, um zukunftsfähig zu bleiben. Nur attraktive Arbeitgeber können Talente und Fachkräfte für Jobs interessieren. Die Lebensentwürfe und die Ansprüche der neuen Generationen an Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Work-Life-Balance passen dabei eindeutig besser zum mobilen Arbeiten. Auch das Umweltbewusstsein und das Image des Unternehmens spielen eine Rolle, das Denken und Handeln von Einzelnen und Gemeinschaften ändert sich angesichts der Klimakrise und Unternehmen müssen in diesen Bereichen Verantwortung übernehmen. Mobiles Arbeiten kann helfen, das Verkehrsaufkommen zu senken und CO2 einzusparen. Und auch zu gesellschaftlichen Problemen wie Landflucht, Wohnungsmangel und Pflege kann es einen Beitrag leisten.
Bei der Umsetzung des komplexen Modells »Mobiles Arbeiten« können Unternehmen auf zahlreiche Hindernisse stoßen. Sie müssen grundsätzliche Entscheidungen treffen, die Mitarbeiter mit an Bord holen, mit ihnen entlang von bestimmten Leitplanken ein Regelwerk erstellen und sich alle gemeinsam in die Selbstorganisation einfinden. Das Führen auf Distanz funktioniert anders als in der Präsenzkultur, ergebnisorientiertes Arbeiten sowie proaktive Kommunikation sind enorm wichtig und lasche Arbeitsprozesse werden sofort enttarnt. Auch das Desksharing, rechtliche Aspekte und die Arbeitsgesetze bergen auf dem Weg zu Remote Work einige Herausforderungen. Es muss eine neue Unternehmenskultur geschaffen werden, die digitale Tools nutzt, mit denen die Zusammenarbeit, aber auch Recruiting, Bewerbungsprozesse und Onboarding anders ablaufen.
Doch was heißt das jetzt für die Zukunft der Arbeit? Ist bald nur noch der Bildschirm unser Tor zur Arbeitswelt? Und brauchen wir das viel diskutierte Recht auf Homeoffice? Unternehmen, die jetzt nicht handeln und die Digitalisierung und die Möglichkeiten mobilen Arbeitens ignorieren, werden auf dem Markt nicht bestehen können. Und letztlich haben wir es alle in der Hand, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Ich persönlich glaube, dass das Hybridmodell die besten Chancen für Unternehmen bietet und exzellent zu den Bedürfnissen von Menschen nach der Vereinbarkeit von Arbeit, Familie, Freizeit und Selbstverwirklichung passt.
Der Fortschritt in Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie ist nicht aufzuhalten. Es gibt kein Zurück zu »Vor Corona« mehr. Meine Prognose: Hybrides Arbeiten ist die Zukunft.
Ich selbst arbeite schon seit knapp zehn Jahren remote, meine Lebensgeschichte ist eng mit dem Thema verbunden. Alles fing 2013 mit einem normalen Nine-to-five-Job als Key-Account-Managerin in einer Onlinemarketing-Agentur an. In diesem Jahr wurde auch mein Neffe Luis geboren, der alles ins Rollen bringen sollte. Ich arbeitete im Büro in Berlin und besuchte wann immer möglich in meiner knappen Freizeit meine Familie in Passau. Doch das reichte mir nicht, ich wollte Luis aufwachsen sehen, eine wirkliche Bezugsperson sein.
Also folgte ich meinem Impuls und fragte meinen damaligen Chef, ob es möglich wäre, die Bürophasen in Berlin mit einer Woche mobilem Arbeiten pro Monat von Passau aus zu kombinieren. Meine Tätigkeit im Marketing und Vertrieb war ja an konkreten Zahlen messbar; also haben wir zunächst eine Testphase vereinbart. So frei außerhalb des Büros arbeiten zu dürfen, war natürlich ein Privileg. Das war mir auch bewusst und deshalb lautete meine selbst gesetzte Regel Nummer eins: Ich kommuniziere so proaktiv wie möglich – so proaktiv, dass es für meinen Chef und meine Kollegen keinen Unterschied machte, ob ich im Büro war oder nicht.
Ein Dreivierteljahr habe ich so gearbeitet, bis 2014 einige meiner selbstständigen Freunde für zwei Monate nach Thailand gingen und mich fragten, ob ich nicht Lust hätte mitzukommen. Ich klopfte also wieder bei meinem Chef an: Wenn das mit Passau so gut klappt, warum dann nicht auch mit Thailand? Und er hat mich tatsächlich zwei Monate von Thailand aus arbeiten lassen. Seitdem habe ich keinen einzigen Winter mehr in Deutschland verbracht und von überall auf der Welt aus gearbeitet. Warum dies ein rechtlicher Graubereich war bzw. heute noch ist, werden wir uns in Kapitel 17 genauer ansehen.
