Bernd Stöver
CIA
Geschichte, Organisation, Skandale
Verlag C.H.Beck
Verehrt und skandalisiert, geheimnisumwittert und gefürchtet: Die amerikanische «Central Intelligence Agency» löst wie kein anderer Geheimdienst der Welt Emotionen aus – und ist selbst ein Produkt von Bedrohungsängsten. Als 1947 der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion erklärt wurde, sollte die neue Behörde als Speerspitze den «Krieg anderer Art» siegreich beenden helfen. Bernd Stöver schildert, wie die CIA immer mehr Kompetenzen erhielt, die kaum kontrolliert wurden, aber auch vor illegalen Aktionen und «Dirty Tricks» nicht zurückschreckte: Morde, Drogenhandel, Geheimarmeen und nicht zuletzt die Überwachung der Amerikaner selbst waren die Folge. Ab 1970 wurde dies öffentlich bekannt. Die «Familienjuwelen-Affäre» stürzte den Dienst in eine jahrelange Krise. Doch nach dem 11. September 2001 wurden die Kompetenzen erneut über alles bisher Bekannte hinaus erweitert. Berichte über «gesteigerte Befragungen» und «Gezielte Tötungen» schockierten die Öffentlichkeit. Für die Demokratie stellt sich die Frage: Wie nützlich oder schädlich ist das für die Zivilgesellschaft? Da die CIA weltweit tätig ist, betrifft sie nicht nur die USA.
Bernd Stöver, geb. 1961, lehrt nach Stationen in Bielefeld und Washington D. C. als Professor Neuere Geschichte mit Schwerpunkt Globalgeschichte an der Universität Potsdam. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. «Der Kalte Krieg» (4. Auflage 2012), «United States of America. Geschichte und Kultur» (2. Auflage 2013), «Geschichte des Koreakriegs» (3. Auflage 2015) und zuletzt «Geschichte Kambodschas» (2015).
Mythos CIA
1. Gründung 1947
Ein Produkt des Kalten Krieges
Debatten
Ein «zentraler Geheimdienst» entsteht
2. «Langley» als Institution
Struktur und Leitung
Rechtsgrundlagen, Selbstverständnis, Budget, Kontrolle
Spionage, Spionageabwehr, Covert Action
Anwerbung, Ausbildung, Einsatz
Kooperationen
3. Schwerpunkt Europa 1947–1953/56
Italien – Der Gründungsmythos
Berlin Operation Base: In der Hauptstadt der Spionage
Umsturzversuche: Albanien – Jugoslawien – UdSSR
Die CIA und die Aufstände im Ostblock
4. Schwerpunkt Dritte Welt 1953–1973
Das Initialereignis: Der Koreakrieg
Iran: Rohstoffsicherung
Südostasien: Die Dominotheorie
Afrika: Die Beispiele Kongo und Angola
Staatsterrorismus im US-Hinterhof: Guatemala – Kuba – Chile
5. In der Defensive 1974–1980
Die «Familienjuwelen»
Entspannung als Waffe
Die Geiselkrise im Iran
Wendepunkt Afghanistan
6. Wieder in der Offensive 1981–1991
Das Intelligence Reform-Gesetz
Schwerpunkt Dritte Welt
Schwerpunkt Europa
Der Untergang des Ostblocks
7. Nach dem Kalten Krieg 1992–2000
Neuorientierung
«Vagabundierende Atomwaffen»
China
Der neue alte Gegner: Terrorismus
8. Freibrief 9/11 seit 2001
9/11 als «drittes Pearl Harbor»
«The War on Terror»
Guantánamo als Chiffre
Der «Islamische Staat»
9. «Dirty Tricks» und anderes: Eine Auswahl
Kulturkampf
Ungewöhnliche Methoden
Area 51
Geheimarmeen
Gezielte Tötungen und «Cyberwarfare»
10. Bilanz
Zeittafel
Abkürzungen
Anmerkungen
Literaturhinweise
Mythos CIA: Überblicksdarstellungen
Kapitel 1: Gründung 1947
Kapitel 2: «Langley» als Institution
Kapitel 3: Schwerpunkt Europa 1947–1953/56
Kapitel 4: Schwerpunkt Dritte Welt 1953–1973
Kapitel 5: In der Defensive 1974–1980
Kapitel 6: Wieder in der Offensive 1981–1990
Kapitel 7: Nach dem Kalten Krieg 1992–2000
