Cornelius Hartz

Sehen Sie, so stirbt man also!

55 beste letzte Worte

Impressum

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© 2012 Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz

 

ISBN: 978-3-8053-4433-3

 

Lektorat: Götz M. Heinrich, Frankfurt am Main

Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Umschlaggestaltung: Katja Holst, Frankfurt am Main

Umschlagmotiv: natural stone © Anyka - Fotolia.com; Kranz: Dover Pictorial Archiv

Druck: CPI books GmbH, Ulm

Konvertierung: Koch, Neff & Volckmar GmbH, KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

 

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:

eBook (PDF): 978-3-8053-4504-0

eBook (epub): 978-3-8053-4505-7

 

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

 

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Inhaltsübersicht

Vorwort

Sokrates

Alexander der Große

Archimedes

Caesar

Augustus

Nero

St. Thomas von Canterbury

Jacques de Molay

Leonardo da Vinci

Tycho Brahe

Lope de Vega

Galileo Galilei

Georges Danton

Jane Austen

Ludwig van Beethoven

Johann Wolfgang von Goethe

Hokusai

Edgar Allan Poe

Frédéric Chopin

Honoré de Balzac

Heinrich Heine

John Brown

Karl Marx

Emily Dickinson

Sitting Bull

Sissi

Oscar Wilde

Anton Tschechow

J. J. Astor

Mata Hari

Rosa Luxemburg

Pancho Villa

Anna Pawlowa

Maxim Gorki

Hans Scholl

H. G. Wells

Eugene O’Neill

Dylan Thomas

James Dean

Thomas Mann

Humphrey Bogart

Adolf Eichmann

Winston Churchill

Malcolm X

Lenny Bruce

Konrad Adenauer

Coco Chanel

Groucho Marx

Terry Kath

Marlene Dietrich

Kurt Cobain

Frank Sinatra

Bennie Demps

Johannes Paul II.

Steve „Crocodile Hunter“ Irwin

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Zum Weiterlesen

Vorwort

„Auch du, Brutus!“, „Mehr Licht!“ – letzte Worte sind dazu bestimmt, Menschen unsterblich zu machen, das ganze Leben einer berühmten Person in einer einzigen Sentenz zusammenzufassen, um sie der Nachwelt in einer bestimmten Art und Weise in Erinnerung zu halten – ob nun der oder die Sterbende diese Sentenz von sich gab oder ob die Nachwelt sie ihm oder ihr in den Mund gelegt hat. Oft genug nämlich, wie bei den anfangs angeführten Beispielen von Caesar und Goethe – wohl die berühmtesten letzen Worte überhaupt –, wurden diese Worte im Nachhinein erfunden (Caesar) oder sinnentstellend verkürzt (Goethe).

Der Tod eines Prominenten war zu allen Zeiten ein Ereignis. So wie sich in dieser Generation jeder daran erinnert, wo er die Nachricht vom Tod von Lady Di gehört hat (angebliche letzte Worte: „Mein Gott, was ist passiert?“), so wusste in der Generation davor jeder, wo er gerade war, als er hörte, dass John F. Kennedy erschossen worden war (angebliche letzte Worte: „Ich bin getroffen!“). Und so blickt diese Sammlung letzter Worte auf prominente Menschen aus allen Epochen, von der griechischen Antike bis zum Jahr 2006. Darunter finden sich weise Sentenzen, kluge Sprüche und Weisheiten oder auch nur überraschte oder überraschende Kommentare der Sterbenden zu ihrer Situation oder dem Sterben überhaupt.

Dabei hängen Qualität wie auch Wahrheitsgehalt solcher überlieferter letzter Worte von verschiedenen Faktoren ab:

  • Auf welche Weise ist jemand gestorben?

  • Wer war dabei?

  • Wann war das?

Vor allem der erste dieser Faktoren ist es, der die „Güte“ (wenn man so will) eines letzten Wortes beeinflusst. Menschen, die eines plötzlichen oder gewaltsamen Todes starben, hatten selten Gelegenheit, der Nachwelt etwas wirklich Profundes zu hinterlassen. Dennoch sind gerade einige dieser Worte interessant, als spontane Äußerungen, die mitunter zum Hinterfragen einladen, ob der- oder diejenige sich in jenem Moment der Situation bewusst war oder nicht. Manchmal wird die Ursache des Todes auch direkt mit den letzten Worten thematisiert, wie beim französischen Diplomaten Paul Claudel (letzte Worte: „Doktor, denken Sie, es war die Wurst?“).