2014 besuchte ich dann die erste Digitale-Nomaden-Konferenz in Berlin, bei der damals vielleicht 150 Leute waren. Die letzte Konferenz vor Corona war auf über 1500 Teilnehmer angewachsen. Ich hob mich mit meinem Hintergrund als angestellte digitale Nomadin von den anderen ab, denn ich wollte die Sicherheit einer Festanstellung und trotzdem die Freiheit, ortsunabhängig zu arbeiten. Damals galten die digitalen Nomaden als Verrückte, die aber insgeheim von vielen wegen ihrer unkonventionellen Arbeitsweise bewundert wurden, zu der nur wenige den Mut hatten. Denn dafür war es damals noch notwendig, seinen festen Job zu kündigen und sich selbstständig zu machen. Mir war klar: Ich wollte ein UND daraus machen, Menschen sollten angestellt bleiben und trotzdem remote arbeiten dürfen.
Digitale Nomaden arbeiten als Selbstständige ortsunabhängig von verschiedenen Ländern der Welt aus und nutzen dabei die digitalen Technologien.
Zwei Jahre lang war ich die Einzige im Unternehmen, die als Angestellte remote gearbeitet hat, alle anderen waren von Montag bis Freitag weiterhin im Büro. Bis mich 2016 mein Chef fragte, ob ich die Agenturleitung übernehmen wollte. Ich nahm an – unter der Bedingung, das Unternehmen auf Remote Work umstellen zu dürfen. Ich fand es unfair, dass nur ich als Vorgesetzte remote arbeiten durfte, und es war klar, dass ich das unbedingt beibehalten wollte. Als ich das Go erhielt, machte ich nebenberuflich eine Ausbildung zum Changemanager, Teamcoach und zur Teamentwicklerin, absolvierte ein Business-Leadership-Training, bildete mich weiter in Design Thinking und habe zwei Jahre die gesamten Prozesse, Kommunikationsstrukturen, das Projektmanagement und die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, umgestellt und immer wieder iterativ beleuchtet. Dabei habe ich selbst als Führungskraft erlebt, welche Stolpersteine es gibt und wie herausfordernd es sein kann, auf Distanz zu führen.
Ich war drei Jahre lang Remote-Führungskraft und habe mein Team mit einer Mischung aus Bürophasen in Berlin und von der ganzen Welt aus geführt. 2018 habe ich dann meine eigene Beratungsfirma mit dem damals noch eher ungewöhnlichen Thema Remote Work gegründet, einfach weil ich selbst diesen Zugewinn an Lebensqualität durch mobiles Arbeiten sehr schätzen gelernt hatte und die Vorteile auch anderen zugänglich machen wollte. Das anfangs von einigen belächelte Nischenthema wurde durch Corona zum Mainstream-Business. Heute berate ich mit der GRC – GetRemote Consulting GmbH und einem ganzen Team von Beraterinnen und Beratern Unternehmen bei der Etablierung einer nachhaltigen und produktiven Remote-Kultur und spreche mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik über das Thema.
Wir selbst arbeiten hybrid, wir treffen uns immer mal wieder zum gemeinsamen Arbeiten in Berlin und ansonsten ist unser Team den Großteil der Zeit über ganz Deutschland verteilt. Wir arbeiten komplett virtuell, auch mit unseren Kunden, und helfen Unternehmen, mobiles Arbeiten, insbesondere das Hybridmodell, nachhaltig zu etablieren – gemeinsam mit der Geschäftsführung, den Führungskräften und Teams.
Ich bin überzeugt, dass Remote Work und hybrides Arbeiten die Modelle der Zukunft sind. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen aus all meiner Erfahrung heraus die notwendigen Werkzeuge an die Hand geben und Sie ermutigen, Ihr Unternehmen mit hybridem Arbeiten zukunftssicher aufzustellen.
Ihre
Teresa Hertwig
Auch dieses Buch ist hybrid gestaltet, um das Beste aus geschriebenem und gesprochenem Wort zu vereinen. Scannen Sie gerne direkt diesen QR-Code, er führt sie zu ergänzenden Videos und zu den Terminen für die nächsten kostenlosen Onlinelesungen, bei denen Sie mir live Ihre Fragen stellen können. |
* Mir ist es wichtig, dass sich alle Geschlechter (m/w/d) in diesem Buch angesprochen und gemeint fühlen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich jedoch die männliche Form für die Personenbezeichnungen gewählt, es sei denn, die Inhalte sind ausdrücklich auf Frauen bezogen.
