Future Digital Business

Wie Business Intelligence und Web Analytics Online-Marketing und Conversion verändern

Herausgeber: Ralf Haberich

Teil 4: Weiterentwicklung der Datenanalyse und neue Herausforderungen für Ausbildung und Qualifikationen eines Analysten

Teil 3: Analysedaten anwenden und zur Optimierung nutzen

Teil 2: Die Umsetzung der Analyse – Case Studies digitaler Intelligenz

Teil 1: Entwicklung und Zusammenspiel von Web Analytics und Business Intelligence

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-8266-8364-0

1. Auflage 2013

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Telefon: +49 6221/489-555

Telefax: +49 6221/489-410

www.mitp.de

© 2013 mitp, eine Marke der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg

Lektorat: Sabine Schulz

Sprachkorrektorat: Petra Heubach-Erdmann

electronic publication: III-satz, Husby, www.drei-satz.de

Cover: © Vitaly Krivosheev – Fotolia.com

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Kapitel 30: Interview mit Headhuntern: Gewachsene Anforderungen benötigen erfahrene Experten

Ralf Haberich: Welche Rolle spielt die Vermittlung von Webanalysten und Business-Intelligence-Experten in Ihrer umfassenden Personalberatung?

Kevin Brian Moore: Webanalysten und Business-Intelligence-Experten sind gefragte Positionen, denn ohne diese Spezialisten wäre das optimierte Targeting von Zielgruppen für das maßgeschneiderte Content-Angebot im Web nicht möglich. Bei Online-Vermarktern und Spezialdienstleistern zum Beispiel im Bereich Targeting sind Webanalysten und Business-Intelligence-Experten mehr denn je gefragt, denn dieses Geschäftsmodell beziehungsweise die Rentabilität des Unternehmens hängt von diesen Kompetenzen stark ab.

Alrun Hild: In den letzten Jahren haben wir zwar einen Anstieg von Rekrutierungs- und Auswahlprojekten in diesem Bereich verzeichnet, dennoch spielen derartige Positionen immer noch eine untergeordnete Rolle, vor allem im internationalen Vergleich. Es kommt durchaus auch vor, dass wir Mandate nicht annehmen, wenn wir die Realisierbarkeit anzweifeln, vor allem wenn Anforderungen an Idealkandidaten in keinem Verhältnis zum Angebot stehen oder die Attraktivität des Unternehmens nicht gegeben ist.

Ralf Haberich: Können Sie angeben, wie viele Positionen sogar häufig aufgrund Expertenknappheit nicht besetzt werden können? Wie helfen sich die betroffenen Unternehmen dann weiter?

Andreas Werb: Die Attraktivität eines Arbeitgebers in der Webcommunity ist natürlich ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Suche gerade nach Experten. Grundsätzlich tun sich hier die Amazons, Googles, Facebooks und eBbays leichter als weniger bekannte Namen in der Szene, aber selbst diese Unternehmen können ihre Bedarfe nur mühsam decken und spannen hierfür sogar ihre Mitarbeiter ein, denen Prämien für die erfolgreiche Einwerbung eines Kandidaten aus dem Bekanntenumfeld gezahlt werden.

Andere Unternehmen, die als Arbeitgeber in der Digital Community nicht erste Wahl sind, tragen dem engen Arbeitsmarkt Rechnung, indem sie lieber Dienstleister und Agenturen beschäftigen, als die Mühen der Personalsuche auf sich zu nehmen.

Ralf Haberich: Wie hat sich die Anforderung an ein solches Jobprofil in den letzten Jahren geändert?

Kevin Brian Moore: In den letzten Jahren sind die Anforderungen an solche Spezialisten stark gestiegen. Früher reichte es aus, die Statistiken auszuwerten. Heute müssen wesentlich mehr Kompetenzen vorhanden sein, um die strategischen Key-Performance-Indikatoren (KPIs) festzulegen, diese ständig anzupassen sowie die Hintergründe zu verstehen, sofern bestimmte Angebote oder Content nicht wie erwartet von den Usern angenommen werden. Hier ist Optimierung notwendig, die nicht nur mit Usability, sondern auch mit der Psychologie hinsichtlich des Einsatzes von Farben, Typografien und A/B-Tests zu tun hat.

Alrun Hild: Vielfach wurde in den letzten Jahren mehr der Website-Controller an sich gesucht; ein „Webverrückter”, wie mal ein Klient meinte. Ich denke, dies spiegelt recht gut wider, was in den Augen einiger Unternehmen unter Webanalyst verstanden wurde: jemand, der sich in der digitalen Welt bestens auskennt, dort „zu Hause” ist, keine Berührungsängste hat – wie vielleicht der ein oder andere aus dem Management –, und jemand, der das „liefert”, was das Management abfragt. Inzwischen kommt der konsultative Aspekt stärker zum Ausdruck. Ein vorausschauend agierender interner Berater, der nicht nur präsentiert, was nachgefragt wird, sondern der Verständnis für die Branche mitbringt, proaktiv Input liefern kann und insofern auch zum Change Process beiträgt.

Ralf Haberich: Welche Kernkompetenzen muss ein Bewerber als „Businessanalyst” oder aber „Head of Digital Intelligence” mitbringen / wie schwer ist es, diese Leute bereits zu finden?

Alrun Hild: Neben all den fachlichen Fähigkeiten sind ein guter Geschäftssinn und ausgezeichnete kognitive Fähigkeiten wichtig (im analytischen und abstrakt-konzeptionellen Bereich), um komplexe Fragestellungen lösen und mit großen Datenmengen umgehen zu können. Darüber hinaus sind bei den Soft Skills vor allem kommunikatives Geschick, gutes Beziehungsmanagement und Sensitivität (im Umgang mit anderen, wenig digital affinen Kollegen, Vorgesetzten etc.) entscheidend. Ein Head of Digital Intelligence muss gut vernetzt sein und wird letztendlich nur erfolgreich, wenn er andere für sich gewinnen kann.

