C.H.Beck
Meister Eckharts Faszination ist nicht nur für diejenigen spürbar, die sich mit neuen religiösen oder interreligiösen Impulsen beschäftigen. Er stößt auch darüber hinaus auf geistiges, literarisches und religionskritisches Interesse. Das Buch versucht, sein Profil als Denker, als Prediger und als Lebenslehrer darzustellen. Es sieht in Eckhart nicht einfach ein historisches Phänomen, sondern einen Vorausdenker. Es versucht ferner, soziale Zusammenhänge, insbesondere die damaligen religiösen Frauenbewegungen, einzubeziehen. Nicht zuletzt nimmt das Buch auch Stellung zu Eckharts Lehrkonflikt.
Dietmar Mieth war Professor für Theologische Ethik an der Universität Tübingen. Seit 2009 ist er Fellow am Max Weber Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt. Seit 2008 ist er Präsident der Meister Eckhart Gesellschaft.
Der Band wurde konzipiert für die Reihe «Denker», herausgegeben von Otfried Höffe.
Vorwort
Einleitung
«Gott ist unser Anfang»: Michelangelos «Erschaffung Adams» und Eckharts Schöpfungslehre
«Das Leben schenkt die edelste Erkenntnis»: Eine praktische Metaphysik
I. Gott und Mensch
1. «Mit den natürlichen Gründen erkennen»: Philosophie und Theologie
2. «Ich bin, der Ich bin»: Gottes-Aufweis aus dem «Ich»
3. «Gott wirkt, und ich werde»: Der innerliche Gott
4. Die Fülle Gottes als Trinitätsargument: «Die Erkenntnis geht aus und kehrt als Liebe zurück»
5. «In unaufhörlichem Fluss»: Geschehen, Beziehung, prozessuale Struktur, Perspektivismus
6. «Der gerechte Mensch ist frei», aber «nicht oberhalb der Gnade»: Gnade und Freiheit
7. «Gott ist Denken»: Eine intellektuelle «Wirklichkeit»
8. «Der Leib ist in der Seele»: Leib und Seele
II. Einheit im Wort, im Denken und im Bild
9. Sprache, Exegese, Handlung: im Dienst einer praktischen Metaphysik
10. «Gleich bei Gott, weder darunter noch darüber»: Einheit, Univozität und Analogie – Angriff und Verteidigung
11. «Wer im Bild ist, ist nicht außerhalb»: Die Bildlehre
III. Offenbarung, Wahrheit und Gewissheit
12. «Goldener Apfel im silbernen Netz»: Das bibeltheologische Auslegungsprogramm
13. «Alles Wissen ist um seiner selbst, nicht um eines anderen willen»: Die Wahrheit und die Freiheit der Wissenschaft im Horizont der Weisheit
14. «Der wahrhaft freie Geist wird in die Ewigkeit entrückt»: Abstraktion, Abgeschiedenheit, Überlassenheit, Armut, ohne Worumwillen – Eckharts Lebenslehre im Vergleich mit seiner Zeitgenossin Marguerite Porete
15. «Alle können es erfahren»: Die Gewissheit und der Durchbruch von innen
IV. Gottesgeburt und Gottesentzug
16. «Im Anfang war das Wort»: Christologie und Menschwerdung
17. «Auch im Sünder bleibt die Frucht des Werkes»: Kontingenz und Aposteriorität, das Nicht und die Sünde
18. «Die stille Wüste»: Dunkel, Gottesentzug und Schweigen
19. «Ihr sollt derselbe Sohn sein»: Innere Gottesgeburt – eine spezifisch christliche Erfahrung des Religiösen
V. Spiritualität, Ethik, Mystik
20. Aktion und Kontemplation: «Da ist nichts anderes als eines»
21. «Der edle Mensch»: Ethik als Aufwertung der individuellen Menschenwürde
Exkurs: Eckhart und Luther – ein Versuch der Annäherung und Differenzierung
22. Zwischen Glauben und Religion – Eckharts Zuordnung zur «Mystik»
23. «Wie ein Tropfen im Meer»: Interreligiöse Akzente
VI. Häresie im Widerstreit
24. «Häresie ist eine Frage des Willens»: Leben und Prozess im Überblick
25. «Einer, der mehr wissen wollte, als nötig ist»: Die verurteilten Sätze
26. «Wie es dem Leser nützlich erscheint»: Zur Geschichte und zum Widerstreit der Interpretationen
Schluss: Meister Eckhart heute verstehen?
Anhang
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Namenregister
Sachregister
Der Dominikaner Meister Eckhart (ca. 1260–1328) lehrte wie Albertus Magnus (gest. 1280) am Studium Generale der Dominikaner in Köln, aber auch zweimal, wie Thomas von Aquin, auf dem theologischen Lehrstuhl in Paris (1303/04 und 1311–1313). Man zählt ihn als Philosophen zu der Deutschen Albert-Schule, die eine Reihe von vorzüglichen Denkern hervorgebracht hat. Eckhart, der «magister sacrae scripturae» (Professor der Heiligen Schrift), hat eine eigenständige Philosophie und Theologie entwickelt, die schon damals viele faszinierte und immer wieder neu entdeckt wurde.
Geboren um 1260 stammte Eckhart von Hochheim (kein Orts-, sondern ein Geschlechtsname) aus Thüringen. Von der Burg seiner Eltern, Tambach bei Dietharz, sind noch ein paar Steine zu sehen. Nach der Schule, vermutlich in Gotha, erhielt er seine weitere Bildung im Dominikanerkloster in Erfurt. Es folgten Studien in Köln und möglicherweise in Paris, wo er als Lektor 1293 seine Antrittsvorlesung hielt. Als Prior von Erfurt und Vikar von Thüringen (1294–1298), als Provinzial der Ordensprovinz «Saxonia» (1303–1311), als Vikar des Ordensgenerals (ab 1313) hatte er vor seiner letzten akademischen Lehrtätigkeit in Köln (1323–1326) bereits hohe Ordensämter inne.
Seine letzten Jahre in Köln waren von einem Inquisitionsprozess überschattet, der gegenüber einem derart renommierten Lehrer der Theologie einzigartig war. Denn es ging dabei nicht primär um akademische Streitigkeiten, sondern um die pastorale Wirkung seiner deutschen Predigten und Schriften im Zusammenhang mit der Verfolgung von sog. «Freigeistern», aber auch der «Beginen». Die Beginen sind religiös lebende Frauengemeinschaften in den Städten, die seit dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts neben den in Klausur lebenden Nonnen approbiert sind. Sie sind eher lokal eingeordnet, übernehmen karitative Aufgaben und leben von der eigenen Arbeit. Sie haben keine übergreifende Regel. Sie sind der Seelsorge durch die Bettelorden, insbesondere die Dominikaner, anvertraut. Die wesentlich kleinere männliche Variante nannte man «Begarden». Eckhart, der Prediger, kannte die Interessen dieser Zuhörerinnen (s. Kap. 15). Die Predigt als «communicatio divinae vitae» («Mitteilung göttlichen Lebens») diente schon nach Thomas dazu, das Geschaute anderen zu überliefern («contemplata aliis tradere»). Hierin lagen für Eckhart Erfolg und Gefahr.