Wenn Menschen neue Ideen ins Spiel bringen – beispielsweise, dass Angestellte auch von einem schönen Ort an der Ostsee aus arbeiten könnten –, wird das Unternehmen erst einmal das bestehende Modell – hier die Arbeit unter Kontrolle im Büro – als Normalzustand betrachten und die neue Idee daran messen. Je weiter entfernt innovative Vorschläge und gelebte Realität voneinander sind und je mehr Ungewissheit damit verbunden ist, desto abwegiger wirkt die neue Forderung. Um einer Idee eine echte Chance zu geben, müssen alle Beteiligten bereit sein, den Ist-Zustand zu hinterfragen. Es muss also erst einmal geklärt werden, warum wir überhaupt eine Art der Arbeit als »normal« empfinden. Denn dieses Gefühl kann nur eine Momentaufnahme sein, gesellschaftliche Zustände entwickeln sich evolutionär und so verändert sich auch permanent die Art und Weise, wie wir leben – und arbeiten.
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Revolutionen, tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind das Ergebnis bestimmter Entwicklungslinien. Noch vor hundert Jahren arbeiteten Menschen in Fabriken 14 Stunden und mehr am Stück, Führung funktionierte über Druck und Kontrolle und Mitarbeiter waren eher Befehlsempfänger als kreative Mitgestalter. 1906 entstanden mit dem Bau des Larkin Administration Buildings in Buffalo, New York, die ersten Großraumbüros, die maximale Produktivität gewährleisten sollten.
Heute erscheint die Arbeitssituation von 250 Mitarbeitern in einem Raum, die in exakt ausgerichteten Schreibtischreihen wie am Fließband arbeiteten, eher abschreckend. Die Idee hielt sich jedoch bis in die 1960er Jahre, wenn auch aufgelockert als eine Art Bürolandschaft mit modernen Möbeln, Trennwänden und Pflanzenarrangements. Daraus entwickelten sich letztendlich die heutigen Co-Working-Spaces. Die Arbeitssituation spiegelte auch stets die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Bedingungen, unter denen wir leben und arbeiten, verändern sich heutzutage, insbesondere aufgrund der technischen Innovationsdichte, in rasanter Geschwindigkeit. Doch bislang blieb die Arbeitswelt, obwohl immer mal wieder Anpassungen an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer durchgesetzt wurden, eher in ihren Traditionen verhaftet.
Seit über 200 Jahren hatten Menschen vor allem die Arbeitszeit im Fokus, wenn es um Veränderungen der Arbeitsbedingungen ging. Der Arbeitsort wurde kaum je infrage gestellt. Der Deal lautete: Das Unternehmen honoriert den Aufenthalt (und die Arbeit) der Mitarbeiter am Arbeitsort mit deren Gehalt oder Lohn. Die Idee, die Arbeitsstunden quasi nicht mehr direkt über die Anwesenheit der Mitarbeiter im Unternehmen kontrollieren zu können, erschien vor diesem Hintergrund erst einmal völlig abwegig. Und es gab über viele Jahrzehnte zunächst auch ein viel dringenderes Thema: die Reduktion der Arbeitszeit.
Die Geschichte unseres heutigen Achtstundentages nahm ihren Anfang im England des 18./19. Jahrhunderts. Im Zuge der industriellen Revolution waren infolge des hohen Bedarfs an Arbeitern in den Fabriken 12- bis 14-Stunden-Tage in großen Werkshallen üblich. Der walisische Unternehmer Robert Owen (1771 – 1858) erkannte als einer der Ersten den Zusammenhang zwischen menschenwürdigen Lebensbedingungen, Arbeitszeit und Produktivität. Das Experiment kürzerer Arbeitszeiten – damals von 14 auf 10,5 Stunden täglich – gab ihm Recht. Owen wies nach, dass eine Arbeitszeit von 14 Stunden geringere Effektivität bedeutete und eine Verkürzung der Arbeitszeit diese steigerte. Zusammen mit einer Kranken- und Altersrentenversicherung sowie günstigen Wohnungen für die Arbeiter und bezahlbaren Gütern des täglichen Bedarfs ergab das ein innovatives Gesamtpaket und bescherte dem Unternehmer großen Erfolg: Die Produktivität seiner Fabrik erhöhte sich drastisch und sie wurde zum Musterbetrieb. In den 1810er Jahren ging Owen deshalb noch einen Schritt weiter und formulierte in Großbritannien seine Forderung des Achtstundentages.
Der Slogan von Unternehmer Robert Owen zur Forderung des Achtstundentages: »Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung.«
Obwohl hochrangige Politiker, Fürsten und Könige sowie über 20 000 ganz normale Menschen seinen Musterbetrieb besuchten und sich ein Bild von den Arbeitsbedingungen machten, konnten sich Owens Ideen nicht durchsetzen. Doch der Gedanke war in der Welt – und damit auch in den Köpfen der Unternehmer. Fabrikbesitzern aus den unterschiedlichsten Branchen wurde langsam klar, dass die Produktivität ihrer Betriebe nicht proportional zu den Arbeitsstunden stieg.
