Wie CO2 unser Leben verändert
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© 2018 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
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Lektorat: Alessandra Kreibaum
Satz: Anja Harms, Oberursel
Einbandgestaltung: Vogelsang Design, Jens Vogelsang, Aachen
Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-8062-3672-9
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-8062-3728-3
eBook (epub): 978-3-8062-3729-0
Vorwort
DIE VORGESCHICHTE
1. Was ist Kohlendioxid?
2. Das CO2, das aus der Tiefe kommt
3. Warum sich der Kohlenstoff im Kreis dreht
4. Wie wir den Treibhauseffekt anheizen
DIE FOLGEN
5. Warum Bäume nicht besser wachsen
6. Wenn Eichen Kiefern ersetzen
7. Tauwetter im hohen Norden
8. Die Landwirtschaft, Täter und Opfer zugleich
9. Der Klimawandel und das Meer
10. Wegziehen, anpassen oder eingehen
11. Nehmen Infektionskrankheiten zu?
DIE LÖSUNGEN
12. Nicht alles ist technisch machbar
13. Der Natur unter die Arme greifen
14. Am einfachsten ist doch Vermeidung
15. Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis und Quellen
Register
Abbildungsnachweis
Warum ein Buch über Kohlendioxid und die Folgen des Klimawandels?
Kein Thema wird in der Öffentlichkeit so heftig und kontrovers diskutiert wie der Klimawandel und die damit verbundene Erderwärmung. Stein des Anstoßes ist die Rolle des Menschen bei der heutigen Klimaänderung. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass wir in das irdische Klimasystem eingreifen. Sieht man sich die Leserkommentare in Diskussionsforen und Zeitungen an, bekommt man den Eindruck, die Existenz oder Nichtexistenz des Klimawandels sei eine Glaubensfrage geworden.
Die Schwierigkeit des Umgangs mit dem Thema liegt an zwei Dingen. Zum einen haben wir ein globales Problem – und damit auch einen globalen Handlungsbedarf. Da wird es für den Einzelnen schwierig, den Sinn seines Beitrages zu sehen. Zum andern ist der Klimawandel mit dem Ausstoß an Treibhausgasen verknüpft – allen voran dem Kohlendioxid. Dieses Gas ist das unangenehme Nebenprodukt unserer industrialisierten Welt und unserer Wirtschaft, die auf dem Verbrennen fossiler Energieträger beruhen, und das wir nicht so leicht loswerden können.
Durch die Arbeiten des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) und unzähliger Wissenschaftler auf der ganzen Welt wissen wir, dass die heutige Klimaänderung durch den Menschen gefördert wird. Der immense Ausstoß an Treibhausgasen seit dem Beginn der Industrialisierung zeigt Wirkung.
Daher ein Buch über Kohlendioxid und die Folgen des Klimawandels. Ich möchte den Lesern das Gas näherbringen und zeigen, dass es nicht nur Treibhausgas ist, sondern mit dem Leben auf der Erde innig verbunden ist. Daher wirkt sich ein Anstieg in der Luft nicht nur auf das Klima aus, sondern auch direkt auf Lebewesen.
Der heutige Klimawandel bringt eine große Unruhe in das Wettergeschehen auf der Erde. Klimaforscher reden von einer Zunahme der Klimavariabilität, was eine Verstärkung bestehender Wetterereignisse bedeutet. Die Unterschiede werden stärker: lang anhaltende Trockenperioden auf der einen Seite, Starkniederschläge auf der anderen. Regionale Unterschiede und jahreszeitliche Schwankungen stimmen nicht mehr mit dem bisher Gewohnten überein. Die zunehmenden Extremwetterereignisse machen nicht nur uns Menschen zu schaffen, sondern auch der Natur.
Pflanzen und Tiere, ja ganze Lebensgemeinschaften spüren den Klimawandel und reagieren entsprechend. Der Einfluss des Klimawandels auf die Vorgänge in der Natur steht im Mittelpunkt dieses Buches. Auch die Frage, wie sich ein Ansteigen der atmosphärischen Konzentration an Kohlendioxid auf die Pflanzen auswirkt, ist für das Leben von größter Bedeutung. Wir werden sehen, dass die Veränderungen in der Natur nicht einfach eine Begleiterscheinung des sich ändernden Klimas sind, sondern dass diese auf uns zurückschlagen.
Ich danke allen Wissenschaftlern im In- und Ausland, die mir Auskunft gaben und auf relevante Literatur hinwiesen. Die Fachliteratur zum Thema globale Erwärmung und Klimawandel ist in den letzten paar Jahrzehnten unüberschaubar groß geworden. Tausende von Fachartikeln in Dutzenden von Fachzeitschriften – das kann unmöglich alles durchgesichtet werden. Ich bitte bei all denjenigen Forscherinnen und Forschern um Nachsehen, die eine wichtige Arbeit zum Thema veröffentlicht haben und die ich in dem Buch nicht berücksichtigen konnte.
Ferner danke ich Jens Seeling vom Verlag „WBG – Wissen verbindet“ für sein Interesse am Projekt und seine Unterstützung, nicht zuletzt für die Geduld. Alessandra Kreibaum und Fatoumata Diop danke ich für das Durchsehen des Manuskriptes.
