Über das Buch:
Im Schatten der alten Eiche treffen sich in Oak Springs alle, die frisch verliebt sind. Hier werden zarte Bande geknüpft, was die unzähligen Initialen und Herzen im Baumstamm beweisen. Vier erfolgreiche Autorinnen haben sich gefunden, um den Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu spannen: mit Geschichten voller Liebe und Romantik, Glück und Hoffnung.
1868: Bella beschließt, dass sie unter der alten Eiche ihren ersten Kuss bekommen will. Doch ist der dafür Auserwählte wirklich der Richtige?
1891: Phoebe, hoffnungslos romantisch, hat es sich in den Kopf gesetzt, auf dem Anwesen mit der alten Eiche ein ganz besonderes Hotel zu eröffnen. Kann Barnabas sie davor bewahren, den Fehler ihres Lebens zu begehen?
1945: Die Suche nach seiner unbekannten Brieffreundin führt Luke aus den Schrecken des Zweiten Weltkriegs nach Oak Springs – wo er der großen Liebe begegnet.
Heute: Abby, Gärtnerin aus Leidenschaft, ist entsetzt, als sie erfährt, dass der »Baum der Liebenden« gefällt werden soll. Was kann sie tun, um das Wahrzeichen von Oak Springs zu retten?

Über die Autorinnen:
Regina Jennings lebt mit ihrer Familie in Oklohoma, USA. Sie ist Autorin zahlreicher historischer Romane und gewann bereits den National Reader’s Choice Award. www.reginajennings.com

Amanda Dykes ist die Autorin von Der Wind und Wellen lenkt, mit dem sie es 2019 bei Booklist unter die Top Zehn der Debütromane schaffte. www.amandadykes.com

Nicole Deese lebt in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Idaho. Sie ist Autorin mehrerer Liebesromane, mit denen sie unter anderem mit dem Carol Award ausgezeichnet wurde. www. nicoledeese.com

Für diejenigen, die beim Lesen gerne lächeln, bietet Bestsellerautorin Karen Witemeyer warmherzige historische Romanze mit einem Gespür für Humor, temperamentvolle Heldinnen und Helden. Sie wurde 2019 vom Family Fiction Magazine zur Nr. 1 der beliebtesten christlichen Romanautoren gewählt. Sie ist eine mehrfach preisgekrönte Autorin und glaubt fest an die „Macht“ des Happy Ends. Sie ist eine begeisterte Kreuzstickerin, Teetrinkerin und Gospel-Sängerin. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Texas.

Kapitel 6

Seit er mit Bella gesprochen hatte, wartete Adam auf den richtigen Moment, um Dr. Paulson zu überreden, die Bedingungen der Wette zu ändern. Er ging davon aus, dass Mr Eden bereit wäre, die Bedingungen neu auszuhandeln. Schließlich hatte er nicht damit rechnen können, dass er mit dieser Wette die Stelle seiner Tochter gefährdete. Adam beschloss, das Thema anzusprechen, während er und Dr. Paulson auf Gabe Whitlocks Farm Bodenproben nahmen.

»Sobald das Getreide reif ist, kommt es zum Wettkampf«, sagte Adam zu Gabe und Mr Longstreet. »Ich bin gern bereit, die Bedingungen zu ändern. Wenn meine Dreschmaschine schneller ist als Mr Eden und seine Leute, habe ich Aufträge und das ist alles, was für mich zählt. Es geht uns nichts an, wer an der Schule in Oak Springs unterrichtet.« Er hielt ein sauberes Glas fest, in das Dr. Paulson einen Spaten voll Erde kippte.

»Hast du Angst, du könntest verlieren?« Gabe tauchte sein Halstuch in einen Wassereimer und legte es sich dann in den Nacken.

Adam deckte das Glas sorgfältig mit einem Stück Stoff ab. »Nein, aber ich finde, es geht uns nichts an, wer in Oak Springs unterrichtet.«

»Wir säen den Fortschritt, Adam.« Dr. Paulson reinigte seinen Spaten mit einer steifen Bürste. »Wenn wir eine ausgebildete Lehrerin in diesen Ort holen, wird das Früchte bringen.«

»Miss Eden tut meiner Tochter gut«, widersprach Mr Longstreet. »Sie lernt sehr viel.«

»Bella ist ein gutes Mädchen«, erwiderte Gabe, »aber wenn sie gegen jemanden wie Dr. Paulson antreten müsste, wäre sie hoffnungslos unterlegen.«

»Dr. Paulson wird nicht an der Schule unterrichten«, stellte Adam klar. »Er hat lediglich angeboten, euch eine Studentin vom College zu schicken. Höchstwahrscheinlich eine Frau ohne Berufserfahrung. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, was daran eine Verbesserung sein sollte.«

Dr. Paulson legte Adam eine Hand auf die Schulter. »Er ist zu bescheiden. Er hat immer Angst, die Leute würden ihn für eingebildet halten, aber es ist eine Tatsache, dass die Jahre am Landwirtschaftscollege Adam viele neue Möglichkeiten eröffnet haben. Eine ausgebildete Lehrerin könnte den Schülern in Oak Springs auch neue Wege eröffnen. Ich kann ihn zwar nicht davon überzeugen, aber ich denke, es ist ein Geschenk, das die Bewohner dieses Ortes schätzen werden.«

»Das stimmt«, nickte Gabe. »Ich habe mich mit mehreren Leuten unterhalten. Die Stadt wird immer größer und wir müssen uns Gedanken um die Zukunft machen.« Er wandte sich an Adam. »Komm ja nicht auf die Idee, die Regeln zu ändern. Dein reicher Freund hier kann sich nicht aus der Sache herausstehlen. Er hat uns eine neue Lehrerin versprochen. Aus dieser Nummer kommt er nur heraus, wenn du den Wettkampf verlierst.«

Das war nicht so gelaufen, wie Adam erhofft hatte. Er musste es auf einem anderen Weg versuchen und dazu würde er direkt zu der Betroffenen gehen.

Er ließ Dr. Paulson allein in die Pension zurückkehren, da er Bella nach dem Unterricht treffen wollte. Er wartete im Schatten der Schmiede auf der anderen Straßenseite, bis keine Schüler mehr aus dem Gebäude kamen.

Die Tür zum Schulhaus stand offen, aber erst als er eintrat, konnte er Bella an ihrem Pult sitzen sehen. Ihr Kopf war über ein abgegriffenes Buch gebeugt. Sie hielt ihr Handgelenk fest, während sie die Unterarme auf die Seiten stützte, um das Buch offen zu halten.

