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Stefan George

GEHEIMES DEUTSCHLAND

Gedichte

Auswahl, Kommentar und Nachwort
von Helmuth Kiesel

C.H.BECK textura

Stefan George, 1917

ZUM BUCH

Zeitlebens hat Stefan George in seinen Gedichten immer wieder auf Deutschland Bezug genommen: Er hat deutsche Landschaften und Städte in den Blick gerückt, deutsche Gestalten und Ereignisse in Erinnerung gerufen, aber auch – etwa in den Zeitgedichten und in dem großen Gedicht Der Krieg – deutsche Fehlhaltungen kritisiert. Erstmals hat Helmuth Kiesel diese Gedichte in einem Band zusammengestellt: eine Einladung zur Wiederentdeckung und Neubewertung dieses bedeutenden Dichters. In Georges Lyrik überlagern sich oft deutsche und europäische Motive. Überhaupt stehen seine Deutschland-Gedichte im Kontext von Versen, die von den Schönheiten und Schätzen anderer Länder sprechen und diese als Voraussetzung von Georges Dichtertum kenntlich machen. Diese Gedichte sind Manifestationen eines Künstlers von europäischer Bildung und Gesinnung. Der exzessive Nationalismus, der sich ihrer zu bedienen suchte, hat sie verdunkelt und diskreditiert. Das gilt nicht zuletzt für das dieser Sammlung den Titel gebende Gedicht Geheimes Deutschland.

ÜBER AUTOR UND HERAUSGEBER

Stefan George, geboren 1868 in Büdesheim am Rhein, erkundete als junger Mann Europa und studierte u.a. in Paris und Wien, wo er Mallarmé, Verlaine und Hofmannsthal kennenlernte. Seine Gedichte veröffentlichte er in den von ihm 1892 gegründeten Blättern für die Kunst. Seit etwa 1900 lebte George ohne festen Wohnsitz im «Kreis» seiner «Jünger», die ihn als «Meister» verehrten. Er starb am 4. Dezember 1933 in Minusio im Tessin.

Helmuth Kiesel lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg. Zuletzt erschien von ihm bei C.H.Beck: Geschichte der deutschsprachigen Literatur von 1918 bis 1933 (2017).

INHALT

GEDICHTE

WEIHE

IM PARK

EINLADUNG

VERWANDLUNGEN

NACHMITTAG

EIN HINGANG

HOCHSOMMER

RÜCKBLICK

AUF DER TERRASSE

DIE GÄRTEN SCHLIESSEN

SIEDLERGANG

Mühle lass die arme still

AN PHAON

AN LUZILLA

FRAUENLOB

Komm in den totgesagten park und schau:

Zu meinen träumen floh ich vor dem volke ·

Als ich zog ein vogel frei aus goldnem bauer

RÜCKKEHR

REIFEFREUDEN

Du wirst nicht mehr die lauten fahrten preisen

Solang noch farbenrauch den berg verklärte

ROM-FAHRER

WAHRZEICHEN

JEAN PAUL

STANDBILDER · DIE BEIDEN ERSTEN

DÜNENHAUS

JULI-SCHWERMUT

FELD VOR ROM

SÜDLICHE BUCHT

DAS ZEITGEDICHT

DANTE UND DAS ZEITGEDICHT

GOETHE-TAG

NIETZSCHE

BÖCKLIN

PORTA NIGRA

FRANKEN

DIE GRÄBER IN SPEIER

DIE SCHWESTERN

DIE TOTE STADT

URSPRÜNGE

SÜDLICHER STRAND: BUCHT

SÜDLICHER STRAND: SEE

SÜDLICHER STRAND: TÄNZER

RHEIN

SCHLUCHT

WILDER PARK

RHEIN: I

RHEIN: II

RHEIN: III

RHEIN: IV

RHEIN: V

RHEIN: VI

KÖLNISCHE MADONNA

BILD: EINER DER 3 KÖNIGE

NORDISCHER MEISTER

NORDISCHER BILDNER

KOLMAR: GRÜNEWALD

HEISTERBACH: DER MÖNCH

HAUS IN BONN

WORMS

WINKEL: GRAB DER GÜNDERODE

AACHEN: GRABÖFFNER

HILDESHEIM

QUEDLINBURG

MÜNCHEN

HERBERGEN IN DER AU

BOZEN: ERWINS SCHATTEN

BAMBERG

TRAUSNITZ: KONRADINS HEIMAT

DIE SCHWESTERSTÄDTE

HEILIGTUM

STADTUFER

STADTPLATZ

[JAHRHUNDERTSPRUCH:] EIN ZWEITER

EIN VIERTER: SCHLACHT

[ZUM ABSCHLUSS DES VII. RINGS]