Eines natürlichen Todes Gestorbenen oder einer Krankheit Erlegenen ist vielleicht noch mehr als anderen das Schicksal widerfahren, dass ihnen ihre letzten Worte angedichtet wurden. Hier präsentiert sich der Tod als schicksalhaftes Ereignis, oftmals einhergehend mit Entkräftung oder auch großen Schmerzen. In solchen Fällen müssen die letzten Worte meist als spontane Äußerung angesehen werden, und oft muss – vor allem, wenn sie besonders bedeutungsschwanger daherkommen – die Überlieferung angezweifelt werden. Ganz anders ist es beispielsweise bei Hingerichteten: Ihren letzten Worten ist in den meisten Fällen mehr Bedeutung beizumessen, da sie genug Zeit hatten, sich etwas zurechtzulegen. (Letzteres gilt übrigens auch und gerade für Abschiedsbriefe von Selbstmördern.)

So ist es eben auch der Faktor der Gesellschaft, in der der oder die Tote sich befand, der in punkto Wahrheitsgehalt bedeutsam ist – vor großem Publikum (Guillotine), vor kleinem Publikum (elektrischer Stuhl) oder nur im Beisein des Kammerdieners (Goethe). Oftmals gibt es nämlich durchaus verschiedene Angaben, was nun wirklich das Letzte war, das ein Mensch von sich gab, je nachdem, wer als Letzter bei ihm war und wer denjenigen dann später danach gefragt hat.

Der dritte, der zeitliche Faktor, hängt auch mit der Art und Weise der Überlieferung zusammen. Von der Antike bis zum Mittelalter diente das letzte Wort eines Menschen mehr als je der Legendenbildung. Von einer Geschichtsschreibung, wie sie die Moderne kennt, konnte zu Zeiten der alten Römer noch keine Rede sein. Die antiken Historiker vermengten stets Anekdoten mit tatsächlichen Ereignissen, die allerdings oft schon Generationen oder Jahrhunderte zurücklagen (so Jesus’ letzte Worte: „Es ist vollbracht!“, überliefert im Evangelium des Johannes, das frühestens 50 Jahre nach Jesus’ Tod entstanden ist).

Das ist heute natürlich anders. Doch ist auch heute, wo wir das Gefühl haben, alles über die VIPs zu wissen, der Tod meist noch eine (vielleicht manchmal die einzige) private Angelegenheit. Und so wird es wohl immer wieder Worte geben, die berühmten Menschen als letzte Äußerung eines außergewöhnlichen Lebens zugesprochen werden, um der Nachwelt etwas ganz Bestimmtes über die Verstorbenen mitzuteilen – was bei den spätantiken Märtyrern (angebliche letzte Worte des Hl. Laurentius: „Mir ist dies Feuer eine Kühle“) ebenso der Fall war wie bei Bob Marley (letzte Worte: „Geld kann Leben nicht kaufen“).

Wer schlau ist, besinnt sich bereits zu Lebzeiten darauf, dass er nach seinem Tod zitiert werden könnte und trifft entsprechende Vorkehrungen, wie sie Mark Twain (angebliche letzte Worte: „Auf Wiedersehen. Falls wir uns treffen“) empfahl: „Ein vornehmer Mann sollte sich mit seinen letzten Worten ebenso viel Mühe geben wie mit seinem letzten Atemzug. Er sollte sie auf einen Zettel schreiben und die Meinung seiner Freunde dazu einholen. Er sollte das nicht bis zur letzten Stunde seines Lebens aufschieben und darauf vertrauen, dass im letzten Moment sein Intellekt beflügelt wird und ihn etwas Geistreiches sagen lässt, wenn er das letzte Mal nach Luft schnappt, so dass er mit Grandezza in die Ewigkeit entschwindet.“ Hätten dies doch einige beherzigt, deren letzte Worte eher schmucklos bis profan wirken – wie Bertolt Brecht (letzte Worte: „Lasst mich in Ruhe!“) oder Luis Buñuel (letzte Worte: „Ich sterbe“).