Gerade diese Kombination aus fachlicher und persönlicher Stärke ist sehr schwer zu finden.

Kevin Brian Moore: Die fachlichen Anforderungen an einen Bewerber als Businessanalyst oder als Head of Digital Intelligence sind vielfältig, wie die Anforderungen aus aktuellen Stellenausschreibungen belegen – hier einige Beispiele:

  • Erstellung von Performance-Analysen und Kennzahlen-Entwicklungen unserer Website und Kampagnen

  • Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen zur Optimierung der Website und User-Flows

  • Fachliche Verantwortung sowie laufende Pflege und Weiterentwicklung des Web-Controlling-Tools, -Cockpits und der Web-Datenbank

  • Ausbau des Tracking- und Reporting-Systems zum Aufbau einer End-to-End-Messung (von der Einzel-Kampagne bis hin zum Kundenwert)

  • Laufendes Monitoring von Kundenverhalten, Kampagnen-Performance, Markt und Wettbewerbern zur Unterstützung unserer Vermarktungs- und Website-Teams

  • Managementgerechte Aufbereitung und Präsentation aller Aktivitäten und den erzielten Ergebnissen

  • Konzeption und Durchführung komplexer Analysen im Online-Umfeld

  • Unterstützung bei technischen Aspekten der Webanalyse

  • Weiterentwicklung der Web-Analytics- und Reporting-Tools

  • Enge Zusammenarbeit mit der Produktentwicklung und der IT-Abteilung

  • Schulung und Unterstützung der Anwender

  • Setzen von Standards in Implementierung und Reporting

  • Erfahrung mit Web-Analytics-Tools

  • Erfahrung im Umgang mit Datenbanken und Grundkenntnisse in SQL

  • Vorteilhaft wären Erfahrungen mit ETL- und BI-Tools sowie in der Datenmodellierung.

  • Fundierte Erfahrung im Umgang mit Web-Technologien, HTML, CSS etc.

  • Sie können sich für alle Themen der Webanalyse begeistern und haben großes Interesse an BI-Fragestellungen.

  • Sie zeichnen sich durch Ihre Offenheit, Flexibilität und selbstständige Arbeitsweise aus und haben eine hohe Leistungsbereitschaft.

  • Sie verfügen über fundierte MS-Office-Kenntnisse, insbesondere Excel.

  • Sie haben sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse.

  • Beratung der internen Kernleistungsrollen Category Merchandising und Online-Marketing/CRM in allen Fragen zum Thema Analyse

  • Festlegung geeigneter Reports, Aufbereitung, Interpretation

  • Mitarbeit bei der Entwicklung einer Business-Intelligence-Lösung (Data Warehouse) sowie relevanter Steuerungsmechanismen im E-Commerce

  • Analyse der Customer Journey aus Sortiments- und Kundensicht

  • Konzeption, Erstellung und Aufbereitung von Reports und Dashboards zur Sortiments- und Kundenanalyse sowie Ausbau des Tracking-Tools

Die Kernkompetenzen und Fähigkeiten, die notwendig sind, können wir so zusammenfassen:

  • Sehr gute analytische, konzeptionelle und kreative Fähigkeiten

  • Die Fähigkeit, die Gesamtstrategie des Unternehmens beziehungsweise für die Website in einzelne KPIs zu formulieren und diese transparent darzustellen

  • Die Zusammenhänge zwischen Usability, Farben, Typografie, User-Psychologie, User Experience, Targeting und Web-Analyse/Business Intelligence zu verstehen und diese zu berücksichtigen

  • Ein gutes technisches Verständnis für die darunterliegende Technologie der Reporting-Systeme (zum Beispiel OLAP, Data Mining, Web Mining, CRM, SQL-Datenbanken)

  • Kenntnisse und Marktüberblick zu Tracking-Systemen und -Verfahren

  • Hohe kommunikative Kompetenz und sehr gute Präsentationsfähigkeiten

  • Ein überzeugendes, selbstsicheres und gewinnendes Auftreten

  • Für eine Führungsposition sind Fähigkeiten im Bereich Mitarbeiterführung, Motivation, Begeisterung und strategisches Denkvermögen unerlässlich.

Ralf Haberich: Wie häufig wird ein Mitarbeiter mit einem analytischen Background beziehungsweise Lebenslauf in der Führungsebene platziert? Welche Chancen ergeben sich daraus für das C-Level?

Kevin Brian Moore: In großen Unternehmen, in denen das Web nur als Marketing- und Präsentations-Plattform genutzt wird, sind Führungspositionen möglich, allerdings sind die Chancen auf eine C-Level-Position fast unmöglich. Dies hängt damit zusammen, dass diese Unternehmen nicht von ihrer Website oder Online-Commerce abhängig sind und ihre Umsätze nicht alleine über diese Kanäle erzielen.

Für Unternehmen, in denen die Hauptumsatzquelle das Internet ist beziehungsweise das Geschäftsmodell stark davon abhängig ist, ist es eher möglich, eine höhere Führungsposition beziehungsweise eine C-Level-Position einzunehmen. Einige Beispiele hierfür sind Online-Vermarkter, Targeting-Spezialisten, Online-Banken, Online-Versicherungen, Job-Portale, Handel/Online-Handel, Musik-Portale usw.

In anderen Branchen oder im Bereich Mittelstand ist es noch selten, dass ein Mitarbeiter mit einem analytischen Background in einer höheren Führungsebene platziert wird, da viele dieser Unternehmen das volle Potenzial des Webs leider noch nicht verstehen beziehungsweise nicht wissen, welche Möglichkeiten sie dadurch hätten, ihr Geschäft positiv zu beeinflussen.

Alrun Hild: Vor allem im B2B-Bereich sind nach wie vor die „klassischen CVs” mit Background in Finance, Sales, Logistik etc. die gefragteren. Unternehmen tun aber sicherlich gut daran, zunehmend Analysten-Profile in die Führungsebene zu holen. Nur so können sie sichergehen, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Chancen und Herausforderungen im digitalen Zeitalter sind riesig. Mit den klassischen Profilen werden Unternehmen diese enormen Möglichkeiten nicht ausschöpfen können. Die Position des CDO wird in ein paar Jahren vielleicht schon nicht mehr so exotisch sein, wie sie es heute noch ist.

