Christian Hesse
MATHE TO GO
Magische Tricks für schnelles Kopfrechnen
Verlag C.H.Beck
Wie kann man selbst dreistellige Zahlen, etwa 271, in kaum sieben Sekunden im Kopf quadrieren? Oder das furchteinflößende Produkt 396 ⋅ 178 mit ein paar schnellen Manövern brummschädelfrei austüfteln? Oder die mächtige Zahl 2.134.215 in einer einzigen Kurzzeile durch 9 dividieren? Oder den Wochentag von Heiligabend, Silvester und dem eigenen Geburtstag ohne Kalender einem staunenden Publikum verkünden? All das und noch viel mehr – darunter viele geniale Zaubertricks – erwartet Sie zwischen den beiden Deckeln dieses Buches. Zudem ist es auch für all jene gedacht und gemacht, die nicht nur ihre Kopfrechenkünste beschleunigen, ja auf Hochtouren bringen wollen, sondern sich für die Ideen hinter den Tricks interessieren, die das Verblüffende erst ermöglichen.
Christian Hesse hat an der Harvard-Universität in Cambridge, USA, promoviert und an der Universität von Kalifornien in Berkeley gelehrt. Seit 1991 ist er Professor für Mathematik und Statistik an der Universität Stuttgart. Im Verlag C.H.Beck sind von ihm u.a. erschienen: Das kleine Einmaleins des klaren Denkens. 22 Denkwerkzeuge für ein besseres Leben (42013); Warum Mathematik glücklich macht. 151 verblüffende Geschichten (52014); Was Einstein seinem Papagei erzählte. Die besten Witze aus der Wissenschaft (32015); Damenopfer. Erstaunliche Geschichten aus der Welt des Schachs (2015).
1. Check-in
2. Warm-up
Clever Carl
Der doppelte Gauß
Schneller Mathe war nie
Sich beim Mathe-Treiben treiben lassen
3. Wie anfangen?
Der Finger-Abakus
Fortgeschritten fingerfertig
Tierisch arithmetisch
4. Multiplikation
Das Große Einmaleins
Exkursion ins Zahlen-Römische
Produkte nach alter Römer Sitte
Gleiche Zehnerstelle
Gerade Differenz
Trachtenbergs Schweizer Taschenmesser
Mathe-aktiv an extremsten Orten
Treffpunkt 100
Für Zahlen nahe 100
Quadriere mich!
Was ist mit Anti-Pythagoras?
Gleiche Anfangsziffer …
… und nun gleiche Endziffer
Altchinesisch, mit Ess-Stäbchen
Action-Mathematik mit Ess-Stäbchen
Mach’s mal auf ’nem Gitter
Schneller, cooler, altarabischer
Tripel Trouble
Trachtenberg goes dreistellig
Quadrierte Dreistelligkeit
Um die 1000
5. Teilen und Herrschen
Per Anhalter zu den Divisoren
Einstelliger Divisor
Sag mir, ob du teilbar bist
Zweistelliger Divisor
Die Umkehrung aller Werte
6. Ergebnis-Check
Neunerprobe
Ode an einen Rest
Hesses erster Ersatzsatz
Elferprobe
Elferprobe live
7. Wurzelbehandlung
… wenn ich eine Quadratzahl bin
Zweimal geatmet, Wurzel gezogen
Streichen, Abgleichen, Multiplizieren
… oder auch nicht
Nicht schlecht!
Wurzeln erklettern
Schätz mich!
Was hätte Heron gemacht?
Anti-Dekonstruktiv
Etwas für Fortgeschrittene
Schnelleres Wurzeln
Bonusmaterial für Meister aller Klassen
Zu Ehren von Indien
Wurzeln, was gewurzelt werden kann
Der Groß-Guru der großen Wurzeln
Hoch und höher
Sich selbst ziehende Wurzeln
8. Loco Logarithmico
Logarithmus, wer bist du?
