Der Umgang mit Angst, der Aufbau von Selbstbewusstsein und die Förderung der inneren Gelassenheit: Das Buch beschreibt verschiedene, leicht anwendbare und effektive Techniken, die sich im Alltag vielfach bewährt haben. Die Übungen sind für alle Leser*innen verständlich dargestellt und einfach zu erlernen. Ebenso können sie von Therapeut*innen als Bausteine für die Arbeit mit ihren Klient*innen eingesetzt werden.
Der Autor Michael Helfer arbeitet seit seinem Studium der Psychologie und Medizin als Psychotherapeut. Durch die Erfahrung in der Praxis, die Leitung einer Einrichtung im Kreis Recklinghausen und die Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Universität Dortmund verfügt er über langjährige Berufserfahrung in der Beratung und Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Michael Helfer
Mental Coach Angst
Selbsthilfe-Übungen für Selbstbewusstsein und innere Gelassenheit
Tübingen
2020
Kontaktadresse:
Michael Helfer
Diplom-Psychologe
Psychologischer Psychotherapeut
E-Mail: mental-fitness@t-online.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2020 dgvt-Verlag
Im Sudhaus
Hechinger Straße 203
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Umschlagbild: Michael Helfer
Umschlaggestaltung: Winkler_Design, Wolfgang Winkler, Tübingen
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
Auch als Printausgabe erhältlich: ISBN 978-3-87159-844-9
ISBN 978-3-87159-484-7
Inhalt
Einleitung
Grundlagen
Basisübung: Innehalten
Basisübung: 5-5-5-Atmung
Basisübung: Schnelle Muskelentspannung
Basisübung: Persönliche Ziele
Basisübung: Persönliche Überzeugungen
Entspannungsbilder
Lippenbremse
Desensibilisierung
Schwindelhilfen
Rezepte zur Angst und zur Panik
Innerer Dialog
Suggestive Formeln Selbstsicherheit
Hypnoseformeln Selbstsicherheit
Planvolles Vorgehen
Literatur
Wichtiger Hinweis:
Die selbstständige Anwendung der beschriebenen Methoden ist nicht geeignet für Personen, die körperlich oder geistig nicht gesund sind oder sich nicht gesund fühlen. In solchen Fällen bedarf die Anwendung der Übungen der vorherigen Rücksprache mit einem Arzt/einer Ärztin oder einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin. Eine Haftung des Verlages oder des Autors für Personen-, Sach-, Vermögens- oder andere Schäden ist ausgeschlossen.
Einleitung
Im vorliegenden Buch beschreibe ich verschiedene und leicht erlern- wie auch anwendbare Techniken zum guten Umgang mit Angst, zum Aufbau von Selbstbewusstsein und zur Förderung der inneren Gelassenheit. Sie haben sich in der Praxis vielfach bewährt.
Therapeut*innen und Trainer*innen können die Übungen als Bausteine in den Stunden mit ihren Klient*innen einsetzen. Sie befassen sich gar nicht beruflich damit und wollen für sich selbst etwas tun? Dann möchte ich Sie ermutigen, durch die Seiten zu blättern und das ein oder andere auszuprobieren, von dem Sie sich angesprochen fühlen. Finden Sie heraus, was Ihnen liegt.
Für eine gute Übersichtlichkeit sind die verschiedenen Übungskapitel ähnlich strukturiert. Der Beschreibung der Thematik folgen Tipps und Hinweise, anschließend gelangen Sie zu der eigentlichen Übung. Die zugeordneten Symbole gleichen Verkehrszeichen:
Hintergrund und Beschreibung
Tipps
Hinweise
Übung
Grundlagen
Die Angst teilt der Mensch mit allen Säugetieren. Sie löst bei uns typische Gefühle, Gedanken und oft auch ein Vermeidungsverhalten aus und kann angemessen, bei Kindern alterstypisch oder aber unangemessen erscheinen. Ängste treten in verschiedenen Situationen bzw. gegenüber unterschiedlichen Objekten auf. Die Störungsbilder sind sehr heterogen. Zu ihnen zählen insbesondere spezifische Phobien, soziale Angststörungen, Panikstörungen, die Agoraphobie und die generalisierte Angststörung.
Obwohl sich Ängste oft schon im Kindesalter entwickeln und fortdauern, können sie auch in einem späteren Lebensabschnitt und spontan aufkommen. Ein zeitlicher Richtwert, ob sie nur als vorübergehend oder als dauerhaft angesehen werden müssen, liegt bei sechs Monaten. Darüber hinaus stellt die Angst ein Symptom verschiedener weiterer Krankheiten dar.
Symptome und Diagnostik
Die beiden international bekanntesten Klassifikationssysteme psychischer Krankheiten, das der Weltgesundheitsorganisation (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision – German Modification – ICD-10-GM; DIMDI, 2014) bzw. das der American Psychiatric Association (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – DSM-5®; APA, 2013; dt.: Falkai & Wittchen, 2015), unterscheiden zwischen Panikattacken, Phobien und Ängsten. Eine Panikstörung (F41.0) mit sich wiederholenden Panikzuständen erscheint zunächst unvorhersehbar und beschränkt sich nicht auf umschriebene Umstände. Sie ist gekennzeichnet durch plötzliches Herzklopfen, Brustschmerzen, Luftnot bzw. Schwindel und auch begleitet durch Kontrollverlust. Panikattacken können aber auch weitere Störungen begleiten.
Die Agoraphobie (F40.0) beschreibt starke Befürchtungen vor Menschenmengen, vor dem Besuch öffentlicher Plätze, dem Verlassen des Hauses, dem Aufsuchen von Geschäften und dem Reisen mit Bus, Bahn, Flugzeug etc. Sie kann sich mit oder ohne Panikstörung einstellen (F40.00 bzw. 40.01). Bei sozialen Phobien (F40.1) besteht eine Furcht vor bestimmten sozialen Situationen – oft mit bewertendem Charakter durch andere Menschen –, verbunden mit Symptomen wie Zittern, Übelkeit und Harndrang. Spezifische (isolierte) Phobien (F40.2) lassen sich eng umschreiben und treten beispielsweise gegenüber verschiedenen Tieren, Arztbesuchen, Höhen und geschlossenen Räumen auf.
Bei einer generalisierten Angststörung (F41.1) wird die Angst anhaltend und unabhängig von den Umgebungsbedingungen erlebt. Neben Symptomen wie Schwitzen, Nervosität, Schwindel, Muskelspannungen, Herzklopfen usw. existieren oft Befürchtungen, plötzlich zu erkranken oder einen Unfall zu erleiden – oder dass dies Angehörigen widerfahren könnte. Angst und depressive Störungen können gemischt vorkommen (F41.2).
Darüber hinaus stehen weitere Diagnosen in engem Zusammenhang mit Ängsten. Dazu zählen insbesondere Zwangsstörungen (F42), Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43), dissoziative Störungen (F44), somatoforme Störungen (F45) und andere neurotische Störungen (F48).
Ängste und Phobien
Das klassische Zweifaktoren-Modell (Mowrer, 1960) erklärt den Erwerb und die Aufrechterhaltung von Ängsten und Phobien mit einfachen verhaltenstheoretischen Prinzipien. Die zugrunde liegenden Prozesse bestehen in bestimmten Regelmäßigkeiten zwischen (Signal-)Reizen und Reaktionen mit veränderlichen Auftretenshäufigkeiten in Abhängigkeit von typischen Verstärkungen. Zunächst erlangt ein harmloser und unbedeutender Anlass durch die zeitgleiche Erfahrung eines unangenehmen Erlebnisses eine große und einschüchternde Bedeutung. Diese Verknüpfung entspricht dem ersten von zwei Modellfaktoren, der Klassischen Konditionierung.
UCS | –> UCR |
CS + UCS | –> UCR |
CS | –> CR |
Beispiel: Am Rednerpult (CS) führt wiederholt ein plötzlicher Hustenanfall (UCS) zu starker Atemnot und Angst (UCR); ein späterer Auftritt löst große Furcht aus (CR).
Die furchteinflößende Situation wird von nun an dauerhaft gemieden, um der erwarteten Angst aus dem Weg zu gehen. Die wahrgenommene Erleichterung darüber ist groß genug, um langfristig im Gedächtnis zu bleiben. Eine erfolgreiche (Vermeidungs-)Strategie wird deshalb auch in der Zukunft das Handeln bestimmen. Der Gewinn, der aus der (ängstlichen) Vermeidung gezogen wird, erhöht dauerhaft ihre Auftretenswahrscheinlichkeit. Dies entspricht dem Grundsatz der Operanten Konditionierung, dem zweiten Faktor im Konstrukt.
S! | –> R– + C– |
Beispiel: Die Absage (R–) einer Einladung zu einer feierlichen Veranstaltung mit Redebeitrag (S!) schafft spürbare Erleichterung (C–).
Die Übertragung der beschriebenen Lernprinzipien von der Verhaltens- auf die kognitive Ebene wird als „Mediator-Theorie“ bezeichnet. Analog zum beobachtbaren Verhalten lässt sich die Furcht demnach als eine innere Reaktion verstehen und zusätzlich als internaler Stimulus für eine spätere Vermeidungsreaktion (die sogenannte „vermittelnde Angst-Reaktion“).
Auf diesem Mediator-Lernen beruht die in der Verhaltenstherapie entwickelte Methode der Gegenkonditionierung: Auf einen CS wird wiederholt eine alternative, erwünschte CR+ provoziert und löscht dadurch die ursprünglich erworbene, unerwünschte CR–. Als Ergebnis verliert der CS seine bedrohliche Wirkung.
CS | –> CR+ |
Beispiel: Die Ansprache (CR+) als Auftritt bei einer Familienfeier (CS) bringt schon während der Redezeit mehrfach Applaus, Lob und Zuwendung mit sich.
Die Gegenkonditionierung stellt das grundlegende Prinzip der weit verbreiteten und häufig angewandten systematischen Desensibilisierung (Wolpe, 1958) dar: Eine tiefe Entspannung beseitigt die Furcht vor der Angst auslösenden Situationen (CS), die systematisch – hierarchisch geordnet von gering bis stark belastend – aufgesucht oder imaginisiert werden (CR+). Umgekehrt löschen das erlernte Verhindern von Vermeidung und das Ausbleiben der Furchtreaktion die ursprüngliche Angst und machen zukünftig eine Vermeidung überflüssig.
CS | –> CR+ |
Beispiel: In völlig entspannter Atmosphäre verliert die Ansprache (CR+) am Rednerpult (CS) ihre Schrecken.
S! | –> R+ + C+ |
Stattdessen bestärken die positiven Rückmeldungen (C+) für die Rede (CR+) und machen eine Vermeidung überflüssig.
Auf der Basis der Verhaltens- und der kognitiven Therapie vermittelt das Buch Menschen mit Ängsten und Phobien effektive Methoden für eine gelassenere und selbstbewusstere Lebenseinstellung. Die Fertigkeit zu entspannen, das Setzen neuer Ziele und die Bewältigung schwieriger, beängstigender Situationen erweitern mehr und mehr die eigenen Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten. Regelmäßiges und konsequentes Üben vermittelt Sicherheit und Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten.
Die Übungen