Ralf Haberich: Beobachten Sie eine zunehmende technische Komponente in der Führungsebene? Wie müssen erfahrene Manager, die schon lange auf C-Level oder GF-Ebene arbeiten, darauf selbst reagieren?

Andreas Werb: Definitiv. E-Commerce ist zwar für den Kunden ein Shoppingkanal beziehungsweise Content-Portale sind für ihn die elektronische Zeitung – für ihn stehen also Produkte, Preise, News oder was immer ihn interessiert im Vordergrund. Für den Waren- oder Informationsanbieter ist es aber in erster Linie ein komplexes informationstechnisches System, dessen Konzeption und Betrieb profundes Wissen über Software und Prozesse voraussetzt.

Auf Geschäftsführer-Ebene müssen diese technologischen Kenntnisse natürlich nicht so detailliert wie auf Expertenlevel sein, aber wer nicht weiß, welche Software, welche Tools, welche Prozess-Schritte und Vermarktungsaktivitäten etwa eine Customer Journey über sein Portal erfolgreich oder nicht erfolgreich machen, der kann keine unternehmerische Verantwortung für ein digitales Angebot tragen.

Ralf Haberich: Spielen in Zukunft nicht auch klassische Personalführungsaufgaben eine Rolle für den Analysten, wenn die Branche (und damit auch die Analytics-Abteilung) wächst? Wie kann sich ein Analyst darauf vorbereiten? Wie kann ein Marketing-Direktor, an den ein Analyst berichtet, seinen Mitarbeiter in diese Rolle hineinwachsen lassen?

Andreas Werb: Je wichtiger eine Funktion, desto mehr Arbeitsplätze entstehen in diesem Bereich und desto mehr Führungspositionen, die sich natürlich aus dem Kreis der Experten rekrutieren. Ob jemand willens und geeignet ist, die Spezialisten-Ebene zumindest teilweise zu verlassen und auch Personalführung zu übernehmen, ist wie gesagt typbedingt und in diesem Themenumfeld nicht selbstverständlich. Während Produkt-, Vertriebs- und Marketingleute bei der Bewerbung um eine bestimmte Aufgabe nicht selten fragen, wann denn der nächste Karriereschritt möglich ist, habe ich schon Analysten erlebt, die bei Ankündigung, ein Team aufbauen und leiten zu können, einen kompletten Rückzieher gemacht haben.

Insofern ist die Vorbereitung auf Führungsaufgaben „on the job” sicher ein zentrales Anliegen der Personalentwicklung in jedem Unternehmen, bei dem Linienverantwortliche und HR-Bereich eng zusammenarbeiten müssen.

Ralf Haberich: Wie oft kommt es zu Vermittlungen, in denen Quereinsteiger die bessere Wahl sind, da rund um das Thema Web Analytics auch noch die entsprechenden Ausbildungsangebote rar gesät sind?

Kevin Brian Moore: Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Quereinsteiger gute Chancen haben, wenn sie in ihrer Laufbahn relevante Praxiserfahrung mitbringen. Sicherlich sollten die Grundfähigkeiten wie oben beschrieben vorhanden oder ausbaufähig sein. Gerade wenn ein Bewerber von einem Unternehmen kommt, bei dem das Online-Geschäft die Haupteinnahmequelle ist, haben diese Quereinsteiger sehr gute Chancen, eine interessante Position zu bekommen, obwohl sie eine andere Ausbildung oder einen anderen Background haben, als sie in den Web Analytics oder in dem Business-Intelligence-Bereich vorweisen können.

Die Interviewpartner

Andreas Werb gründete 2000 die Werb Executive Consulting GmbH & Co. KG mit Sitz in Starnberg. Die auf Direktsuche von Führungskräften und hochkarätigen Experten spezialisierte Gesellschaft etablierte sich schnell als eine der führenden deutschen Search-Boutiquen und berät schwerpunktmäßig in den Bereichen TIME (Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien, Entertainment), Handel, Konsumgüter, Energietechnik und Professional Services. Seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit hat sie viele Hundert Suchen für Konzerne, Mittelständler und Start-ups erfolgreich durchgeführt.

Bevor sich der studierte Betriebswirt und Germanist als Personalberater selbstständig machte, war er beim Axel Springer Verlag, der Verlagsgruppe Handelsblatt und dem Süddeutschen Verlag in unterschiedlichen Führungsrollen tätig, unter anderem als Projektleiter beim Handelsblatt-Verlag, Büroleiter der Wirtschaftswoche in Frankfurt und Geschäftsführer und Chefredakteur im Süddeutschen Verlag, unter anderem der führenden Branchenzeitschrift w&v werben und verkaufen und des New Media Report, der ersten deutschen Fachzeitschrift für Online-Marketing.

Anschließend wechselte Andreas Werb als Vorstand und späterer Alleinvorstand in die börsennotierte Venture Capital-Gesellschaft InternetMediaHouse AG, deren Beteiligungsportfolio zahlreiche bekannte Internetunternehmen umfasste, darunter Sport1, Süddeutsche.de, Getmobile.

Nach europäischem Abitur an der European School Mol (Belgien) absolvierte Alrun Hild das Studium der BWL an der Rheinisch Westfälisch Technischen Hochschule in Aachen.

Den Berufseinstieg fand sie bei Berlitz School of Languages als Direktorin eines Profit Centers, danach folgten Stationen beim Wirtschaftsinformationsanbieter Dun & Bradstreet, zuletzt als Global Account Manager für Information Warehouse Solutions. Seit 1998 ist die Diplom-Kauffrau bei dem internationalen Beratungsunternehmen Mercuri Urval als Consultant tätig unter anderem für Management Audits, Recruitment & Selection von Fach- und Führungskräften sowie Executives. In ihrer Funktion als International Business Manager verantwortet sie zudem seit 1995 die Cross-border-Aktivitäten der Mercuri Urval Gruppe.