Kapitel 8: Freibrief 9/11 seit 2001
Kapitel 9: «Dirty Tricks» und anderes: Eine Auswahl
Kapitel 10: Bilanz
Archivalien und Internetressourcen
Personenregister
Wohl kaum ein anderer Geheimdienst ist so geheimnisumwittert und gleichzeitig so populär, so verehrt und gleichzeitig so angefeindet wie die 1947 gegründete Central Intelligence Agency, die CIA. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die «Agency», die auch als «Company», «Other Governmental Agency» (OGA), «KUBARK», «Mother K.» oder schlicht als «Langley» – nach ihrem heutigen Hauptquartier in Virginia – bekannt ist, wurde einerseits zum zentralen Gegenspieler des sowjetischen «Hauptfeinds» KGB im Kalten Krieg und entsprechend prominent. Andererseits hat sie gezielt ihr Image mit Büchern, Broschüren, Internetauftritten und nicht zuletzt in ihrem «Exhibit Center» in Langley selbst gestaltet.
Am wirksamsten waren wohl die eigenen verdeckten Kampagnen in Zeitungen, Romanen und Filmen. Bereits 1952 setzten Graham Greenes Roman The Quiet American und der 1958 folgende Film mit dem Protagonisten Alden Pyle als brillantem (Ostküsten-)Intellektuellen der jungen Agency zum ersten Mal ein markantes öffentliches Denkmal. Immer wieder verkörperten gerade Publikumslieblinge CIA-Agenten. Sie spielten allerdings nach den Anfang der Siebzigerjahre aufgedeckten kriminellen Verfehlungen der CIA auch ambivalente Charaktere. Die Protagonisten waren jetzt auch naiv-integre Persönlichkeiten, die sich in einer undurchschaubar-negativen Institution wiederfanden: Robert Redford in Three Days of the Condor (1975) und Jahrzehnte später in Spy Game (2001), Harrison Ford in Clear and Present Danger (dt. Das Kartell, 1994), Mel Gibson in Conspiracy Theory (dt. Fletchers Visionen, 1997), Matt Damon in der nach den Romanen von Robert Ludlum produzierten Filmserie um den Agenten Jason Bourne (ab 2002) oder George Clooney in dem auf Aussagen des ehemaligen CIA-Agenten Robert Baer basierenden Politthriller Syriana (2005).
Ebenso wenig erfreut war man in Langley über Filme wie JFK (1991) oder Kill the Messenger (2014), die sogar Mittäterschaften am Tod Kennedys 1963 und des Journalisten Gary Webb 2004 unterstellten, der in den Neunzigern umfangreiche Drogengeschäfte der CIA aufgedeckt hatte. Ein Coup in der positiven Imagepflege gelang Langley aber mit der ab 2011 gestarteten US-Serie Homeland.
Der Mythos lebte jedoch immer auch von der Kritik, gerade weil die Weltöffentlichkeit, einschließlich vieler US-Bürger, der CIA schließlich fast alles zutraute. Gerade im Ostblock pflegten populäre Autoren über Jahrzehnte das Bild eines allmächtigen Geheimdienstes, und auch deswegen galt in vielen Entwicklungsländern die CIA als Universalfeind. In den USA wurde die Kritik nach «9/11», den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001, noch einmal besonders stark, weil es der CIA erneut nicht gelungen war, einen Angriff zu verhindern.
Die Agency büßte aber auch danach – anders, als viele glauben –, nicht wirklich Macht und erst recht nicht ihren Nimbus ein. Zwar ist der Director of Central Intelligence (DCI), der bis 2004 auch Koordinator aller Mitglieder der amerikanischen Intelligence Community (IC) war, heute nur noch Chef der CIA (D/CIA) und sogar dem Director of National Intelligence (DNI) unterstellt. Schaut man aber genauer hin, sind die Kompetenzen Langleys sogar gewachsen.
