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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2022 Petra Müller
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783756297641
„Die gefährlichste aller Weltanschauungen
ist die Weltanschauung derer,
die die Welt nie angeschaut haben“
Alexander von Humboldt
(gelesen im Klimahaus, Bremerhaven)
Nicht lang schnacken, Qekie packen!
„Ach hallo! Da bist du ja wieder!“
16.30 Uhr.
Ich genieße den warmen Sommertag im Garten in Gesellschaft meiner heißgeliebten Liege, und begleite Harold Fry auf seiner unwahrscheinlichen Pilgerreise durch England. Doch plötzlich halte ich inne und lasse das Buch langsam, mit aufgeklappten Seiten, auf meinen Bauch sinken.
Mein Blick wandert gen Himmel. Und tatsächlich - da ist es wieder. Leise und unbemerkt hat es sich eingeschlichen. Zunächst noch tief vergraben, bahnt es sich nun zielstrebig den Weg an die Oberfläche meiner menschlichen Bewusstseinsebene. Dieses Gefühl von Fernweh, der Sehnsucht nach Natur außerhalb meines Gartenzaunes. Dem Balsam für Auge und Seele, verpackt in einem bunten Blumenstrauß aus Wasser, Erde, Wind und Sonne, sowie dem salzigen Geruch des Meeres und dem einzigartigen Duft nach Plaste, der meinem Wohnwagen innewohnt.
Freudige Erwartung macht sich in mir breit und bläst sich, bei jeder vorbeiziehenden Wolke am Firmament, mehr auf wie ein Luftballon. Das Gefühl wird zur Gewissheit, und mir ist klar: ich muss den Qekie packen und auf Tour gehen. Unbedingt! Sofort! Jetzt! Keine Widerrede! Wat mut, dat mut! Basta!
Der Qekie ist mein kleiner DDR-Wohnwagen, den ich vor ein paar Jahren durch einen Zufall von einer Facebook-Freundin aus der Kuschelhühner-Gruppe erstanden habe. Viele Jahre zuvor hegte ich immer wieder den Wunsch, Camperin zu werden. Keine Ahnung warum, war ich doch niemals zuvor in meinem Leben auf einem Campingplatz oder habe ein Zelt von innen gesehen. Es erschien mir einfach als die perfekte Möglichkeit, unkompliziert und günstig mit meinem Hund Urlaub zu machen.
Allerdings war damals nicht die richtige Zeit, und die Lebensumstände standen meinem Herzensprojekt ebenfalls entgegen.
Doch, da das Leben eine rauschende Achterbahnfahrt ist, und morgen schon nichts mehr so sein kann, wie es heute scheint, ergriff ich die mir Jahre später als frisch gebackener Single spontan gebotene Möglichkeit beim Schopf, und durfte mich fortan ein stolzes Mitglied der Camper- Community nennen.
Seitdem ziehe ich den QEK Junior 500 mit meinem quietschegelben Fiat Panda durch die Lande. Ich hab beide schrecklich lieb!
„Okay“, denke ich verträumt, „wo will ich denn hin?“ Ich überlege.
Nordrhein-Westfalen hat Sommerferien. Die Campingplätze sind wegen Corona alle voll. Dieses Jahr meint jeder, er muss Campen gehen, weil es mit dem Fliegen ja alles noch etwas umständlich ist. Heute gilt dies, morgen gilt das. Ein ständiges Hin und Her der Bestimmungen und Regelungen.
Egal - das „Wohin“ kann ich mir auch noch während des Packens überlegen, oder heute Nacht... im Schlaf habe ich ja bekanntlich die besten Ideen. Entschlossen schwinge ich mich aus der Liege und beginne geschäftig mit den Reisevorbereitungen.
Eigentlich hatte ich mir mal vorgenommen, die komplette Nordseeküste zu erforschen... Deutschland, Niederlande, Belgien, Frankreich.
Ich entscheide für mich, erst mal auf bekanntem Terrain zu starten. Holland oder Belgien. An Frankreich traue ich mich nicht so richtig ran, schon gar nicht in der Hochsaison. Außerdem möchte ich dazu erst mein Schul-Französisch ein wenig auffrischen, um nicht völlig ahnungslos zu sein, und kein Wort zu verstehen, wenn mir nette Menschen etwas erzählen wollen. Bei den Nicht-Netten ist es mir egal.
Also lautet die grobe Fahrtrichtung Antwerpen. Und dann links oder rechts. Geradeaus geht nicht, da ist Wasser!
Soll die altbekannte Gegend rund um Domburg in Walcheren, Provinz Zeeland, Niederlande, mein Ziel sein? Den Gedanken verwerfe ich direkt wieder. Keine gute Idee! Zur Hochsaison völlig überbevölkert mit NRW- Touris. Garantiert ist dort kein Stellplatz zu bekommen.
Dann vielleicht unterhalb der Westerschelde entlang nach Belgien? Fühlt sich nicht so richtig gut an, und ich bin da eher halbherzig überzeugt, will es aber probieren. Schließlich möchte ich ja auch mal etwas Neues abseits der von mir bereits viel besichtigten Pfade entdecken.
Wenn schon Sightseeing, dann auch richtig! Mein erstes Ziel soll Leuven (zu deutsch: Löwen) sein.
Normalerweise meide ich ja Städte wie die Pest. Aber das tolle Rathaus dort... das will ich mal live und in Farbe gesehen haben. Leuven... und dann mal sehen – der Plan gefällt mir!
Zwei Stunden später ist alles gepackt und ich mache mich auf den Weg zur Tankstelle und zum Netto... ein Kasten Wasser im Auto kann nicht schaden, und Benzin im Tank erst recht nicht. Lach!
Nachdem auch das auf meiner To-Do-Liste abgehakt ist und ich im Geiste noch mal durchgegangen bin, ob ich an alles gedacht habe, sinke ich erschöpft aufs Sofa. Dabei fällt mein Blick aufs Aquarium. „Och nee“, denke ich, springe wieder auf, und mache einen Wasserwechsel. Schließlich weiß ich ja noch nicht, wie lange meine Reise dauern wird, und ich möchte vermeiden, dass die Fische bei meiner Rückkehr Rückenschwimmen machen.
Als auch diese Wasserspiele erledigt sind, sinke ich erneut nieder. Diesmal allerdings nicht aufs Sofa, sondern, völlig erledigt, direkt ins Bett.
Von Schlössern und Ringen
Weil ich ja gestern doch recht früh halb bewusstlos in den Kissen versunken bin, stehe ich heute ziemlich früh frisch, fromm, fröhlich, frei, zur Abreise parat.
Natürlich ist es riskant, mit einem Wohnwagen im Schlepptau, in eine Stadt mit 100.000 Einwohnern zu fahren. Jedoch geradezu irrsinnig ist die Idee, wenn man diese Stadt nicht kennt. Aber irgendwie fühle ich mich gerade sehr mutig und wage den Weg in die Höhle des Löwen... hihi.. im wahrsten Sinne des Wortes.
Nach nur 90 Minuten Fahrzeit passiere ich bereits das Ortsschild von Leuven. Mein Puls geht nun doch 'nen Ticken schneller und tausend Gedanken spuken gleichzeitig durch meinen Kopf. Das Spektrum reicht dabei von „ganz schön mutig“ bis „ich muss bekloppt sein.“
Hoffentlich geht das gut. Bloß nicht in zu enge Sträßchen geraten und womöglich in einer Sackgasse ohne Wendekreis landen. Das wäre der absolute Supergau, da ich nicht mit Anhänger rückwärts fahren kann. Ich tröste mich mit der Möglichkeit, die mir mein kleiner, nur 500 Kilogramm schwerer Qekie, im Notfall bietet:
Abkoppeln ==> Umdrehen ==> Ankoppeln.
Das schaffe ich problemlos alleine.
Ich taste mich, so gemächlich es der Verkehrsfluss zulässt, vor Richtung Zentrum. Ich will ja auch so nah wie möglich am Ort des Interesses parken, und nicht noch ewig weit mit den Hunden durch die Stadt latschen.
Ich erspähe eine Parkspur für Busse. 30 Minuten kostenlos. Alles frei. Kein Bus weit und breit in Sicht. Zeit zu überlegen bleibt nicht, da ich sonst den ganzen Verkehr aufhalten würde. Also nichts wie drauf auf die Spur. Bis ganz vorne durchziehen. Das ist wichtig, um problemlos und ohne pulsbeschleunigende Rangierereien wieder abfahren zu können.
Ich stehe und hole tief Luft.
Einatmen... Ausatmen.
War doch gar nicht so schwer bis hierhin.
Hunde anleinen und los geht's.
Ich habe bereits die Straße überquert, als ich abrupt stehen bleibe. Was ist, wenn ich wiederkomme und der Qekie ist weg... nicht auszudenken! Also gehe ich zurück und montiere das Kastenschloss an die Anhängerkupplung.
Ich will gerade gehen, da kommt mir ein Linienbus entgegen und der Fahrer schaut mich etwas skeptisch an. Oder bilde ich mir das nur ein, weil ich mir meines Unternehmens im Moment gar nicht mehr so sicher bin?
Und dann sitzt da plötzlich auch noch das Teufelchen auf meiner rechten Schulter und flüstert mir zu: „Du weißt doch, dass du hier nicht stehen darfst. Was ist, wenn du zurückkommst und der Platz ist leer? Kein Panda, kein Qekie mehr da? Abgeschleppt, von der bösen Löwen-Polizei? Was machst du dann?“
Entspannt schlägt das Teufelchen die Beine übereinander, verschränkt die Arme, stützt das Kinn in die Hand und schüttelt herablassend den Kopf.
Das reicht! „Okay, du hast gewonnen“ zische ich mit zusammengekniffenen Zähnen. Gefühlt liegt mein Puls bereits bei 120.
Also Rolle rückwärts: Hunde ins Auto, und anderen Parkplatz suchen!
Ich fahre los und es scheppert ganz fürchterlich. Mist! Ich habe vergessen, das Kastenschloss abzumachen.
Bereits mit leichtem Schweißausbruch springe ich aus dem Wagen. „So eine Scheiße!“ ... auch das noch... das Schloss hat sich verklemmt. Nun tropft mir der Schweiß von der Nase und leise Panik macht sich in mir breit.
Also stelle ich mich aufrecht hin, schließe die Augen, atme ein paar mal tief ein und aus, öffne die Augen wieder und betrachte die Spitze des Rathauses über den Häuserdächern. „Bist du es wert, dass ich mir das hier antue?“ denke ich dabei. Aber ich werde jetzt nicht aufgeben. Nicht bereits zwei Stunden und 15 Minuten nach Urlaubsbeginn. Das wäre ja noch schöner!
„Immer tief durchatmen“, versuche ich mich erneut zu beruhigen. Ich trinke einen Schluck Wasser und versuche mein Glück ein zweites Mal. Mit etwas Ruhe gibt das Schloss dann tatsächlich auf, und ich habe mein Ziel erreicht. Geht doch!
Memo an mich selbst: unbedingt ein neues Schloss kaufen!
Die weitere Parkplatzsuche ist dann erwartungsgemäß auch nicht so einfach, da ich mich in einer Altstadt und nicht auf einer Ortsumgehung befinde. Im Zentrum gibt es keinen Supermarktparkplatz, dessen ich mich mal eben kurz bedienen könnte. Wäre ja auch zu schön gewesen! Also ziehe ich elliptische Kreise rund um das Rathaus und summe vor mich hin:
Er mag sie, sie mag ihn.
Von oben fliegt die Erde einen elliptischen Kreis.
(Auszug aus meinem Lieblingslied „Sie mögen sich“
von Shaban und Käptn Peng)
Endlich werde ich fündig: ein leerer Parkstreifen mit Parkscheinpflicht. Tja, dumm gelaufen, denke ich, denn, ZACK - schon habe ich das nächste Problem. Ich belege mit meinem Gespann zwei eingezeichnete Parkplätze. Muss ich jetzt auch zwei Parkscheine kaufen? Ich verwerfe diesen Gedanken, bevor der rote Kerl wieder auf meiner Schulter sitzt und amüsiert vor sich hin giffelt. Ich baue einfach auf den „Ach, ist der Süüüüß“-Zuckerschock-Effekt, dem Menschen, insbesondere weibliche, beim Anblick meines bemalten Qekies, erliegen.
Nun, bereits routiniert, wiederhole ich das Prozedere: Kofferraum auf, Kastenschloss dran, Kofferraum zu.
Klappt schon viel schneller als eben.
Dann schaue ich mich um. „Wo ist der verflixte Parkscheinautomat?“, raune ich vor mich hin. