Joachim Ehlers lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Freien Universität Berlin. Die Kulturgeschichte des westeuropäischen Mittelalters bildet einen seiner Arbeitsschwerpunkte. Im Verlag C.H.Beck sind von demselben Autor lieferbar: Die Ritter (bsr 2392, 22009); Die französischen Könige des Mittelalters (bsr 1723, 2006, hrsg. gemeinsam mit Heribert Müller und Bernd Schneidmüller).
Als 1328 mit Karl IV. der letzte französische König aus dem Hause der Capetinger stirbt, erlischt diese Dynastie im Mannesstamm. Der nächste Verwandte ist Karls Neffe, König Eduard III. von England, ein Plantagenêt. Den Thron besteigt aber ein entfernterer Verwandter aus dem Hause Valois, der als Philipp VI. französischer König wird. Die Frage der legitimen Thronfolge kann friedlich nicht beigelegt werden und wird – wenn auch nicht allein und für sich genommen – zur Ursache des längsten militärischen Konflikts der europäischen Geschichte. Joachim Ehlers erzählt in dem vorliegenden Buch die Geschichte des Hundertjährigen Krieges, in dem legendäre Schlachten geschlagen werden wie jene bei Azincourt, in dem Johanna von Orleans zuerst zur Nationalheldin und dann zur Märtyrerin wird (1431), um bald zur Nationalheiligen Frankreichs aufzusteigen, und in dem Revolutionen sowie der Ausbruch der Pest die Länder politisch, gesellschaftlich und moralisch destabilisieren und verwüsten. Ursachen, Verlauf und Folgen des Hundertjährigen Krieges werden in einer sehr gut verständlichen und spannenden Darstellung knapp und konzise erklärt.
Verlag C.H.Beck
Zu den zentralen Ereignissen des europäischen Spätmittelalters gehört jener große Krieg zwischen der englischen und der französischen Monarchie, der in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts ausbrach und in einer Folge raumgreifender Feldzüge samt vielen regional begrenzten militärischen Aktionen bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts geführt wurde. Er betraf auch die benachbarten Reiche von Schottland bis Italien und Spanien, in besonderer Weise die deutschen Könige als Träger der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches, brachte gewaltige Zerstörungen, Blutopfer und materielle Verluste mit sich, aber auch kräftige Modernisierungsimpulse durch progressive Entfaltung der politischen Theorie, der Verwaltung und der Heeresverfassung.
Dieser ungewöhnlich lange und hartnäckig ausgetragene Konflikt, für den die Bezeichnung «Hundertjähriger Krieg» erst während des 19. Jahrhunderts in Frankreich aufgekommen ist, hatte tief in die Geschichte hinabreichende Wurzeln und war im wesentlichen dynastischer Natur, in der Substanz eine Angelegenheit zweier Königshäuser und der mit ihnen durch wechselnde Allianzen verbundenen Familien des Hochadels. Es handelte sich daher nicht um einen Krieg zwischen Staaten, in dem «Frankreich» und «England» gegeneinander angetreten wären, sondern um die militärische Auseinandersetzung zweier riesiger Lehnsverbände, und deshalb hingen Feindschaften ebenso wie Bündnisse von Heirats- und Verwandtschaftsbeziehungen ab, von persönlichen Loyalitäten, individuellen Ambitionen, von Förderung, Gunst und Huldverlust. Wegen dieser sehr subjektiv-personalen Bestimmung lassen sich die Abläufe nicht mit modernen Kategorien von Staatsräson und nationaler Politik durchschauen und erklären, auch nicht mit den üblichen Konzepten von homogenen Volkswirtschaften oder Institutionen, die unabhängig von den sie tragenden Personen gleichsam objektiv existieren. Wir sollten uns vielmehr fürs erste wie Ethnologen auf ungewohnte Verhaltensweisen fremder Menschen und auf eine Welt einlassen, deren andersartige Struktur wir zunächst beobachten und respektieren müssen, um sie überhaupt verstehen zu können.
Eine frühe Voraussetzung für den späteren Konflikt ergab sich, als Herzog Wilhelm von der Normandie im Jahre 1066 mit einer Invasionsflotte an der südenglischen Küste landete, in der Schlacht bei Hastings das angelsächsische Heer besiegte und noch im selben Jahr König von England wurde. Gleichwohl blieb er Herzog der Normandie und als solcher Vasall des französischen Königs, doch fortan beherrschten englische Könige mit ihrem adligen Gefolge einen Teil Frankreichs.