Sokrates

„Oh Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Opfert ihm den und unterlasst es nicht.“

Wahrheitsgehalt: 20 %

Tätigkeit: Philosoph

Gestorben: 399 v. Chr. in Athen

Im Alter von: etwa 70 Jahren

Todesursache: Hinrichtung

Letzte Worte im Original: „ὦ Κρίτων, τῷ Ἀσκληπιῷ ὀφείλομεν ἀλεκτρυόνα: ἀλλὰ ἀπόδοτε καὶ μὴ ἀμελήσητε.“

Quelle: Platon, Phaidon 118a

 

Sokrates war der größte Philosoph und einflussreichste Denker des Altertums. Der Lehrer Platons machte sich durch seine Unangepasstheit die Machthaber der attischen Demokratie zum Feind. Nach einem berühmt gewordenen Prozess wegen Gottlosigkeit und Jugendgefährdung wurde er durch den Schierlingsbecher hingerichtet.

Wie starb er?

Sokrates’ philosophischer Ansatz war davon geprägt, feststehende Gewissheiten zu hinterfragen. Was er theoretisch erörterte, setzte Sokrates auch aktiv um, so dass er sich ein ums andere Mal mit der Obrigkeit anlegte. Und so wurde er 399 v. Chr. angeklagt, den Göttern zu lästern und die Athener Jugend zu verderben. Alle Vorwürfe und Anklagen konnte Sokrates mit geschickten Argumentationen entkräften; dennoch befand der Gerichtshof ihn mit 281 von 501 Stimmen für schuldig. Der Staat beantragte die Todesstrafe, und nach geltendem Recht durfte Sokrates für sich selbst eine alternative Strafe erbitten. Doch anstatt wie erwartet das Exil zu wählen, schlug er vor, dass man ihn öffentlich ehren solle wie einen Olympioniken. Nach dieser provozierenden Rede konnte man fast nicht anders, als die Todesstrafe gegen ihn zu verhängen.

Viele Freunde besuchten Sokrates in seiner Zelle. Einige wollten ihm zur Flucht verhelfen, aber Sokrates beharrte auf dem Standpunkt, man müsse ein verhängtes Urteil auch befolgen, sonst setze man jegliche Gesetze außer Kraft. Schließlich reichte man ihm einen Becher mit einem Trank aus hochtoxischem Geflecktem Schierling; Sokrates leerte den Becher ungerührt. Der im Schierling enthaltene Giftstoff Coniin verursacht schon ab einer Dosis von einem halben Gramm eine Lähmung des Rückenmarks, die von unten her aufsteigt, bis der Vergiftete schließlich bei vollem Bewusstsein erstickt, durch Atemlähmung. Theorien darüber, warum der Schierlingsbecher im alten Griechenland eine so beliebte Hinrichtungsart war, berufen sich auf den starken Hang der damaligen Gesellschaft zur Ästhetisierung – ein so Hingerichteter ist allemal schöner anzuschauen als einer, dem man den Kopf abgeschlagen hat.

Die letzten Worte

Sokrates’ letzte Worte sind in Platons Dialog „Phaidon“ nachzulesen. Wie bei aller antiken Literatur ist die Echtheit dieses Ausspruchs mit Vorsicht zu genießen, aber dennoch spricht einiges dafür, dass er nicht komplett erfunden ist. Zumindest passt es ins Bild: Für einen zu Unrecht der Gottlosigkeit Angeklagten scheint es geradezu zwingend, kurz vor dem Tode noch einmal seine Frömmigkeit zu demonstrieren. Sokrates veranlasste mit seinen letzten Worten eine der heiligsten Handlungen, ein Opfer: „Oh Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Opfert ihm den und unterlasst es nicht.“

Asklepios (lat.-dt. Äskulap) war der griechische Gott der Heilkunst. Ihm wie allen anderen Göttern opferte man ein bestimmtes Tier, wenn man den Ausgang einer Angelegenheit günstig beeinflussen wollte, und Asklepios war (neben Eule und Schlange) der Hahn heilig. Der Angesprochene, Kriton, war einer der vielen Schüler des Sokrates, und er war einer von denen, die den Philosophen dazu drängten, zu fliehen. Der Ansprechpartner ist somit geklärt, aber wieso gerade Asklepios? Warum nicht, im Angesicht des Todes, den Gott der Unterwelt, Hades, oder gleich Göttervater Zeus? Vielleicht ist der springende Punkt die Formulierung „wir schulden“ – es mag sein, dass Sokrates zuvor an einer Krankheit gelitten und diese überwunden hatte; in solch einem Falle hätte man Asklepios durchaus ein Opfer darbringen können.