Mathe-Making im Aufräum-Modus
Noch mehr Bonusmaterial
9. Die Kompetenzkeule für jedes Datum
Sag mir doch den Wochentag
1. Teile die letzten beiden Stellen der Jahreszahldurch 4 und ignoriere den Rest.
2. Addiere dazu die letzten beiden Stellen des Jahres.
3. Subtrahiere davon 1 für einen Januar oder Februareines Schaltjahres.
4. Addiere dazu 6 für ein 2000er oder 1600er Jahr, eine 4 für ein 1700er oder 2100er Jahr, eine 2 für ein 1800er oder 2200er Jahr und eine 0 für ein 1500er oder 1900er Jahr.
5. Addiere dazu den Tag des Datums.
6. Addiere dazu eine Zahl für den Monat nach demfolgenden Schlüssel:
7. Dividiere diese Zahl durch 7. Der verbleibende Restergibt den Wochentag mit der Zuordnung:
10. Cool-down
Anhang
Verwendete und weiterführende Literatur
Dank
Autor
Für A und H und L
Erst mal kann ich euch dazu gratulieren, dass ihr mit diesem Büchlein die richtige Entscheidung getroffen habt. Denn das hier ist nicht Mathematisch-Sibirien. Nein, das ist es nicht. Denn Mathematisch-Sibirien ist der zähflüssige Denkschlamm regalmeterweiser Beweise, ausgebreitet über actionarme Buch-Doppelseiten. Ich bin gegen sibirische Eiseskälte, weil’s mich schnell fröstelt. Und ich bin gegen Permafrost. Ohne Grund. Und gegen Permafrost im Denken erst recht.
Das hier ist Mathematisch-Kalifornien. Denn dort ist ein Teil des Buches entstanden. Ich hoffe, dass man ihm die Leichtigkeit der Stimmung anmerkt, in der ich war, als ich daran schrieb. Sommer, Sonne, Küste, Cabrio, dieses Buch – und ihr habt genau die Good Vibrations für das, was ich euch vorstellen möchte: Mathe für nette Leute, die manchmal «Mathe ist zu schwer für mich» sagen.
Apropos: Vorstellen möchte ich euch auch Ashleigh Brilliant. Er war in den 60er und 70er Jahren der Straßenphilosoph der Hippie-Bewegung, die im Haight-Ashbury-Distrikt von San Francisco ihren Anfang nahm. Mit Gleichgesinnten charterte er damals ein größeres Schiff, taufte es in Floating University um und umkreiste seemännisch den Globus. Zweimal. An Bord lebte man den Groove von Peace, Love & Music, machte bewusstseinserweiternde Erfahrungen aller Art. Tägliche Teach-ins sorgten für die geistige Erbauung, und man ging mal hier, mal dort vor Anker, um mit dem eigenen Lebensstil für die Ortsansässigen die Welt zu verbessern.
Heute wohnsitzt der stark 80-jährige Hippie-Veteran im kalifornischen Santa Barbara. Er lebt vom Erlös seiner gut zehn Tausend Aphorismen, die er im letzten Halbjahrhundert verfasst hat, im Schnitt einen alle zwei Tage. Das Wall Street Journal nannte ihn einmal den «einzigen professionellen Vollzeit-Aphoristiker der Weltgeschichte, der von seinen Einzeilern leben kann».
Ashleighs Aphorismen oder Brilliant Thoughts, wie sie auch genannt werden, bestehen aus nie mehr als 17 Wörtern, was eine Reverenz an die japanische Haiku-Tradition ist und auch Ausdruck der Erfahrung, dass er eh nie mehr als 16 Wörter für seine Epigramme benötigt, aber ein weiteres Wort als Reserve für Notfälle beanspruchen möchte.