Er verlagerte sein Gewicht, wodurch das lockere Brett im Türrahmen quietschte.

Sie hob den Blick, um ihren Besucher höflich zu begrüßen, doch dann sah sie, wer in der Tür stand. Der freundliche Blick verschwand aus ihren Augen und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Buch.

Als er sah, dass er mit keiner Einladung rechnen konnte, trat Adam ein. Mit den Händen in den Hosentaschen blickte er sich langsam im Raum um. »Du hast einiges hier verbessert.«

»Wir haben keinen rauchenden Ofen mehr«, murmelte sie über ihrem Buch.

»Aber das Brett an der Türschwelle quietscht immer noch.«

»Wie soll ich merken, dass sich jemand hereinschleicht, wenn ich das Brett reparieren lasse?«

Adam blieb neben einer Bank in der vorderen Reihe stehen und quetschte sich auf den Platz, der normalerweise für die jüngeren Schüler bestimmt war. »Ich kann kaum glauben, dass ich irgendwann auf diese Bänke gepasst habe.«

»Das hast du auch nicht«, erwiderte sie. »Als du nach Oak Springs gezogen bist, warst du schon fast erwachsen.« Sie legte den Finger auf ihr Buch und blickte auf. Ihre blauen Augen funkelten ihn ungeduldig an. »Kann ich etwas für dich tun oder bist du hier, um mir meine letzten Tage als Lehrerin zu vermiesen?«

»Ich bin hier, um dir zu helfen.«

»Wie bitte?«

Als er sein Gewicht verlagerte, bewegte sich die ganze Bank. »Ich bin gekommen, um herauszufinden, wie ich dir helfen kann. Ich kann gut Probleme lösen.«

»Du kannst vor allem Probleme machen.«

Adam senkte den Kopf. »Du hast recht. Ich habe dieses Problem heraufbeschworen. Deshalb möchte ich dir helfen, eine Lösung zu finden.« Als er sich vorbeugte, kippte die Bank, sodass er beinahe vornüberfiel. Er schob schnell die Beine vor, um einen Sturz zu verhindern, stieß dabei aber unsanft mit den Knien gegen die Tischplatte. Bellas finstere Miene entspannte sich.

»Kannst du mir sagen, was dich hindert, das Examen abzulegen und dein Zeugnis zu bekommen? Kostet das Examen eine Gebühr?«

»Die kann ich bezahlen.«

»Wo musst du die Prüfung ablegen?«

»In Anderson. Das ist nicht das Problem.«

Ihr Pult stand auf einer erhöhten Plattform. Adam überlegte, dass er die Schüler beneidete, die in der ersten Reihe sitzen durften. Die alte Miss Hoyt hatte nicht annähernd so attraktiv ausgesehen.

Er zwängte sich wieder aus der Bank und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, bevor er auf Bella zutrat. »Multiplikationstabellen?«, fragte er. Obwohl sie versuchte, die Seiten zuzuhalten, hatte er sofort gesehen, was sie vor sich liegen hatte. »Lernst du?«

»Ja, aber das ist zwecklos.«

»Ich kann dir helfen. Wir können üben, dann beherrschst du sie bald.«

»Ich beherrsche sie. Ich konnte schon mit acht Jahren multiplizieren. Es geht nicht darum, dass ich den Stoff nicht beherrschen würde. Es geht darum, dass ich keine Prüfung ablegen kann.« Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Erinnerst du dich nicht, wie ich bei Prüfungen war? Ich konnte einen Aufsatz ohne einen einzigen Fehler schreiben, aber bei Buchstabierwettbewerben flog ich jedes Mal in der ersten Runde hinaus. Ich habe im Rechnen alles richtig gemacht, aber an der Tafel konnte ich die einfachsten Aufgaben nicht lösen. Ich bin wie ein Rennpferd, das vor jedem Wettkampf einen Krampf bekommt.«

Diese Komplikation hatte Adam nicht bedacht. Er arbeitete unter Druck immer besonders gut. Er war zwar ein durchschnittlicher Schüler gewesen, aber in Prüfungssituationen hatte er die eine oder andere kleine Information hervorgekramt oder die Aufgabe aus einem neuen Blickwinkel betrachtet, obwohl er gar nicht geahnt hatte, dass er das überhaupt konnte. Er war nie auf die Idee gekommen, dass jemand in einer Prüfung weniger zeigen konnte, als er gelernt hatte. Das war für ihn völlig unerklärlich, doch er war es Bella schuldig, ihr zuzuhören.

»Aber wenn du weißt, dass diese Prüfung wirklich wichtig ist …«

Sie stöhnte. »Dann ist es noch schlimmer. Je wichtiger die Prüfung ist, umso schlimmer stelle ich mich an. Das ärgert mich selbst am meisten. Ich hätte dieses Examen machen sollen, sobald mein Handgelenk verheilt war. Damals hätte es keine Rolle gespielt, ob ich die Prüfung bestehe oder nicht. Aber jetzt, da alle zusehen, wird mir schlecht, wenn ich nur daran denke.«

Adam behauptete von sich, Probleme lösen zu können, aber er hatte keine Ahnung, wie er an dieses Problem herangehen sollte. Situationen, die ihn dazu anspornten, anderen zu zeigen, was in ihm steckte, ließen Bella erstarren wie ein Kaninchen vor der Schlange. Das war wirklich ein Problem.

* * *

Mit gerunzelter Stirn beugte sich Adam über Bellas Pult, als stünde in ihrem aufgeschlagenen Rechenbuch die Lösung. Er war so nahe, dass sie ihn nicht ignorieren konnte. Und er sah so gut aus, dass sie ihn nicht ignorieren wollte, aber sie rief sich in Erinnerung, dass die verheißungsvollsten Bonbons oft die schlimmsten Bauchschmerzen verursachten. Sie wandte den Blick von ihm ab und betrachtete das Bild von George Washington, das über dem schwarzen Brett hing.

Normalerweise war Bella diejenige, die versuchte, ihren Schülern bei der Überwindung von Lernblockaden zu helfen. Sie war es nicht gewohnt, selbst Hilfe zu brauchen. Adams vorgeschobenes Kinn – sie blickte ihn jetzt wieder an – verriet, dass er sie nicht so einfach wieder vom Haken lassen würde. Sie wollte unbedingt Erfolg haben, aber wenn sie seine Hilfe annahm, würde sie ihn wahrscheinlich nur enttäuschen. Aus Gründen, die sie sich nicht erklären konnte, wäre das für sie genauso schmerzlich, wie ihre Stelle zu verlieren.

»Du bist zu nichts verpflichtet«, sagte sie. »Ich weiß jetzt, dass du nicht die Absicht hattest, mich um meine Arbeit zu bringen, und das hilft mir.«

»Das kann nicht dein Ernst sein.« Selbst als er sie jetzt ungläubig anschaute, sah er so gut aus wie ein Engel. Besser gesagt, er sah so gut aus, wie sie sich einen Engel vorstellte.

Sie hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Das ist einfach Pech. Wir beide sollten am besten einen weiten Bogen umeinander machen. Denn jedes Mal, wenn wir uns begegnen, kommt dabei etwas Unerfreuliches heraus.«

»Das sehe ich anders. Ich denke, dieses Mal kann etwas Gutes dabei herauskommen. Vielleicht etwas, das keiner von uns erwartet.«

Bella hob den Kopf. Hatte sie sich diesen veränderten Tonfall nur eingebildet? Sie hatte eine lebhafte Fantasie, deshalb vertraute sie nur selten ihren Instinkten. Bevor sie entscheiden konnte, ob hinter Adams Bemerkung irgendwelche tiefer gehenden Gefühle steckten, trat er an die Tafel und machte es ihr damit unmöglich, sein Gesicht zu sehen.

Er nahm die Kreide, ging zur obersten Ecke der Tafel und schrieb in engen, etwas ungleichmäßigen Buchstaben:

Ich werde Miss Eden nicht provozieren.

Ich werde Miss Eden nicht provozieren.

Ich werde Miss Eden nicht …

»Wozu willst du mich nicht provozieren?«, fragte sie.

»Zu einem Wutanfall? Zu einer Verzweiflungstat?« Er drehte sich um und legte die Kreide grinsend weg. »Du verteilst keine Strafen, oder?«

»Natürlich verteile ich Strafen. Aber keine solchen.« Ihr Blick fiel schuldbewusst auf das Buch auf ihrem Pult. Sie musste lernen, aber Adam durchkreuzte ihre Pläne schon wieder. »Was schlägst du vor?« Entschlossen richtete sie sich auf und wartete auf seine Antwort. »Ich kenne den Stoff. Mehr zu lernen, ist also nicht die Lösung.«

»Wir üben Prüfungssituationen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Solange ich weiß, dass es nur eine Übung ist, funktioniert es nicht. Die Prüfung muss Konsequenzen haben.«

»Du machst als Übung eine Prüfung, und wenn du sie nicht schaffst, passiert etwas Schlimmes?« Er verzog einen Mundwinkel und dachte angestrengt nach.

»Ich weiß nicht, was die schlimmste Angst auslösen würde.« Bella trommelte mit den Fingern auf ihr Pult. »Ich bekomme Angst, wenn ich mir vorstelle, dass eine Überschwemmung unser Haus wegreißt. Da wir aber auf einem Hügel wohnen, wird das nicht passieren und das wäre eine übertriebene Strafe für ein nicht bestandenes Übungsexamen. Masern. Ich mache mir auch Sorgen, dass ich Masern bekommen könnte.«

»Ich stecke dich nicht mit Masern an. Das kommt nicht infrage.«

»Vielleicht sollte ich dir Geld zahlen, wenn ich durchfalle. Nein, das würdest du wahrscheinlich nicht annehmen. Ich könnte jemandem Geld geben. Wenn es eine notleidende Familie gibt …«

»Dein Geld könnte für das Gehalt der neuen Lehrerin verwendet werden.« Als Bella wütend schnaubte, hob Adam beschwichtigend die Hände. »Das war nur ein Scherz. Wie wäre es, wenn du mir eine Pfefferminzstange kaufen musst?«

»Eine Pfefferminzstange?« Allein schon beim Gedanken, dass sie die Prüfung nicht schaffen würde, lief ihr der kalte Schweiß über den Rücken. Selbst das Geld für die Pfefferminzstange würde sie ärgern. »Einverstanden! Die Fächer, in denen ich geprüft werde, sind Rechtschreibung, Rechnen, Geografie, Geschichte und Grammatik.«

»Da wir keine Vorbereitungszeit hatten, ist Rechtschreibung vermutlich für den Anfang am einfachsten.« Er nahm das Wörterbuch, das Max so gerne zu Rate zog, weil er dann einen Grund hatte, an Bellas Pult zu treten. »Zwanzig Wörter. Du musst fünfzehn richtig haben. Klingt das realistisch?«

Bella schob ihre Papiere auf ihrem Pult zusammen und ging in den hinteren Teil des Zimmers, wo die Stühle größer und bequemer waren.

Sie stellte fest, dass ihre Hände bereits schweißgebadet waren und zitterten. Das ist wichtig. Wenn ich durchfalle, verliere ich meine Arbeit und alle werden wissen, dass ich von Anfang an nicht richtig qualifiziert war. Ihr Puls beschleunigte sich, während sie das leere Blatt vor sich anstarrte. Fünf Wörter. Sie durfte nur fünf Wörter falsch schreiben. Fünf von zwanzig. Das klang unmöglich.

Adam blätterte in dem Wörterbuch, bis er ein passendes Wort fand. Als er es vorlas, war es, als hätte sich alles in ihrem Kopf in einen zähen Eintopf verwandelt. »Akquirieren.«

Wie schrieb man dieses Wort? Während Bella es sich im Geiste vorbuchstabierte, schienen sich die Silben in etwas ganz anderes zu verwandeln. Sie setzte sich aufrecht hin und holte tief Luft. Schreibe es schnell, sagte sie sich. Denk nicht lange nach, sondern schreibe es einfach auf.

Ihre Finger schienen das Wort auswendig zu kennen. Es zu Papier zu bringen, fühlte sich gut an. So ist es richtig. Sie entspannte sich. Ich kann das.

Adam las das nächste Wort vor: »Dilettantisch.«

Bella wusste jetzt, was sie tun musste. Sie musste einfach ihren Fingern die Kontrolle überlassen, ohne lange nachzudenken. Aber dann fiel ihr Blick auf etwas. Das erste Wort, das sie geschrieben hatte, sah nicht richtig aus. Wie hatte sie nur diesen Fehler machen können? Wie hatte ihr das nur passieren können? Sie strich das Wort durch und schrieb es neu; dieses Mal ließ sie das k weg. Das sah auch nicht besser aus, aber sie musste weitermachen. Jetzt das zweite Wort, wie lautete es noch einmal? Sie biss sich auf die Lippe und schrieb Dilettant, während Adam bereits das dritte Wort vorlas. Sie bewegte stumm die Lippen, um das zweite Wort zu bilden, musste aber zugeben, dass es sich nicht richtig anhörte. Er durfte es aber nicht wiederholen.

Der Stein in ihrem Magen verriet deutlich, wie sie abgeschnitten hatte, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte. Wenn Adam gedacht hatte, sie hätte in Bezug auf ihre Prüfungsangst übertrieben, würde er bald feststellen, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.

* * *

Adam hatte nicht vorgehabt, heute eine Rechtschreibprüfung abzunehmen, aber einen Versuch war es wert. Als er Bellas hektisches Kritzeln und Durchstreichen beobachtete, wurde ihm bewusst, dass ihr Lehrerexamen in einer Katastrophe enden würde. Nachdem er alle zwanzig Wörter vorgelesen hatte, war sie kreidebleich, zitterte und besserte immer noch Wörter auf ihrem Blatt aus.

»Die Zeit ist vorbei«, sagte Adam.

»Wie viel Zeit habe ich?«, fragte sie.

»Das spielt keine Rolle. Du hattest sowieso schon zu viel Zeit. Du hast auf diesem Blatt eine Buchstabenexplosion veranstaltet.« Er verzog das Gesicht, als er das Papier unter ihrer Hand hervorzog und betrachtete. »Das ist schlimmer, als ich dachte.«

»Du brauchst es wirklich nicht zu beschönigen«, sagte sie und verdrehte die Augen.

»In jedem Fall …« Adam blätterte noch einmal in dem Wörterbuch, um die Wörter zu kontrollieren. »Ja, in fast jedem Fall hast du das Wort zuerst richtig geschrieben. Als du angefangen hast, die Wörter auszubessern, hast du sie falsch geschrieben.«

Bella vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Siehst du, was ich meine? Ich werde diese Prüfung unmöglich vor dem übernächsten Freitag bestehen.«

Das war der Tag, an dem ihr Vater Adams Dreschmaschine zum Wettkampf herausfordern würde. Würden Bella und ihr Vater in aller Öffentlichkeit bloßgestellt werden? Das war nie Adams Absicht gewesen.

Adam beugte sich zu ihr hinunter. »Ich sehe es positiv. Wenn du erst lernen müsstest, die Wörter richtig zu schreiben, hätten wir ein Problem. Aber du weißt es ja. Du musst nur lernen, in einer Prüfung einen klaren Kopf zu behalten. Du solltest immer bei deiner ersten Antwort bleiben. Das ist die erste Regel.« Er wusste nicht, ob er ihr helfen konnte, aber er wollte es versuchen. Er musste es versuchen.

Er nahm das Blatt mit den falsch geschriebenen Wörtern und ging damit zum Abfalleimer.

»Nein, wirf das Blatt nicht dort hinein«, bat sie ihn. »Wenn meine Schüler das sehen, versinke ich vor Scham im Erdboden.«

Adam faltete das Blatt zusammen und steckte es in seine Hosentasche. »Dann entsorge ich es woanders. Was kommt jetzt? Geografie? Hast du ein Buch für die Fragen?«

Sie legte den Kopf schief. »Muss ich dir zwei Pfefferminzstangen kaufen, wenn ich die Geografieprüfung auch nicht bestehe?«

»Nein, dann musst du dir selbst auch eine kaufen, damit wir sie gemeinsam essen können.«

Bella stöhnte. »Das ist schlimmer als Masern. Du hast mit meinem Vater eine Wette laufen. Man darf uns nicht zusammen sehen.«

»Dann solltest du die Prüfung bestehen.« Adam legte die Hand auf ihre. Bei dieser Berührung regte sich etwas in ihm. Er hatte sie nicht mehr berührt, seit er sie vor drei Jahren nach Hause gebracht hatte. Damals hatte sich das richtig angefühlt, genauso wie jetzt.

»Ich hole das Buch«, sagte er und fragte sich, ob womöglich er derjenige war, der hier geprüft wurde.

Kapitel 7

»Ich habe mich erbärmlich angestellt.« Bellas Mund fühlte sich nach der Pfefferminzstange kühl und klebrig an. Nach dem miserablen Abschneiden bei ihrem Probeexamen fühlte sie sich grauenhaft und hoffnungslos. Vielleicht könnte sie lernen, bei den Prüfungen bessere Leistungen abzuliefern, aber würde es genügen? Würde sie die Strategien, die sie gemeinsam entwickelt hatten, genauso leicht vergessen, wie sie vergessen hatte, wo die Halbinsel Krim lag?

»Wir haben noch zwei Wochen«, sagte Adam. »Morgen machen wir Mathe; das könnte einen ganzen Nachmittag dauern. Am Donnerstag können wir uns mit Grammatik befassen, obwohl das nicht gerade meine Stärke ist. Vielleicht solltest du dir dafür jemand anderen suchen.«

Bella verzog das Gesicht. »Was sollen die Leute von einer Lehrerin halten, die selbst Hilfe in Grammatik braucht? Du darfst niemandem verraten, was wir hier machen.«

»Lehrerinnen müssen auch lernen.«

»In einer normalen Schule oder an einem College. Aber nicht mit einem Mann, der mit seiner Dreschmaschine durchs Land zieht.« Bevor sie in Sichtweite ihres Elternhauses kamen, blieb Bella stehen. »Adam?«

»Ja?«

»Warum hilfst du mir? Du wirst nicht in Oak Springs bleiben, egal ob du gewinnst oder verlierst. Nach der Ernte ziehst du weiter. Es kann dir also gleichgültig sein, wer hier in der Schule unterrichtet. Machst du das, weil du Schuldgefühle hast?« Schuldgefühle waren die einzige mögliche Motivation, die sie laut aussprechen konnte. Der Gedanke, dass sie bei Adam irgendwo zwischen Christenpflicht und Almosen rangierte, war nicht schmeichelhaft. Aber wenn sie ihre Ziele ohne seine Hilfe erreichen könnte, würde sie das sofort machen.

»Nein, nicht aus Schuldgefühlen.« Er lächelte. »Vielleicht haben sie am Anfang eine kleine Rolle gespielt, aber auch ohne dieses bevorstehende Examen hätte ich einen Grund gesucht, um mit dir Zeit zu verbringen.«

Bella schaute ihn forschend an. Sie versuchte, hinter sein gut aussehendes Gesicht zu blicken und zu erkennen, was er mit diesen Worten meinte. »Warum? Du hast mich jahrelang nicht gesehen.«

»Ich bin jetzt hier. An derselben Stelle, zu der ich dich getragen habe.«

Er hatte sie bis hierher getragen, als sie sich das Handgelenk gebrochen hatte. Zum ersten Mal dachte Bella darüber nach, dass er ihr geholfen hatte, statt ihm die Schuld für ihren Unfall zu geben. Trotzdem konnte sie ihn nicht näher an ihren Hof herankommen lassen.

»Du solltest hier umkehren. Meine Eltern würden das nicht verstehen.« Wie sollten sie das auch, da sie es selbst nicht verstand?

»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte er. »Wir sehen uns also morgen nach dem Unterricht. Bis dann!«

Als er sie zum Abschied anlächelte, fühlte sich Bella überhaupt nicht wie eine Almosenempfängerin.

Als sie zu Hause ankam, stand die Haustür offen, um ein wenig frische Luft ins Haus zu lassen. Als sie die Arbeitsschuhe ihres Vaters an der Tür sah, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war mitten in der Erntezeit. Warum war er zu Hause?

Bella fand ihn am Küchentisch, wo er mit einer Münze spielte. »Bist du krank?« Sie berührte seine Schulter und schaute ihre Mutter fragend an. Ihre Mutter drehte sich von ihrem Topf auf dem Herd um und die Sorge in ihrem Gesicht war beängstigend. »Was ist passiert?«

»Setz dich, Kind«, forderte ihr Vater sie auf. »Wir haben beunruhigende Nachrichten gehört.«

Bellas Kehle schnürte sich zusammen, als sie ihren Hut an den Haken hängte und sich dann ihrem Vater gegenüber auf die Bank setzte. Ihre Mutter legte den Deckel auf den Topf, kam zu ihnen hinüber, blieb hinter Pa stehen und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab.

»Hast du dich mit Adam Fisher getroffen?«, fragte ihr Vater.

Bella senkte den Blick. In diesem Dorf konnte man wirklich nichts geheim halten! Sie hatte auf dem Weg in den Ort und zurück niemanden gesehen. Das bedeutete, dass jemand sie heimlich im Schulhaus beobachtet hatte.

»Adam hilft mir, mich auf mein Lehrerexamen vorzubereiten«, sagte sie.

»Dein Examen?« Pa verdrehte die Augen. »Wenn Adam Fisher nicht wäre, müsstest du dieses Examen überhaupt nicht machen. Wenn Adam Fisher nicht wäre, würdest du gar nicht als Lehrerin arbeiten.«

Bella zupfte an einem Hautstück neben ihrem Fingernagel. Sie hatte ihren Eltern nie verraten, was damals unter der Eiche passiert war. Sie wussten nur, dass sie vom Baum gestürzt war und dass Adam ihr nach Hause geholfen hatte. Wenn er den Mund gehalten und sich nicht entschuldigt hätte, hätten ihre Eltern nie irgendeinen Verdacht geschöpft. Natürlich würde Bella ihnen nie erzählen, was tatsächlich passiert war. Deshalb hatten sie Adam in Verdacht.

Ihre Mutter setzte sich neben sie. »Warum machst du dir überhaupt die Mühe mit diesem Examen? Alle wissen doch, dass du die beste Lehrerin bist, die wir seit Jahren hatten.«

»Wirklich?«, fragte Bella. »Ich habe gehört, dass einige gern eine neue Lehrerin hätten.«

»Unsinn! Diese Leute wissen nicht, was gut für sie ist. Wenn sie eine arrogante Collegelehrerin in die Stadt holen sollten, würden sie bald merken, dass sie einen schweren Fehler begangen haben.«

»Es wird hier keine Collegeleute geben«, mischte sich ihr Vater ein. »Denn ich werde diese Wette gewinnen. Glaubt ja nicht, dass ein junger Bursche mit seinen Bändern und seinem Gebläse besser wäre als meine Erntemannschaft.«

»Sei vorsichtig, Bella«, ermahnte ihre Mutter sie. »Adam will dir bestimmt nicht ernsthaft helfen, dich auf das Examen vorzubereiten. Er benutzt das nur als Vorwand, um mit dir allein sein zu können.«

Bella hielt das für unwahrscheinlich. Adam Fisher, der sich immer nur für seine Skizzen, Maschinen und Experimente interessiert hatte? Obwohl er schon in der Schulzeit – meistens – höflich und freundlich gewesen war, hatte er nie Interesse an einem Mädchen gezeigt; andererseits hatte er ihr vorhin erst gestanden, dass er gern mit ihr zusammen war. Was sollte sie davon halten? Könnte sie ihre Beschämung und ihren Schmerz von damals vergessen? Würde es sich lohnen, Adam näher kennenzulernen?

»Warum lächelst du?«, wollte ihr Vater wissen. »Wie kannst du überhaupt mit ihm sprechen? Kann ein Mensch zwei Herren dienen? Kommt aus demselben Mund Segen und Fluch? Welche Gemeinschaft hat das Licht mit der Dunkelheit?«

»Liebe deinen Nächsten«, entgegnete Bella.

In der Küche wurde es mucksmäuschenstill. Ihre Mutter schlug die Hand vor den Mund, während ihr Vater Bella finster anstarrte. »Was war das?«, fragte er streng.

Bella wusste nicht, woher diese Bemerkung gekommen war. Sie hatte nur über Adam nachgedacht und plötzlich sprudelte aus ihrem Mund ein Bibelvers. Sie stand auf und ging zu dem kleinen Fenster mit Blick auf den Ort. »Und wenn Adam mich tatsächlich mag? Das wäre furchtbar, nicht wahr? Er hat mit meinem Vater eine Wette abgeschlossen und trotzdem würde er sich gern mit mir treffen? Was für ein Schlamassel.«

»Genug von solchen romantischen Fantasien!«, schimpfte ihr Vater. »Finde einen guten Mann, der Gott liebt und eine Familie ernähren kann. Nicht Adam Fisher. Er hat wegen dieser Maschine Schulden bei der Bank. Wenn ihm nicht irgendwelche Farmer Arbeit geben, verliert er alles.«

»Wenn er gegen dich verliert, verliert er alles?« Wieder eine neue Information, die Bella verarbeiten musste. Entweder würde also sie ihre Arbeit verlieren oder Adam würde seine Maschine aufgeben müssen? Es sei denn, sie bestand das Lehrerexamen.

Bella setzte eine tapfere Miene auf und wandte sich ihren Eltern zu. »Ihr habt vieles gesagt, über das ich nachdenken muss. Besonders über die Frage, ob Adam mich mag. Aber ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen, weil wir zusammen lernen. Er ist ein strenger Lehrer.«

Ihr Vater holte tief Luft, um etwas zu erwidern, aber bevor er etwas sagen konnte, legte ihre Mutter die Hand auf den Tisch. »Sei vorsichtig, Bella. Du bist so ein nettes Mädchen und es ist ganz natürlich, dass er sich in dich verliebt. Aber egal, wie du dich entscheidest …«

»Wie sie sich entscheidet?«, platzte ihr Vater heraus. Doch dann zupfte er an seinem dichten Bart und überlegte. »Vermutlich ist es sinnvoll, ihm weiterhin freundlich zu begegnen. Das zeigt diesem Grünschnabel, dass ich nicht triumphiere, weil ich ihn bei seiner eigenen Wette schlage. Aber wenn wir zu vertraut mit ihm umgehen, werden unsere Nachbarn daran Anstoß nehmen. Mein Ruf ...«

»Du bist hier nicht derjenige, um den sich Adam bemüht, du alter Ziegenbock«, fiel ihm seine Frau ins Wort. »Ich sehe keine Gefahr, dass du übermäßig vertraut mit ihm umgehst.«

»Das sollte auch für Bella gelten«, brummte er und schaute sie argwöhnisch an.

Übermäßig vertraut mit Adam? Bella war sich nicht sicher, wovor ihre Eltern sie warnen wollten, aber ihre Fantasie stellte ihr einige reizvolle Möglichkeiten vor Augen.

* * *

Der Tag war trotz allem erfolgreich gewesen, stellte Adam fest, während er mit seinen Pferden übte. Keiner der Landwirte in Grimes County war zwar vorerst bereit, ihm einen Auftrag zu geben. Er konnte ihnen keinen Vorwurf daraus machen, dass sie erst den Ausgang seines Wettstreits mit Mr Eden abwarteten, aber er fasste in der Gemeinde immer besser Fuß. Obwohl die meisten Dr. Paulsons überhebliche Art nicht mochten, baten sie Adam immer öfter um Rat.

»Auf meinem Land ist Gerste immer gut gewachsen, aber ich baue seit mittlerweile sechs Jahren Gerste an. Soll ich so weitermachen oder sollte ich dem Boden eine Pause gönnen und ein anderes Getreide anbauen?«

»Was sagt man in der Stadt über den Baumwollpreis? Bleibt er auch nächstes Jahr so hoch?«

»Meine Frau quält sich mit Kartoffelkäfern im Garten. Wie kann sie diese lästigen Viecher loswerden?«

Oft ging Adam mit diesen Fragen direkt zu Dr. Paulson und überbrachte den Leuten dann die Antworten des Professors, denn irgendwie konnten sie die Ratschläge von Adam viel besser annehmen.

Unter diesen Leuten wollte er wohnen. Sein eigener Vater hatte immer geglaubt, dass er im nächsten Ort reich werden würde. Deshalb war seine Familie in Adams Kindheit und Jugend selten lange an einem Ort geblieben. Rückblickend stellte er fest, dass sich bestimmt nicht viele Menschen an ihn erinnerten. Kein Ort war wirklich ein dauerhaftes Zuhause gewesen. Aber seine Zeit in Oak Springs lag noch nicht so weit zurück, dass die Leute ihn schon vergessen hätten. Hier waren Menschen, die Freunde werden könnten. Der Anfang war gemacht. Diese Sonne, dieser Himmel, dieses Land – hierher gehörte er; aber das musste er den Bewohnern dieses Ortes erst noch beweisen.

Selbst wenn er den Wettkampf gewann, könnte Adam nicht das ganze Jahr hier leben. Um sein Geschäft mit der Dreschmaschine aufzubauen, würde er viel reisen müssen. Viele Familien befanden sich in einer ähnlichen Situation – Soldaten, Seeleute, selbst die Cowboys, die jedes Jahr die Rinderherden durchs Land trieben. Aber nicht alle Frauen hatten das Rückgrat, ihr Leben allein zu meistern, während ihr Mann monatelang fort war. Würde Bella das schaffen?

Alles, was er seit seiner Rückkehr gesehen hatte, bestätigte diese Vermutung.

Adam ließ die Peitsche knallen, um die Pferde wieder in Bewegung zu setzen. Rückblickend erkannte er ganz genau, dass Bella Eden ihn schon immer fasziniert hatte. Sie war klug, entschlossen und genauso wissbegierig wie er, aber damals war nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Sie war fest entschlossen gewesen, sich diesen Jimmy zu angeln. Daran hatte er nichts ändern können. Er hätte ihr damals sowieso nichts bieten können.

Hatte er ihr jetzt etwas zu bieten? Das hing sehr davon ab, ob er ihren Vater bei dem Wettkampf besiegte und ob er die Raten für seine Dreschmaschine bezahlen konnte. Adam hatte große Träume und viele Pläne, aber dieses Potenzial könnte wie Weizen in der Dürre absterben, wenn er seine Zahlungen nicht leisten konnte.

Als er überzeugt war, dass er seine Pferde genug bewegt hatte, spannte er sie aus und ließ sie auf der Weide frei, die er von Mr Longstreet gepachtet hatte. Es war bald Zeit, sich mit Bella zu ihren Prüfungsvorbereitungen zu treffen. Bis jetzt hatte niemand etwas zu ihren Treffen gesagt. Vielleicht hielten es die Dorfbewohner angesichts des bevorstehenden Wettkampfs für unmöglich, dass sie Freunde sein konnten. Vielleicht hatten die Leute auch Wichtigeres zu tun, als sich Gedanken darüber zu machen, unter welchen Umständen sich die jungen Leute trafen.

Nein, das war es bestimmt nicht.

Als Adam sich der Ortsmitte näherte, sah er die Schüler aus dem Schulhof stürmen. Einige liefen nach Hause, andere trödelten und unterhielten sich noch mit ihren Freunden. Er kam genau richtig.

Er dachte, alle Schüler wären schon nach Hause gegangen, als er zum Schulhaus ging, doch als er über die Türschwelle trat, hörte er eine Mädchenstimme.