Es ist allerdings auch möglich, dass er diesen Ausspruch auf den Schierling bezog. Den alten Griechen wird bekannt gewesen sein, dass dieser in ganz geringen Dosen ein krampflösendes und schmerzstillendes Heilmittel war. Somit könnte dies auch ein ironischer Seitenhieb auf die Hinrichtungspraxis gewesen sein – von einem, der selbst mit dem Tod vor Augen noch daran denkt, einem Freund einen geradezu geschäftsmäßig wirkenden Auftrag zu erteilen und somit dem Moment des Sterbens jegliche Erhabenheit und Bedeutung zu nehmen, was die Hinrichtung gewissermaßen ad absurdum führt.

Alexander der Große

„Dem Besten.“

Wahrheitsgehalt: 10 %

Voller Name: Alexander III. von Makedonien

Tätigkeit: König

Gestorben: 10. Juni 323 v. Chr. in Babylon

Im Alter von: 33 Jahren

Todesursache: Vergiftung

Letzte Worte im Original: „Τῷ κρατίστῳ.“

Quelle: Arrian, Anabasis 7.26.3

Alternativ: „Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern.“

 

Alexander der Große, König Makedoniens und Herrscher aller Griechen, war einer der größten Strategen der Geschichte. Als er mit Anfang dreißig starb, hatte er ein Weltreich erobert, das von der Adria bis zum Hindukusch reichte. Dennoch starb er nicht durch das Schwert eines Feindes, sondern (wahrscheinlich) an einer Nieswurz-Vergiftung.

Wie starb er?

Alexander begann 334 v. Chr., mit Anfang zwanzig, einen groß angelegten Feldzug gegen Persien, der die persische Invasion in Griechenland (über 150 Jahre zuvor) rächen und das östliche Mittelmeer von der Herrschaft der persischen Großkönige befreien sollte. Mit ca. 35 000 Soldaten überschritt er den Hellespont und befreite durch den Sieg gegen Mithridates die griechischen Küstenstädte in Kleinasien, eroberte Syrien und Ägypten, und 331 v. Chr. schlug er Dareios III. und dessen riesiges Heer in der legendären Schlacht bei Gaugamela. In Babylon ließ er sich zum neuen Großkönig ernennen.

Alexander zog noch weiter gen Osten, eroberte die östlichen Landesteile und Baktrien, heiratete die 13-Jährige baktrische Königstochter Roxane und kam schließlich bis nach Indien, wo er den Fürsten Poros besiegte. Aber sein Vorhaben, „bis an das Ende der Welt zu marschieren“, ging nicht auf: Nach fast zehn Jahren Krieg hatten seine erschöpften Truppen 325 v. Chr. genug. Sie meuterten, und das zwang Alexander, sich wieder auf den Heimweg nach Makedonien zu machen. Den Marsch durch die Wüste der heutigen Grenzregion von Iran und Pakistan überlebte nur ein Teil seiner Soldaten.

Anfang 323 v. Chr. trafen die Truppen wieder in Babylon ein. Inwieweit Alexander hier noch Pläne für weitere Eroberungen schmiedete, ist unklar; eventuell wollte er noch bis Rom ziehen. Im Mai bekam er Fieber. Was letztlich seinen Tod verursachte, ist ebenfalls nicht ganz zu klären. Eine wahrscheinliche Variante ist, dass seine Ärzte versuchten, ihn mit Nieswurz (Veratrum album) zu heilen, einer giftigen Pflanze, die damals im östlichen Mittelmeer sehr verbreitet war. Alexanders überlieferte Krankheitssymptome, wie Erbrechen, Übelkeit und Schüttelfrost, sind denen einer Nieswurzvergiftung ganz ähnlich – eventuell haben die Ärzte ihm immer wieder geringe Dosen verabreicht, die dann letztlich tödlich waren. Alexanders übermäßiger Alkoholkonsum, vor allem dem Wein sprach er reichlich zu, war sicherlich auch nicht ganz unschuldig an seinem Tod. Am 10. Juni starb er.

Die letzten Worte

Alexanders letzte Worte sind beim griechischen Geschichtsschreiber Arrian überliefert, der fast 500 Jahre nach Alexander lebte – so viel zur Authentizität. Er schreibt Folgendes: An seinem Sterbebett wurde Alexander gefragt, wem seiner Nachfolger die Herrschaft über das Weltreich zufallen sollte, das er hinterließ. Seine Antwort war: „Dem Besten.“ Dieser wahrlich kraftvolle Ausdruck ist natürlich ein passendes letztes Wort für einen, der „die Welt“ erobert hat. Daneben gibt es noch weitere Überlieferungen, was Alexanders letzte Worte waren – die poetischste: „Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern.“

Dem Wunsch, den Alexanders bei Arrian nachzulesende letzte Worte ausdrücken, entsprach der Lauf der Geschichte allerdings nicht. Sein einziger männlicher Nachkomme kam erst nach Alexanders Tod zur Welt und wurde schon bald ermordet. Alexanders Weltreich zerfiel, die einzelnen Teile (die sogenannten Diadochenreiche) fielen u. a. an zwei seiner einflussreichsten Generäle, Seleukos (der so das Seleukidenreich begründete) und Ptolemaios (dem Urvater der Ptolemäer-Dynastie, die über 300 Jahre in Ägypten herrschte).

Einen Blutsverwandten gab es dennoch, der immerhin den makedonischen Thron erhielt: seinen kränklichen Halbbruder Arrhidaios. Dieser wurde bereits kurz nach Alexanders Tod von der Heeresversammlung als „Philipp III.“ zum neuen König von Makedonien ausgerufen – aber „der Beste“ war auch er sicher nicht, zumindest nicht für die ihm zugedachte Aufgabe. Sechs Jahre später wurde er im Zusammenhang mit den unter Alexanders Nachfolgern ausgebrochenen Streitigkeiten getötet.

Archimedes

„Störe meine Kreise nicht!“

Wahrheitsgehalt: 5 %

Voller Name: Archimedes von Syrakus

Tätigkeit: Mathematiker

Gestorben: 212 v. Chr. in Syrakus

Im Alter von: ca. 75 Jahren

Todesursache: Erschlagen

Letzte Worte im Original: „Μή μου τοὺς κύκλους τάραττε.“

Quelle: Valerius Maximus 8.7 (dort auf Latein: „Noli, obsecro, istum disturbare.“)

 

Der Grieche Archimedes war eines der ersten mathematischen Genies. Er entwickelte die ersten Ansätze der Integral- und Differentialmathematik und schuf viele praktische Erfindungen. Der Legende nach starb er durch das Schwert eines römischen Soldaten – bis zum Schluss mit geometrischen Berechnungen beschäftigt.

Wie starb er?

Während des Zweiten Punischen Krieges gelang es den Römern im Jahre 212 v. Chr. unter dem General Marcus Claudius Marcellus nach dreijähriger Belagerung die sizilische Stadt Syrakus einzunehmen, einen Handelsknotenpunkt der Griechen. Die Schuld daran, dass es so lange dauerte, die Stadt zu erobern, trug vor allem ein Mann: der Mathematiker und Physiker Archimedes. Er hatte eine ganze Reihe Erfindungen entwickelt, die den Syrakusanern halfen, den Feind abzuwehren, u. a. neuartige Wurfmaschinen und einen Hohlspiegel, mit dem man über große Entfernungen Brände legen konnte. Doch nicht nur Kriegsgerät erfand der geniale Wissenschaftler: Er entdeckte die Hebelgesetze und den Auftrieb (angeblich in der Wanne liegend, wobei er „Heureka!“, „Ich habe es gefunden!“, ausrief), erfand einen Pumpmechanismus zur Feldbewässerung und bestimmte, über 2000 Jahre vor Newton, ziemlich genau den Wert der Zahl Pi.

Als die Römer Syrakus trotz aller Bemühungen seiner Einwohner einnahmen, wurde Archimedes, bereits im hohen Alter, durch das Schwert eines römischen Soldaten getötet. Warum dies geschah, darüber gibt es verschiedene Angaben: So heißt es in einer Quelle, Archimedes habe Instrumente für physikalische Berechnungen, die augenscheinlich aus Gold gefertigt waren, bei sich gehabt und sei auf dem Wege zum neuen Machthaber Marcellus gewesen, um sie ihm zu übergeben. Der Soldat habe gedacht, er wolle Wertgegenstände in Sicherheit bringen und habe ihn deshalb getötet. Bekannter ist jedoch eine andere Version der Ereignisse, die den Hintergrund bildet für Archimedes’ berühmt gewordene letzte Worte.

Die letzten Worte

Die Legende, die gleich bei mehreren römischen Historikern wiedergegeben wird, besagt, dass Archimedes am Tag der Einnahme der Stadt gerade dabei war, vor seinem Wohnhaus geometrische Formen zur Berechnung mit einem Stock in den Sand zu zeichnen, als ein römischer Soldat vorbeikam, um ihn festzunehmen. Archimedes, ganz Wissenschaftler, wollte nicht gestört werden – wohl weil er seinen Gedankengang nicht unterbrechen wollte, und sagte: „Störe meine Kreise nicht!“

Auf Latein heißt der Wortlaut: „Ich beschwöre dich, störe dies hier nicht“ – von „Kreisen“ ist dabei keine Rede. Und der einzige Grieche, der über diesen Vorfall schreibt, Plutarch, erwähnt diese letzten Worte nicht einmal. Dennoch ist an der lateinischen Fassung interessant, dass Archimedes hier noch eine Phrase des Bittens („obsecro“) benutzt, die das Ganze ein wenig abmildert; genützt hat ihm dies nicht, der römische Soldat war über diese Anmaßung des Besiegten so in Rage, dass er ihn erschlug.

Sicherlich ist dies nur eine Legende. Die anekdotenhafte Schilderung dient der postumen Überhöhung der Person Archimedes’ und zeigt den genialen Mann als bis zur letzten Sekunde seines Lebens unbeugsam und nur an eines gebunden: die wissenschaftliche Erkenntnis. Ein Triumph des Geistes über das Schwert war dies zwar nicht, aber interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Legende weitergeht: Als Marcellus hörte, dass der Soldat ausgerechnet Archimedes getötet hatte, geriet er zu Recht in Rage, hatte er doch gehofft, den Urheber der kriegswichtigen Erfindungen für seine Dienste einspannen zu können. So konnte zumindest Archimedes’ Geist nicht mehr in den Dienst des Schwertes gestellt werden.

Caesar

„Das ist ja Gewalt!“

Wahrheitsgehalt: 20 %

Voller Name: Gaius Iulius Caesar

Tätigkeit: Politiker und Feldherr

Gestorben: 15. März 44 v. Chr. in Rom

Im Alter von: 55 Jahren

Todesursache: Attentat

Letzte Worte im Original: „Ista quidem vis est!“

Quelle: Sueton, Divus lulius 82

Alternativ: „Auch du, mein Sohn!“

 

Caesar war ein brillanter Feldherr, der das Römische Reich zu bis dahin ungekannter Macht führte. Er war aber auch ein skrupelloser Politiker, der sich durch Intrigen, Bestechung und Einschüchterung bis an die Spitze des Staates brachte. Am Ende wurde er von einer Gruppe Männer umgebracht, die nur ein Ziel verfolgten – Rom vor ihm zu retten.

Wie starb er?

Als Gaius Iulius Caesar 58 v. Chr. nach Gallien aufbrach, hatte er eine beispiellose politische Karriere hingelegt und es bis zum Konsul gebracht. Beim Volk war er beliebt, er vertrat die nichtadlige römische Oberschicht, aber es wuchs die Zahl seiner politischen Gegner, die ihn als machthungrigen und skrupellosen Menschen einschätzten. Nach seinem Konsulat nahm er einen angeblichen Aufstand der Stämme im Süden Galliens zum Vorwand, um sich als Prokonsul vom Senat dorthin entsenden zu lassen und mit seinem Heer von 58 bis 50 v. Chr. das gesamte Gallien zu erobern (sowie 55 v. Chr. Britannien). Im Verlauf des Gallischen Krieges soll je ein Drittel der gallischen Bevölkerung getötet bzw. versklavt worden sein Nach der Eroberung Galliens fürchteten viele Senatoren, dass Caesar sich, wenn er wieder in Rom wäre, unter Waffengewalt zum Alleinherrscher aufschwingen würde. Der Senat erließ mit großer Mehrheit ein Gesetz, das vorsah, dass Caesar erst den Oberbefehl über seine Truppen würde ablegen müssen, bevor er wieder italischen Boden betreten dürfte. Nur drei Tage nach diesem Beschluss überschritt Caesar am 10. Januar 49 v. Chr. dennoch mit seinen Soldaten den Fluss Rubikon, der die Grenze zu den gallischen Provinzen bildete. Hier sprach er angeblich die legendären Worte: „Der Würfel ist gefallen.“ Ihm war bewusst, dass er mit diesem Schritt einen Bürgerkrieg provozieren würde, der mehrere Jahre andauern sollte.

Caesar verjagte Pompeius Magnus, der in Caesars Abwesenheit den Senat angeführt hatte, und dessen Getreue aus Rom und quer durch das Mittelmeer, bis er Pompeius schließlich in der Schlacht bei Pharsalos besiegte. Zurück in Rom ließ Caesar sich zum Diktator auf Lebenszeit ernennen. Während Caesars letzter Lebensjahre wuchs die Zahl der Senatsmitglieder, die um den Fortbestand der römischen Republik fürchteten und erkannten, dass Caesar in seiner Machtbesessenheit eine monarchistische Herrschaftsform anstrebte. Der Kreis der Verschwörer innerhalb des Senats wuchs auf über fünfzig an, und an den Iden des März 44 v. Chr. war es soweit: Während der Senatssitzung umringten Caesar auf einmal die mit Dolchen bewaffneten Verschwörer und erstachen ihn mit Dutzenden Messerstichen.

Die letzten Worte

Als Caesars letzter Ausruf weltbekannt sind diese Worte: „Auch du, mein Sohn!“ bzw. „Auch du, Brutus!“ Dies soll an Marcus Iunius Brutus gerichtet gewesen sein, der zum innersten Kreis der Verschwörer gehörte. Brutus war weder verwandt noch verschwägert mit Caesar; das beim Kaiserbiograf Sueton überlieferte Zitat könnte höchstens darauf hinweisen, dass sich Caesar und Brutus trotz politischer Meinungsverschiedenheiten persönlich nahestanden. Berühmt geworden ist dieses Wort in der Neuzeit vor allem durch Shakespeares Stück „Julius Caesar“, wo in Akt 3, Szene 1 Caesar auf Lateinisch ausruft: „Et tu, Brute?“

Gleichwohl ist wahrscheinlicher, dass Caesar als Letztes etwas anderes gesagt hat, das ebenfalls bei Sueton überliefert ist. Er schreibt: „Als er sich setzte, umstellten ihn die Verschwörer, als wollten sie ihm Respekt zollen, und Cimber Tillius, der die Rolle des Anführers eingenommen hatte, kam näher, als wolle er Caesar eine Frage stellen. Und als er ihn mit einer Geste wegschicken und auf später vertrösten wollte, ergriff ihn jener an beiden Seiten an der Toga. Dann rief Caesar: ‚Das ist ja Gewalt!‘, und einer aus der Familie Casca stach auf ihn ein, ein wenig unterhalb der Kehle.“

Es erscheint wenig glaubhaft, dass Caesar noch „Auch du, mein Sohn!“ gesagt haben soll, nachdem man ihm in die Kehle gestochen hatte. Folgt man der inneren Logik des Geschehens, erscheint die zweite Variante immer noch am wahrscheinlichsten.

Augustus

„Livia, lebe in Erinnerung unserer Ehe, und lebe wohl!“

Wahrheitsgehalt: 5 %

Voller Name: Gaius Octavius / Gaius Iulius Caesar Augustus

Tätigkeit: Römischer Kaiser

Gestorben: 19. August 14 n. Chr. in Nola

Im Alter von: 76 Jahren

Todesursache: Diarrhö

Letzte Worte im Original: „Livia, nostri coniugii memor vive, ac vale!“

Quelle: Sueton, Divus Augustus 99

Alternativ: „Klatscht Beifall und schickt uns alle mit Freuden fort!“

 

Augustus war der Neffe und Adoptivsohn Caesars. Er erbte nicht nur dessen Vermögen, sondern zeigte wie sein Onkel politisches Geschick, so dass er Caesars Anspruch als Alleinherrscher über das Römische Reich fortführte und schließlich das Kaisertum begründete. Dabei ging er über Leichen, erreichte aber selbst ein hohes Alter.

Wie starb er?

Im Laufe seiner Karriere gelang es Gaius Octavius, seine Trümpfe so geschickt auszuspielen, dass er sozusagen im Alleingang die römische Republik abschaffte und nach über 400 Jahren aus dem Imperium wieder eine Monarchie machte. Anders als sein Onkel Gaius Iulius Caesar (dessen Namen er angenommen hatte, als der 18-Jährige Caesars Testament gemäß von diesem sozusagen postum adoptiert wurde) gelang es Augustus jedoch, eine dauerhafte Alleinherrschaft einzurichten. Sie sollte nach ihm bis zum Untergang des Römischen Reiches bestehen und das Imperium zu ungekannter Größe ausdehnen.

Der Kaiser war schon sehr alt, 75 Jahre, als er im Sommer des Jahres 14 n. Chr. eine Reise nach Kampanien unternahm. Auf der Insel Capri bekam er hartnäckigen Durchfall, und so veranlasste er, dass er in die kleine Stadt Nola in der Nähe von Neapel gebracht wurde, wo er eine Villa besaß. Hier starb er schließlich im Beisein seiner Frau Livia und mehrerer Repräsentanten des Staates am 19. August – ausgerechnet am 50. Jahrestag seines Amtsantritts als römischer Konsul.

Augustus’ sterbliche Überreste wurden nach Rom gebracht und seine Asche in einem großen Mausoleum bestattet, das der Kaiser schon zu Lebzeiten hatte errichten lassen. Zeit genug hatte er dafür gehabt, erreichte er doch ein überdurchschnittlich hohes Alter. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes betrug zu jener Zeit unter 40 Jahre. Er selbst wurde nach seinem Tod zum Gott erhoben – divus Augustus, der „vergöttlichte Augustus“, erhielt einen eigenen Kult, eigene Priester und einen eigenen Tempel.

Die letzten Worte

Divus Augustus, so lautet auch der Titel, unter dem die Augustus-Biografie des Historikers Sueton erhalten ist. Der Wahrheitsgehalt ist, wie immer bei den antiken Überlieferungen, nicht allzu hoch anzusetzen. Sueton beschreibt den Tod des ersten römischen Kaisers und sagt, auf dem Totenbett habe er zu den Anwesenden gesagt: „Klatscht Beifall und schickt uns alle mit Freuden fort!“ Danach, unmittelbar vor seinem Tod, habe er sich an seine Frau gewandt und mit erstickender Stimme geflüstert: „Livia, lebe in Erinnerung unserer Ehe, und lebe wohl!“

Der erste Satz mutet auf den ersten Blick ein wenig befremdlich an. Diesen sprach Augustus auf Griechisch; es handelt sich um den berühmten Schlusssatz der griechischen Komödie, den die Schauspieler an die Zuschauer richteten. Das Schauspiel, die Komödie war vorbei. Dabei fällt es schwer, Augustus’ Leben auf objektive Weise als Komödie zu sehen: Auf seinem Weg nach oben und während seiner Regierungszeit ging er, was seine politischen Feinde betraf, über Leichen und machte auch vor der eigenen Familie nicht halt: Seine Tochter ließ er verbannen, angeblich, weil sie einen Staatsstreich gegen ihn plante, und seine Enkelin ebenfalls.

Umso intimer erscheint der zweite Satz, zumal die romantische Liebe als Basis einer Ehe als Konzept zu dieser Zeit, zumindest in der römischen Oberschicht, eigentlich noch nicht existierte. Doch mit Livia Drusilla war es etwas anderes: Sie war seine dritte Frau, und er hatte sie nur bekommen können, indem er ihren ersten Mann zwang, sich von ihr scheiden zu lassen. Bei der Hochzeit war die 20-Jährige schwanger gewesen. Zwar war auch diese Ehe, wie Augustus’ vorherige, vor allem politisch motoviert, aber es scheint so, als hätten sich Augustus und Livia während ihrer langen Ehe tatsächlich lieben gelernt. Livia erbte einen großen Teil seines Vermögens und überlebte Augustus um 15 Jahre. Sie wurde 87 Jahre alt.