Santa Barbara ist in den letzten Jahren zu meiner zweiten geistigen Heimat geworden. Seit 2012 konnte ich, verteilt über mehrere Gastaufenthalte, rund ein Jahr lang an der Pazifikküste leben und arbeiten. Das intellektuelle Klima an der dortigen University of California ist weit inspirierender für meine Forschungen als häufig andernorts.
Wenn Ashleigh Brilliant davon hört, dass ich in Santa Barbara bin, wiederholt sich ein mir lieb gewordenes Ritual: Wir telefonieren und er lädt mich in sein Haus in der Vine Street ein. Wenn ich ihn besuche, plaudern wir ein bisschen über das, was wir seit unserem letzten Treffen erlebt haben. Früher oder später fragt er mich nach meinem aktuellen Buchprojekt. Wenn ich ihm davon erzähle, dauert es nicht lange, bis wir uns für ein gemeinsames Brainstorming an seinen Schreibtisch setzen, um für das jeweils aktuelle Projekt, beim letzten Mal war es das euch vorliegende mit seinem damaligen Arbeitstitel Mathe mit Tempo, einen griffigen Satz zu basteln. Dieses Buch ist ein Schnellkurs im Schnellrechnen. Was wir uns dafür ausdachten, lautet:
How to calculate and not be late
Die folgende Abbildung zeigt das Blatt mit unseren diversen Anläufen, Abbrüchen, Sackgassen und Zwischenstationen in Ashleighs Handschrift.
Versuche und Fehlversuche von Ashleigh Brilliant und dem Autor
Danach dauerte es noch ein ganzes Jahr, bis das Buch fertig wurde. Denn ich wollte es so gut machen, wie es mir möglich war. Begonnen hatte das Projekt vor langer Zeit, im Frühjahr vor zwei Weltmeisterschaften. Die Arbeit daran hat noch mehr Spaß gemacht, als ich es für möglich gehalten habe. Wenn eure Hochstimmung beim Lesen nur halb so hoch ist wie meine beim Schreiben, dann werdet ihr blitzschnelles Kopfrechnen als Speed-Dating mit Zahlen fortan noch cooler finden als jedes angesagte Konzert jedes angesagten Entertainers. Or your money back!
Mathe ist Kunst. Die Kunst des Denkens. Als Mona Lisa unter den Wissenschaften ist sie nicht per se die Kunst des Rechnens. Nicht einmal die Arithmetik, also die Rechenkunst, ist die Kunst des Rechnens. Pointierter könnte man mit einer guten Portion Zen sogar sagen, dass die wahre Rechenkunst darin besteht, Rechnen durch Denken weitgehend überflüssig zu machen.
Ein schönes Beispiel zeigt sich in einer Geschichte, die vom irgendwann auch mal sehr jungen Carl Friedrich Gauß handelt, dem späterhin größten Mathematiker aller Zeiten.
Gauß wurde am 30. April 1777 in Braunschweig geboren. Sein Vater arbeitete dort als Gassenschlächter und seine Mutter war Hausfrau. Als der kleine Gauß gerade erst sieben Jahre alt war, da stellte sein Schullehrer einmal der Klasse die Aufgabe, alle ganzen Zahlen von 1 bis 100 zu addieren. Sinn und Zweck und Ziel der Übung war es, die Schüler für eine Weile zu beschäftigen. Diese Weile erstreckte sich beim cleveren Carl Friedrich jedoch nur über ein paar Sekunden, denn schon nach dieser Zeitspanne hatte er die Summe 5050 auf seine Schiefertafel gekritzelt und diese mit den Worten «Ligget se!» auf des Lehrers Pult gelegt.
Als Gauß dem Lehrer seine Denkweise später erklärte, erkannte dieser, dass er es mit einem außergewöhnlichen Schüler zu tun hatte. Gauß zeigte schon in diesem frühen Alter jene ans Fabelhafte grenzende Intuition, die ihn sein ganzes Leben nicht mehr verlassen sollte.
Wie hatte er’s gemacht?