AUS PURPURGLUTEN SPRACH DES HIMMELS ZORN:

Ihr baut verbrechende an maass und grenze:

Auf stiller stadt lag fern ein blutiger streif.

Einer stand auf der scharf wie blitz und stahl

Ihr Äusserste von windumsauster klippe

Vor-abend war es unsrer bergesfeier

VON WELCHEN WUNDERN LACHT DIE MORGEN-ERDE

Dies ist reich des Geistes: abglanz

Wer je die flamme umschritt

Neuen adel den ihr suchet

Mit den frauen fremder ordnung

Hier schliesst das tor: schickt unbereite fort.

IHR SEID DIE GRÜNDUNG WIE ICH JEZT EUCH PREISE

GOETHES LEZTE NACHT IN ITALIEN

HYPERION I · II · III

DER KRIEG

Wenn einst dies geschlecht sich   gereinigt von schande

DER DICHTER IN ZEITEN DER WIRREN

EINEM JUNGEN FÜHRERIM ERSTEN WELTKRIEG

BURG FALKENSTEIN

GEHEIMES DEUTSCHLAND

Welch ein kühn-leichter schritt

Horch was die dumpfe erde spricht:

ERLÄUTERUNGEN

Aus Hymnen (1890)

Aus Pilgerfahrten (1891)

Aus Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte · Der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten (1895)

Aus Das Jahr der Seele (1897)

Aus Der Teppich des Lebens und Die Lieder von Traum und Tod · Mit einem Vorspiel (1900)

Aus Der Siebente Ring (1907)

Aus Der Stern des Bundes (1914)

Aus Das Neue Reich (1928)

NACHWORT

ANMERKUNGEN ZUM NACHWORT

Dem Verleger Wolfgang Beck

GEDICHTE

WEIHE

Hinaus zum strom! wo stolz die hohen rohre

Im linden winde ihre fahnen schwingen

Und wehren junger wellen schmeichelchore

Zum ufermoose kosend vorzudringen.

Im rasen rastend sollst du dich betäuben

An starkem urduft · ohne denkerstörung ·

So dass die fremden hauche all zerstäuben.

Das auge schauend harre der erhörung.

Siehst du im takt des strauches laub schon zittern

Und auf der glatten fluten dunkelglanz

Die dünne nebelmauer sich zersplittern?

Hörst du das elfenlied zum elfentanz?

Schon scheinen durch der zweige zackenrahmen

Mit sternenstädten selige gefilde ·

Der zeiten flug verliert die alten namen

Und raum und dasein bleiben nur im bilde.

Nun bist du reif · nun schwebt die herrin nieder ·

Mondfarbne gazeschleier sie umschlingen ·

Halboffen ihre traumesschweren lider

Zu dir geneigt die segnung zu vollbringen:

Indem ihr mund auf deinem antlitz bebte

Und sie dich rein und so geheiligt sah

Dass sie im kuss nicht auszuweichen strebte

Dem finger stützend deiner lippe nah.

IM PARK

Rubinen perlen schmücken die fontänen ·

Zu boden streut sie fürstlich jeder strahl ·

In eines teppichs seidengrünen strähnen

Verbirgt sich ihre unbegrenzte zahl.

Der dichter dem die vögel angstlos nahen

Träumt einsam in dem weiten schattensaal . .

Die jenen wonnetag erwachen sahen

Empfinden heiss von weichem klang berauscht ·

Es schmachtet leib und leib sich zu umfahen.

Der dichter auch der töne lockung lauscht.

Doch heut darf ihre weise nicht ihn rühren

Weil er mit seinen geistern rede tauscht:

Er hat den griffel der sich sträubt zu führen.

EINLADUNG

Lassen wir mauern und staub!

– Sprach ladend deine güte –

Fern wo leichter und freier

Sinn und odem sich glaubt

Begehen wir die blüten-

Die auferstehungsfeier.

– Dankvoll rauhem getobe

Quälendem irren entflohn!

Wenn auch neu nur von oben

Einziger liebe lohe

Endliche rettung mir däuchte

Und dauernde leuchte.

Es war dein kindlich behagen

Gebunden an deiner seite

In frohsinn mich zu ertragen –

Ist nicht entzückend die weite

Nicht labend der morgenglanz

Auf weisser villen kranz?

Schau! bis hinan zum gipfel

Wo auf rissigem steine

Kleine kiefern wipfeln

Steigt der obstbäume bau ·

Drunten wellen scheinen

An blumenreicher au.

Erklimmen im lauf wir den hügel!

Folge doch – höhnische rufe

Bis ich am ziele mich zeige –

Nun wieder abwärts ans ufer

Schnell! florprangende zweige

Leihen uns weisse flügel.

Rasten wir! nur eine weile!

Feucht ist das gras noch · in eile

Weiter arm in arm!

– Du hobst mir nagende plagen

Ob tiefer gefühle auch arm

In sieghaften mussetagen.

VERWANDLUNGEN

Abendlich auf schattenbegleiteten wegen

Über brücken den türmen und mauern entgegen

Wenn leise klänge sich regen:

Auf einem goldenen wagen

Wo perlgraue flügel dich tragen

Und lindenbüsche dich fächeln

Herniedertauche

Mit mildem lächeln

Und linderndem hauche!

Unter den masten auf rüstig furchendem kiele

Über der wasser und strahlen schimmerndem spiele

In glücklicher ferne vom ziele:

Auf einem silbernen wagen

Wo lichtgrüne spiegel dich tragen

Und schaumgewinde dich fächeln

Herniedertauche

Mit frohem lächeln

Und kosendem hauche!

Lang ist nach jauchzendem tode die sonne verschollen ·

Mit den planken die brausenden wogen grollen

Und dumpfe gewitter rollen:

Auf einem stählernen wagen

Wo lavaschollen dich tragen

Und grell lohe wolken dich fächeln

Herniedertauche

Mit wildem lächeln

Und sengendem hauche!

NACHMITTAG

Sengende strahlen senken sich nieder

Nieder vom wolkenfreien firmamente ·

Sengende strahlen von blitzender kraft.

Die südenklare luft in mittagstille.

Längs den palästen starb der menge wimmeln

Auf der fliesen feuer-bergender fläche.

Mit stummen zinnen und toten balkonen

Die langen mauerwälle starr dastehn

Heisshauchend wie wirkende opferöfen.

In den höfen umragt von säulengängen

Der versiegten brunnen kunst versagt ·

Auf beeten wo der büsche blätter sich krümmen

Halbverdorrter blumen odem lagert.

Sengende strahlen senken sich nieder

Nieder vom wolkenfreien firmamente.

Und dem Einsamen der mit entzücken sie fühlt

Der des gemaches duftender kühle entfloh

Gegenglut für zerstörende gluten suchend

Stetig sie auf scheitel und nacken scheinen

Bis er rettender schwäche erliegen darf

Hingleitend bei eines pfeilers fuss.

Sengende strahlen senken sich nieder.

EIN HINGANG

Die grauen buchen sich die hände reichen

Den strand entlang · vom wellendrang beleckt

Dem gelben saatfeld grüne wiesen weichen ·

Das landhaus unter gärten sich verdeckt.

Den jungen dulder vor der windenlaube

Woltätig milde strahlenhand bestreift ·

An neues lied noch dämmert ihm ein glaube ·

Sein blick ins blaue grenzenlose schweift

Wo schiffe gleiten mit erhobnen schilden ·

Wo andre schlafen wehrlos · froh der bucht ·

Und weit wo wolken lichte berge bilden

Er seiner wünsche wunderlande sucht . .