Fast hundert Jahre später, 1152, nahm ein anderer Herzog der Normandie, Heinrich von Anjou, Eleonore zur Frau, die soeben vom französischen König Ludwig VII. geschiedene Erbin des Herzogtums Aquitanien. Heinrich war der Sohn des Grafen Gottfried «Plantagenêt» von Anjou und Mathildes, der Tochter König Heinrichs I. von England. Nach dessen Tod im Jahre 1135 war Mathildes Recht auf die Nachfolge in England nicht anerkannt worden, so daß ihr Sohn und Erbe seinen eigenen Thronanspruch erst nach langen Kämpfen im Jahre 1154 durchsetzen konnte. Als Heinrich II. wurde er zum König von England gekrönt, blieb außerdem Graf von Anjou, Herzog der Normandie und durch seine Gemahlin Eleonore auch Herzog von Aquitanien. Zwar huldigte er für diesen Festlandsbesitz dem französischen König, aber faktisch regierte er außer England auch den größten Teil Frankreichs.
Dieses Großreich der Anjou-Plantagenêt bestand zwar nur bis 1204, als der französische König Philipp II. die Normandie und das Poitou eroberte, aber im Südwesten Frankreichs hielt der englische König Heinrich III. auch später noch große Ländereien zwischen Charente und den Pyrenäen, deren Besitz ihm Ludwig IX. von Frankreich 1259 im Vertrag von Paris bestätigte, indem er sie ihm als «Herzogtum Guyenne» mit der Hauptstadt Bordeaux zu Lehen gab. Dafür verzichtete Heinrich III. auf Anjou, Maine und die Touraine, gab seinen Titel als Herzog der Normandie ebenso auf wie den des Grafen von Anjou. Was als dauerhaftes Friedensabkommen gedacht war, führte jedoch im Laufe der Zeit immer deutlicher erkennbar zu unvereinbar gegensätzlichen Positionen, denn die englischen Könige wollten ihr französisches Lehnsgut wie Eigentum behandeln und behalten, während die Könige von Frankreich ihren mächtigen Vasallen gänzlich vom Kontinent zu vertreiben suchten.
Die Anfänge des Hauses Anjou-Plantagenêt
Als die Spannungen sich im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts bis zur Entladung gesteigert hatten, befanden sich Frankreich und England wirtschaftlich und technisch im großen und ganzen auf dem gleichen Niveau, stimmten in ihrer Gesellschaftsordnung, ihrer Kultur und dem Wertesystem überein.
In Frankreich lebten damals ungefähr 16 Millionen Menschen, und seine Hauptstadt übertraf mit 200.000 Einwohnern selbst die größten italienischen Städte. Als bedeutendstes Zentrum der Wissenschaft in Europa wirkte die Universität Paris meinungsbildend, auf theologisch-philosophischem Gebiet auch meinungsführend, und war intellektuelle Autorität von großem politischen Gewicht. Von Frankreich ausgehend verbreitete sich die Architektur der gotischen Kathedralen über die westliche Christenheit; seit 1309 residierten die Päpste in Avignon mit einem mehrheitlich aus Franzosen bestehenden Kardinalskollegium; französische Herrscherhäuser regierten die Provence, Neapel-Sizilien, Navarra, Zypern. Gleichzeitig aber waren seit der Wende zum 14. Jahrhundert die Spannungen zwischen dem König und den Eliten in Adel, Klerus, Bürgertum Frankreichs gewachsen und sollten sich durch den Krieg noch steigern.
Das Reich Heinrichs II. (1152/54–1189)
England (also die Insel ohne Schottland und Wales) hatte etwa 5 Millionen Einwohner, von denen die meisten zu großen Grundherrschaften gehörten, die eine gut organisierte Landwirtschaft betrieben, vor allem Getreideanbau und Schafzucht zur Wollproduktion. Die einzig nennenswerte große Stadt, bewohnt von ungefähr 40.000 Menschen, war London, dessen Handel aber von Italienern, deutschen Hansekaufleuten und Kaufleuten aus Flandern beherrscht wurde. Seit dem 12. Jahrhundert hatte die zunehmend zentralisierte Königsherrschaft eine für die Bedingungen der Zeit hervorragende Verwaltung aufgebaut, doch seit Beginn des 14. Jahrhunderts wuchs der Einfluß des Parlaments, das auf Ladung des Königs zusammentrat und sich in zwei getrennten Häusern versammelte: geistliche und weltliche Herren im House of Lords, gewählte Vertreter der Grafschaften im House of Commons. Das Parlament wurde üblicherweise und besonders im Kriegsfall zur Bewilligung zusätzlicher Abgaben zusammengerufen; es konnte entweder starke Stütze oder mächtiger Gegner der Krone sein, in die Verwaltung und das Gerichtswesen eingreifen, Einfluß auf politische Entscheidungen suchen.