Nun, er hatte sich die Aufgabe zuerst einmal noch komplizierter gemacht, indem er nicht nur die Hundert Zahlen, sondern zwei Hundert Zahlen addierte. Mit einem meisterlichen Kunstgriff schrieb er gedanklich untereinander:
1 |
+ |
2 |
+ |
3 |
+ |
4 |
+ |
… |
+ |
98 |
+ |
99 |
+ |
100 |
100 |
+ |
99 |
+ |
98 |
+ |
97 |
+ |
… |
+ |
3 |
+ |
2 |
+ |
1 |
Und dann hat er nicht zeilenweise addiert, sondern spaltenweise. Weil in jeder Spalte dieselbe Summe von 101 auftritt, brachte ihm diese Richtungsänderung eine famose Vereinfachung, die seine lange Zahlenkolonne fast bis zum Verschwinden eindampfte. So bekam er 100 Mal die Teilsumme 101 und damit die Zahl 10100, die er nur noch halbieren musste, da er ja jeden Summanden doppelt eingebracht hatte.
Wir sehen also, dass die doppelt diffizile Aufgabe extrem viel leichter zu lösen ist. Interessanterweise zeigt sich dieses seltsame Phänomen, dass ein schwierigeres Problem leichter zu bewältigen ist als ein leichteres, in mancherlei Problemzonen der Mathematik. Entsprechend kann eine stärkere und damit allgemeinere Aussage unter Umständen bequemer zu beweisen sein als eine weniger allgemeingültige.
Der Mathematiker George Pólya hat das als Paradoxon des Erfinders bezeichnet und sich damit auf die gelegentliche Erfahrung bezogen, dass eine vermeintlich kompliziertere Aufgabe, die deshalb eigentlich mehr Erfindungsgeist erfordern sollte, überraschenderweise weniger hartnäckigen Widerstand leistet.
Daraus ergibt sich ein Machbarkeitstipp fürs Ermöglichen scheinbarer Unmöglichkeiten:
Wenn du irgendetwas nicht durchführen kannst, dann versuche doch einmal, etwas darüber Hinausgehendes, noch Großartigeres, noch Schwierigeres durchzuführen. Es könnte leichter sein.
Kennt ihr Beispiele dafür aus eurem Erfahrungsschatz?
Ich kann eines aus meinem eigenen Fundus beisteuern: Für mich persönlich ist es leichter, statt nur einen Kasten Mineralwasser gleich zwei zu schleppen, wegen der Balance.
Im übertragenen Sinn ist auch die Idee vom kleinen Gauß eine Analogie zur Wasserkasten-Idee. Gauß verdoppelt scheinbar seine Mühe, doch wegen der Balance ist das Doppelte auch für ihn viel einfacher zu stemmen.
Bereits im Alter von einem halben Dutzend Jahren wirkte also der später gigagroße Denker geistig schon wie ein gewaltiger Carl Friedrich.
Fesch, gell?
Auch mal selber so was machen wollen?
Gut, auf die Antwort hatte ich gehofft. Dann seid ihr hier richtig. Denn Mathematik ist auch die Wissenschaft der besseren Befriedigungen. Schön, dass ihr Lust darauf habt. Und ich bin mir sicher, dafür reicht euer Können gut aus. Den Rest überlasst getrost mir. Wir werden es gemeinsam machen. Die Seiten dieses Buches sind gespickt mit reizvollen Anreizen für Mitmach-Mathematik.