Der lieben auge starr in tränen schaut:

Schon nahm er scheu das göttliche geschenk

Von leiser trennungswehmut nur betaut ·

Der klage bar · des ruhmes ungedenk.

HOCHSOMMER

Ton verklang auf den altanen ·

Aus den gärten klänge tönen ·

Unter prangenden platanen

Wiegen sich die stolzen Schönen ·

Keck in eleganten zieren

Sie am arm den kavalieren

Milder lauschen und mit süssen

Winken grüssen.

Ja die reifen die sich rühmen

Feiner kinder flink im spiel

Huldigen dem leichten stil ·

Auf den lippen eitle fragen ·

Von verlockenden parfümen

Hingetragen.

Pauken schweigen · sachte geigen ·

Ferner tritt · es nahen reiter ·

Leises traben · langsam weiter . .

Zwanglos darf ein flüchtig raunen

Sie bestaunen.

Fröhliche galante leere

Feindlich trübem tatenmeere ·

Weise schlaffheit · nur im bade

Wahre gnade.

Auf dem wasser ruderklirren ·

Gondel die vorüberfuhr ·

Sanfte takte sanftem kirren

Sich vereinen einer kleinen

Pompadur.

RÜCKBLICK

Noch einmal ahn ich hinterm vorhang – nachtgewirkte nebelfahne –

Und den platanenästen – seltsam ins geweb geprägte plane –

Das ziel vor kurzer zeit treu meinem zepter · nun schon
zauber-au ·

Die Tyrus teich und gartenreich getaucht in teer und blumentau.

Wo an der küste buchenkronen dorf und kecke villa trennen

Und surrend leichter rehe rudel durch die waldeslichtung rennen.

O schiffe · stolzer schwäne schaugepräng das farben mir bescherte ·

O meer das mütterlich an meine lieder mir den glauben mehrte.

AUF DER TERRASSE

Die hügel vor die breite brüstung schütten

Den glatten guss von himmelgrünem glase ·

Die wirren wipfel und des glückes hütten.

Der göttin schatten rastet auf der vase.

Entgegen eil ich einem heissen rade.

Ein blitz: für uns ein zug von wunderstaben

Sogleich ergriffen durch erhöhte gnade ·

Dann aber ach in stete nacht begraben . .

Ich suche wieder die verwischten gleise.

Der göttin schatten rastet auf der vase.

O wärest wirklich du so gross und weise?

Ich quäle mich in törichter ekstase.

Triumph! du bist es · aus dem abendrote

Getauschter blicke las ich meine trauer ·

Doch treu bekennend kamst du selber bote

Und stolz war unsres bundes kleine dauer.

DIE GÄRTEN SCHLIESSEN

Frühe nacht verwirrt die ebnen bahnen ·

Kalte traufe trübt die weiher ·

Glückliche Apolle und Dianen

Hüllen sich in nebelschleier.

Graue blätter wirbeln nach den gruften.

Dahlien levkojen rosen

In erzwungenem orchester duften ·

Wollen schlaf bei weichen moosen.

Heisse monde flohen aus der pforte.

Ward dein hoffen deine habe?

Baust du immer noch auf ihre worte

Pilger mit der hand am stabe?

SIEDLERGANG

So hat ihn nicht ein strahlenpfeil betrogen:

Die mit der geissel eng aus eis geflochten

Von jedem pfad zu bannen ihn vermochten

Die winde lau nun um die stirn ihm bogen.

‹Du klause manche stunden sei gemieden.

In deinen schachten lohnest du mich nimmer

Wie blau und rot auf weisser saat ein schimmer.

O wie mein sinn entschläft in ihrem frieden›

Ihn wirren leis die bunten sonnenmale ·

Den hellen bäumen folgt er ohne wende

Und ohne wissen um ein strenges ende.

Da stand er wieder in dem alten tale.

‹Da tanzen sie mit grellen purpurschleifen.

Ein fuss im rain! und schwer ist nur das wählen ·

Den kalten zunder brachten sie zum schwälen ·

Ich hasse sie und brenne sie zu greifen.

Was aber schau ich nach des hügels kimme!

Der treppenbogen mit den lichtgestalten

Die edlen schrittes nicht im wege halten.

Vor ihrer keine dränge meine stimme.

Ich formte früher (emsig lief die rache)

Nach meinem hange wuchs und aug und lippe ·

Im hohne rief ich unter froher sippe:

Ist alle schöne so gering? ich lache.

Nun gehrt mein gram nach jeder bleichen miene ·

Um eine braue steh ich nun geblendet ·

Um eine wimper ist mein geist gewendet ·

Um einen arm im schmuck der turmaline›

Wie wird er heut des leides ort verlassen

Sobald die ätherblumen sich betauen?

Verschlungen in den tanz der roten frauen

Mit unbedacht in lautem jubel prassen?

Will er noch einmal missend ihre gabe

Zurück wovon er sich am tage trennte:

Ins leben seiner treuen pergamente

Bis auf dem stillen lager traum ihn labe?

Mühle lass die arme still

Da die haide ruhen will.

Teiche auf den tauwind harren ·

Ihrer pflegen lichte lanzen

Und die kleinen bäume starren

Wie getünchte ginsterpflanzen.

Weisse kinder schleifen leis

Überm see auf blindem eis

Nach dem segentag · sie kehren

Heim zum dorf in stillgebeten ·

DIE beim fernen gott der lehren ·

DIE schon bei dem naherflehten.

Kam ein pfiff am grund entlang?

Alle lampen flackern bang.

War es nicht als ob es riefe?

Es empfingen ihre bräute

Schwarze knaben aus der tiefe . .

Glocke läute glocke läute!

AN PHAON

Die ernte winkte · wenn die spitzen strahlen

Hinterm hügel sanft verschwammen

Ergingen wir uns an den schmalen flüssen ·

Schlanken bäumen deiner gegend ·

Im wettgespräch unsterbliche gesänge

Unsrer meister wiederholend.

Von ihren lauten eingewiegt und trunken

Blieben wir im abend stehn ·

Die gestern fremden mit verschlungnen armen.

Über uns verzogen federwolken

Hin und her bewegen sich die ähren

Die erst garben werden sollten ·

Die sich noch all der reichen körner freuten.

Stach uns auch verhohlen manchmal

Die furcht dass augenblicke wir genössen

Wie sie spät nicht wiederkämen:

Sie warfen milde schatten lang auf deine

Phaon! und auf meine wege.

AN LUZILLA

Da ich zum abschied die hände – Luzilla – dir biete ·

Königin unter den ländlichen frauen in Phlius

Wo mich das schicksal für müssige monde verschlagen ·

Denk ich mit scherzen ein wahres bedauern verwindend

Unserer laube von bläulichen ähren behangen ·

Glänzender früchte und perlenden trankes · es kamen

Drunten die sehnigen treiber der stiere vorüber

Schallenden ganges · die schnitterin kam mit der sichel

Sonnegebräunt von der mahd und wir hörten von ferne

Rauhe gespräche der kähnebefrachtenden schiffer.

Freundin mit heiterer umsicht und lieblichem zuspruch

Liessest du hier im sich mühenden nützlichen treiben

Weniger schwer mich vermissen die stadt meiner wonnen ·

Zierlichen schönklang und weisheit der attischen rede.

FRAUENLOB

In der stadt mit alten firsten und giebelbildern ·

Den schneckenbögen an gebälk und tür ·

Gemalten scheiben · türmen die an die sterne rühren ·

Mit hohlen gängen und verwischten wappenschildern ·

Bei den brunnen wann morgen und abend graut

Bei der gelächter und der wasser silbernem laut:

Ein leben voll zäher bürden

Ein ganzes leben dunklen duldertumes

War ich der herold eurer würden

War ich der sänger eures ruhmes:

Weisse kinder der bittgepränge

Mit euren kerzen fahnen bändern ·

Führerinnen der heitren klänge

In farbigen lockeren gewändern ·

Bleiche freundinnen der abendmahle ·

Patriziertöchter stolze hochgenannte

Die unter heiligem portale

Die schweren kleider falten der levante –

Und habe meiner töne ganze kunst gepflegt

Für euch ihr zierden im fest- und jubelsaale ·

Herrinnen mächtig und unbewegt.