Kevin Brian Moore ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Management One > Human Capital Consultants. Kevin B. Moore ist gebürtiger Amerikaner und studierte Marketing und Betriebswirtschaft im Bundesstaat Kalifornien, bevor er nach Deutschland kam.

Er verfügt über Führungserfahrung bei namhaften Computer-Herstellern und System-Integratoren sowie über Erfahrung mit zwei Neugründungen (Start-ups) innerhalb der IT-Branche in Deutschland. Danach sammelte er fundierte Kenntnisse in einer Mediengruppe als Managing Director einer Multimedia- und Internet-Agentur, die sich mit den Themen Beratung, User-Interface-Design, Projekt-Management, Programmierung, AdServer, Content-Management-Systeme, E-Commerce, Web-Hosting sowie die Vermarktung und Bekanntmachung von Internet-Portalen befasst hat.

Kevin B. Moore ist Fachreferent, Autor und war Vorstands- bzw. Board-Mitglied in verschiedenen Organisationen. Während seiner Laufbahn war er in diversen Gremien, Ausschüssen und Jurys aktiv. Seit 2000 ist Kevin B. Moore im Bereich Executive Search und Managementberatung tätig.

Kapitel 29: Interview mit Prof. Dr. Harms und Prof. Dr. Schneider: E-Commerce ohne Detailanalyse ist undenkbar

Ralf Haberich: Die Hochschule Wedel hat als eine der ersten Hochschulen erkannt, dass E-Commerce ein wesentlicher Bestandteil im heutigen betriebswirtschaftlichen Handel abbildet oder abbilden kann. Inwieweit wurden Sie hier vom Markt getrieben, inwieweit ist dies ein proaktiver Plan für Ihren Studiengang, den Sie selbst aufsetzten?

Prof. Dr. Eike Harms: Natürlich wird auch der Handel immer stärker durch Informationstechnologie beeinflusst. Ob nun in der Stammdatenhaltung, in der Logistik oder dem Kundenmanagement, die Informationstechnologie durchdringt die gesamte Werkschöpfungskette. Ihr richtiger und innovativer Einsatz bringt Wettbewerbsvorteile mit sich. An einigen Fakultäten der Wirtschaftsinformatik findet man daher Vertiefungsrichtungen, die diese IT-Themen adressieren. Auch wir haben dem elektronischen Handel immer mehr Raum geben müssen. Wir haben unsere Lehrinhalte vielfach angepasst und neue Veranstaltungen wie beispielsweise „E-Commerce-Systeme” oder „Internet-Anwendungen” eingeführt.

Wir hatten aber erst in letzter Zeit feststellen können, dass der Arbeitsmarkt in dramatisch wachsender Weise Kompetenzen im E-Commerce nachfragt. Bei den Abschlussarbeiten unserer Studierenden und den Anstellungen unserer Absolventen gab es einen Ruck in Richtung E-Commerce. Das mobile Internet hat dazu geführt, dass das Thema E-Commerce jetzt auf breiter Ebene als strategischer Erfolgsfaktor wahrgenommen wird. Der Arbeitsmarkt bietet inzwischen keine Möglichkeit mehr, den wachsenden Personalbedarf zu decken. Bei der Otto Group wurde dies zu einem Problem.

Da viele unsere Absolventen bei der Otto Group tätig sind, besteht ein guter Kontakt. Wir wussten auch, dass man sich bei Otto schon häufiger für Bildung engagiert hatte. Da lag eine Intensivierung der Zusammenarbeit im E-Commerce sehr nahe. Die Idee, auf die Marktveränderungen im größeren Stil zu reagieren, nahm in gemeinsamen Gesprächen konkrete Formen an.

Es liegt aber auch in der Tradition der Hochschule, auf neue Marktbedarfe mit passenden Bildungsangeboten zu reagieren. Die Studiengänge Physikalische Technik, Technische Informatik, Wirtschaftsinformatik und Medieninformatik haben wir jeweils als eine der ersten Hochschulen Deutschlands eingeführt.

Auch die Nähe zur Handelsstadt Hamburg und deren Entwicklung zur E-Commerce-City hat eine Rolle gespielt. Hamburg bietet einen idealen Arbeitsmarkt für Absolventen des E-Commerce. Unsere E-Commerce-Absolventen paaren die Informatik mit Medien-, Vertriebs- und BWL-Kenntnissen und verfügen so über eine Schnittstellenkompetenz, die auch über E-Commerce hinaus hoch interessant ist. Ihnen bieten sich Karrieremöglichkeiten, der weder im Großunternehmen noch im eigenen Start-up Grenzen gesetzt sind.

Wesentlich für die Einführung eines eigenen Studienganges war aber auch, dass dieser Studiengang sich synergetisch in unser Studienangebot einfügt und es ein großes Interesse der Professorenschaft gibt. E-Commerce ist ein Thema, bei dem man kreativ sein kann und was einfach Spaß macht. Hätte bei uns die Begeisterung für E-Commerce gefehlt, hätten wir den Schritt vielleicht nicht unternommen. Schließlich ist es die Begeisterung für das Thema, was gute Lehre ausmacht.

Prof. Dr. Holger Schneider: Die von Prof. Harms angesprochene Begeisterung für das Thema E-Commerce teile ich und freue mich daher, den E-Commerce-Studiengang zu leiten und weiter auszugestalten. Aus meiner Sicht sind an der FH Wedel hervorragende Voraussetzungen für die Etablierung dieses Studiengangs gegeben: Der starke (Wirtschafts-)Informatik-Background der Hochschule ist eine ideale Basis für die informationstechnischen Aspekte des E-Commerce.