Und so soll’s damit auch gleich schon losgehen. Beginnen wir mit einem Warm-up. Oder wenn ihr so wollt: mit der ersten unangekündigten Lernkontrolle, hier in Gestalt der Frage:
Könnt ihr mit der Gauß-Idee alle Zahlen in der Multiplikationstabelle des Kleinen Einmaleins aufaddieren? Hier ist die Tabelle, die ich meine:
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
2 |
4 |
6 |
8 |
10 |
12 |
14 |
16 |
18 |
20 |
3 |
6 |
9 |
12 |
15 |
18 |
21 |
24 |
27 |
30 |
4 |
8 |
12 |
16 |
20 |
24 |
28 |
32 |
36 |
40 |
5 |
10 |
15 |
20 |
25 |
30 |
35 |
40 |
45 |
50 |
6 |
12 |
18 |
24 |
30 |
36 |
42 |
48 |
54 |
60 |
7 |
14 |
21 |
28 |
35 |
42 |
49 |
56 |
63 |
70 |
8 |
16 |
24 |
32 |
40 |
48 |
56 |
64 |
72 |
80 |
9 |
18 |
27 |
36 |
45 |
54 |
63 |
72 |
81 |
90 |
10 |
20 |
30 |
40 |
50 |
60 |
70 |
80 |
90 |
100 |
Ich bin mir sicher, ihr könnt das! Und zwar alleine.
Machen wir’s trotzdem gemeinsam.
In der ersten Zeile der Tabelle stehen die Zahlen von 1 bis 10.
In der zweiten Zeile stehen die Doppelten der Zahlen von 1 bis 10.
In der dritten Zeile stehen die Dreifachen der Zahlen von 1 bis 10.
In der zehnten Zeile stehen die Zehnfachen der Zahlen von 1 bis 10.
Also dann:
In der ersten Zeile ist die Summe der Zahlen die Hälfte von 10 ⋅ 11, also 55.
In der zweiten Zeile haben wir das Doppelte dieser Zahl 55, also 2 ⋅ 55.
Und in der n-ten Zeile das n-Fache dieser Zahl 55, also n ⋅ 55.
In allen 10 Zeilen zusammen haben wir das (1 + 2 + 3 + … + 10)-Fache von 55. Und die Zahl in Klammern ist auch wieder genau die, die wir gerade eben ausgerechnet haben: 55. Wir haben den kleinen Gauß damit zweimal angewendet.
Insgesamt kommen wir auf 55 ⋅ 55 = 3025 als Lösung.
Das Ergebnis dieser letzten Multiplikation flackerte innerhalb von drei Sekunden in meinem Arbeitshirn auf, aber nur, weil ich einen Trick kenne, der zweistellige Zahlen hurtig quadriert. Und bald kennt ihr ihn auch. Es ist einer der Tricks, den diese Buchseiten für euch im Sortiment haben.
Ich finde es extrem reizvoll, solche und noch viel kompliziertere Rechnungen blitzschnell im Kopf zu managen. Und zwar unplugged. Ganz ohne Hilfsmittel.
Ist es nicht ultra-cool, selbst dreistellige Zahlen wie 271 in kaum sieben Sekunden im Kopf zu quadrieren? Oder das furchteinflößende Produkt 396 ⋅ 178 mit ein paar schnellen Manövern brummschädelfrei auszutüfteln? Oder die mächtige Zahl 2.134.215 in einer einzigen Kurzzeile durch 9 zu dividieren? Oder den Kehrwert von 19 Dezimale für Dezimale aus dem Oberstübchen herausplätschern zu lassen? Oder den Wochentag von Heiligabend, Silvester und irgendeinem Geburtstag ohne Kalender einem staunenden Publikum zu verkünden? All das findet ihr zwischen den zwei Deckeln hier.
Also Zahlen. Eines ist klar: Zahlen beherrschen die Welt. Sie waren natürlich nicht immer da. Nicht von Anbeginn. Sie wurden erfunden. In der Geschichte des Denkens hat keine andere Erfindung eine ähnlich große Bedeutung oder vergleichbar gewaltige Auswirkungen gehabt.
Wo Zahlen sind, ist es bis zum Rechnen mit ihnen nicht weit. Rechnen ist immer und überall. In allen Ecken und Nischen des ganz normalen Alltags kommt es vor, schnell mal etwas ausrechnen zu müssen. Und nicht immer ist ein Taschenrechner, ein Smartphone oder ein dienstbarer Rechenkünstler in Reichweite. Tricks wie die vom kleinen Gauß, die langwierige und nicht zuletzt langweilige Rechnungen überflüssig machen, gibt es zum Glück zuhauf. Dahinter steckt so manche bezaubernde Idee. Hemmungslos übersprudelnd randvoll damit ist dieses Buch: Sündhaft gute, kriminell schnelle Kniffe für vorm Kamin und außer Haus gibt’s zu bestaunen. Für on the road und für daheim. Und überhaupt: für die Schule. Besonders für die Schule. Viele dieser Kniffe sind zudem intellektuell verblüffend.
Noch verblüffender aber ist: Während Gauß seine Idee selbst entwickeln musste, um eine öde Kalkulation auf zwei simple mentale Kniffe herunterzutrimmen, muss man die Ideen für die genialen Rechentricks dieses Buches nicht selbst haben. Ja, nicht einmal verstehen muss man die Finessen, um superschnell mit ihnen hantieren zu können. Auch muss nicht erst lang und breit bewiesen werden, warum sie funktionieren. Das haben schlaue Köpfe unter den alten Griechen, Römern, Babyloniern schon vor vielen Jahrhunderten für uns erledigt.
Und so können wir uns in diesem Buch auf die geradezu magisch anmutenden Manöver zum Vereinfachen, Erleichtern und Beschleunigen rustikaler Rechnungen konzentrieren. Und überlassen die Beweise den Mathematikern.
Trotzdem ist das Buch auch für all jene gedacht und gemacht, die sich für die Ideen hinter den Tricks interessieren. Jeder neue Rechentrick ist auch eine schöne neue Gelegenheit für Gelegenheitsmathematiker, auszuknobeln, warum das hinhaut.
Daher lade ich zu diesem Buch nicht nur all diejenigen ein, die ihre Kopfrechenkünste beschleunigen, ja auf Hochtouren hochtunen wollen. Sondern auch jene, die den Ideen nachspüren möchten, die das Verblüffende erst ermöglichen. Beides hat seinen eigenen Reiz.
Immer noch unsicher, ob dieses Buch das richtige für euch ist?
Dann gibt es hier einen Schnelltest zur Entscheidungserleichterung. Zwei kleine Kunststücke als Überlegungshilfe.
Wie viel ist 18 ⋅ 11?
Dafür existiert natürlich eine schriftliche Methode, die in der Schule eingepaukt wird. Aber die folgende Abkürzung und die meisten Finten dieses Buches finden sich nicht in den Lehrplänen deutscher Lehranstalten:
Um 18 mit 11 zu multiplizieren, addiere man die Ziffern 1 und 8 der Zahl 18, was 9 ergibt, und schreibe die 9 zwischen die 1 und die 8. Das war’s:
18 ⋅ 11 = 198
Lässig, oder?
Also, wenn ihr diese List nicht lässig, locker und leicht findet, dann kenne ich euch nicht mehr!
Und dann ist dieses Buch nicht das richtige für euch.
Und wo wir gerade bei der Multiplikation mit 11 sind, gibt’s gratis noch einen schönen Zaubertrick obendrauf:
Zaubernde Mathematik
Ein Zauberer, zum Beispiel ihr, reicht einem Mitspieler, zum Beispiel mir, aus dem Publikum einen Zettel, auf dem zehn von 1 bis 10 durchnummerierte Linien eingezeichnet sind. Ihr bittet den Mitspieler, sich zwei beliebige einstellige Zahlen auszudenken und diese auf die 1. und 2. Linie zu schreiben sowie anschließend auf jede der folgenden Linien die Summe der Zahlen der beiden vorhergehenden Linien. Die Summe der Zahlen auf der 1. und 2. Linie kommt also auf Linie 3. Auf Linie 4 kommt die Summe der Zahlen auf den Linien 2 und 3. Und so geht es weiter bis zur 10. Linie.
Ist das getan, seht ihr euch die ganze lange Zahlenkolonne für nur eine Sekunde an und teilt dem Publikum die Summe aller zehn Zahlen mit. Der Publikumsmitspieler rechnet nach, am besten mit Taschenrechner, und bestätigt zum Erstaunen aller euer Ergebnis.
Als weiteren Steigerungsakt präsentiert ihr einen schon vor dem Trick verschlossenen Briefumschlag. Ihr erwähnt, dass dieser einen Zettel enthält mit dem Quotienten der Zahl auf Linie 10, geteilt durch die Zahl auf Linie 9, mit zwei Nachkommastellen. Der Umschlag wird geöffnet und enthält tatsächlich die vom Mitspieler als richtig überprüfte Zahl 1,61.
Der Trick hat meistens eine verblüffende Wirkung und nur die allerwenigsten werden ihn auf Anhieb durchschauen. Dabei ist die Durchführung für euch als Zauberer denkbar einfach. Bei eurem kurzen Blick auf die Zahlenkolonne solltet ihr auf Linie 7 schauen. Die Gesamtsumme aller zehn Zahlen in der Zahlenkolonne ist das 11-Fache der Zahl auf Linie 7. Und für die Multiplikation mit 11 haben wir ja gerade eben einen Schnellrechentrick kennengelernt.
Ferner ist der Quotient der Einträge auf den Linien 10 und 9 bis auf zwei Dezimalen immer gleich 1,61. Und zwar ganz egal, welche beiden Zahlen anfangs gewählt wurden.
Beide Eigenschaften hängen damit zusammen, dass es sich bei der Zahlenkolonne um die ersten zehn Fibonacci-Zahlen handelt. Diese Art von Zahlenreihe entsteht immer dann, wenn ausgehend von zwei Anfangswerten jeder jeweils nächste Wert durch Addition der beiden direkt vorhergehenden gebildet wird. Der Quotient aufeinanderfolgender Werte der Fibonacci-Folge nähert sich sehr schnell der Zahl 1,618… an. Das ist eine berühmte Zahl. Fast so berühmt wie die Kreiszahl Pi. Sie wird als Goldener Schnitt bezeichnet.
Fassen wir zusammen:
Mathe mit Tempo spart Zeit. Da stellt sich die Frage: Was machen wir mit der durch Schnellrechnen gewonnenen Zeit?
Zum Beispiel können wir Strategie 10 aus Li Zhous Vortrag über Problemlösungsstrategien beherzigen. Sie lautet:
Nach der schönen Lösung einer schweren Aufgabe genehmige dir einen coolen Drink.
Mein Merksprüchlein dazu: Think & Drink!
In der ersten Zeichnung, hinter dem Schreibtisch sitzend, begegnen wir auch Herrn K, der mich schon seit vielen Jahren durch viele Vorlesungen und manche Bücher begleitet hat, um immer mal wieder etwas klarzustellen, zu erläutern oder einfach nur da zu sein. Und genauso, wie man in der Mathematik immer mal wieder für ganz verschiedene Zwecke eine Funktion f braucht oder eine Variable x, einen Winkel α, eine Matrix A, so auch des Öfteren einen Herrn K.
Was passt besser zu schnellem Kopfrechnen als ein langsamer Cocktail, der den Denkapparat in Kontakt bringt mit allen fünf Körpersinnen? Er liefert die Synergie von Kopf und Körper. So lässt sich schnelle Mathematik unschwer schmecken, und mit einem Slow-Drink kann man sie sich entsprechend langsam auf der Zunge zergehen lassen.
Nach vollbrachtem Einstieg ins Buch können wir uns also unserem Lieblingsgetränk widmen. So kurz vor Mitternacht ist das bei mir ein Double Rainbow.