Bei Steuerforderungen blieb auch die französische Monarchie auf den Konsens der Betroffenen angewiesen, obwohl sie seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts stärker geworden war und während der langen Regierungszeit Philipps IV. (1285–1314) einen deutlichen Schub hin zu theoretischer und administrativer Konsolidierung erfahren hatte. Nicht immer konnte der König von Frankreich die für Armeen nötigen Mittel aufbringen, aber gerade das wäre nötig gewesen, weil sich sein zunehmend strenges Regiment auf ein konsequent gehandhabtes Lehnrecht stützte, also Herrschaft über Vasallen war und insofern auch den englischen König natürlich nicht aussparen konnte. Dessen Besitzungen auf dem Kontinent wurden wie alle anderen Gebiete nach lehnrechtlichen Kriterien behandelt, und folgerichtig definierten die Juristen und Berater des Königs von Frankreich jeden politischen Konflikt als feudale Auseinandersetzung zwischen dem französischen Lehnsherrn und seinem widerborstigen englischen Vasallen. Mangelndes Wohlverhalten oder mißliebiges Handeln konnten sie jederzeit als Rechtsverletzung kriminalisieren und entsprechende Strafen empfehlen. Der Einsatz militärischer Macht gegen Amtsträger des englischen Königs oder auch gegen diesen selbst mußte demnach nicht als Krieg, sondern durfte als legitimes Mittel zur Wiederherstellung gekränkten Rechts dargestellt werden.
Unter den gegebenen Voraussetzungen konnte der englische König nur dann dauerhafte Sicherheit für seinen Kontinentalbesitz erlangen, wenn er den Vasallenstatus abwarf und selbst König von Frankreich wurde.
Die Gelegenheit dafür begann sich im Jahre 1316 abzuzeichnen, als Ludwig X. nach ungewöhnlich kurzer Regierungszeit ohne männlichen Erben starb und damit eine dynastische Krise auslöste, die zum Existenzkampf der französischen Monarchie werden sollte. Weil die Königinwitwe schwanger war, bestand noch Hoffnung auf einen Thronfolger, und bis das entschieden war, sollte Ludwigs jüngerer Bruder Philipp die Regentschaft führen. Als die Königin mit einem Sohn niederkam, schien alles in die hergebrachten Bahnen zu weisen, aber das Kind starb nach wenigen Tagen, und nun gab der Regent die Macht nicht mehr aus den Händen. Eine Versammlung von geistlichen und weltlichen Würdenträgern, von Bürgern und Pariser Universitätsjuristen billigte den Staatsstreich und befand für Recht, daß Ludwigs Tochter Johanna nicht Königin werden dürfe, weil in Frankreich Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen seien. Anfang des Jahres 1317 ließ sich Philipp als fünfter König seines Namens in Reims krönen. Dieser rein politischen Entscheidung fehlte zwar die behauptete Rechtsgrundlage, aber sie lieferte ein Argument, das sich bald als nützlich erweisen sollte. Philipp V. starb schon 1322, ebenfalls ohne männlichen Erben, und wieder nahm ein Bruder des Verstorbenen die Krone: Karl IV., letzter Sohn Philipps des Schönen.