Potsdam, im Oktober 2017
Ewald Weber
Wenn mich ein Kind fragen würde, wie Kohlendioxid aussieht, hätte ich gewisse Schwierigkeiten, es zu beschreiben. Ich könnte das Ventil einer Druckflasche mit CO2 öffnen, aber außer einem Zischen würden wir nichts vernehmen. Gase entziehen sich unserem direkten Zugriff. Ein Pulver oder eine Flüssigkeit kann ich betrachten, sie in die Hand nehmen, in ein Gefäß geben. Doch es ist nicht so einfach, Bekanntschaft mit dem postmodernen Corpus Delicti zu machen. Dennoch lohnt es, sich etwas näher mit diesem Stoff zu befassen, der so stark mit dem Klimawandel in Verbindung steht. Welche Eigenschaften hat er und wo kommt er überall vor?
Wenn Chemiker eine bestimmte Substanz beschreiben, geben sie den Aufbau des Moleküls an, aber auch Farbe, Siedepunkt und Schmelzpunkt. Sie benennen, ob die Substanz brennt oder nicht, ob sie für den Menschen giftig ist und ob der Stoff in Wasser oder anderen Flüssigkeiten löslich ist oder nicht. Das sind gleichsam die biometrischen Daten des Stoffes. In diesem Kapitel möchte ich Sie näher vertraut machen mit dem Stoff „Kohlendioxid“, auf seine Eigenschaften eingehen. Ein paar ungewöhnliche Eigenarten sind der Grund für die Bedeutung des Gases. Ein Gas, das in aller Munde ist, nicht nur, weil wir es mit jedem Atemzug ausstoßen. Im Bundestag wird über Kohlendioxid gesprochen, viele möchten es am liebsten verbannen. Noch mehr Menschen ist es möglicherweise ziemlich einerlei. Ein Gas, das mit dem Leben so innig verbunden ist wie Sauerstoff oder Wasser. Mehr noch, ohne Kohlendioxid könnten wir nicht existieren.
Kohlendioxid ist ein farbloses und geruchloses Gas mit der chemischen Formel CO2. Zum Glück ist das verruchte Gas geruch- und farblos, denn was wäre, wenn aus den Auspuffrohren anfahrender Autos giftgrüne Wolken herausschössen? Oder wenn CO2 einen beißenden Geruch hätte? Wir könnten nicht leben. Doch der Stoff ist chemisch gesehen ziemlich langweilig. Es ist eine reaktionsträge Verbindung, die kaum mit anderen Stoffen chemisch reagiert. Es brennt nicht und ist eine sehr beständige Verbindung, die sich erst bei hohen Temperaturen zersetzt. Es braucht schon um die 2500 °C dazu. Die chemische Formel zeigt, dass ein Molekül des Gases aus einem Atom Kohlenstoff (Carbonium oder C) und zwei Atomen Sauerstoff (Oxygenium oder O) besteht. Chemiker sind sich einig, dass die drei Atomkugeln linear angeordnet sind, mit dem Kohlenstoff in der Mitte. Kohlendioxid besteht also aus winzigen Perlenketten mit jeweils drei Perlen. Ein Molekül ist dabei kein starres Gebilde, es kann zittern und sich ein wenig verbiegen. Dadurch vermag es Energie aufzunehmen, was für die Klimawirksamkeit des Gases von größter Bedeutung ist. Doch davon später.
Jeder anständige Stoff vermag die drei Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig einzunehmen, wenn die Bedingungen stimmen, also Temperatur und Druck. Wasser existiert auf unserem Planeten in allen drei Formen, was einmalig ist: gefrorenes Wasser in Gletschern und Eisschilden, flüssiges Wasser in den Ozeanen und Binnengewässern sowie Wasserdampf in der Luft. Bei normalem Luftdruck, wie er auf Meereshöhe gemessen wird, siedet Wasser bei 100 °C und wird bei 0 °C fest. Nimmt der Luftdruck ab, etwa in großer Höhe, siedet Wasser schon bei einer tieferen Temperatur. Bergsteiger, die am Mount Everest auf 6000 Meter Höhe ein Basislager aufschlagen und Tee kochen, brauchen das Wasser nicht auf 100 °C zu erhitzen, da kocht es bereits bei 80 °C.
Selbstverständlich kann auch Kohlendioxid flüssig oder fest werden. Allerdings verhält es sich im Vergleich zu Wasser ziemlich merkwürdig. Bei normalem Luftdruck, also dem Luftdruck auf Meereshöhe, lässt es sich nicht verflüssigen, auch wenn es noch so stark abgekühlt wird! Bei einer Temperatur von −78,5 °C wird es plötzlich fest – es geht direkt vom gasförmigen in den festen Zustand über. Das Produkt ist als Trockeneis oder Kohlensäureschnee bekannt: ein dampfendes weißes Zeug – CO2 in seiner greifbarsten Form. Allerdings braucht es Handschuhe zum Anfassen, sonst droht die Gefahr einer Kaltverbrennung. Das gefrorene Kohlendioxid geht an der Wärme wieder direkt in den gasförmigen Zustand über, es sublimiert. Der Dampf, den man dabei sieht, stammt vom Wasser der Luft, das durch die Kälte kondensiert und sich als winzige Tröpfchen bemerkbar macht.