Am 1. Mai 1886, also über 70 Jahre nach Owens revolutionärer Forderung, riefen US-Gewerkschaften zu Streiks für eine Arbeitszeitverkürzung auf acht Stunden auf und Hunderttausende Arbeiter beteiligten sich daran. Zwei Tage später löste die Polizei die Demonstration gewaltsam auf, es gab Tote und Verletzte. In der nächsten Nacht versammelten sich die Arbeiter am Haymarket Square in Chicago. Jemand warf eine Bombe in die Versammlung und die Polizisten schossen auf die friedlich Demonstrierenden. Die Gewerkschaften schrieben sich die Kampfforderung auf die Fahne. Ihr Argument: Nur so lasse sich das Arbeitslosenproblem lösen, das infolge der technischen Entwicklungen und der damit verbundenen Rationalisierung entstanden war.
In den 1890er Jahren experimentierten einige Arbeitgeber mit dem Achtstundentag und stellten erstaunt fest, dass die Gesamtleistung pro Arbeiter und Tag weiter stieg. Der US-amerikanische Fabrikant Henry Ford preschte vor. 1914 wurde er von Unternehmerverbänden heftig kritisiert, weil er die Löhne seiner Arbeiter verdoppelte und die Schichten in den Ford-Werken gleichzeitig von neun auf acht Stunden reduzierte. Der Erfolg gab ihm Recht: Fords Geschäft boomte. Aber erst hundert Jahre nachdem Robert Owen bewiesen hatte, dass eine Arbeitszeitverkürzung für alle von Vorteil war, wurde eine der ältesten Forderungen der Arbeiterbewegung erfüllt. 1918 wurde der Achtstundentag schließlich gesetzlich in Deutschland geregelt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte das Thema Arbeitszeit weiter auf der Agenda und warb ab 1956 für die Einführung der Fünftagewoche mit 40 Stunden Arbeitszeit.
Der Slogan des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Forderung nach der Einführung der Fünftagewoche: »Samstags gehört Vati mir.«
1965 wurde das arbeitsfreie Wochenende eingeführt und damit für zahlreiche Arbeitnehmer zur Selbstverständlichkeit. Doch der Wunsch nach einer kürzeren Arbeitszeit blieb und die IG-Metall kämpfte fortan für die 35-Stunden-Woche. 1984 kam es zu langwierigen Verhandlungen und Streiks. Im sogenannten Leber-Kompromiss wurde schließlich eine durchschnittliche betriebliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden festgelegt.
Als Folge des technologischen Fortschritts hat so mancher Vordenker schon vor langer Zeit die These formuliert, dass wir eines Tages nur noch wenige Stunden in der Woche arbeiten würden. Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, befand den Fünfstundentag als ausreichend, der Ökonom John Maynard Keynes prognostizierte 1930 eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden im Jahr 2030. Auch ökologisch wäre eine kürzere Arbeitszeit allemal sinnvoller. Doch noch immer hängen Unternehmen an der Maximierung der Arbeitszeit, tricksen immer wieder, hebeln den Achtstundentag aus und verpflichten Arbeitnehmer auf die eine oder andere Weise zu längeren Arbeitszeiten. So arbeitete einer Studie des Kölner Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO) zur realen Arbeitszeit in deutschen Betrieben zufolge 2004 ein Vollzeitbeschäftigter im Schnitt 42 Stunden pro Woche (Nercessian 2004).
Doch kürzere Arbeitszeiten sind ein Dauerthema. So wird momentan die Viertagewoche diskutiert und in Modellprojekten ausprobiert – auch hier stellte sich heraus, dass eine kürzere Arbeitszeit eher eine Steigerung der Produktivität zur Folge hat und die Aufmerksamkeit der Beschäftigten nach vier Stunden ohnehin nachlässt. Doch das Problem des Lohnausgleichs bei verkürzter Arbeit ist alles andere als geklärt.
Wir sehen, dass die Diskussionen rund um die Bedürfnisse der Arbeitnehmer sowie um die Produktivität und Effizienz von Arbeit eher um die Anwesenheitszeiten am Arbeitsplatz kreisten. Der Spielraum, den auch die Präsenzkultur bot, wurde kaum hinterfragt oder erweitert. Aber warum halten wir trotz der zahlreichen Beweise, dass Produktivität und festgelegte Arbeitszeiten, aber auch der Ort, an dem die Arbeit geleistet wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang stehen, daran fest? Längst ist klar, dass dieses Arbeitsmodell kein Garant für Produktivität ist.