Als auch er sechs Jahre später ohne Erben starb, mußte das Problem der Nachfolge durch eine Entscheidung zwischen mehreren Personen gelöst werden, denn nun kamen zwei Enkel Philipps III. in Frage – Vettern der letzten drei Könige, und zwar Philipp von Évreux, der außerdem Schwiegersohn Ludwigs X. war, und Philipp von Valois. Philipp von Évreux verfolgte seinen Anspruch ohne rechte Ambition, zumal der Valois von vornherein die besseren Chancen hatte: Dessen Vater Karl war als Bruder Philipps des Schönen politisch sehr einflußreich gewesen, während er selbst in fünfunddreißig Lebensjahren schon reichlich Erfahrung gesammelt hatte, den französischen Eliten wohlbekannt und sofort regierungsfähig war. Noch vor seiner Krönung als Philipp VI. am 29. Mai 1328 erschien jedoch eine englische Gesandtschaft und forderte den französischen Thron für ihren König Eduard III., der durch seine Mutter Isabella ein Enkel Philipps des Schönen war. Niemals, soll Isabella gesagt haben, werde Eduard als Sohn eines Königs dem Sohn eines Grafen huldigen. Immerhin war Eduard, allerdings in weiblicher Linie, ein gradnäherer Verwandter des jüngst verstorbenen Königs von Frankreich als Philipp von Valois.
Das Ende der Capetinger und der Anfang des Hauses Valois
Die Rechtsauffassung des englischen Hofes war durchaus plausibel begründet. Europäische Dynastien erweiterten ihre Herrschaftsgebiete oft und legitim durch Heirat von Erbtöchtern; das capetingische Königshaus und seine Angehörigen hatten von diesem Brauch selbst mehrmals profitiert, gleichwohl lehnten die französischen Juristen das Ansinnen ab und erklärten, daß Isabella von ihrem Vater niemals ein Nachfolgerecht erhalten habe und demzufolge gar nicht besäße, was sie ihrem Sohn weitergeben wolle.
Zunächst schien es so, als würde Eduard III. das akzeptieren, denn 1329 huldigte er unter dem Druck seines kriegs- und ausgabenscheuen Parlaments Philipp VI. in Amiens für die Guyenne und erkannte ihn damit als König von Frankreich an. Dieser Eindruck täuschte jedoch. Von seinen beiden großen politischen Zielen – Behauptung des Kontinentalbesitzes und Durchsetzung des Anspruchs auf die Krone Frankreichs – hatte der englische König das erste erreicht, ohne das zweite aufzugeben, denn mit der Huldigung war ihm das Herzogtum Guyenne als Lehen bestätigt worden, die Frage der Anerkennung Philipps VI. aber mußte sich wegen erheblicher Legitimitätsprobleme des Hauses Valois bald neu stellen: In Frankreich sollten ja nicht nur die Frauen von der persönlichen Nachfolge ausgeschlossen werden, sondern auch alle männlichen Nachkommen der weiblichen Linie, weil andernfalls die Söhne der Töchter Ludwigs X., Philipps V. und Karls IV. eine Anwartschaft gehabt hätten. Hieraus ergaben sich Konflikte, die der englische Hof weidlich genutzt hat. Bald sollte Karl von Navarra, Sohn Johannas und Philipps von Évreux, gegen das Haus Valois in den Krieg eingreifen.
Vergleicht der moderne Betrachter die Ressourcen beider Könige, so erscheint ihm die von Eduard III. ausgehende Gefahr vielleicht wenig bedrohlich. Frankreich war unverhältnismäßig viel reicher an Menschen und Gütern – man darf indes nicht übersehen, daß Wirtschaftskraft im Spätmittelalter eher als potentielle Energie wirkte, die erst erschlossen und durch ein effektives Abgabensystem organisiert werden mußte, bevor man sie einsetzen konnte. Außerdem hatte Frankreich den Höhepunkt landwirtschaftlicher Produktion schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts erreicht, und der immer noch wachsenden Bevölkerungszahl entsprach keine Vergrößerung der Nutzfläche mehr, weil es kaum noch kultivierbares Land gab. Periodisch auftretende Hungersnöte quälten und beunruhigten die Menschen; während die Arbeitslöhne stiegen, fielen die Grundrenten – Haupteinnahmequelle des landbesitzenden Adels. Adliges Leben war jedoch teuer und verlangte nicht nur die Führung eines großen Hauses bis hin zum Hofstaat, Ausgaben für geistliche Stiftungen, für Kleidung und Schmuck: Der ritterliche Kämpfer mußte sich auch auf eigene Kosten ausrüsten, brauchte je nach seinem gesellschaftlichen Rang bis zu sechs speziell für den Einsatz im Gefecht abgerichtete Pferde, dazu natürlich Lanze, Schwert, Helm und Rüstung, die mit fortschreitendem Raffinement des Plattnerhandwerks immer kostspieliger wurden; er war auf Knappen und Hilfskräfte angewiesen, mußte abkömmlich sein für den Dienst am Hof großer Herren, für Krieg und Turnier, nicht zuletzt aber freie Zeit zum Üben der Kampftechniken haben. Als die große Agrarkrise des 14. Jahrhunderts begann, sanken viele adlige Familien in die bäuerliche Schicht ab. Ein großer Teil der Kämpfer im Hundertjährigen Krieg kam aus diesem Adelspauperismus.