Trockeneis ist gefrorenes Kohlendioxid. Nur in diesem Aggregatzustand ist es für uns sichtbar und anfassbar. Trockeneis findet viele technische Anwendungen.
Bei Normaldruck liegt Kohlendioxid bei −78,5 °C in fester Form vor. Diese Temperatur ist im Vergleich nicht so tief. Sauerstoff etwa wird erst bei −183 °C flüssig und bei -219−°C fest. In der Antarktis fällt das Thermometer in den Wintermonaten durchaus auf -40 bis -60 °C – oder noch tiefer. Im September 1983 haben Polarforscher in der Antarktis die bisher tiefste Temperatur der Erde gemessen: -89,2 °C. Fällt da das Kohlendioxid meines Atems als Kohlensäureschnee aus? Ich frage Louise Sime vom „British Antarctic Survey“. Nein, meinte sie, das sei unwahrscheinlich. Der Luftdruck am Messort sei geringer als Normaldruck, es reiche also gerade nicht, um CO2 fest werden zu lassen. Die Antarktis geht ziemlich in die Höhe, der höchste Punkt ist der Mount Vinson mit 5140 Metern. Weite Teile des Eiskontinentes liegen auf etwa 3000 Meter.
Zur Verflüssigung von CO2 ist Druck notwendig, bei Raumtemperatur braucht es 60 bar, also einen 60-fachen Atmosphärendruck. Es ist eine glückliche Fügung, dass auf unserem Planeten gerade die richtigen Bedingungen herrschen, sodass Wasser größtenteils in flüssigem Zustand, aber auch als Wasserdampf in der Atmosphäre vorliegt, und Kohlendioxid gasförmig ist. Anders wäre Leben nicht möglich.
Viele Gase können sich in Wasser auflösen, so wie Salz. Das klingt merkwürdig, denn wenn Sie in einem Schwimmbecken abtauchen und ausatmen, steigen die Luftblasen nach oben, statt sich aufzulösen und dabei immer kleiner zu werden, um dann ganz zu verschwinden. Aber nehmen Sie mal eine Sektflasche zur Hand und stellen Sie sie auf den Tisch. Die Flüssigkeit darin enthält gelöstes Kohlendioxid, aber Sie sehen keine Gasblasen im Sekt. Erst wenn durch das Öffnen Druck abgelassen wird, vereinen sich die gelösten Moleküle des CO2 zu kleinen Bläschen, die aufsteigen und weitere Moleküle mit sich reißen, zu immer größeren Bläschen werden, um dann in einer schäumenden Fontäne aus der Flasche hervorzuschießen. Der Lösevorgang und die Menge an gelöstem Gas sind also druckabhängig, ebenso spielt die Temperatur eine Rolle. Es mag paradox klingen, aber in kaltem Wasser löst sich mehr Kohlendioxid als in warmem Wasser.
Auch Sauerstoff löst sich in Wasser. Nur wegen der Löslichkeit der beiden Gase in Wasser ist Leben in den Meeren und den Gewässern auf dem Land möglich! Andernfalls gäbe es keine Algen in den Meeren und untergetauchte Wasserpflanzen in den Seen, die CO2 aufnehmen und die Nahrungsgrundlage für Tiere bilden. Wenn Sie eine Schale mit einem Liter reinen Wassers auf den Tisch stellen und nach einer Woche die Konzentrationen messen, würden Sie in etwa folgende Werte erhalten: Sauerstoff 9 Prozent und Kohlendioxid 0,5 Prozent.
Diese Überlegungen zeigen, dass die Lebewesen der Gewässer und Meere mit einer geringen Sauerstoffkonzentration auskommen müssen. Da haben wir Landtiere es einfacher, denn Luft besteht zu 21 Prozent aus Sauerstoff. Weil sich in kaltem Wasser mehr löst als in warmem Wasser, sind tropische Meere sauerstoffärmer als die kalten Gewässer etwa des Nordatlantik. Das hat einen großen Einfluss auf das Leben in den Meeren und ist der Grund dafür, dass die kalten Gewässer in Polnähe so überaus voller Leben sind, was die Wale sehr genau wissen. Auch das Kohlendioxid ist in kaltem Wasser besser löslich als in warmem Wasser.
Ein kleiner Teil des gelösten CO2 geht eine chemische Reaktion mit dem Wasser ein und wird zu Kohlensäure. Oft wird das Gas „Kohlendioxid“ selbst als Kohlensäure bezeichnet, was aber nicht korrekt ist. Erst in Verbindung mit Wasser wird es zu einer Säure. Die Kohlensäure ist instabil und zerfällt sehr leicht wieder. Nun besteht ein Gleichgewicht zwischen dem Anteil an Kohlendioxid, das gelöst ist, und dem Anteil, der mit dem Wasser reagiert. Dieses Gleichgewicht ist temperaturabhängig, weil sich je nach Temperatur viel oder wenig Kohlendioxid im Wasser löst. Bei Zimmertemperatur beträgt der Anteil an Kohlensäure im Wasser nur etwa 0,2 Prozent.