Eckhart starb in Avignon, bevor sein Prozess dort entschieden war (1328). Die Verurteilungsbulle (1329) blieb zwar im Wesentlichen auf Köln beschränkt, aber auf die Dauer fand sich doch der Orden damit ab und befolgte sie. Kardinal Nikolaus Cusanus hat dann im 15. Jahrhundert gezeigt, dass es weiterhin eine Überlieferung der Schriften Eckharts gab. Im 19. Jahrhundert wurde Eckhart gelegentlich als Vorläufer des Idealismus und als «Vater der deutschen Spekulation» in Anspruch genommen. Die Nationalsozialisten haben solche Titel dann missbraucht. Da er nach dem Zeugnis der Eckhart-Legenden auch als Persönlichkeit lauter, bescheiden und offen war, galt er älteren dominikanischen Annalen als «vir doctus et sanctus», als gelehrter und heiligmäßig lebender Mann.
Nach fast einem Menschenalter bleibt das Eckhartbuch von Kurt Ruh (1985) in vielen Perspektiven weiter wichtig. In seinem vierbändigen Hauptwerk, der «Geschichte der abendländischen Mystik», hat er es wesentlich ergänzt. Es haben sich jedoch auch Veränderungen in der Eckhart-Forschung ergeben, die von einer nach Ruhs Tod gegründeten Meister-Eckhart-Gesellschaft (2004) verstärkt werden und deren Jahrbücher sie dokumentieren. Sie haben auch mit der besonders beachtenswerten philosophischen Forschung zu tun, für die u.a. Namen wie Jan Aertsen, Karl Albert, Alessandra Beccarisi, Markus Enders, Heribert Fischer, Kurt Flasch, Wouter Goris, Stephan Grotz, Ruedi Imbach, Theo Kobusch, Burkhard Mojsisch, Andrés Quero-Sánchez, Rolf Schönberger, Andreas Speer und Loris Sturlese stehen können (vgl. dazu Jb 5, Wie denkt der Meister? 2012). Von besonderer Bedeutung ist auch die jüngere Erforschung der Wirkung Eckharts auf Moses Maimonides und auf die rezipierte arabisch-aristotelische Philosophie. Die biographische Forschung (Loris Sturlese, Walter Senner), die vollständige japanische Übersetzung (Nakayama), die neue Reihe «Eckhart: Texts and Studies», die Markus Vinzent mit einer Neu-Ausgabe der lateinischen Vaterunser-Predigt Eckharts und mit einem Buch über «Detachment» bei Eckhart (Abgeschiedenheit) 2011 eröffnet hat, die Bearbeitung des «Gottesgeburtszyklus» (Steer, DW IV,2, Guerizoli 2006), die Diskussion einer gegenüber Kurt Ruh veränderten Periodisierung von Eckharts Werken (Sturlese, Beccarisi) – das alles sind neuere Entwicklungen auf einem noch vielen Fragen offenstehenden Gebiet.
Da ich selbst seit Jahren auch mit der aktuellen Wirkung Meister Eckharts befasst bin, gehe ich auf die Konkurrenz der Rezeptionen unter besonderer Berücksichtigung der interreligiösen Diskussion um Meister Eckhart ein. Den Ausdruck «Mystik» reklamiere ich nicht für Meister Eckhart, aber wenn man ihn wie schon Kurt Ruh auf die Besonderheit spiritueller Predigt-Kommunikation bezieht, sehe ich darin auch keine Diskriminierung seiner philosophischen Rationalität. Insbesondere beachte ich dabei die Beziehung zur Frauenmystik, vorzugsweise zur Zeitgenossin Marguerite Porete, unter besonderer Berücksichtigung von Meister Eckharts Frauenpredigten.
Die Germanisten, denen ich mich seit meinem Grundstudium bei Kurt Ruh besonders nahe fühle, haben editorisch und interpretatorisch beachtliche Studien erbracht. Hier bedanke ich mich u.a. für die Gespräche mit Georg Steer, Freimut Löser, Rudolf Weigand, Burkhard Hasebrink, Nigel Palmer und für die Beiträge in den Jahrbüchern der Meister-Eckhart-Gesellschaft.
Theologinnen wie Christine Büchner und Irmgard Kampmann haben Eckhart-Interpretationen vorgelegt, die über ein historisches Verständnis hinaus Eckhart in die systematischen Fragen der heutigen Theologie einbeziehen. Diesem Erkenntnisinteresse fühle ich mich auch verpflichtet. M.E. stellt Eckhart auch heute noch eine Herausforderung dar, sich ohne Opfergaben im Denken auf den Glauben einzulassen und umgekehrt dem Glauben nicht das offene Denken zu ersparen. Ich habe aber auch das Erkenntnisinteresse, Glaube und Vernunft auf die Lebensführung zu beziehen. Denn nur eine Theologie im Horizont einer «praktischen Metaphysik» wird dem Anspruch der Offenbarung gerecht. Dieses Erkenntnisinteresse mündet oft in einer deutlichen persönlichen Affinität zu Meister Eckhart. Es ist freilich auffällig, dass die Untersuchungen zu Meister Eckhart, so sehr sie sich unterscheiden können, meist, mehr oder weniger deutlich, etwas von dieser Affinität aufweisen.
Eine Antriebskraft der Untersuchung ist meine Teilnahme an der Kollegforschergruppe des Max-Weber-Kollegs (seit 2009) mit dem Projekt «Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive», in welchem ich die «Religiösen Bewegungen im Spätmittelalter» untersucht habe. Dies gab mir die Möglichkeit, noch einmal in die historischen Anfänge meiner Studien über «aktives und kontemplatives Leben» (1969, 1982, 1986) zurückzukehren und dabei – ebenso wie in der Meister-Eckhart-Gesellschaft – auf neugierige und kompetente Gesprächspartner zu treffen.
Besonderen Dank schulde ich meiner Frau, Irene Mieth, für die mehrmalige Lektüre des Manuskriptes und für viele hilfreiche Anregungen. Ich danke ebenfalls Markus Vinzent für die erste und Katharina Mersch für die letzte Durchsicht. Dem Herausgeber der Reihe «Denker», Otfried Höffe, bin ich ebenfalls für hilfreiche Hinweise verpflichtet.
Berühmte Bilder bringen etwas Allgemeines zum Ausdruck. Es ist in ihnen so gefasst, dass sich das Verstehen in gleichsam hindernislose Empfänglichkeit zu verwandeln scheint. Das heißt, das Bild muss nicht mehr für den Betrachter diskursiv nachkonstruiert werden. Es ist eingängig, es erreicht Unmittelbarkeit. Das macht so ein Bild «geflügelt». So wird Michelangelos Schöpfungsbild aus der Sixtinischen Kapelle heutzutage in seiner plakativen Häufigkeit und allgemeinen Kenntnisnahme nur noch von dem Zitat des ausgespannten menschlichen Körpers aus der Zeichnung Leonardo da Vincis begleitet. (Es gibt andere geflügelte Bildzitate, z.B. Leonardos «Mona Lisa» oder Raffaels «Madonna», aber sie reichen nicht in diese Allgemeinheit, sondern werden als Kunsträtsel wie «Mona Lisa» oder als feinsinniges Kunstprodukt wie Raffaels «Madonna» wahrgenommen. In dieser Richtung lässt sich dann noch unendlich mehr finden.) Die Vielzwecklichkeit im Gebrauch der beiden genannten Bilder und ihre Fähigkeit, Selbsterschließungen des Menschen zugleich plural zu halten und auf den Punkt zu bringen, scheint ein Paradoxon, wenn man die Widersprüche auf einer Fläche sieht. Sie sind aber nicht, so schlage ich vor, auf einer Fläche zu sehen, sondern die Allgemeingültigkeit bedeutet «Ursprung», die Pluralität der Ausfaltung bedeutet «Offenheit», Unverschlossenheit, natürlich auch für den Missbrauch.