Eduard III. huldigt Philipp VI. (1329) Handschrift des 14. Jahrhunderts, Bibliothèque Nationale de France, Paris
Eine besonders kritische Region war Flandern, neben dem Artois wichtigstes europäisches Zentrum der Textilindustrie und gezeichnet durch große soziale Spannungen zwischen oligarchischem Patriziat einerseits, armen Webern und aufstrebenden, nicht an den Stadtregierungen beteiligten Kaufleuten andererseits. Hier setzte Eduard III. an, denn er wollte Flandern als Operationsbasis einer Invasionsarmee nutzen. Weil er den Grafen von Flandern nicht für ein Bündnis gewinnen konnte, übte er wirtschaftlichen Druck auf dessen Städte aus, indem er die englischen Wollexporte einstellte und damit die Weber arbeitslos machte. Gent, Brügge und Ypern vertrieben daraufhin den Grafen und verbündeten sich mit dem englischen König, der nun auf Brabant rechnen konnte.
Als Antwort auf diese Drohgebärde zog Philipp VI. im Mai 1337 die Guyenne als Lehen ein, im Gegenzug erneuerte Eduard III. im Oktober seinen Anspruch auf die französische Krone, landete im Frühsommer 1339 mit seiner Armee auf dem Kontinent und rückte von Brabant aus nach Süden vor. Philipp VI. wagte keine Abwehrschlacht, sondern hoffte auf finanzielle Erschöpfung des Gegners, der sich jedoch im Januar 1340 in Gent als König von Frankreich anerkennen lassen konnte und die französische Lilie in sein Reichswappen neben die drei Leoparden stellte. Am 24. Juni 1340 schlug er bei Sluys vor Brügge die französische Flotte so vernichtend, daß Philipp VI. den Kanal künftig nicht mehr kontrollieren konnte. Ungehindert brachte Eduard III. weitere Truppen auf den Kontinent und hatte schließlich etwa 30.000 Mann in Flandern stehen. Weil beide Könige die hohen Kosten eines Krieges jedoch vorerst vermeiden wollten, schlossen sie am 25. September 1340 in Esplechin nahe Tournai einen Waffenstillstand, der bis zum 24. Juni 1342 befristet war.
Wäre der Krieg damals noch zu verhindern gewesen? Trotz aller Studien über Frieden und Konflikt werden sich Fragen solcher Art niemals präzis und wissenschaftlich haltbar beantworten lassen; der hier zugrundeliegende Streit um die französischen Thronrechte war jedenfalls aus einem Widerspruch erwachsen, der weder dynastisch noch lehnrechtlich aufzulösen war und auf dieser Ebene nicht beigelegt werden konnte. Erst im Rückblick, aus der Erfahrung nationaler Staatengeschichten Europas, erscheint die englische Forderung unnatürlich und deshalb als von vornherein vergeblich. Für die Zeitgenossen beiderseits des Kanals galt aber eine durchaus andere Perspektive. Erbfolge, Lehnrecht und ein sehr persönlich bestimmtes politisches Interesse bildeten als leitende Faktoren die Kriterien, Theorien und Motive für Entscheidungen, deren spezifische Bedingtheit man kennen muß, um den Ablauf der folgenden Ereignisse zu verstehen.
Ein Vorspiel zum großen Krieg sollte dessen Struktur schon sehr deutlich erkennen lassen. Im Jahre 1341 starb Herzog Johann III. von der Bretagne, ein alter Freund und Alliierter des französischen Königshauses, der zuletzt auf Philipps VI. Seite in Flandern gekämpft hatte. Da er keinen Erben hinterließ, erhoben sein Halbbruder Johann, Graf von Montfort, und seine Nichte Johanna von Penthièvre Anspruch auf die Nachfolge im Herzogtum.
Die Erbfolge der Herzöge von der Bretagne
Bretagne bretonnanteBretagne française,