In der Natur kommt ihr eine ganz besondere Bedeutung zu, denn kohlensaures Wasser vermag Kalkstein aufzulösen. Sämtliche Karsterscheinungen – von Tropfsteinhöhlen bis zu Sinklöchern und Karrenfeldern – gehen auf die Kohlensäureverwitterung von Kalkstein und anderem Karbonat enthaltendem Gestein zurück. Ein langsamer Prozess, doch wie heißt es? Steter Tropfen höhlt den Stein. In den Regentropfen gelangt etwas Kohlensäure auf den Stein, es bilden sich feine Ritzen, die mit der Zeit ausgeweitet werden. Durch Wind und Wasser können dann riesige Höhlensysteme entstehen. In der Laichinger Tiefenhöhle können Besucher auf 55 Meter unter der Erdoberfläche absteigen und die Gänge und Schächte bewundern, die dank dem Kohlendioxid entstanden sind.
Der gelöste Kalk kann auch wieder ausgefällt werden, wenn sich etwa die Temperatur des Wassers ändert. So entstehen Tropfsteine, der Kalk kristallisiert gleichsam wieder aus. Dabei wird das CO2 wieder freigesetzt. Kohlensaures Wasser vermag Gesteine umzuschichten, und bildet so bizarre Landschaften.
Wenn Kalk stark erhitzt wird, geht er in gebrannten Kalk über, dabei entsteht ebenfalls Kohlendioxid. Gebrannter Kalk ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Mörtel und Zement, daher gilt die Zementfabrikation als die zweitwichtigste Quelle menschengemachten Kohlendioxids.
Tropfsteinhöhlen verdanken ihre Existenz dem Kohlendioxid. Kohlensaures Regenwasser löst Kalkstein auf und ermöglich die weitere Erosion, sodass mit der Zeit eine bizarre Unterwelt entsteht.
Kohlendioxid ist schwerer als Luft. An schlecht belüfteten Orten, wo viel Kohlendioxid entsteht, sammelt sich das Gas daher auf dem Boden an und bildet eine gefährliche Schicht. Ein Versuch aus dem Physikunterricht zeigt das sehr anschaulich: Gibt man ein Stückchen Trockeneis in einen Glasbecher, in dem sich eine brennende Kerze befindet, füllt sich das Glas von unten mit Kohlendioxid auf und die Kerze erlischt, sobald der Kohlendioxidspiegel die Flamme erreicht. Sie können auch zwei Gläser nehmen, in einem befindet sich die brennende Kerze, im anderen das Stückchen Trockeneis. Ist dieses verdampft, lässt sich das Kohlendioxid in das Glas mit der Kerze gießen – wie eine unsichtbare Flüssigkeit – und nach kurzer Zeit erlischt die Flamme.
In Weinkellereien und überall dort, wo Vergärungen stattfinden, bilden sich erhebliche Mengen an Kohlendioxid. Bei der Traubenmostvergärung beispielsweise entstehen aus einem Liter Most etwa 50 Liter Kohlendioxid; bei tausend Litern sind dies beachtliche 50 Kubikmeter. Früher nahmen Weinbauern stets eine brennende Kerze mit, wenn sie in den Weinkeller stiegen. Brennt die Kerze in der Hand, ist genügend Sauerstoff vorhanden. Heutzutage messen Geräte kontinuierlich den Gehalt an Kohlendioxid in der Luft und schlagen beim Überschreiten der kritischen Konzentration Alarm.
Damit bin ich bei den physiologischen Eigenschaften des Gases. Für uns ist Kohlendioxid ein Abfallprodukt des Stoffwechsels, dessen wir uns entledigen müssen. Die Luft, die wir ausatmen, enthält 4 bis 5 Prozent CO2, etwa 100-mal mehr als die eingeatmete Frischluft. In geringen Konzentrationen wirkt Kohlendioxid stimulierend auf unser Atemzentrum, die Atmung wird beschleunigt und vertieft.
Wie bei jeder anderen chemischen Verbindung auch, wirkt Kohlendioxid mit zunehmender Konzentration toxisch auf unseren Körper. Die Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) beträgt lediglich 0,5 Prozent. Das ist der Grenzwert für die höchstzulässige Konzentration, der Menschen über längere Zeit ausgesetzt sein dürfen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft führt eine Stoffliste mit etwa 550 Substanzen, für die ein MAK-Wert definiert worden ist.
Mit einem zunehmenden Gehalt an CO2 in der Luft wird es bald sehr unangenehm, wie die folgenden Symptome zeigen. Eine Kerze erlischt erst bei einer Konzentration von 10 bis 14 Prozent, also erst dann, wenn die Konzentration bereits kritische Werte überschritten hat.
Konzentration in Volumenprozent | Auswirkungen und Symptome |
0,04 | Frischluft |
0,1 bis 0,3 | Hohe Werte in Büroräumen |
0,5 | Maximale Arbeitsplatzkonzentration |
1,0 | Zulässiger Höchstwert für Kurzzeitbelastung, löst Schläfrigkeit aus |
3,0 | Verstärkte Atmung, gesteigerte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck, vermindertes Hörvermögen, leichte Narkose |
5,0 | Kurzatmigkeit, Schwindel, Kopfschmerz, Verwirrung |
8,0 | Schwindelgefühl, getrübte Sicht, Zittern, Lähmungserscheinungen, Schwitzen, Durchblutungsänderungen im Gehirn, Ohnmacht. Tod innerhalb von 30 bis 60 Minuten |
10,0 | Krämpfe, Bewusstlosigkeit, rascher Tod |
20,0 | Tod in wenigen Sekunden |
Symptome einer Vergiftung bei zunehmendem Gehalt an Kohlendioxid. Nach DFG (2017).
In Weinkellereien, Futtersilos, Brunnen und Jauchegruben kommt es immer wieder zu Unfällen durch Kohlendioxidvergiftungen. Das Gefährliche dabei ist, dass Helfer beim Rettungsversuch selbst ohnmächtig werden. In solchen Situationen ist nur eine Rettung mit Atemschutzgeräten und Luft aus der Druckflasche möglich. Ich erinnere mich an einen Besuch einer Whiskyfabrik in Schottland. Die Maische in den großen Kupferkesseln produziert hochprozentiges Kohlendioxid, und der freundliche junge Mann, der uns Touristen herumgeführt hatte, öffnete eine der Luken, damit wir den schäumenden Brei sehen konnten. Er warnte uns aber davor, den Kopf nicht zu weit hineinzustecken und vor allem nicht zu atmen.
Dem Kohlendioxid gebührt eine ganz besondere Rolle: Es fungiert als Vermittler zwischen anorganischer und organischer Chemie, den beiden so unterschiedlichen Fachrichtungen der Stofflehre. Die organische Chemie befasst sich mit den Verbindungen des Lebens, und damit mit den unendlich vielen Varianten von Kohlenstoff enthaltenden Verbindungen wie Zucker, Stärke oder Vitamin C. Die organische Chemie kennt um die 46 Millionen verschiedene Verbindungen, die aus höchstens fünf chemischen Elementen bestehen: Kohlenstoff, Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff und Wasserstoff. Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff sind die häufigsten, und alleine die Vielfalt der Kohlenhydrate und Kohlenwasserstoffe, zu denen auch Benzin und Heizöl gehören, ist enorm.
Hier zeigt sich die Besonderheit des Kohlenstoffs: Es ist das einzige Element, das durch Einfach- und Mehrfachbindungen mit sich selbst Ketten oder Ringe von fast beliebiger Länge und Anordnung bilden kann. Dieser Eigenschaft verdanken wir Baumwolle genauso wie synthetische Textilfasern, alle Gegenstände aus Plastik und organischem Material. Beinahe täglich kreieren Chemiker in ihren Labors neue organische Moleküle, besonders in der Entwicklung neuer Medikamente und Kunststoffe. Riesenmoleküle wie die DNA wären ohne Kohlenstoff nicht möglich, diesem besonderen Bauklötzchen des Lebens.
In der anorganischen Chemie spielen alle Stoffe eine Rolle, die nicht zur organischen Chemie gehören: Salze, anorganische Säuren, Laugen, Metallkomplexe – und die vielen Mineralien. Etwa 100.000 chemische Verbindungen sind aus der anorganischen Chemie bekannt. Das sind sehr wenige im Vergleich zur organischen Chemie, dafür sind an deren Aufbau an die 90 Elemente beteiligt. Gesteine, Minerale, Wasser sind anorganischer Natur. Das CO2 zählt ebenfalls dazu, doch kann es als Verbindungsglied zwischen diesen beiden Welten aufgefasst werden. Kohlendioxid entsteht durch Umwandlung organischer Verbindungen, wird aber auch von Lebewesen als Rohstoff für die Synthese organischer Stoffe benutzt. CO2 entsteht zudem auch in der unbelebten Welt, gleichsam auf anorganischem Wege. Somit gesellt sich das Kohlendioxid zu ein paar wenigen einfachen Verbindungen, die für beide Reiche von Bedeutung sind und zwischen ihnen hin und her wechseln, genauso wie Wasser.
Weil CO2 sowohl Teil der belebten als auch der nicht belebten Natur ist, erstaunt es nicht, dass es allgegenwärtig ist. Es kommt als freies Gas in der Luft vor, als gelöstes Gas im Wasser, in chemisch gebundener Form in Gesteinen wie Kalkstein und in sämtlichen Lebewesen, ob lebendig oder tot. Es ist eingebunden in alle Lebensvorgänge. Das hat auch damit zu tun, dass Kohlendioxid ein Verbrennungsprodukt ist. Wenn reiner Kohlenstoff, etwa ein Diamant oder ein Stück Grafit, ins Feuer gehalten wird, verbrennt er vollständig und wandelt sich in CO2 um. Chemisch gesehen ist der Vorgang eine Oxidation, eine Verbindung mit Sauerstoff.
Wie viel Kohlendioxid haben wir auf der Erde? Genau messen kann das niemand, aber Schätzungen über die Häufigkeit des Gases sind ziemlich aufschlussreich. Hier die Mengenangaben für die drei Sphären:
• Atmosphäre (Lufthülle): 2931 Gigatonnen
• Hydrosphäre (Ozeane und Binnengewässer): 39.000 Gigatonnen, meist als gelöstes CO2
• Lithosphäre (Gesteine): 220 Millionen Gigatonnen, größtenteils chemisch gebunden
Kohlendioxid kommt also in der Luft, im Wasser, in den Gesteinen und zudem in der belebten Natur vor, entweder frei oder in gebundener Form. Die Mengenanteile sind sehr unterschiedlich, aber in jeder Hinsicht enorm. Eine Gigatonne sind eine Milliarde Tonnen, eine Tonne sind 1000 Kilogramm. Wer sich mit globalen Mengen und Stoffkreisläufen befasst, kommt um solch hohe Zahlen nicht herum. Ein Vergleich der drei Zahlen in der Aufstellung zeigt aber klar, dass der größte Teil des Kohlendioxids in Gesteinen chemisch gebunden vorliegt – und dass die Ozeane weitaus mehr CO2 enthalten als unsere Atmosphäre. Das wiederum ist nicht so erstaunlich, schließlich leben wir auf einem Wasserplaneten.
In Prozent ausgedrückt, enthält unsere Lufthülle gerade einmal 0,001 Prozent, die Meere und Gewässer 0,063 Prozent und die Erdkruste etwa 99,9 Prozent des CO2. Gesteine, in denen CO2 chemisch gebunden ist, bestehen aus Karbonaten. Bekanntester Vertreter ist Kalkstein, der aus Kalziumkarbonat besteht. Die chemische Formel lautet CaCO3 und daraus wird schon ersichtlich, dass sich CO2 darin versteckt. Kalk ist ein Sedimentgestein, das zum größten Teil biologischen Ursprunges ist. Es sind zahlreiche Organismen, die zur Bildung von Kalkstein beitragen: Korallen, Gehäuse bildende Schnecken und Muscheln, Schwämme und verschiedene Mikroorganismen. Sie bauen aus Kalk ein Gehäuse oder einen Stützapparat. Auch die Eierschalen der Vögel bestehen aus Kalk.
Kalkstein liegt in verschiedenen Formen vor und wird in der Erdkruste bei hohen Temperaturen und hohem Druck in Marmor verwandelt. Ja, in den prächtigen Statuen, die der italienische Maler und Bildhauer Michelangelo aus Marmor geschaffen hat, ist Kohlendioxid gebunden – denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal Rom besuchen!
Gasförmige Verbindungen sind in der Geschichte der Chemie erst spät erforscht worden. Das gilt auch für Kohlendioxid und die anderen Bestandteile der Atmosphäre. Feste und flüssige Stoffe sind greifbarer als Gase, man kann sie einer Flasche entnehmen, abwiegen, in Glaskolben füllen und mit anderen Verbindungen reagieren lassen. Das Arbeiten mit Gasen – unsichtbar und meistens auch geruchlos – ist etwas schwieriger. Wegen der Unwissenheit über die wahre Natur gasförmiger Stoffe galt Luft lange Zeit als einheitlicher Stoff. Das änderte sich erst mit der Entdeckung von Sauerstoff und Stickstoff als Hauptbestandteile der Luft.
Einer der Ersten, der unwissentlich mit Kohlendioxid experimentierte, war Johann Baptist van Helmont (1577–1644), Physiker und Alchemist in Brüssel. Er untersuchte Kohlendioxid, das er „Spiritus sylvestre“ nannte, ohne die chemische Zusammensetzung der Verbindung zu kennen. Das konnte er gar nicht, denn das chemische Element Kohlenstoff (Carbonium, C) war zur damaligen Zeit noch nicht bekannt. Van Helmont bemerkte, dass das Gewicht von Holzkohle abnahm, wenn er sie verbrannte. Die Menge der übrig bleibenden Asche wog weniger als die Holzkohle. Daraus zog er den Schluss, dass sich der Rest der Holzkohle in eine unsichtbare Substanz verwandelt hatte. Ferner wies er nach, dass dieses Gas bei der Gärung, bei der Verbrennung von Kohle und beim Erhitzen von Kalkstein entsteht sowie aus Pottasche (Kaliumkarbonat) bei Hinzufügen von Salzsäure. Die damaligen Forscher beobachteten auch, dass sich die Qualität der Luft während diesen Vorgängen änderte.
Kohlendioxid als Bestandteil der Luft hat erstmals der schottische Chemiker Joseph Black (1728–1799) dargestellt. Er experimentierte viel mit Verbrennungsvorgängen und dem daraus resultierenden Gas, das sich anders verhielt als normale Luft. Er zeigte, dass Lebewesen in diesem Gas nicht existieren konnten, und dass ein Feuer sich darin nicht halten kann. Der französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743–1794) stellte fest, dass dieses Gas Kalkwasser trüben kann: ein Nachweis für Kohlendioxid. Er entdeckte auch den Sauerstoff als denjenigen Teil der Luft, der bei einer Verbrennung eine Rolle spielt.
Der Ätna auf Sizilien ist mit etwa 3300 Meter Höhe Europas höchster Vulkan und seit Jahrhunderten immer wieder aktiv. Der letzte Ausbruch fand am 27. Februar 2017 statt.
Aktiven Vulkanen zuzusehen, ist unheimlich und faszinierend zugleich. Glühende Lavaströme fließen langsam den Hang hinunter, um sich unter lautem Zischen und Brodeln ins Meer zu ergießen, begleitet von Rauch und Wasserdampf. Lavafontänen werden Dutzende von Metern hoch ausgeschleudert. Manche Vulkane stoßen Aschewolken gigantischen Ausmaßes in die Luft, begleitet von Tausenden von Gesteinsbrocken – ein jeder ein Geschoss, das in hohem Bogen auf die Erde saust. Und die Töne! Ein schwer zu beschreibendes Gemisch von Fauchen, Zischen, Prasseln, dem Geräusch einer fahrenden Dampflokomotive und dem Knallen von Feuerwerkskörpern. Andere Vulkane sind ruhig, in ihrem Krater hält sich ein Lavasee, geschmolzenes Gestein, das an der Oberfläche erstarrt, um wieder aufzureißen und seinen orangeroten Inhalt zu offenbaren. Auch die Gesteine, die Vulkane an den Tag fördern, sind eindrücklich und reichen vom hellen und federleichten Bimsstein bis zu tiefschwarzem Basalt.
Vulkane sind nur eine Erscheinung des Vulkanismus, aber zweifelsohne die spektakulärste und auch die gefährlichste. Die Annehmlichkeit, in Island im Freien ein heißes Bad nehmen zu können, hat ebenso mit Vulkanismus zu tun wie die Geysire im Yellowstone Nationalpark in den USA oder die Schwarzen Raucher der Tiefsee. Vielfältig präsentiert sich diese geologische Begleiterscheinung von Vorgängen, die sich tief unter unseren Füßen abspielen. Gase wie Kohlendioxid spielen dabei eine zentrale Rolle.
Unser Planet hat etwa 485 aktive Vulkane über Land und etwa 80 unter der Meeresoberfläche, dazu kommen noch viel mehr Erloschene und solche, die in Scheinruhe verharren. Vulkane sind nicht gleichmäßig über die Erdoberfläche verteilt, sondern konzentrieren sich auf Zonen, wo gewaltige Kräfte am Werk sind: Da, wo Kontinentalplatten aneinanderstoßen, kracht es manchmal. Erdbeben und Vulkane sind die Folge. Es ist kein Zufall, dass die Verteilungen von Erdbebengebieten und aktivem Vulkanismus nahezu identisch sind. Der Feuerring zieht sich am Rand des Pazifiks entlang; auf ihm haben sich etwa zwei Drittel aller Vulkanausbrüche während der letzten 10.000 Jahre ereignet.
Grund für alle vulkanischen Erscheinungen sind Magmakammern, die in 10 bis 20 Kilometer Tiefe liegen. Es sind Ansammlungen geschmolzenen Gesteins, das nach oben drückt, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Unter Island hält sich eine riesige Magmablase, die über 400 Kilometer in die Tiefe reicht. Der Yellowstone Nationalpark in den USA ist bekannt für seine vielen Geysire und Schlammtöpfe. Auch unter dem Yellowstone ruht ein Supervulkan, eine riesige Ansammlung von Magma. Wenn diese durchdrückt, ist es um das Naturwunder und das Umland geschehen.
In älteren Büchern steht noch, dass Magma aus dem Erdinneren, wo ständig eine Schmelze vorliegt, durch Schlote zur Erdoberfläche dringt. Doch heute sind sich die Vulkanologen einig, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr entsteht Magma durch lokales Schmelzen der Gesteinsschichten des oberen Erdmantels. Übrigens, der Unterschied zwischen Magma und Lava ist ganz einfach: Sobald die Gesteinsschmelze an die Oberfläche tritt, nennt man sie Lava. Sie kühlt aus, erstarrt und wird zu Gestein.
Vulkanausbrüche führen uns wie kein anderes Phänomen vor Augen, dass in der Tiefe des Erdmantels andere Bedingungen herrschen. Die Erde ist wie eine Zwiebel aufgebaut: verschiedene Schalen, die sich in der Zusammensetzung und der Temperatur stark voneinander unterscheiden. Die Erdkruste mit festem Gestein ist dabei eine hauchdünne Schicht. Im Gebirge kann sie eine Mächtigkeit von etwa 80 Kilometer erreichen, in den Ozeanen ist sie aber nur 5 bis 7 Kilometer dick. Darunter ändert sich die Konsistenz des Gesteins. Druck und große Hitze lassen das Gestein teilweise schmelzen und es entsteht eine dicke und zähflüssige Schicht, die dazu führt, dass sich Kontinentalplatten verschieben.
Vulkane setzen ganz unterschiedliche Materialien frei: Magma ist eine Komponente, Asche und magmatische Gase sind andere. Und: In dem rot glühenden Brei unter der Erdkruste sind Gase gelöst. Wenn Vulkane explosionsartige Eruptionen an den Tag legen, dann wegen dem ungeheuren Druck der Gase, der auf die Gesteine drückt und sie schließlich wegsprengt. Der Ausbruch des Mount St. Helens im Jahr 1980 im Westen der USA war ein Schulbeispiel. Wieder einmal soll meine Sektflasche als Vergleich herhalten. Wenn Sie eine Sektflasche rasch entkorken, wird ein Gemisch von Flüssigkeit und Gasblasen wie eine Fontäne aus der Flasche spritzen. Etwas Ähnliches geschieht, wenn Magma aus dem Erdinneren an die Oberfläche gelangt. Das Magma steht nicht mehr unter dem enormen Gesteinsdruck, wodurch die Gase in dem flüssigen Magma ausperlen und sich ausdehnen. Das macht das Ausschleudern des Magmas so gefährlich. Wenn zum Beispiel ein Kubikmeter glühend heißes Magma aus der Magmakammer nach oben drückt und das Magma 5 Prozent Wasser enthält, wird sich das Gemisch auf ein Volumen von sage und schreibe 670 Kubikmeter ausdehnen.