Ähnliches findet man auch bei einem spirituell «geflügelten» Meister Eckhart vor. Er scheint, vor allem in Zitaten aus seinen Volkspredigten, zugleich den Punkt und die unendlichen Möglichkeiten wiederzugeben, die ein Allgemeines mit einem Individuellen zusammenfallen lässt. Nun versuche ich, am Beispiel des berühmten Michelangelo-Bildes zu zeigen, was das Bewegende an Meister Eckhart ist, das ihn manchmal wie einen Autor der Gegenwart erscheinen lässt, so wie Michelangelos Bild nicht über eine historische Betrachtung zugänglich wird, sondern Unmittelbarkeit ausstrahlt. Woher kommt diese Unmittelbarkeit, die uns mit Michelangelos und mutatis mutandis mit Meister Eckhart verbindet? Ist da auch etwas Gemeinsames?
Vermutlich nehmen wir das Schockierende an Michelangelos Bild und an Eckharts Wahrnehmung von Schöpfung zwar unmittelbar wahr, können es aber nicht reflexiv thematisieren. Bei Michelangelos Bild von 1512, also ca. 200 Jahre nach Eckhart, gibt es längst eine Diskussion darüber (vgl. «Der synaptische Spalt der Schöpfung», Mahagoni-Magazin). Dem Wortlaut der Erzählung in Genesis 2 folgend, würde man von der Darstellung der Erschaffung Adams erwarten, dass der aus Erde gebildete Adam, im Zustand einer unbelebten Tonfigur (Gen 2.7) durch die Einhauchung der Seele durch Gott belebt wird. Auch Eckhart kennt das Bild von Gott als Künstler (vgl. In Sap., LW II, 342), aber das ist hier in Bezug auf Michelangelos Sicht nicht einschlägig. Die Schöpfungs-Variante in Genesis 1.26f. steht aber auch nicht im Hintergrund: Es geht dort um die Bestellung des Menschen zum bevorzugten Wesen und zum Stellvertreter. Der Künstler löst sich von diesen bildnerischen Vorgaben. Er schafft gleichsam eine neue Szenerie, in welcher das vorher geschaffene Umfeld der Schöpfung reduziert ist. Es geht um eine Art Ur-Begegnung und Beziehung. Es ist im Bild Michelangelos der berühmte Finger Gottes, der sich dynamisch auf einen bereits entgegengehaltenen, aber passiv bleibenden Finger Adams hinbewegt. Die beiden Hände werden oft auch als Ausschnitt dargestellt. Da spricht etwas bleibend für sich. Aber was spricht es aus? Wir halten fest: es ist der Finger, nicht der Atem. Es ist das Ganze des Körpers, nicht die «Seele». Es bleibt ein Spalt, die Berührung ist nicht vollendet. Sie ist im Prozess. Adam ist kein «Erdenkloß» (Thomas Mann) und er ist keine Tonfigur. Von der Erde bleibt nur, worauf er ruht, ein Ausschnitt, ein Rand des blauen Planeten. Der Körper hebt sich von der Erde deutlich ab. Alles ist im Leibe erhoben. Adam ruht in einer Diagonale seines Körpers, die rechte Seite gestreckt liegend, mit einem aufliegenden Unterarm gestützt, die linke Seite bleibt durch das angewinkelte Knie im Gleichgewicht. Damit wird die Kurve abgefangen, in der sich Adam mit einer Zuwendung des Kopfes und des linken Armes, auf gleicher Linie der sehnsuchtsvolle Blick der Augen und die Armrichtung, auf das Auf-ihn-Zukommende hinbewegt. Man könnte sagen: Es ist ein beseelter Adam, in welchem zugleich die innere Kraft und Dynamik hinter dem muskulösen Idealkörper zurückbleibt, der sich hier regt, aber jene Ausstreckung nicht erreichen kann, die ihn mit dem Finger Gottes in eine spaltlose Einheit brächte. Die Kraft reicht nicht aus, aber sie ist da. Er trägt sie in sich, und sie spannt ihn nach außen.
Anders der von seinen Engeln getragene Gott. Hat Gottes entgegenkommender dynamischer Flug seine Kraft aus einem himmlischen Engelmotor? Oder sind Antrieb und Stützung nur Beiwerk im Sinne des sanft stützenden Hofstaates? Denn der in sich schwebende Mantel Gottes umfasst sie alle. Das, was getragen wird, ermöglicht das Tragen zugleich. Auf den Wolken des Himmels kommt der Herr. Der größte tragende Engel, auf dessen Schultern der Arm Gottes ruht, hat einen Blick voll misstrauischer Erwartung. Engel sehen gespannt zu, oder man merkt ihnen die Anstrengung des Tragens an. Denn Gott ist nach rechts ähnlich ausgestreckt wie Adam nach links. Auch sein linkes Knie ist wie sein linker Arm, der um die Schultern des Engels gewunden ist, angewinkelt. Die Körperhaltungen sind spiegelbildlich. Die Blickrichtung auf den gespannten Arm ist gleich, aber Gottes Blick ist aktiv, der Blick Adams ist erwartend.
Die Zuordnung von aktiv-passiv ist deutlich. Passiv heißt aber nicht: ohne Möglichkeiten. Der Mensch ist bereits entfaltete Possibilität. Er wird schon, wenn er auch noch nicht im Vollsinne ist, vielleicht nie sein wird, wenn der Spalt bleibt. Kann man sagen, dass Adam sich dem Finger entgegen aufrichtet, als bereits halb beseelter Körper, weil Gottes Entgegenflug ihn vorauswirkend mittels des Windes, der Wolke und des Mantels treibt, berührt hat? Oder geht es gar nicht darum, dass hier ein Anfang menschlichen Lebens in zeitlicher Narration gesetzt wird? Ich denke, das ist es: Es geht nicht um einmalige Entstehung menschlichen Lebens als einem Schöpfungsakt in Raum und Zeit. Es geht um immerwährende Schöpfung, «creatio continua». Es geht um eine Beziehung, die jetzt und immer zugleich ist, daher aber auch jetzt und immer zugleich in Bewegung. Diese Beziehung hat Michelangelo festgehalten. Indem er dies tat, hat er Texten von Meister Eckhart, ohne sie zu kennen, im Bild zur konzentrierten Wahrnehmung verholfen, etwas, das Eckhart selbst in seinen Sprachbildern nicht fremd ist.