»Miss Eden, heißen Sie mit Vornamen Bertha?«

»Nein, Minnie. Ich heiße Bella. Warum fragst du?«

Aus der Ecke kam ein kindisches Kichern. Sein Blick fiel auf ein paar kleine Mädchen in karierten Kleidern.

»Ich frage deshalb, weil Mary gemeint hat, dass dieses Herz mit den Buchstaben in der großen Eiche von Ihnen ist und dass niemand seine Buchstaben dazugeschrieben hat.«

In diesem Moment erhaschte Adam einen Blick auf Bellas Gesicht. Minnie musste ihre Miene auch gesehen haben, denn ihre Augen wurden ganz groß. »Entschuldigung, Miss Eden. Ich wollte nur wissen, ob das wahr ist.«

»Der Unterricht ist zu Ende«, verkündete Adam und ging zwischen den Schulbänken durch den Mittelgang auf Bella zu. »Mädchen, ihr solltet schnell nach Hause laufen. Eure Eltern warten schon auf euch.«

Die Kinder wichen zurück und machten einen weiten Bogen um ihn, bevor sie aus dem Schulhaus stürmten.

Bella senkte ihr gerötetes Gesicht und blätterte eilig in einem Stapel aus Heften auf ihrem Pult, um den Eindruck zu vermitteln, sie hätte zu tun.

Adam legte die Hand auf den Stapel. Bella blieb nichts anderes übrig, als ihn anzusehen. »Wie oft kommt das vor?«

Ihre Hände umklammerten die Hefte. »Ungefähr zweimal im Jahr. Irgendjemand sieht die Initialen und hält sich für besonders schlau, weil er sie mit mir in Verbindung bringt. Meistens muss ich ungefähr eine Woche lang das Getuschel ertragen, dann beruhigt sich die Sache wieder.« Sie hob resigniert die Schultern. »Diesen Baum der Peinlichkeit werde ich nie vergessen können. So sind Kinder nun einmal!«

»Bereust du es wirklich, dass du Jimmy Blaggart nicht geküsst hast?«, fragte Adam. »Wenn du weißt, wo er jetzt wohnt, könnte ich ihn holen. Ich garantiere dir, er bereut es längst, dass er diese Gelegenheit nicht genutzt hat.«

Der Schmerz in ihrer Miene ließ nach. Sie löste ihren verkrampften Griff von den Heften. »Du hast wirklich Nerven, mich damit aufzuziehen! Schäm dich! Wir sollten uns lieber auf das Examen konzentrieren, für das ich üben muss.«

Das war schade, denn Bella sah mit geröteten Wangen besonders hübsch aus. »Bist du für die Matheprüfung bereit?«, fragte er.

»Ich habe gestern Abend geübt, aber das heißt nichts. Wenn ich nicht nervös bin, schaffe ich die Prüfung problemlos.«

»Aus diesem Grund bin ich hier. Meine Aufgabe ist es, dich nervös zu machen. Worum geht es heute?« Adam tippte an sein Kinn, als müsste er nachdenken, obwohl er vor Vorfreude die halbe Nacht wach gelegen hatte. »Wie wäre es damit: Wenn du die Prüfung nicht schaffst, musst du mit mir händchenhaltend durch den Ort gehen?«

Sie blickte ihn scharf an. »Komisch, dass dir ausgerechnet so etwas einfällt!«

In diesem Moment kam ihm ein Gedanke, auf den er eigentlich schon viel früher hätte kommen können. »Bella, denkst du in Prüfungssituationen eigentlich je daran, was du gewinnen kannst? Oder konzentrierst du dich nur darauf, was du verlieren könntest?«

»Durch dieses Examen kann ich nichts gewinnen. Aber wenn ich verliere, ist das eine Katastrophe.«

»Unsinn. Statt daran zu denken, wie sehr du dich schämst, falls du diese Prüfung nicht schaffst, könntest du dir doch vor Augen führen, wie viel Respekt du bekommst, wenn du sie bestehst. Freu dich und sieh das Examen als Gelegenheit, dein Können unter Beweis zu stellen. Denk an den Lohn, der dich erwartet, wenn du die Prüfung bestehst, und nicht an die Strafe, die kommen könnte, falls du durchfällst.«

Sie kniff die Augen zusammen. »Und was wäre meine Belohnung, wenn ich heute das Übungsexamen bestehe?«

Er grinste. »Keine Sorge. Da fällt uns bestimmt etwas ein.«

Kapitel 8

Bella hatte das Gefühl, dass es heute besser lief als gestern. Die Frage war, woran das lag. Lernte sie tatsächlich, Prüfungen zu meistern, oder hatte sie keine Angst, solange Adam im Raum war?

Sie biss sich auf die Lippe, während sie die Schulhaustür abschloss und dann ihren Hut unter ihrem Kinn zuband. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Adams leuchtende Augen verrieten, dass auch er es wusste. War es ein Fehler gewesen, ihm das zu erlauben? Würde er ihr erneut wehtun?

»Ich habe mich noch nie so gefreut, dass jemand eine Prüfung nicht bestanden hat.« Adam trat vor und nahm ihre Hand fest in seine. Sie blieben beide einen Moment lang regungslos stehen und warteten auf eine kosmische Katastrophe wegen ihres schockierenden Verhaltens, aber als sie merkten, dass sich die Erde weiterdrehte, zwinkerte er ihr zu und sie brachen zu ihrem Spaziergang durch den Ort auf.

Bella gefiel es, wie sie zusammenpassten – wie ihre Finger von seiner Hand umfasst wurden, wie ihre Handfläche angenehm seine Hand streifte. Wenn es ein romantischer Spaziergang bei einer Verabredung wäre, würden sie vermutlich beide Handschuhe tragen und sie würde die Hand auf seinen Arm legen, aber an einem Werktag war es auch in Ordnung, ohne Handschuhe zu gehen.

Ihre Eltern hatten recht: Adam wollte sie offenbar umwerben. Falls sie mit dieser Vermutung richtig lag, wollte Bella wissen, wie seine Absichten aussahen.

»Ich bin nicht sicher, ob ich ganz verstanden habe, wie du dir deine berufliche Zukunft vorstellst«, sagte sie. »Du willst der Ernte folgen, nicht wahr? Hast du das jedes Jahr vor?«

Als er sie ansah, fiel ihm auf, dass sie ihre Butterbrotdose trug. »Gib mir deine Dose«, bat er sie. »Ich kann sie für dich tragen.« Sie befürchtete, dass er ihre Frage vergessen haben könnte, aber als sie am Gemischtwarenladen vorbei waren, erwiderte er: »Ungefähr die Hälfte des Jahres werde ich in den ersten Jahren viel unterwegs sein. Die Ernte beginnt hier Mitte Mai und ich kann dann weiter in Richtung Norden ziehen, bis im November überall die Felder abgeerntet sind.«

»Und was machst du dann?«

»Im Winter kümmere ich mich um meine Ausrüstung und verdiene vielleicht etwas Geld mit kleineren Reparaturen in der Stadt. Irgendwann würde ich gern sesshaft werden. Ich träume davon, dass ich so viel verdiene, dass ich einige Männer anstellen kann, die dann die Erntearbeiten übernehmen. Ich arbeite sie ein und kaufe die Ausrüstung, aber ich leite das Geschäft von zu Hause aus.«

»Und wo ist dieses Zuhause?«, fragte sie.

»Wenn ich diese Wette verliere, kann mein Zuhause nicht hier sein.«

»War das dein Plan?«

»Ich hatte mir vorgestellt, dass es schön sein könnte, hier zu wohnen. Es gibt da ein Mädchen, das hier wohnt und das ich nie vergessen konnte.« Adam drückte ihre Hand.

Trotz ihrer plötzlichen Scheu erwiderte Bella seinen Blick.

»Bella«, sagte er leise, »als ich hierherkam, hatte ich keine Garantie, dass du hier wärst, keine Garantie, dass du mit mir etwas zu tun haben willst, aber ich habe mir das trotzdem ausgemalt. Wenn du nur wüsstest, wie …«

»Miss Eden, halten Sie etwa die Hand dieses Mannes?«, rief Freda Longstreet von der Ecke zur Eisenhandlung. Max Bresden spähte um sie herum, um sich mit eigenen Augen von diesem unerhörten Vorfall zu überzeugen.

»Das war ihre Strafe, weil sie eine Prüfung nicht bestanden hat«, antwortete Adam und zwinkerte Max vielsagend zu.

Freda kicherte und warf einen scheuen Blick auf Max.

»Miss Eden würde jede Prüfung bestehen, aber keine Sorge: Wir verraten nichts«, sagte Max zu Adam.

»Ein wahrer Gentleman«, erwiderte Adam, während sie ihren Weg in Richtung Eiche fortsetzten.

»Ist dir eigentlich klar, was du gerade getan hast?«, seufzte Bella. »Freda wird nie wieder eine Prüfung bestehen, wenn das bedeutet, dass Max ihr seine Aufmerksamkeit schenkt.«

»Du nimmst mich auf den Arm! Niemand fällt absichtlich durch eine Prüfung, um sich einen Mann zu angeln.«

»Nicht durch eine wichtige Prüfung«, sagte Bella. Dann fügte sie mit einem übertriebenen Wimpernaufschlag hinzu: »Aber vielleicht bei einem Übungsexamen.«

Adam blieb vor der Eiche stehen. »Bella Eden, willst du damit sagen, dass du diese Prüfung hättest bestehen können?«

Sie grinste. »Ich werde allmählich besser. Ist dir das nicht aufgefallen?«

»Doch. Ich war überrascht, dass du es heute nicht geschafft hast.«

»Ich habe es doch geschafft.« Sie hob seine Hand hoch. »Ich habe mir nur ein anderes Ziel gesteckt.«

Sein Brustkorb blähte sich auf, als er schnell und tief einatmete. »Du … ich …« Er schüttelte den Kopf. »Du sollst dein Examen bestehen, Bella Eden! Das ist ein Befehl. Sonst ist die Konsequenz, dass ich deine Hand erst wieder halte, wenn du die Prüfung schaffst.«

»Würdest du das machen?«

»Natürlich wäre das eine schwere Prüfung für mich«, erwiderte er. Er warf einen Blick zu dem stattlichen Baum, bei dem sie mittlerweile angekommen waren. »Wenn du vor drei Jahren statt Jimmy mich gefragt hättest, hätte ich mich nicht dagegen gewehrt, dich zu küssen. Ich habe damals viel an dich gedacht und jetzt denke ich noch viel mehr an dich.«

»Warum?« Bella verbrachte fast jeden Tag von morgens bis abends damit, ihre Schüler zu ermutigen. Aber nur selten wurde sie selbst von jemandem gelobt.

»Du hast dir selbst das Nähen beigebracht. Als das nicht länger möglich war, hast du dir selbst das Unterrichten beigebracht. Jetzt kämpfst du darum, deine Stelle zu behalten. Viele andere Frauen würden aufgeben.«

Adams Hand wanderte zu ihrem Handgelenk und umfasste es sanft. Er betrachtete es von allen Seiten. Selbst für eine Frau war ihr Handgelenk sehr zart. In seiner Hand sah es winzig aus. Sein Griff fühlte sich genauso stark und warm an wie die Manschette, die sie getragen hatte, bis der Bruch verheilt war.

»Meine Eltern haben mich gewarnt, dass es dir mehr darum geht, mit mir zusammen zu sein, als mir zu helfen, meine Arbeitsstelle zu behalten«, gestand Bella.

Adam drehte ihre Hand um und drückte die Lippen auf die zarten blauen Venen an ihrem Handgelenk. Ihr Puls beschleunigte sich schlagartig.

»Adam?«, hauchte sie.

Seine blauen Augen waren ernst. »Dir müsste aber klar sein, dass ein Leben mit mir kein romantisches Paradies wäre, da ich das halbe Jahr unterwegs bin. Es würde schwere Zeiten geben – in denen wir einander vermissen, Angst umeinander haben …«

»So wie jetzt«, sagte Bella. »Angst um die Zukunft. Angst, dass du nicht wieder nach Oak Springs kommen kannst.«

»Angst, dass du meinetwegen wieder eine Arbeit verlieren könntest, die du liebst.«

Falls sie sich für diesen Weg entschieden, würden Prüfungen nicht ausbleiben. Sie konnten nur beten, dass Gottes Wille geschah.

Obwohl die Eiche in der Nähe war, standen Adam und Bella in der Sonne, denn sie wussten, dass sie eine Pause im Schatten des Baums noch nicht verdient hatten. Noch nicht. Sie lächelten sich an und setzten dann ihren Weg fort – durch eine Welt aus Ernten, Prüfungen und Konflikten.