Genau diese Aspekte liegen im Fokus des E-Commerce-Bachelors und werden ergänzt um wirtschaftliche Aspekte des E-Commerce insbesondere hinsichtlich Online-Marketing und natürlich Web Analytics. Somit ist sichergestellt, dass Absolventen über breite Kompetenzen in beiden Fachbereichen verfügen und zahlreiche Einsatzmöglichkeiten im E-Commerce finden.

Im Master stehen dann stärker die strategischen Fragen und Management-Aspekte des E-Commerce im Vordergrund. Hier liegt also der Fokus auf unterschiedlichen Geschäfts- beziehungsweise Erlösmodellen und somit auch der Frage, wie sich ein Unternehmen nachhaltig aufbauen lässt und man dieses zur Profitabilität führt. Gerade für E-Commerce gilt auch weiter der Leitspruch „retail is detail” – nicht zuletzt bei margenschwachen Gütern müssen mit Hilfe von Web Analytics und Business Intelligence Möglichkeiten gefunden werden, Kosten zu minimieren und höhere Umsätze zum Beispiel durch bessere Conversion Rates zu erzielen. Master-Studenten anderer Fachrichtungen können zudem gezielt vertiefende Veranstaltungen des Bachelor-Studiengangs besuchen, um grundlegende Inhalte zu vertiefen. Sollten Studenten im Rahmen des Studiums „Feuer gefangen” haben und eine eigene Gründung anstreben, so werde ich diese gern unterstützen. Sei es bei der Anfertigung von entsprechenden Praxis-Projekten oder Vermittlung von Kontakten.

Ralf Haberich: Für E-Commerce-Unternehmen ist es essenziell, datengetriebene Entscheidungen zu treffen beziehungsweise auf Grundlage von Zahlen Erkenntnisse zu formen und diese entsprechend für zukünftige Entscheidungen einzubeziehen. Wie stark ist dieser Ansatz bereits im Studiengang verankert?

Prof. Dr. Holger Schneider: Daten über Surf- und Kaufverhalten sind wesentliche Grundlage von Optimierungen im E-Commerce. Die Möglichkeit, Entscheidungen auf Basis „echter” und objektiver Daten zu treffen, ist sogar einer der stärksten Vorteile dieses Vertriebswegs. Denn gerade im elektronischen Geschäftsverkehr stehen sehr, sehr viele Daten zur Auswertung zur Verfügung.

Aus diesen Gründen kommt dem Aspekt auch im Rahmen des E-Commerce-Studiengangs eine hohe Bedeutung zu – sei es durch explizite Veranstaltungen wie „Web Analytics und Web-Controlling” oder durch implizite Berücksichtigung in weiteren Veranstaltungen wie unter anderem „Online-Marketing”, „E-Commerce-Systeme” und „Usability / Intuitive Bedienkonzepte”.

In diesen Veranstaltungen werden nicht nur die theoretischen Grundlagen vermittelt, auch sind zahlreiche Praxisvertreter eingeladen, aktuelle Entwicklungen und Analyse-Werkzeuge vorzustellen. Darüber hinaus erfahren unserer Studenten hands-on in Übungen zu Web Analytics oder bei der Erstellung eines eigenen Onlineshops, wie mit den Werkzeugen umzugehen ist und welche Entscheidungen darauf basiert werden können.

Ralf Haberich: Was ist hierbei aus den bisherigen Vorlesungen als Trend oder Anspruch für die Zukunft auszumachen?

Prof. Dr. Holger Schneider: Da der Studiengang erst im vergangenen Herbst gestartet ist, wurden noch nicht sämtliche Veranstaltungen aus dem E-Commerce-Curriculum durchgeführt. Im Rahmen diverser Gastvorträge wurde aber sehr deutlich, dass es neben dem harten und weiter steigenden Online-Marketing-Wettbewerb immer wichtiger wird, sich auch anderen Optimierungspotenzialen zu widmen. Dabei geht es nicht nur um die Optimierung des Frontends, sondern auch um die Performance-orientierte Zusammenstellung der gesamten E-Commerce-Plattform und seiner Komponenten. So müssen sich Shopbetreiber zum Beispiel auch die Frage stellen, welche Suchtechnologie oder welches Empfehlungssystem die besten Resultate (= höchste Conversion) im Onlineshop liefert. Gerade für große Onlineshops kann eine kleine Verbesserung der Conversion zu großen Umsatzeffekten führen. Aber auch neue Verfahren der Produktberatung wie zum Beispiel die virtuelle Anprobe müssen hinsichtlich ihres Potenzials analysiert werden, die Conversion zu steigern oder Retourenquoten zu senken. Gerade hier spielt eine konsequente Analyse aller zur Verfügung stehenden Daten sowie die zielgerichtete Durchführung (multivariater) Tests eine große Rolle.

Ralf Haberich: Ohne Analyse der Website, ohne Erkenntnis über erfolgreiche Kanäle kann kein E-Commerce-Shop bestehen. Wie stark ist bereits die Verknüpfung weiterer Datenquellen – abgesehen vom Web-Analytics-Modell – vorangeschritten?

Prof. Dr. Holger Schneider: Web Analytics geht inzwischen weit über eine Messung und Optimierung von Marketing-Kanälen hinaus. Wie bereits angesprochen, stehen große Datenmengen zur Verfügung. Damit sind aber nicht nur Daten gemeint, die Aufschluss über Marketing-Kontakte, On-Site-Verhalten und Kaufhistorie geben. Auch liegen intern zahlreiche Artikeldaten vor, die beispielsweise unter Verwendung von Semantic-Web-Ontologien für optimierte Produktempfehlungen genutzt werden können. So befassen sich aktuell diverse Unternehmen mit der Nutzung semantischer Zusammenhänge, um beispielsweise Cross- und Up-Selling-Potenziale zu erschließen oder eine natürlich-sprachige Suchanfrage abzubilden. Up- und Cross-Selling durch semantische Produktempfehlungen sind bereits bei Unternehmen der Otto Group im Einsatz. Das Beispiel einer semantischen Suche ist beim Reiseportal weg.de zu finden, die vom Suchtechnologie-Anbieter FACT-Finder realisiert wurde. Dort können Nutzer ihren Reisewunsch in Satzform eingeben, was eine entsprechende Anpassung der Filter und relevanter Reiseziele zur Folge hat. Die aktuellen Nutzungshinweise zur Syntax der Frage und möglichen Variablen lassen allerdings vermuten, dass Kunden noch den Umgang mit dieser Suchart lernen müssen oder die Technologie (noch) nicht mit allen natürlich-sprachigen Fragen umgehen kann. Auch der jüngst angekündigte Google Knowledge Graph wird textuelle Bedeutungszusammenhänge heranziehen, um den Nutzern bessere Suchergebnisse vorzustellen.