Was Michelangelo im Bild zeigt, ist das, was Eckhart in seinem Denken bewegt: eine zugleich symmetrische und asymmetrische Beziehung, eine Begegnung von Empfangen und Geben, ein Gleich und Ungleich zugleich, eine mögliche und zugleich unmögliche Vollendung des Menschen im Göttlichen. Unverkennbar ist das Bemühen, den synaptischen Spalt zu verringern, ihn aber zugleich zu belassen. Wir erwarten in der Weitererzählung von Michelangelos Bild, dass der Mensch so berührt wird, dass er selbst aufstehen kann und handeln. Aber alles Handeln ist an dem Spalt zu messen, alle Bewegung am Ursprung von Bewegung und Beziehung überhaupt.
Angesichts der neuen Bemühungen um die Periodisierung der Werke Eckharts (vgl. Beccarisi 2012, 215f., s. Kap. 24), die mir plausibel zu sein scheinen, liegt es nahe, eine Interpretation entlang der – hypothetisch bleibenden – Werkfolge vorzulegen. Das hat Beccarisi in sehr beeindruckender und empfehlenswerter Weise getan. Demnach sollte die lateinische Werkklammer, das «Opus tripartitum», nicht als Schlussstein betrachtet, sondern der ersten Phase Eckharts zugeordnet werden. Dieses fragmentarische Werk enthält eine Einteilung in Thesen, Fragen bzw. Problemstellungen sowie Grundsätzliches zu den Schriftauslegungen, die Eckhart als den größten Werkbereich in diese Klammer einordnet. Damit geraten die bekannten «Reden der Unterscheidung», die Eckhart als Prior (1294–1298) in Erfurt gehalten hat und denen man u.U. frühe deutsche Predigten zuordnen kann (vgl. Löser 2011), und der Entwurf des «Opus tipartitum» (Thesen, Fragen und Auslegungen) in die gleiche frühe Zeit, werden dann durch die Quaestiones des ersten Pariser Magisterium (1302/03) fortgeführt und münden in den Auslegungen zum Ecclesiastes sowie lateinischen Predigt-Entwürfen in der Zeit von Eckharts Provinzialat (1303–1311). Damit ist man im Bereich der Analogielehre bzw. der Lehre von Univozität und von vollkommener Einheit. Es folgen Schriftkommentare (Buch der Weisheit, die erste Auslegung zur Genesis, Exodus). Der Johanneskommentar wird wie bisher im Kontext des zweiten Pariser Magisterium gesehen (1311–1313). Danach folgt die zweite, metaphorische Auslegung der Genesis. Das «Buch der göttlichen Tröstung» betrachte ich auch als Spätwerk, das von der Inquisition besonders aufgegriffen wurde, ebenso wie einen Zyklus später, z.T. Kölner Predigten, von denen einige am Anfang der Deutschen Werkausgabe stehen.
Seit eine Zuordnung Eckharts zur «Mystik» im 19. Jahrhundert aus literarhistorischen Gründen erfolgte – Eckhart wurde im Kontext einer volkssprachlichen Gattung von besonderem religiösen Tiefgang gesehen –, sieht man Eckhart oft als «Mystiker», obwohl er keine Zeugnisse außerordentlicher Erfahrung bzw. außerordentlicher Gnadengaben vorlegte. Freilich lehrte er, wie wir sehen werden, den «Durchbruch», der den Menschen ändert, als Umschlag aus der Bereitschaft für ein anderes Leben (Freiheit und Gelassenheit), und die Geburt Gottes im Herzen der Menschen, welche wiederum Gott mit ihren Gedanken und Handlungen gebären konnten. Die Nähe zwischen Gott und Mensch wird in einzigartiger Dichte beschrieben und mit persönlicher Verve im Zauber einer Sprache dargestellt, die Bilder austreibt und doch überreich an Bildern ist.
Die These, wonach sich in den – auch z.B. in englischen und französischen Übersetzungen – überwiegend verbreiteten deutschen Werken inhaltlich gegenüber dem Denken in den lateinischen Werken keine Veränderung ergeben, ist hilfreich. Aber man muss auch die unterschiedlichen Adressaten und Adressatinnen und den damit verbundenen emphatischeren Stil in den deutschen Predigten beachten (s. Kap. 15). Zudem wäre der «lateinische» Meister Eckhart möglicherweise nicht Objekt eines Inquisitionsprozesses geworden, auch wenn, wie die Gutachten des Prozesses in Avignon zeigen, der lateinisch schreibende Denker und «lesemeister» (Magister) Meister Eckhart, von dem die Zeitzeugen sprechen, deutlicher theologischer Kritik unterzogen wurde. Ein akademisches Verfahren in Köln 1326, das vermutlich dem vom Erzbischof betriebenen Inquisitionsprozess zuvorkommen sollte, endete – im dominikanischen Rahmen – mit Freispruch. Bei der Inquisition ging es in Köln 1326 im Prinzip nicht vorrangig um die akademische Lehre, sondern um die Wirkung auf eine spirituell interessierte und heterogene Zuhörerschaft. Das änderte sich im Prozess in Avignon. Die Beurteilung aus pastoraler Perspektive mahnte der Kölner Erzbischof auch nach Eckharts Tod an (s. Kap. 24). Zu erwähnen bleibt, dass das Bemühen des Dominikanerordens im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts, Eckhart aus der Zwickmühle von Häresievorwurf und Häresieromantik zu befreien, bei der römischen Glaubenskongregation zu der Feststellung führte, Eckhart sei durch die Bulle von 1329 persönlich nicht als Häretiker verurteilt worden (vgl. Steer 2010).
Johannes Tauler (1300–1361), der die Lehre des Meisters gut kannte, sagte zu Eckhart und zu dem Konflikt, den er mit der Inquisition ertragen musste: «Er sprach aus der Ewigkeit, und ihr versteht es nach der Zeit.» (Tauler, Pr. 15) In der Tat, die prozessuale Einheit von Gott und Mensch, oft auch als Geburt aus dem Schoße Gottes und Widergeburt (nicht Wiedergeburt) in denselben verstanden, ist keineswegs nach dem Muster der Verschmelzung verschiedener Dinge zu verstehen, sondern anders. Eckhart erläutert dies in vielen Bildern: Das Siegel drückt sich durch das Wachs, im Vollzug besteht eine Einheit, in der Substanz eine Trennung. Oder: Man sieht die Lichtstrahlen in einem Becken mit Wasser nur gebrochen, und doch gelangt man zum Licht, wenn man sich dem Lichtstrahl für den Rückweg anvertraut. «Fragte man mich», so Eckhart zu seinen Brüdern im Dominikanerorden, «Bruder Eckhart, wann kamt ihr aus dem Hause? So bin ich darinnen gewesen.» (Mieth, Auswahl 2008, 193; Pr. 109, DW IV,2, 777, 2f.) «Wie wunderbar, draußen zu stehen und drinnen», ruft der Prediger, der die Rückkehr in den Schoß Gottes als «Durchbruch» durch die Schichten der Verdunkelung begreift, ein Durchbruch, der durch Gelassenheit, Selbstvergessenheit und Besinnung auf den «Adel der menschlichen Natur» vorbereitet wird. Erkennbar wird der neue Zustand daran, dass der Mensch sich praktisch im Sinne des göttlichen Wirkens, also in der Liebe verändert.