Formal ist die CIA heute nur noch eines von 17 Mitgliedern der IC. Zu dieser zählen auch die National Security Agency (NSA), das National Reconnaissance Office (NRO), die National Geospatial-Intelligence und die Defense Intelligence Agency (DIA), das Bureau of Intelligence and Research im State Department, die Nachrichtenabteilungen der fünf Teilstreitkräfte (Department of the Army, Department of the Air Force, Department of the Navy, U.S. Coast Guard, U.S. Marine Corps), das Federal Bureau of Investigation (FBI), die Drug Enforcement Administration (DEA), die Departments of Energy, Treasury und Homeland Security sowie die Geheimdienste der Unified Commands. Da viele Mitglieder der IC mehrere Dienste unterhalten, versammeln sich in ihr heute Dutzende Nachrichtendienste.
Die meisten sind dem Verteidigungsministerium, dem großen Konkurrenten der CIA, zugeordnet. Das Pentagon erhält deswegen heute auch das Gros des IC-Gesamtbudgets, für das 2017 70,3 Mrd. Dollar vorgesehen sind (s. Tab. S. 19). Langley punktet dagegen bei den Beschäftigten. Von den über 100.000 Personen, die offiziell in der IC tätig sind, gehören heute rund 21.000, also etwa jeder Fünfte, zur CIA.[1] Dabei sind nicht einmal alle Beschäftigten erfasst. Der CIA erlaubt die Einbindung in die IC vor allem die Kooperation mit anderen Diensten, obwohl Konkurrenzen weiter bestehen. Auf bestimmten Gebieten, so im Drohnenkrieg, ist Langley allerdings weitgehend autonom.
Die Historische Forschung hat außer über Skandale und Kriminalfälle vor allem durch Überläufer und Whistleblower neue Erkenntnisse über die Agency erhalten. Das war mehr, als das seit 1967 geltende Informationsfreiheitsgesetz, die in den Neunzigerjahren von der US-Regierung erzwungene liberalere Freigabepolitik und die seit 2000 öffentlich nutzbare CIA-Datenbank CREST erreichen konnten. Wie bei einem Geheimdienst üblich, bleiben trotzdem viele Fragen offen. Das betrifft nicht nur die wirkliche Größe der Agency oder die Einzelheiten vieler Operationen. Unbekannt sind nicht zuletzt die «Kollateralschäden»: Welche Opfer gab es, welche Morde wurden begangen, welche Selbstmorde inszeniert, welche Biographien behindert oder zerstört? Für die Demokratie stellt sich prinzipiell die Frage: Wie nützlich oder schädlich sind die immer weiter ausgedehnten Kompetenzen der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden für die Zivilgesellschaft? Da die CIA weltweit tätig ist, betrifft dies nicht nur die USA.
Die CIA war eines der ersten Ergebnisse, das die Umstellung der USA auf den Kalten Krieg mit sich brachte. Der Konflikt zwischen den ungleichen Verbündeten, USA und Sowjetunion, hatte sich bereits im Zweiten Weltkrieg abgezeichnet und brach öffentlich aus, als der gemeinsame Nenner, der Kampf gegen die Achsenmächte, 1945 wegfiel. Seitdem bereiteten sich beide Seiten intensiv auf den kommenden Konflikt vor. Die heftigen Kontroversen in der noch bis Anfang 1947 tagenden gemeinsamen amerikanisch-sowjetischen Arbeitsgruppe der UNO zur Atombombe inspirierten damals den amerikanischen Journalisten Herbert Swope zur Wortschöpfung «Cold War» – «Kalter Krieg».