Neben den angesprochenen internen Daten kann aber auch eine große Anzahl externer Datenquellen angezapft werden – sei es der Facebook Open Graph für weitere persönliche Informationen zum Nutzer und seiner Facebook-Freunde, oder Preis-/Produktvergleichsseiten zur Wettbewerbsanalyse, wie auch Datenkataloge mit Produkt-, Wetter-, Konjunkturdaten usw. Was die Verwendung des Facebook Open Graph zur Ableitung von Produktempfehlungen betrifft, lassen sich anschauliche Beispiele bei smatch.com und germanwings.com finden. Das smatch-Feature „shop like me” liefert personalisierte Produktempfehlungen basierend auf den eigenen Likes bei Facebook, während das Feature shop like friends die (freigegebenen) Interessen der Freunde berücksichtigt, um zum Beispiel Geschenkempfehlungen zum Geburtstag zu generieren. Auf der Facebook-Seite von Germanwings lassen sich mit dem Feature FriendFlights günstige Flüge zu den Wohnorten der eigenen Facebook-Freunde finden. Sofern in den Privatsphäre-Einstellungen und in den jeweiligen Zugriffsanfragen freigegeben, lassen sich neben Interessen, Geburtstag und Wohnort aber auch viele weitere Informationen über den Open Graph abrufen – bis hin zu allen Inhalten der Timeline.

Diese internen und externen Daten lassen zahlreiche Rückschlüsse zu, die weit über die reine Customer Journey hinausgehen und somit eine bessere Marktsicht ermöglichen. Sofern es die gesetzlichen Rahmenbedingungen zulassen, sollten also möglichst viele Daten aus unterschiedlichen Datenquellen zur Untermauerung und Optimierung von Entscheidungen einbezogen werden.

Der Umgang mit großen Datenmengen und die Verknüpfung verschiedener Quellen setzt allerdings entsprechende Kompetenzen voraus. Auch ist es natürlich wichtig, den Überblick im „Daten-Dschungel” zu behalten, um sinnvoll Entscheidungen unterstützen zu können. Diese Kompetenzen sind nicht für jedes Unternehmen direkt beziehungsweise frei verfügbar. Große E-Commerce-Marktplayer können sich diese Kompetenzen zukaufen oder In-house-Abteilungen betreiben; Start-ups haben gegebenenfalls das Glück, entsprechende Kompetenzträger im Gründer-Team vertreten zu haben. Mit weiterer Demokratisierung der nötigen Werkzeuge und zum Beispiel Open-Source-Tools, die mehrere Quellen verknüpfen, werden diese Optimierungsmöglichkeiten aber früher oder später auch Einzug in kleinere Unternehmen finden.

Ralf Haberich: Werden wir etwas theoretischer: Sicherlich beschäftigen Sie sich auch mit Definitionen. Gerade bei Online-Fachbegriffen kann hier sogar eine Chance auf Etablierung der eigenen Definition bestehen, da viele Begriffe zwar bekannt, aber noch nicht vollständig durchleuchtet wurden, so zum Beispiel Customer Journey. Wie gehen Sie an die theoretische Abbildung einer solchen Disziplin? Gibt es bereits Definitionen, die aus Ihrer Hochschule stammen?

Prof. Dr. Harms: Eigene E-Commerce-Definitionen haben wir bislang noch nicht ins Rennen gebracht. Zumal es eine große Herausforderung ist, bei der großen Dynamik und Weiterentwicklung des Markts eine langfristig gültige Definition aufzustellen. Wichtiger ist mir in diesem Zusammenhang, dass wir unseren Studenten vermitteln, mit synonymen Bezeichnungen umgehen zu können und Kennzahlen kritisch zu hinterfragen. So gibt es mitunter verschiedene Begriffe, die (nahezu) die gleiche Bedeutung haben. Andererseits unterscheiden sich die Definitionen von Kennzahlen gravierend zwischen Unternehmen. Daher muss man bei der Datenauswertung auch mal einen Schritt zurückgehen und sich vergewissern, dass die aggregierte Kennzahl sinnvoll, aber auch einheitlich gebildet wurde. Ansonsten würde man im Benchmarking gegebenenfalls Äpfel mit Birnen vergleichen.

Die Interviewpartner

Eike Harms ist Präsident der staatlich anerkannten Fachhochschule Wedel. Seit über 60 Jahren steht diese technikorientierte Hochschule für ein interdisziplinäres, praxisnahes und internationales Studium der Informatik, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. Harms leitet die private Hochschule als geschäftsführender Gesellschafter in dritter Generation. Mit der Einführung des Studienganges E-Commerce setzt er die Tradition des Hauses fort, neue Marktbedarfe zeitnah in passende Studienangebote umzusetzen. Harms ist zudem Schulleiter der mit der Fachhochschule Wedel eng verbundenen privaten Berufsfachschule Wedel.

Nach seinem Studium des Maschinenbaus an der Technischen Universität Hamburg-Harburg war Harms bei PriceWaterhouseCoopers und IBM Business Consulting Services beschäftigt. Als Berater unterstützte er Unternehmen der Automobil- und Konsumgüterindustrie bei der Gestaltung und Implementierung von Management- und Geschäftsprozessen und sammelte umfangreiche Erfahrungen im internationalen Projektmanagement. Bevor er an die Fachhochschule Wedel wechselte, promovierte Harms am Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen der Technischen Universität Fridericiana Karlsruhe.