Das «Buch der göttlichen Tröstung» hat Eckhart, vermutlich in der Zeit der Anfeindung, der Königin Agnes von Ungarn, einer führenden Persönlichkeit des Hauses Habsburg, wohl als einer Art Protektorin gewidmet. Darin verteidigt er sich gegen den Vorwurf, vor «Ungelehrten» tiefe theologische Fragen zu behandeln, indem er sagt: Lehrte man nicht die Ungelehrten (gemeint sind die Laien), dann würde niemand mehr gelehrt. Er gesteht also den Laien (Männern und Frauen) die gleiche Chance theologischer Bildung zu.
Die Inwendigkeit Gottes im Menschen wird von Eckhart so ausgedrückt, dass Gott im Menschen geboren wird. So wie Jesus historisch Mensch wurde, so wird der Mensch, indem er die vorgegebene Gottmenschlichkeit in seiner «Seelenspitze» frei legt, für Gott so offen und ihm so zugewandt, dass er in jeder seiner Handlungen den Weg in Gottes Herz (oder seinen «Schoß») zurückfindet. Der Geburt Christi im Menschen entspricht die Widergeburt des Menschen in Gott.
Ich betrachte Eckhart als Gratwanderer zwischen Philosophie und Theologie mit ausgeprägten spirituellen Anliegen. Eckharts Anliegen als Philosoph, als Theologe und als «Lebemeister» kann man unterschiedlich gewichten. In diesem Buch wird weniger das Profil des Philosophen Eckhart im subtilen Vergleich mit anderen Philosophen seiner Zeit herausgearbeitet als das Profil eines bewusst originell orientierten Denkers, wie er in der schon von Bernard McGinn identifizierten «Metaphysics of Flow» bzw. im Profil seines «strukturontologischen Schemas» (vgl. Schirpenbach, 2004) erscheint. Zu meinen Intentionen gehört es, den «ganzen» Eckhart darzustellen, d.h. neben seiner philosophisch-begrifflichen Seite auch sein theologisches Profil (vgl. dazu Büchner 2005 und 2007, Kampmann 1996, Kern 2003) und seine spirituelle Faszination (vgl. dazu vor allem Haas 1979).
Zu den speziellen Voraussetzungen meiner Überlegungen zu Eckhart gehört auch die pragmatistische Sprachphilosophie von Charles Peirce, wie sie Hermann Deuser in seiner Religionsphilosophie (2009) herangezogen hat. Die phänomenologischen Kategorien, mit denen Charles Peirce arbeitet, werden von Deuser so dargestellt:
«Erstheit»: «… ist die Idee dessen, das so ist, wie es ist, ohne etwas anderes zu berücksichtigen. Das heißt, sie ist eine Empfindungsqualität.»
«Zweitheit»: «… ist die Idee dessen, das so ist, wie es ist, indem es ein Zweites zu einem Ersten ist, ohne irgendetwas anderes sonst zu berücksichtigen und besonders ohne irgendein Gesetz zu berücksichtigen … eine Reaktion als ein Element des Phänomens.»
«Drittheit»: «… ist die Idee dessen, das so ist, wie es ist, indem es ein Drittes oder ein Medium zwischen einem Zweiten und einem Ersten ist. Das heißt, es ist Repräsentation als ein Element des Phänomens.» (Deuser, ungedr. Paper)
Diese sprachlichen Phänomene, die wir beobachten können, machen auch deutlich, wie sehr wir in Beziehungen denken. Beziehung ist aber ein Hervorgang. Die Ableitung einer «Abduktion» im Sinne von Peirce (vgl. Deuser 2009, 503) ermöglicht es zu zeigen, wie die Beziehung aus sich hervor- und zu sich zurückgeht.
Ich beziehe mich ferner auf die strukturontologischen Kategorien, mit denen Heinrich Rombach gearbeitet hat:
«Substanz»: «… alle Dinge (haben) im Innersten einen Kern …, der … unverändert bleibt, während er alle Veränderungen an dem Ding oder an der Sache bestimmt und regiert.»
«System»: die funktionale Beziehung der Naturgesetze aufeinander. Wissenschaft ist nach Rombach Aufklärung über einen Funktionszusammenhang. Systemdenken ist dabei auf Synchronie angelegt, alles scheint auf einer gleichen Fläche zueinander in Beziehung gesetzt.
«Struktur» ist dagegen diachron und in diesem Sinne «lebendig». Dabei erscheint für Rombach Wirklichkeit analog zu einem «künstlerischen» Prozess. Er benutzt die Ausdrücke «Hervorgehen» und «Durchbruch» im Sinne einer Neuheit, die nicht der zeitlichen Beschleunigung des Veraltens ausgesetzt ist. Denn je mehr Innovationen im System stattfinden, umso schneller altern sie. (Automuseen können das heute gut zeigen.) Was «modern» ist, ist bloß ein Zeichen dafür, dass bald ein Anderes zum «Durchbruch» kommt. (vgl. Rombach 1994, 35f. und Mieth zu Rombach, 1995).
Auch Meister Eckhart spricht, wie wir sehen werden, von der wahren Neuheit, die nicht veraltet, und vom «Durchbruch». Die Grundannahme dieser Interpretation ist, dass Eckhart nicht nur mit substanzontologischen, sondern mit funktionalistischen Semantiken sowie mit dem Strukturdenken heute besser verstehbar ist. Letzteres insbesondere dann, wenn er von «Leben», das ohne Worumwillen aus sich selbst lebt, spricht (vgl. Pr. 28, DW II, 59, 4–7). Dabei entsteht ein Gefälle zugunsten des Strukturdenkens (vgl. Rombach 1965, Bd. 1, 179ff.).
Bei Eckhart ist nach Niklaus Largier eine «Fließmetaphorik» (vgl. EW Index) zu beobachten. Diese Metaphorik der Selbsterzeugung und Selbstausdifferenzierung Gottes scheint tiefer zu steigen als eine begriffliche Explikation, wonach Gott beides ist, Substanz («Kern») und «Relation» (Beziehung, Trinität). Die Fließmetaphorik, die auch McGinn herausstellt, drückt direkt die Erstheit-Empfindung aus, wonach der «Ursprung» in einer Bewegung des Erstentstehens, des Hervorgehens aus sich selbst hervorquillt (s. Kap. 4).