Die quasi-offizielle Kriegserklärung zum Kalten Krieg als globalem Konflikt zwischen dem kommunistischen Modell der staatssozialistischen «Volksdemokratie» auf der einen und dem westlichen Modell der liberalkapitalistischen parlamentarischen Demokratie auf der anderen Seite folgte am 12. März 1947 mit der amerikanischen «Truman-Doktrin» und der im September verkündeten sowjetischen «Zwei-Lager-Theorie». Von dem 1917 begonnenen, ideologisch begründeten Ost-West-Konflikt unterschied den Kalten Krieg vor allem die Erfindung der Atombombe, die die USA 1945 und die UdSSR vier Jahre später besaßen. Die Nuklearwaffen stellten aber auch generell infrage, Probleme durch einen Krieg zu lösen. Daher entwickelte sich der Kalte Krieg schrittweise zu einem weltweiten «Nicht-Frieden», in dem mit Ausnahme «der Bombe» alles eingesetzt wurde, was zur Verfügung stand. Im Rückblick wurde dieser Nicht-Frieden zu einer umfassenden politisch-ideologischen, ökonomischen, technologisch-wissenschaftlichen und kulturell-sozialen Auseinandersetzung, die ihre Auswirkungen bis in den Alltag zeigte und bei der beide «Supermächte» glaubten, dass es um Sieg oder Untergang gehe. Unter den zahlreichen weiteren Mitspielern im Kalten Krieg galt insbesondere die Bewegung der Blockfreien als schwer berechenbar.
Den Geheimdiensten kam in dem Konflikt eine niemals zuvor erreichte Bedeutung zu. In die allgemeine Umorganisation fiel deswegen mit dem am 18. September 1947 in Kraft getretenen National Security-Gesetz die Gründung der CIA und des für die Beratung des Präsidenten in Fragen der Nationalen Sicherheit zuständigen National Security Council (NSC). Dessen Direktiven wurden für die CIA bindend und zum Teil für Jahrzehnte gültig. Dazu gehörten die Anweisung NSC 4/A (Dez. 1947), mit der die Agency in die Psychologische Kriegsführung und den Propagandakrieg gegen den Kommunismus eingebunden wurde, NSC 10/2 und 10/5 (Juni 1948/Okt. 1951), die die Verdeckte Kriegsführung (Covert Activities) definierten, NSC 158 (Juni 1953), mit der grundsätzlich der strategische Schwerpunkt auf die Verschärfung der innenpolitischen Probleme der kommunistischen Staaten gelegt wurde, und NSC 5412 (März 1954), die faktisch den «totalen» Geheimdienstkrieg gegen den Kommunismus verkündete. In den Achtzigerjahren, dem letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges, kam ihnen in aktualisierter Form noch einmal besondere Bedeutung zu.
Die Gründung der CIA blieb umstritten. Zwar hatte noch Präsident Roosevelt William «Wild Bill» Donovan, dem Chef des Office of Strategic Services (OSS), das 1942 nach Vorbild des britischen und der Special Operations Executive (SOE) für die Dauer des Krieges eingerichtet wurde, einen «zentralen Geheimdienst» nach Kriegsende in Aussicht gestellt, was auch der im September 1945 vorgelegte Eberstadt Report empfahl. Sein Nachfolger Truman hielt allerdings das OSS bereits für überflüssig und löste es mit Wirkung vom 1. Oktober 1945 durch die Executive Order (EO) 9621 auf. Die Aufgaben wurden dem im Außenministerium untergebrachten Interim Research and Intelligence Service (IRIS) übertragen. Die Kernaufgaben, einschließlich Spionageabwehr und «Covert Action», übernahm das Pentagon.
Eine Zeitlang entspann sich sogar noch eine Debatte, ob ein Geheimdienst für eine Demokratie überhaupt statthaft sei. Sie verebbte allerdings rasch angesichts des rapide anwachsenden Bedrohungsgefühls, obwohl Kompetenzstreitigkeiten anhielten. Schon das OSS war als ein übergeordneter, unabhängiger Geheimdienst geplant worden, der durch seine Arbeit den Vereinigten Stabschefs (JCS) und dem Präsidenten militärische Entscheidungshilfen liefern sollte. Die Zentralisierung war letztlich gescheitert, weil sowohl die Armee und die Marine als auch das FBI, das damals noch ein eigenes Agentennetz in Lateinamerika unterhielt, sich weigerten, Befugnisse abzugeben.
Während die Teilstreitkräfte ihre Dienste behalten konnten, verlor das FBI mit der Gründung der CIA seinen 1940 gegründeten Special Intelligence Service. Trumans Argument für die Trennung von Inlands- und Auslandsgeheimdienst war vor allem ein politisches: Es sollte keine «amerikanische Gestapo» geben.[2] Zahlreiche FBI-Mitarbeiter, wie William King Harvey, der später maßgeblich am Bau des berühmten «Berliner Tunnels» beteiligt war und den John F. Kennedy für «America’s James Bond» hielt,[3] oder Joseph Caldwell «J. C.» King, der dann erste CIA-Chef für Geheimoperationen in der «Western Hemisphere», wechselten zur Agency, während der gekränkte FBI-Chef, J. Edgar Hoover, anordnete, die Akten des Special Intelligence Service zu vernichten. Verlorengegangene Informationen versuchte die CIA unter anderem mit politisch belastetem Personal aus dem Dritten Reich wieder zu beschaffen. Die Teilentmachtung Hoovers, der wohl gehofft hatte, selbst die Leitung eines zentralen Geheimdienstes zu übernehmen, führte bis zu dessen Tod 1972 zu ständigen Spannungen mit der Agency, die die Kooperation teilweise massiv behinderten. Erst 1987 wurde mit William H. Webster zum ersten Mal ein amtierender FBI-Direktor zum DCI ernannt.
Die Debatten endeten nicht mit der Gründung der CIA. Eine Hoover Commission tagte 1947, zwei Jahre später folgte der sogenannte Dulles-Jackson-Correa Report, 1953 eine zweite Hoover Commission. Bis zum großen Paukenschlag der Rockefeller- und Church Reports 1975/76, denen zeitweilige Einschränkungen der CIA-Befugnisse folgten, wurden unter anderem mit dem Doolittle- (1954), Bruce-Lovett- (1956), Taylor-Rostow (1961), Kirkpatrick- (1961) und Schlesinger Report (1971) zahlreiche weitere Reformvorschläge vorgelegt, um die CIA effektiver und kontrollierbarer zu machen. Wie wenig sie bewirkten, zeigten 1987 der Iran-Contra Investigation Report, 1992 die Intelligence Reform Proposals, 2001 die U.S. Commission on National Security/21st Century, 2004 der 9/11 Commission Report sowie 2005 die Weapons of Mass Destruction Commission. Den restriktiven Executive Orders von Gerald Ford (EO 11.905/1976) und Jimmy Carter (EO 12.036/1978, Intelligence Surveillance Act) schlossen sich allerdings erneut Liberalisierungen durch Reagan (u.a. EO 12.333, 1981) und Bush (Patriot Act, 2001; Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act, 2004; Protect America Act, 2007) an.
Die im Januar 1946 mit einer angegliederten Central Intelligence Group (CIG) gebildete National Intelligence Authority war noch dem Außenministerium unterstellt, was aber mit der gleichzeitig geschaffenen Position eines nur dem Präsidenten verantwortlichen DCI sein Ende fand. Zum ersten CIA-Direktor ernannte Truman Sidney Souers (Jan. – Juni 1946). Bis zum offiziellen Inkrafttreten des National Security-Gesetzes 1947 folgten Hoyt Vandenberg (Juni 1946 – Mai 1947) und Roscoe H. Hillenkoetter (Mai 1947 – Okt. 1950). Unter Vandenbergs Leitung gelang es der CIG bereits, wichtige Zuständigkeiten vom Pentagon zu übernehmen. Das neu gegründete Office of Special Operations (OSO) wurde für die Auslandsspionage zuständig. Die Erweiterungen erzeugten allerdings neue Konflikte, spätestens, als die CIA 1948 mit dem State Department das Office of Policy Coordination (OPC) gründete. Dessen ungeachtet wurden OSO und OPC 1951/52 in der CIA-Direktion für Planung zusammengelegt, womit der «Clandestine Service» (CS) als erste zentrale CIA-Einheit für Geheimoperationen entstand.
Mit dem Inkrafttreten des National Security-Gesetzes im September 1947 erhielt die CIA ihre Hauptaufträge: regelmäßige Lageberichte und allgemeine Geheimdienstaufgaben. Letztere sollten ihr vom Präsidenten und vom NSC jeweils gesondert übertragen werden. Da bestimmte Informationen auch an den Kongress und andere staatliche Stellen gingen, wurden die besonderen Aufgaben, so etwa Verdeckte Operationen, in einem kleineren NSC-Gremium beraten. Unter Präsident Eisenhower hieß es ab 1954 «5412 Committee», unter Kennedy seit 1961 «NSC Council Staff», unter Johnson ab 1964 «303 Committee» und unter Nixon «40 Committee». Unter der Präsidentschaft Fords wurde es 1976 zur «Operations Advisory Group», unter Carter zum «NSC Special Coordination Committee», und ab 1981 hieß es unter Reagan «National Security Planning Group». Nach dem geheimdienstlichen Desaster des «9/11» wurde dafür ein «Special Intelligence Office» eingerichtet.
Hektik und Unsicherheiten in der Planung führten dazu, dass der CIA zunächst keine angemessene Bleibe angeboten werden konnte. Die Mitarbeiter wurden auf verschiedene Gebäude verteilt. Im alten Regierungsviertel Washingtons, Foggy Bottom, standen zunächst die alten Büros des aufgelösten OSS in der E Street zur Verfügung, der berüchtigten «Cockroach Alley». Erst 1953 konnte der DCI Allen Dulles einen Neubau in Langley in Virginia (Fairfax County, 1000 Colonial Farm Road, McLean) durchsetzen, in den 1961 die ersten Mitarbeiter einzogen. Der sechsstöckige, heute im Vergleich zu anderen zentralen US-Institutionen eher unscheinbare Gebäudekomplex trägt seit dem Intelligence Authorization Act 1999 den Namen «George Bush Center for Intelligence», wenngleich der Namensgeber 1976/77 nur sehr kurz als DCI amtierte. Endgültig «fertig» ist Langley bis heute nicht. Infolge ständig neuer Aufgaben und Sicherheitsanforderungen wird das Hauptquartier kontinuierlich erweitert.
Auch im Ausland übernahm die CIA zunächst OSS-Standorte. Das Büro in Bern war schon 1945 Ausgangsbasis für die Geheimdienstarbeit in Deutschland, als in Wiesbaden-Biebrich die erste «Mission» entstand. Frankfurt am Main und Berlin-Dahlem wurden danach die Hauptstützpunkte. Ansonsten richtete sich die CIA in den regulären US-Botschaften und -Missionen ein, wo die CIA Station Chiefs (COS) bis heute gewöhnlich als Mitarbeiter des US-Außenministeriums auftreten.
Die CIA-Struktur änderte sich in siebzig Jahren angesichts neuer Herausforderungen ständig. Terrorabwehr, Cyberwar und Nonproliferation stehen heute im Vordergrund. Zentral blieb aber auch die Counterintelligence, die nicht zuletzt für die Abwehr von Verrätern innerhalb der Agency zuständig ist. Dafür wurde 2010 eine eigene Whistleblower Task Force eingerichtet. WikiLeaks ist bis heute ein wichtiges Ziel, auch wenn nur wenige Erfolge zu verzeichnen sind, wie das Bekanntwerden von hochgeheimen Papieren zeigte. Die Gitmo Files zum Lager Guantánamo kamen 2011 und der Bericht Best Practices in Counterinsurgency zu den Gezielten Tötungen der CIA 2014 in die Öffentlichkeit. Prominente Whistleblower wie Edward Snowden oder Julian Assange ließen sich dadurch nicht aufhalten. Das machte nicht zuletzt deutlich, wie schwer es selbst einem immer perfekter ausgestatteten Geheimdienst fällt, das Internet, insbesondere das Darknet, effektiv zu überwachen, ganz zu schweigen von Spielekonsolen, über die sich die islamistischen Attentäter, die 2015 Bomben in Paris zündeten, absprachen.
Gegenwärtig (2017) gliedert sich die CIA in fünf Hauptabteilungen (siehe vordere Umschlaginnenseite). Auf der Führungsebene («Offices of the Director») finden sich neben dem Leitungsbüro die Abteilungen für Personal und Anwerbung, für strategische Planungen, zur Auswertung öffentlicher Quellen und für «Public Affairs». Letztere produziert das 1962 zunächst als interne Information entstandene, ab 1971 öffentlich zugängliche und seit 1997 kostenlos im Internet erhältliche World Factbook, das wohl populärste CIA-Produkt. Wie politisch heikel die Leitung der Behörde ist, zeigt die bis auf wenige Ausnahmen kurze Dienstzeit der bis heute 25 Direktoren (siehe hintere Umschlaginnenseite).
Unterhalb der Leitungsebene finden sich heute die Direktionen «Intelligence», «National Clandestine Service», «Science and Technology» sowie eine Logistikabteilung. In der Direktion Intelligence (DI), hervorgegangen aus dem Office of Research and Reports (ORR), versammeln sich vor allem die Analyse- und Auswertungsabteilungen. Dazu gehören heute Arbeitsgruppen zur Erforschung des weltweiten Terrorismus, zur Abwehr des Drogen- und Waffenhandels, zur Spionage und Spionageabwehr sowie zu den Entwicklungen in den Weltregionen. Gegenwärtig sind dies: «Africa, Latin America & Global Issues», «East Asia and Pacific», «Iraq, Iran, Lebanon & Syria», «North Africa, Arabian Peninsula & Regional», «Russian and European» sowie «South Asia».
Das Herzstück operativer Arbeit ist der National Clandestine Service (NCS). Der NCS, der bis 2005 als Directorate of Operations (DO) und davor zwischen 1951 und 1973 als Directorate of Plans (DP) amtierte und in der Anfangszeit der CIA als «Elite Directorate» galt,[4] beherbergt unter anderem das Counterintelligence- und Counterterrorism Center. Letzteres ging aus dem 1986 unter Reagan eingerichteten Counterterrorist Center (CTC) hervor. Hier finden sich zudem die Counterproliferation Division zur Überwachung des weltweiten Waffenhandels und das Human Coordination Center zur Abstimmung von Agenteneinsätzen. Seit 2015 ist der NCS zudem um «Mission Centers» und ein Directorate of Digital Innovation zur Führung des Cyberwar und zur Überwachung von Sozialen Medien und Messenger-Diensten erweitert. Auch die Drohnenangriffe der Agency werden von hier gesteuert, und die durch illegale Entführungen berüchtigt gewordene Flugabteilung ist hier ebenfalls angesiedelt. Der NCS rekrutiert zudem die CIA Station Chiefs, denen die «Chiefs of Outposts» (COO) unterstehen.
Das zweite Herzstück geheimer operativer Arbeit der CIA, die Direktion Science and Technology (DS&T), ging aus dem 1948 gegründeten Office of Scientific Intelligence (OSI) und dem 1962 entstandenen Directorate of Research hervor. Zuständig ist sie vor allem für die technisch-wissenschaftliche Planung und Vorbereitung von Operationen. Dafür war bereits 1951 ein Technical Services Staff (TSS) eingerichtet worden, aus dem in den Siebzigerjahren die Technical Services Division (TSD) als Grundstock des heutigen Office of Technical Service (OTS) hervorging. Es findet sich heute neben dem Büro des Technical Intelligence Officer (TIO) und den Einheiten für «Technical Readiness» und «Technical Collection».
Für viele ist DS&T nach wie vor die eigentliche Zentrale der «Dirty Tricks», für die die CIA auch bekannt wurde. Ihre Abteilungen waren häufig in Zusammenarbeit mit privaten Firmen für innovative, aber auch moralisch fragwürdige Entwicklungen zuständig. Hier entstanden Spezialtinten, Minikameras, Drogen, Abhöranlagen («Bugs»), gefälschte Pässe und Spezialwaffen, aber auch bedeutende Großprojekte, die in der sagenumwitterten «Area 51» getestet wurden. Zu ihnen zählten die berühmten Aufklärungsflugzeuge U-2 und die SR-71 Blackbird. Auch die frühen Aufklärungssatelliten KEYHOLE und CORONA wurden mithilfe der Agency entwickelt.