Holger Schneider ist Otto-Group-Stiftungsprofessor für E-Commerce und leitet die E-Commerce-Bachelor- und -Master-Studiengänge an der Fachhochschule Wedel. Seine Lehrtätigkeit umfasst strategische sowie operative Themen des E-Commerce. Um eine praxisnahe Ausbildung seiner Studenten zu gewährleisten, arbeitet Holger Schneider im Rahmen von Praxis-Projekten mit zahlreichen Kooperationspartnern zusammen.

Zuvor war Holger Schneider Leiter des Business Development New Media der Otto Group. Fokus seiner Tätigkeit lag auf der Bewertung von E-Commerce-Geschäftsmodellen hinsichtlich der Relevanz für die Otto Group. Auf Basis dessen wirkte er an der E-Commerce-Strategieentwicklung der Otto Group mit und erarbeitete Handlungsempfehlungen bezüglich des Aufbaus oder der Akquise von Geschäftsmodellen im In- und Ausland.

Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolvierte Holger Schneider an der WHU – Otto Beisheim School of Management (Vallendar), wo er frühzeitig in Berührung mit den Themen „E-Commerce” und „Digital Business” kam. Die sich anschließende Promotion an der Christian Albrechts Universität zu Kiel widmete er dem Thema „Pricing in Digital Markets”. Internationale Studien- und Praxiserfahrungen sammelte Holger Schneider im Rahmen von Aufenthalten in den USA, Japan und Kanada.

Kapitel 28: Interview mit Prof. Dr. Gerald Lembke: Die Zukunft gehört der semantischen Analyse

Ralf Haberich: Digital Analytics hat Einzug gehalten an Hochschulen und ist als relevantes Thema im Lehrstoff verankert. Ist dies getrieben von der praktischen Verankerung oder der Not, auf aktuelle Trends wenigstens reagieren zu müssen?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Die Wirtschaft erwartet von den Hochschulen, Trends zu setzen und von uns als transferorientierte duale Hochschule, praktikable Lösungen für analytische Aufgaben zu entwickeln. Getrieben ist dies vor allem durch Reaktion auf die rasanten Entwicklungen des Internets, denen die meisten Unternehmen hinterherhinken.

Aber auch proaktive Forschungsansätze und innovative Entwicklungsbedarfe spiegeln sich bei diesem Thema. So interessieren sich Unternehmen vor allem dafür, neue Zielgruppen und Interessenten im B2C analytisch herleiten zu können. Auch im B2B wird dies immer interessanter, insofern als Unternehmen Informationen über Einkäufer und andere Stakeholder gewinnen möchten, um ihr Geschäft zu entwickeln.

Ralf Haberich: Die Verbindung von Analytics und Social Media hin zu Social Media Analytics ist eine logische Folge der Social-Media-Möglichkeiten. Dies ist eins Ihrer Experten-Gebiete; wie wichtig ist der ROI bei Social Media, wie wichtig ist das Grundrauschen in diesen Kanälen (auch wenn hier kein finanzieller Rückfluss möglich sein sollte)?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Natürlich ist ROI auch für Social-Media-Kanäle relevant. Es wird immer wichtiger, wenn Unternehmen in diese Kanäle durch Finanzmittel und Personal investieren. Völlig logisch, dass sie wissen möchten, welchen Output Social-Media-Engagements erzeugen können.

Das wirklich Neue an digitalen analytischen Datenerhebungen ist die Nutzung nicht nur von quantitativen Daten (Abverkauf eines Produkts im Zeitraum X), sondern auch die Nutzung von qualitativen Daten. Da die quantitativen Daten allein für eine betriebliche Nutzung zu hohe Entscheidungsunsicherheiten bergen, müssen qualitative Daten hinzugezogen werden. Beide dienen dazu, über einen längeren Zeitraum dem Grundrauschen einen Wert beizumessen, der allerdings in der Regel individuell dem jeweiligen betrieblichen Ziel folgen muss.

Ralf Haberich: Sie sprechen qualitative Daten an, Herr Prof. Dr. Lembke. Wie hart ist aus Ihrer Sicht hier eine Trennung von Quantität und Qualität möglich, da ja nun grundsätzlich alle Daten in irgendeiner Form zur Verfügung stehen und mehr oder weniger Einfluss in zukünftige Entscheidungen haben können?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Es gibt per Definition einen Unterschied zwischen den qualitativen und quantitativen Daten. Dennoch wird immer versucht, qualitative Daten zu quantifizieren. Nehmen Sie zum Beispiel „Marke”, ein qualitatives Kriterium, das quantifiziert werden kann, wenn es einen Quantifizierungsstandard gibt, heißt eine KPI, an der sich alle Unternehmen orientieren. Wenn es diese nicht gibt, können qualitative Daten eigentlich nur individuell interpretiert werden auf der Grundlage der im Unternehmen vorliegenden oder neu gewonnenen Daten.

In dem Prozess der Entscheidungen im Management haben quantitative Daten Vorrang. Das ist die Sprache der Manager. Dennoch entwickelt sich seit 15 Jahren am Beispiel der erweiterten Bilanzen die Wertbestimmung von Unternehmen eben nicht mehr nur aufgrund von quantitativen Daten, sondern vermehrt unter Berücksichtigung von qualitativen Daten.

Ralf Haberich: Wie können die angesprochenen Entscheidungsunsicherheiten auf ein Minimum reduziert werden? Welche Datenverbindungen aus Bereichen wie Web Analytics, Business Intelligence, CRM-Systemen, Data Warehouse müssen dringend synergetisch genutzt werden, um ein größeres und aussagekräftigeres Bild zu erhalten, das den Nutzer befähigt, professionellere und relevante Entscheidungen zu treffen?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Grundsätzlich werden in den nächsten Jahren in mehr Unternehmen die genannten Systeme zusammenwachsen. Doch gerade in KMU-Unternehmen ist dies meist nicht der Fall. Mittlerweile gibt es die ersten Management-Suite-Lösungen, die Unternehmen darin unterstützen können. Hier wird die Entwicklung – wie immer – technologisch vorangetrieben und sich seine Anwendungsgebiete suchen und finden und die Daten- und Informationsverwertung von Internetdaten wird aber dennoch einen hohen Unsicherheitsfaktor behalten.

Ralf Haberich: Wie schwer fällt es Managern, mit Unsicherheiten im Analyse-Bereich zu arbeiten?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Natürlicherweise ist das für jeden Manager eine laufende und alltägliche Herausforderung. Um Unsicherheiten in der Entscheidungsfindung zu reduzieren, müssen unzählige Informationen verarbeitet werden, Analysen tragen zur Informationsbeschaffung bei. Und deren Qualitäten hängen von Verdichtungen der Informationen ab. Diese sind wiederum abhängig von den meist individuellen Wissenszielen, die den Manager respektive das Unternehmen interessieren. Dass dies kein einfacher Prozess ist, zeigen die zahlreichen Analysemethoden, die die „richtigen” Datensammlungen suggerieren, um Entscheidungen zu beschleunigen und zu vereinfachen. Doch sie sind eben abhängig von Zielen und eingebunden in eine Welt der Komplexität und immer mehr der Unerklärbarkeit von Ursache-Wirkungs-Mustern. Ängste werden meines Erachtens nicht abgebaut werden können, sondern sie werden steigen – trotz immer ausgefeilterer Analysemethoden.

Ralf Haberich: Natürlich stehen Anbieter von Management-Suites bereit, um ihre Lösungen mittelständischen oder großen Unternehmen anzubieten. Aber welchen Sinn macht das, wenn gerade im KMU-Bereich das Verständnis noch fehlt? Spielt der Anbieter dann eine Pionier-Rolle, sollte im Bereich KMU verstärkt eine Ausrichtung auf datengetriebene Prozesse erfolgen? Dort gibt es in der Regel bereits CMS- und CRM-Module und auch statistische Auswertungen von digitalen Maßnahmen werden bewertet. Welchen wichtigen Schritt muss die Geschäftsführung selber gehen oder intern veranlassen, um im direkten Wettbewerbsvergleich den entscheidenden Schritt voraus zu sein?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Neben der Auswahl von Suites etc. werden Intuition und Gefühl für das Geschäft immer wichtiger. Dies zeichnet gerade Inhaber-Geschäftsführer aus, die ihren Markt erfühlen und Chancen entdecken, die keine Managementsuite so aufdecken kann. Daher rate ich ab von einer zu starken Gläubigkeit von Informationen aus Analysetools und empfehle, stärker in den Markt und seine Zielgruppen hineinzuhorchen, um ein Gefühl für Chancen und Nischen zu bekommen. Hier können Analysetools unterstützen.

Ralf Haberich: Wie sehen Sie die Zukunft der Analyse des digitalen Raums beziehungsweise der digitalen Kanäle? Welche Anreicherungen wurden bisher zu wenig beachtet und wie können weitere Informationsverknüpfungen dazu führen, Wissensvorsprung vor dem Wettbewerb zu erhalten, wenn der Online-Kanal ein relevanter Weg der Kommunikation oder des Vertriebs ist?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Die Zukunft besteht darin, semantische Analysemodelle und -Anwendungen voranzutreiben, zu verfeinern, zu validieren. Da Einzel-KPIs häufig die Komplexität des Internets niemals abbilden können, müssen die Beziehungen der Daten und der Informationen zueinander betrachtet werden. Und dann sind wir bei eben semantischen Analysen.

Ralf Haberich: Können Sie uns eine persönliche Definition von semantischen Analysen darstellen, Herr Prof. Dr. Lembke? Was sind hier die Hauptaufgaben und wie kann ein Analyst diese im täglichen Ablauf zusätzlich mit einbinden?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Semantiken beschäftigen sich typischerweise mit den Beziehungen zwischen Zeichen und Bedeutungen dieser Zeichen. Diese können klassisch informationstechnologisch gesammelt werden und von Algorithmen in Beziehung gesetzt werden. Doch darüber hinaus ist es für den Analysten wichtig, die Daten und die Interpretationen in Form von Informationen in Kontexte zu betrachten. Welche Bedeutung hat zum Beispiel die Fan-Anzahl in Facebook und die Tonalität der Beiträge im Verhältnis zu klassischen Kundenumfragen? Welche Bedeutung bekommen häufig erwähnte Begriffe und Syntaxen? Diese sprachlich orientierten Analysen erfordern einen ausgeprägten Geisteszustand und Offenheit, über den Tellerrand kennzahlenorienterter Unternehmensführung. Hier sehe ich die Zukunft der Unternehmensführung.

Ralf Haberich: Welche Datentöpfe sind entscheidend für den Erfolg der semantischen Analyse?

Prof. Dr. Gerald Lembke: Es gibt nicht die Datentöpfe, sie verändern sich im Internet laufend durch neue Angebote und Portale. Gern würden wir einmal in die Datenserver von Facebook und Google schauen. Sie sind Beispiele großer Datenbanken, die intelligent genutzt, sehr viel über unser menschliches Verhalten im Internet und darüber hinaus aussagen können. Für Unternehmen sind die Daten meist nicht zugänglich. Und sie selber aufzubauen durch e-CRM-Systeme ist eine richtige Herausforderung, die sich aber lohnen kann.

Der Interviewpartner

Prof. Dr. Gerald Lembke ist Studiendekan für Digitale Medien und Veranstaltungsmanagement und Studiengangsleiter für den digitalen Medienstudiengang „Medienmanagement und Kommunikation”. In seiner praxisorientierten Forschungstätigkeit beschäftigt er sich mit den betrieblichen Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien für Unternehmenskommunikationen und E-Commerce. Er unterstützt beim Deutschen Medieninstitut Unternehmen bei der Lösung und Begleitung von digitalen Projekten und Entwicklungen.