Die These dieser Untersuchung lautet also: Wo Eckhart begrifflich ableitet, «abduziert» er, d.h. er expliziert Vorhergewusstes, Ersterkanntes. Das gibt seiner Philosophie eine metaphorische Intensität. In seiner zweiten Genesis-Auslegung nennt Eckhart dies «parabolisch». Hier bekommt die Sprache eine «künstlerische» Dimension, die auch in den deutschen Predigten über ihre historische Wirkung hinaus eine Faszination aufrechterhält. In der Untersuchung zeigt sich auch, dass Eckharts begriffliche Rekonstruktion die Faszination seiner religiös orientierten Sprache nicht voll ausschöpfen kann. Wenn man bei ihm «Ratio» (Verstand) und «Intellekt» (vernehmende Vernunft und tiefere Einsicht) unterscheidet, dann öffnet sich der Intellekt für Sprachformen, die sich an der Grenze der begrifflichen Sprache bewegen. Versucht man z.B. die begriffliche Fassung einer «Unterscheidung durch Ununterschiedenheit» zu erklären, dann gerät man in die kategoriale Sprache, die in dieser Formel gerade überwunden werden soll, wieder hinein. Denn Eckhart meint damit, dass diese Form der Unterscheidung («distinctio») den Bezug auf eine Kategorie, in welcher unterschieden wird, hinter sich lässt. Dennoch soll Unterschiedlichkeit – etwa zwischen Gott und Mensch – erhalten bleiben, kann aber nicht auf ein Drittes, auf ein «principium diiudicationis» («Unterscheidungsmerkmal») bezogen werden, weil es, etwa im Sinne von Peirce, eine Unterscheidung zwischen «Erstheit» und «Zweitheit» an demselben ist. Eine Unterscheidung z.B. an der Identität des Seins, insofern es ist, kann zwar in kategorialer Sprache zum Ausdruck gebracht werden, wie z.B. der Tropfen im Wasser die Kategorie räumlicher Ausdehnung bemühen muss, aber auf der real-empirischen Ebene besteht da kein Unterschied. Ich bemühe mich darum, von einer grundlegenden Perspektive der prozessualen Beziehungen auszugehen, aber dann auch zu zeigen, wie Eckhart mit unterschiedlichen Theoremen verschiedene Facetten seines Einheitsdenkens beleuchtet. Dabei spielt die Methode der «Abduktion», wie sie Deuser im Anschluss an Peirce, in Unterscheidung zu Deduktion und Induktion, darlegt, eine tragende Rolle (s. Kap. 1).
Um Eckhart als Lehrer der Lebenskunst vorerst (s. Kap. 20) einzuordnen, behelfe ich mir mit der Gegenüberstellung von drei Fragen:
– Wie weiß ich, was ich zu tun habe?
– Wie will ich, was ich soll?
– Wie kann ich, was Gott in mir will?
Die Antike antwortete auf die erste Frage: indem ich mich selbst erkenne. Das Tun vollzieht das Wesen des Menschen, das immer auf Ziele ausgerichtet ist. Die Ziele sind mit jenen Mitteln zu wählen, die dem allgemeinen und dem individuellen Wesen des Menschen entsprechen. Aus diesem Ansatz entstand die Lehre von den Tugenden.
Die Moderne, am Beispiel des Philosophen Kant gesehen, stellte sich die zweite Frage: Wenn der gute Wille gut ist und mir damit sagt, was ich soll – wie mache ich meinen Willen gut? Indem ich ihn von falschen Antriebskräften reinige, so dass schließlich Wollen und Sollen eines sind.
Meister Eckhart stellt die dritte Frage in den Vordergrund, obwohl ihm die beiden anderen Fragen nicht fremd sind. Denn das Erbe der antiken, aristotelischen Tugendlehre ist bei ihm präsent. Und die Reinigung des Willens ist ohnehin ein Programm, das über die religiöse Bereitschaft zum vollkommenen Leben, d.h. über die «geistlichen Vollkommenheiten» («perfectiones spirituales») angestrebt wird. Aber diese Frage geht nicht nach dem Sollen, sondern nach dem «Sein-Können». Diese Frage, die später Cusanus aufgegriffen hat, war ihm die Wichtigste: Wie kann ich, was Gott in mir will? Denn wenn doch das Ziel klar ist und die Mittel dazu anerkannt sind – wie kann ich so sein, dass ich das Gute und Richtige tue? Denn Eckhart war der Überzeugung, dass man anders zu sein habe, um das, was man anstrebe, zu tun: «Nicht gedenke man Heiligkeit zu setzen auf ein Tun, sondern auf ein Sein», heißt es schon in der frühen Schrift «Reden der Unterweisung». Diesen Ansatz wiederholt er am Beispiel jeder Analyse des guten Lebens: Wer gerecht ist, d.h. wer aus der Gerechtigkeit kommt, der handelt gerecht; wer gelassen ist, ist anders als der, der bloß Gelassenheit ausstrahlt und sich vielleicht mit diesem Verzichtsgefühl plagt; wer frei und losgelöst ist, der ist wie einer, der keinen Besitztrieb und kein Selbstinteresse kennt; wer arm ist, ist wie einer, der nicht will, nicht weiß und nicht hat. Auf das «nicht» kommt es an, denn es geht ja nicht um ein Streben nach nichts, sondern um eine Reinigung des Strebens überhaupt. Wer die Wirklichkeit will, muss sich von ihrer bloßen Erscheinung trennen. «Abgeschiedenheit» heißt diese Trennung.
Die wahre Identität des Menschen besteht im Wirken mit Gottes Wirken: «Gott wirkt, und ich werde.» (Pr. 6) Der kontemplative Lebensbetrachter verwandelt sich in den aktiven Lebenskünstler – dies freilich in einem zutiefst religiösen Sinn, denn die wahre Lebenskunst vollzieht sich in Erkenntnis und Liebe. Und dies in einer Selbstverständlichkeit, die mit sich eins ist und nicht mühsam darüber nachdenken muss, was der Mensch will oder was er soll.
Eckhart bezeichnet sich als Theologen und führt den Titel «magister sacrae scripturae». Der Unterschied zwischen Philosophie und Theologie war in der Hochscholastik herausgearbeitet worden. Dies führt zu der Vorstellung von zweierlei Wahrheit. Gab es in der Philosophie eine von der Offenbarung «unabhängige Wahrheit eigenen Rechtes» (Manstetten 2007, 102)? Die Verurteilung einer riskanten Aristoteles-Rezeption im Gefolge des arabischen Philosophen Averroes (Ibn Ruschd, 1126–1198) durch den Bischof von Paris bezieht sich unter anderem auf «zwei entgegengesetzte Wahrheiten» («duo contrarie veritates», vgl. Flasch 1989, 89f.; Manstetten 2007, 103). Freilich konnte ein Theologe wie Thomas von Aquin zugleich auch philosophische Traktate und sogar eine philosophische Summe in Auseinandersetzung mit der arabischen Philosophie und ihrer Aristoteles-Rezeption schreiben. In der Auseinandersetzung mit dieser Rezeption und mit der Frage nach ihrer Glaubensrichtigkeit in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zog man sich u.U. in die Philosophie zurück (vgl. die Beiträge in: Nach der Verurteilung von 1277, 2001). Es war möglich, sich vorrangig als Philosophen zu sehen, wie dies Eckharts älterer Ordensbruder und Freund, Dietrich von Freiberg, getan hat. An Dietrich von Freiberg zeigt Kurt Flasch in einer beeindruckenden Interpretation (2007), wie Glaubenselemente mit philosophischen Methoden erörtert werden konnten (vgl. Nach der Verurteilung von 1277, 2001).
Der Unterschied von Philosophie und Theologie ergab sich nicht von vorneherein aus der Unterscheidung ihrer Gegenstände, sondern aus der Unterscheidung ihrer Methoden. Die Philosophie beschränkte sich dann auf die von der «übernatürlichen» unterschiedene, aber ihr zugordnete «natürliche» Vernunft. Die Theologie ließ sich von der vorgegebenen Herkünftigkeit des Glaubens, von der Offenbarung, anleiten, sah sich aber in der Pflicht, dieses Woher intellektuell aufzuklären. Diese Vorgabe nenne ich bei Eckhart «Offenbarkeit». Gemeint ist damit die allgemeine Zugänglichkeit und stets nicht veraltete Gegenwärtigkeit der Schrift-Offenbarung, die nur über eine Methode der Bildrede erschlossen werden konnte. Im Prolog zu seinem «Liber Parabolarum Genesis» legt Eckhart sein Verständnis dieser Wortoffenbarung als Bildrede dar:
«Verborgen ist unter den Bildreden, von denen wir handeln, auch sehr vieles, was Gott, dem ersten Ursprung, eigentümlich ist, was ihm allein zukommt und was auf sein Wesen hinweist. Ferner wird man darin auch eingeschlossen finden die Tugenden und die Prinzipien der Wissenschaften, die Schlüssel zu Metaphysik, Naturwissenschaft und Ethik und ihre allgemeinen Regeln; dazu aber auch den allerheiligsten Hervorgang der göttlichen Personen mit ihrer Eigentümlichkeit, (ihrer) Unterschiedenheit unter und in einem Wesen, einem Sein, Leben und Denken; und davon als ihrem Urbild abgeleitet die Hervorbringung der Geschöpfe, und zwar dies so, dass in jedem naturhaften, sittlichen und künstlerischen Werk (die Trinität) aufleuchtet, der ungezeugte Vater, der vom Vater allein gezeugte Sohn, die wesentliche (die Zeugung) begleitende und personbildende Liebe, der Heilige Geist ….» (Lib. Par. Gen., n. 3, LW I, 453, 7–454, 5)
Ebenso geht Eckhart von der im ersten Buch der Schrift verborgenen Christologie aus (vgl. a.a.O., 453).
Bild ist nicht Beweis, sondern Mittel der Explikation. Was expliziert werden soll, von beiden Seiten, den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen und philosophischen Mitteln und zugleich von der damit in Form einer Bildrede erschließbaren Offenbarkeit der Schrift, ist Konvergenz. Diese Konvergenz bleibt nach beiden Seiten hin beweglich. Eckhart selbst nennt diese Konvergenz «consonantia»: «invicem loquuntur voce consona» (Lib. Par. Gen., n. 150, LW I, 620,12) und er benutzt dazu die Beispiele des Echos bzw. Widerhalls (vgl. 620,2) sowie des reflektierenden, das Bild im Hin und Her erzeugenden Spiegels (vgl. 620f.).
Die Glaubensgeheimnisse sollten das philosophische Denken nicht kontrollieren, sondern in Gang setzen. Es gab «nur eine Wurzel der Wahrheit» (Manstetten 2007, 103). Eckharts gern zitierte Intention als Autor bzw. Kommentator in seinem Johanneskommentar wollte den Glauben nicht durch Beweise erst herstellen, sondern vorbehaltlos vernünftig aufweisen und ausweisen: an innerer Übereinstimmung der Schrift, an der Glaubenstradition, an der Glaubenspraxis bzw. Lebensführung (vgl. In Joh., n. 361, LW III, 306f.). Das unterscheidet ihn von der Vorstellung, etwas müsse aufgrund einer nicht mit Vernunftgründen ausgewiesenen, äußeren Autorität angenommen werden. Deshalb beharrte er noch im Prozess auf argumentativer Widerlegung, freilich in einem Diskurs unter Gläubigen, die einander erst dann der Häresie bezichtigen durften, wenn die Beweisführung zu einem Punkt führte, an welchem Einsicht erwartet werden konnte. Erst dann trat der Fall der sogenannten «Hartnäckigkeit» ein, dem Eckhart von vorneherein mit einem formalen Widerruf, 1327 in Köln, entgegentrat.
War aber das «lumen naturale», das «natürliche Licht der Vernunft», geeignet, das angemessen zu verstehen, was dem «lumen supernaturale», dem «Licht des Glaubens», etwa im Sinne des Urteils des Bischofs von Paris 1277, vorbehalten schien? Eckhart kennt und benutzt diese Unterscheidung durchaus. Er betrachtet aber, wie ich zu zeigen versuche (s. Kap. 6), das Verhältnis von «natürlich» und «übernatürlich» in einer dialektischen Weise: Nicht nur die Gnade setzt die Natur, sondern auch die Natur setzt die Gnade, den denkenden und liebenden Heilsplan Gottes, voraus.
Nach heutigem Verständnis könnte man Eckhart in erster Linie als philosophisch explikatorischen Theologen betrachten, der die «ratio fidei» auf bestimmten Feldern, die er persönlich bevorzugt oder die er für dringlich einer Klärung bedürftig erachtet hat, darzulegen versucht. Diese Einschätzung entspricht dem, was Max Seckler heute für die Fundamentaltheologie einfordert: Es gehe darum, nicht «von außen» den Glauben zu legitimieren, sondern ihn von innen zu erschließen. Fundamentaltheologie besteht also «in der kognitiven Einholung und vernunfthaften Rekonstruktion der die christliche Existenz konstituierenden Wirklichkeit und Wahrheit» (Handbuch der Fundamentaltheologie, Bd. 4, 1988, 470, vgl. Kampmann 1996, 15ff.).
Eckhart ist zugleich Philosoph im Sinne rationaler Vorbehaltlosigkeit und ausnahmsloser Befragbarkeit. Er ist Theologe im Sinne seiner Bevorzugung von Fragen des Woher und Woraus, also gewissermaßen im Sinne einer vernünftigen Glaubensauslegung als Explikation der Herkunft allen Denkens. (Das ist ungewöhnlich in der heutigen Zeit, in der philosophisches Fragen sich vorher abbremst, weil sich hier kein aus der Reduktion der Lebenswelt abgeleitetes Begriffslabor mehr aufbauen lässt.) Philosophie und Theologie sind also für Eckhart unterscheidbar, aber nicht zu trennen. Denn als Philosoph ist er vor allem explikatorisch (vgl. Schirpenbach 2004), er beweist nicht im voraussetzungsarmen rationalen Diskurs, sondern er zeigt etwas auf, was ihm bereits im Modus der Gewissheit gegeben ist. Jede gedankliche Konstruktion ist zugleich eine Rekonstruktion. Sie legt aus, sie drückt aus, was sich ihr als Zentrum und «Zertum» im ergangenen Wort anbietet (s.u.). Würde man aus Eckharts Gedanken das empfangende Moment herausnehmen, müsste er nicht rational auslegen, sondern – wie etwa später der gelegentlich herangezogene Philosoph Fichte – den Ausgangspunkt seiner Rekonstruktion erst selbst festlegen. Dass ihm diese Vorgehensweise fremd ist, unterscheidet ihn von einem Denker des 19. Jahrhunderts.
Gewiss ist Eckhart in seinen philosophischen Mitteln nicht einfach von Glaubensvorgaben abhängig. Er erbt diese Mittel vom Neuplatonismus, von Augustinus, vom arabischen Aristotelismus, von dessen Integrierung in die Hochscholastik, d.h. von Albert, Thomas, Dietrich von Freiberg, Heinrich von Gent. Wenn er die «Meisterdiskurse» in Paris zitiert, führt er ein ständiges Gespräch, um seine eigene Meinung abzuheben und zu schärfen. Dies verlässt ihn auch als deutschen Prediger nicht. Vom Neuplatonismus stammt der Einheitsgedanke und das prozessuale Auf und Ab von Abreise und Rückreise, er hat aber mit der «ebullitio», dem Bild von einem überfließenden Ursprungsgeschehen den hin- und herfließenden Charakter dieser Bewegung verstärkt (vgl. McGinn 2001, 71–113: «metaphysics of flow»). Vom arabischen Aristotelismus bzw. von Dietrich stammt, wie Kurt Flasch (2006) gezeigt hat, seine Charakterisierung dieser Bewegung als Denkbewegung, also sein Intellektualismus, der Agieren und Empfangen in einen Prozess auflöst. Wie Flasch auch zeigt, folgte Eckhart Dietrich nicht vollständig. Indem er das empfangende Moment im Menschen betont, kommen seine theologischen Interessen zum Vorschein. Seinen Angriff auf Thomas’ proportionale Analogielehre, der zur Betonung der Univozität an der Ursprungsstelle des Prozesses führt, kann er in seiner Verteidigung nicht mehr zurückfahren. Der Hintergrund vieler philosophisch-theologischer Meisterdiskurse scheint zu sein, Gott richtig zu denken, und das hieß vor allem, ihn nicht gegenständlich neben die Welt zu setzen (s.u.).
Die Rückfrage an Eckharts explikatorisches Verfahren lautet: Hat Eckhart nicht eine von seinen theologischen Interessen unterscheidbare Philosophie, und ist ihm dies nicht sehr bewusst? Darauf ist zu antworten: Eckhart hebt den Unterschied nicht auf, aber er vertritt einen Parallelismus, der die Linien im Unendlichen zusammenführt. Im Unendlichen, d.h. im Ursprung, der weder Anfang noch Ende kennt, sondern nur das immerwährende und augenblickliche Zugleich. Wenn Philosophie «Natur» ist und vom natürlichen Licht der Vernunft («lumen naturale») ausgeht, ist das «Übernatürliche», auch bei Eckhart, als «Gnadenlicht» oder «lumen supernaturale» gefasst, wie Schöpfung (als «Natur») und Erlösungsgnade voneinander unterschieden sind. Aber Eckharts Eigentümlichkeit besteht darin, dass er Joh 1, den Ursprung («principium») im Wort, bereits in die Schöpfung als deren konsistenten, ja unvermeidlichen Sinn hineinverlegt. Dieser Sinn ist aus der Bestimmung Gottes als Liebe und Barmherzigkeit vorgegeben. Schöpfungsgnade und Erlösungsgnade erscheinen wie die zwei Seiten einer einzigen Münze.
Eckhart beschreibt das Verhältnis von «Natur» und «Gnade» an manchen Stellen in eigentümlicher Zuordnung, was m. E. bisher nicht von den Interpreten bemerkt wurde (s. Kap. 6). Denn indem Schöpfung und Erlösung ineinander als sich wechselseitig aufklärende Prozesse auflösbar sind, verschiebt sich das Verhältnis von «Natur» und «übernatürlicher Gnade» in folgender Weise: «Gnade» wird einerseits in ihrer Ausgangs- und Herkunftsfassung zu einem anderen Wort für «Natur», andererseits gelangt sie in den Sog des übernatürlichen, in der Inkarnation/Auferstehung geschenkten, neuen Erkenntnislichtes. Das «lumen supernaturale» und das «lumen gloriae» nähern sich einander an, so dass sie bis auf einen kleinen Unterschied, den Eckhart beibehält, identisch werden. Wenn Eckhart vom «natürlichen» Erkenntnislicht spricht, hat er eine Erkenntnis vor Augen, die unter die Schöpfung als Gabe, also als Gnade fällt. Eckhart setzt dabei die Kontinuität von Schöpfungs- und Erlösungsgnade voraus. Das Wort «Natur» meint dann nicht mehr das, was man als eine «gnadenlose», theologielose Erkenntnisfähigkeit («natura pura») bezeichnen könnte. Das Übernatürliche rückt dafür in ein «schon Jetzt», einen Auferstehungszustand vor dem Tode, zu dem, laut dem Predigtschluss «Vom edlen Menschen» nach dem Tode nur noch das «Schauen des Schauens» hinzutritt. Dies ratifiziert aber nur noch, was schon innerlich ist. Die Stelle, an der man die Verschiebung des übernatürlichen Erkenntnislichtes bzw. der Prädisponiertheit von Natur durch Gnade sehr gut erfassen kann, ist in Eckharts Bildlehre enthalten (vgl. McGinn zu Sermo XLIX, LE III, 218ff.):
«‹Transformamur› – wir werden verwandelt, erstens, weil die frühere Form weicht, zweitens, weil (das Bild) transzendiert und über jede Form hinaus ist. Von der Herrlichkeit (der Schöpfung) in die Herrlichkeit (der Vollendung), d.h. vom natürlichen Licht und vom Licht der Gnade am Ende in das Licht der Glorie.» (Sermo XLIX, LW IV, 423, 5–7)
Hier erscheint die aus sich selbst quellende Ursprungsdynamik als doppelte Natur: Gott ist «natürlich», als ein Hervorgang, der sowohl als «Natur» (im metaphysischen Sinne) als auch als Gnade (im theologischen Sinne) bezeichnet werden kann. Denn der Metaphysiker betrachtet nach Eckhart das Wesen ganz in sich, ohne Ursache und Wirkung, und dies im Gegensatz zum Naturphilosophen (vgl. LE III, 215). Die metaphorische Sprache ersetzt die naturphilosophische Betrachtungsweise nach Woher und Wohin. Der Naturphilosoph muss wissen, woher etwas kommt und was es hervorbringt. Der Metaphysiker kann bestenfalls aus der «Natur» Gleichnisse oder Metaphern heranziehen. Das nennt Eckhart dann «parabolische» Auslegung. So kann Eckhart durchaus das Wachsen und Hervorbringen in der Natur als Gleichnis verwenden (vgl. Pr. XLIX, n. 512, LW IV, 428), aber nicht im Sinne einer Gleichartigkeit des Vorgangs, sondern eher wie einen musikalischen Gleichklang.
Indem Eckhart von einer – wie wir gesehen haben, in der Offenbarkeit der Offenbarung begründeten – Konvergenz ausgeht, erhöht er in der Tat die Kraft der Vernunft, wenn man dies – etwa die «natürlichen Gründe der Philosophen» (zu Joh 1) – nicht «naturphilosophisch», sondern eben metaphysisch/metaphorisch versteht, d.h. als «illustratio divina». Die Begriffsverschiebungen, die sich Eckhart erlaubt, haben Heinrich Denifle im 19. Jahrhundert als «schlechte Scholastik» gestört. Aber man kann die prozessuale «Metaphysik des Fließens» (McGinn 2001) nur verstehen, wenn die Begriffe jeweils als die Umrandungen von Geschehen verstanden werden.