Wer von euch aber reichte mir zum grusse

Den becher und den eichenkranz entgegen

Und sagte mir dass sie mich würdig wähne

Ihr leichtes band gehorsam anzulegen?

Welche träne und welche milde busse

Gab antwort je auf meiner leier tränen?

Ich fühle friedlich schon des todes fuss.

Bei der glocke klage folgen jungfraun und bräute sacht

Einem sarg in düstrer tracht.

Nur zarte hände reine und hehre

Dürfen ihn zum münster tragen zum gewölb und grab

Mit königlicher ehre

Den toten priester ihrer schönheit zu verklären.

Mädchen und mütter unter den zähren

Gemeinsamer witwenschaft giessen edle weine

Blumen und edelsteine

Fromm in die gruft hinab.

Komm in den totgesagten park und schau:

Der schimmer ferner lächelnder gestade ·

Der reinen wolken unverhofftes blau

Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimmt das tiefe gelb · das weiche grau

Von birken und von buchs · der wind ist lau ·

Die späten rosen welkten noch nicht ganz ·

Erlese küsse sie und flicht den kranz ·

Vergiss auch diese lezten astern nicht ·

Den purpur um die ranken wilder reben

Und auch was übrig blieb von grünem leben

Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Zu meinen träumen floh ich vor dem volke ·

Mit heissen händen tastend nach der weite

Und sprach allein und rein mit stern und wolke

Von meinem ersten jugendlichen streite.

Die blumen hergeholt aus reichem leben

Umflocht ich frei und stolz an goldnen kreisen ·

Dem fern im licht geheiligten efeben

Verklang sein schmerz in feierlichen weisen.

Zu göttertalen · blinkenden mäandern ·

Ich liess in stätten innig hoher sitten

Und in den süden meine seele wandern

Wo sie gekrönt den martertod erlitten.

Und heut geschieht es nur aus Einem grunde

Wenn ich zum sang das lange schweigen breche:

Dass wir uns freuen auf die zwielichtstunde

Und meine düstre schwester also spreche:

Soll ich noch leben darf ich nicht vermissen

Den trank aus deinen klingenden pokalen

Und führer sind in meinen finsternissen

Die lichter die aus deinen wunden strahlen.

Als ich zog ein vogel frei aus goldnem bauer

Ward der segen mir in reichem maasse ·

Frauen warfen von der mauer

Rosen auf die strasse.

Durch der länder wunder · marmor der paläste ·

Grauen in den heiligen gezelten

Zog ich fern vom schwarm der gäste

Und ich sang nur selten.

Jahre flossen · von den heimatlichen essen

Wirbelt rauch zum grauen wolkenraum.

Ich erhoffe nur vergessen

Ruh und blassen traum.

RÜCKKEHR

Ich fahre heim auf reichem kahne ·

Das ziel erwacht im abendrot ·

Vom maste weht die weisse fahne

Wir übereilen manches boot.

Die alten ufer und gebäude

Die alten glocken neu mir sind ·

Mit der verheissung neuer freude

Bereden mich die winde lind.

Da taucht aus grünen wogenkämmen

Ein wort · ein rosenes gesicht:

Du wohntest lang bei fremden stämmen ·

Doch unsre liebe starb dir nicht.

Du fuhrest aus im morgengrauen

Und als ob einen tag nur fern

Begrüssen dich die wellenfrauen

Die ufer und der erste stern.

REIFEFREUDEN

Ein stolzes beben und ein reiches schallen

Durch später erde schwere fülle strich . .

Die kurzen worte waren kaum gefallen

Als tiefer rührung ruhe uns beschlich.

Sie sanken hin wo sich am fruchtgeländer

Der purpurschein im gelben schmelz verlor ·

Sie stiegen auf zum schmuck der hügelränder

Wo für die dunkle lust die traube gor.

Ich wagte dir nicht · du nicht mir zu nahen

Als schräger strahl um unsre häupter schoss ·

Noch gar mit rede störend zu bejahen

Was jezt uns band · was jedes stumm genoss

Und was in uns bei jenes tages rüste

Auf zu den veilchenfarbnen wolken klomm:

Was mehr als unsre träume und gelüste

An diesem gluten-abend zart erglomm.