Vulkanologen, die in Kratern herumstapfen und Proben von den irdischen Ausgasungen sammeln, stellen bei der Analyse große Unterschiede in der Zusammensetzung fest. Mal herrschen Wasserdampf und schwefelhaltige Verbindungen vor, mal Kohlendioxid. Wenn aktive Vulkane Gase ausblasen, können die Mengen enorm sein. Der Ätna in Italien pustet schätzungsweise jeden Tag 35.000 Tonnen CO2 aus, wobei dies der Mittelwert einer längeren Beobachtungsperiode ist. Messungen haben auch schon mal über 100.000 Tonnen ergeben. Aha, werden Sie jetzt gleich bemerken, das sind ja riesige Mengen, die da ganz natürlich freigesetzt werden, und niemand verbietet dies dem Ätna. Was also soll mich der CO2-Ausstoß meines Autos kümmern? Geduld, liebe Leser, auf diese Frage werde ich noch ausführlich zu sprechen kommen. Vorerst möchte ich beim Vulkanismus verweilen.
Die Gegend am Mammoth Mountain, Kalifornien, ist wild und betörend. Einsame Wälder aus majestätischen Fichten, in denen Bären leben, zwischendrin kleinere Seen mit kristallklarem Wasser, und immer wieder der Blick auf den Vulkan. Er ist ein junger Vulkan, etwa 200.000 Jahre alt, doch die ganze Gegend ist seit 4 Millionen Jahren vulkanisch aktiv, und die Erde bebt hier des Öfteren.
Am Horseshoe Lake und an ein paar anderen Stellen in der Umgebung des Mammoth Mountain stimmt mit der Idylle etwas nicht. Die Bäume sind braun und abgestorben statt grün und frisch. Ein Stück toter Wald, aber nicht infolge eines Schädlingsausbruchs, sondern erstickt von Kohlendioxid, das überall aus dem Boden tritt. 1989 gab es hier größere Erdstöße. Im Folgejahr staunten die Menschen nicht schlecht, dass die stattlichen Nadelbäume einer nach dem anderen verdorrten. Wissenschaftler des US Geological Service untersuchten den Boden und stellten eine massive Menge an CO2 fest, die da austritt. Alles in allem sind es über 250 Tonnen täglich. Wenn Ihr Auto einen CO2-Ausstoß von 125 Gramm pro Kilometer hat, müssten Sie eine Strecke von 2 Millionen Kilometern zurücklegen, um auf diese Menge zu kommen. Aber wie gesagt, die Sache ist nicht so einfach, wie es den Anschein macht.
Nun ist es zwar so, dass Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und mithilfe von Sonnenlicht in Zucker verwandeln – das wird uns im nächsten Kapitel beschäftigen. Doch Pflanzen benötigen Sauerstoff ebenso wie tierische Organismen. Vor allem die Wurzeln nehmen Sauerstoff auf. Der Boden ist ein lockeres Gefüge, zwischen den Bodenkrümeln gibt es reichlich Luft, von der auch die vielen Bodenbewohner leben. Doch am Horseshoe Lake enthielt die Bodenluft 20 bis 95 Prozent Kohlendioxid. Das Wurzelwerk der Bäume und aller anderen Pflanzen versagte. Die Lebewesen des Bodens sind allesamt erstickt.
Das Betreten solcher Stellen kann durchaus gefährlich sein. Denn das CO2 ist schwerer als Luft und sammelt sich in Bodensenken an. Im Winter wird es durch die dicke Schneeschicht eingefangen. Da empfiehlt es sich nicht, über dem kohlendioxidgeschwängerten Boden eine Schneehöhle zu bauen und zu übernachten.
Die kleineren Erdbeben während 1989 haben wohl zu Verschiebungen und zu Rissen im Gestein geführt, sodass die Gase des Magmas darunter nach oben gelangten. Tatsächlich entweichen magmatische Gase nicht nur durch die Schlote von Vulkanen, sondern an zahlreichen Stellen, wo die Gesteine im Untergrund undicht sind. Eine häufige Erscheinung vulkanischer Felder sind Mofetten, Austrittspunkte von Kohlendioxid. Mofetten sind sichtbare Austrittslöcher, gleichsam Poren der Erdkruste – während im oben beschriebenen Wald das CO2 von unten den ganzen Boden durchsetzt hat. Mofetten sind kalte Blaslöcher, die Temperatur der austretenden Gase liegt unter 100 °C. Sie haben nichts mit Geysiren oder Schlammtöpfen zu tun, denn in diesen tritt erhitztes Grundwasser zum Vorschein. Liegen Mofetten in einer Senke in der Landschaft, können sie zu einer tödlichen Falle werden. Manche Mofetten entlassen trockenes Kohlendioxid, still und leise, ohne begleitende Wasserdampfwolken. Man sieht nichts, hört nichts, wenn Sie aber ein brennendes Holzscheit an den Austrittspunkt halten, erlischt die Flamme.
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