DS&T war darüber hinaus für technische Sonderaufträge zuständig, wie die 1974 und erneut 1981 gescheiterte Bergung des gesunkenen sowjetischen U-Boots K-129 (Project AZORIAN/JENNIFER/IVY BELLS). In den Neunzigerjahren und nach «9/11» war DS&T auch an der Identifizierung von Attentätern beteiligt. Auf der kriminellen Seite der DS&T und seiner Vorgänger finden sich die in jeder Weise fragwürdigen medizinisch-psychologischen Experimente zur Bewusstseinskontrolle, die die CIA insbesondere seit dem Koreakrieg ausbaute und bis in die Siebzigerjahre unter Bezeichnungen wie ARTICHOKE und MKULTRA fortführte.
Das National Security-Gesetz, die NSC Intelligence Directives und weitere NSC-Anweisungen (vor allem 4/A und 10/2) gaben der CIA seit 1947/48 klare Aufträge und Grenzen vor: Auslandsspionage, einschließlich -abwehr, Verdeckte Operationen sowie Lageberichterstattung an den Präsidenten und das NSC. Diese erhielten ab 1950 die regelmäßig erscheinenden National und Special Intelligence Estimates (NIE/SNIE) sowie das Current Intelligence Bulletin (CIB, seit 1951), die landläufig so genannten President’s Daily Briefs (PDB).
Die klar definierte Aufgabenstellung wurde allerdings schon 1949 vom Central Intelligence Act infrage gestellt. Seitdem konnte die CIA faktisch ohne Rechenschaft über ihr Budget, ihre Organisation und Mitarbeiter verfahren. Schwarzen Kassen und unkontrollierten Projekten waren jetzt Tür und Tor geöffnet. Dass auch andere Einschränkungen nicht wirkten, zeigte die Umgehung der Einwanderungsgesetze zur Rekrutierung von NS-Belasteten und Kriegsverbrechern unter dem Label der Nationalen Sicherheit.
Trotz vieler Skandale wurden die Spielräume der CIA kontinuierlich erweitert, vor allem, da über Jahrzehnte weder der Präsident noch der Kongress ernsthafte Kontrollen wünschten. Obwohl die CIA nach den Skandalen Mitte der Siebzigerjahre kurzzeitige Einschränkungen hinnehmen musste, schuf die 1981 von Präsident Ronald Reagan genehmigte EO 12.333 sogar offiziell die bislang versperrte Möglichkeit, Informationen in den USA zu sammeln. Damit war faktisch auch die 1945/47 noch erwünschte Trennung von Inlands- und Auslandsgeheimdienst hinfällig. Diese Regelung blieb durch die EOs 13.284 (2003), 13.355 (2004) und 13.470 (2008) bis heute in Kraft.
Der umfassende Auftrag bestimmt bis heute das Selbstverständnis. Der Kalte Krieg wurde auch und gerade in der CIA als «Krieg» und damit als Freibrief für den Einsatz (fast) aller Mittel begriffen. Diese Einstellung überdauerte selbst Skandale, Niederlagen und das Ende des Kalten Krieges, wie nicht zuletzt die Memoiren vieler Mitarbeiter deutlich machen. Dass man sich in einem Krieg wähnte, illustrieren auch die Auszeichnungen, die die CIA verleiht. Als höchste gilt das Distinguished Intelligence Cross, verliehen für «Heldentum unter Gefahr» und die Exceptional Service Medallion, die jenen verliehen wird, die den Einsatz mit ihrem Leben bezahlten. Vierzig Namen verzeichnet heute das im CIA-Krisenjahr 1974 angelegte und im Eingangsbereich des Hauptquartiers in Langley an der «Memorial Wall» ausgestellte «Book of Honor». Zum 50-jährigen CIA-Jubiläum 1997 veröffentlichte man zudem die «Fifty CIA Trailblazers», also Pioniere, zu denen unter anderem der in den Fünfzigern amtierende DCI Allen Dulles und der damalige OPC-Chef Frank Wisner gehören.
Das Budget der CIA ist Teil des sogenannten National Intelligence Program (NIP) und gehört mit dem vom Pentagon verwalteten Military Intelligence Program (MIP) zum IC-Etat. Seit dem enormen Zuwachs nach den Anschlägen 2001 liegt das Volumen des NIP bei durchschnittlich etwa 51 Mrd., das des MIP bei 17 Mrd. Dollar im Jahr.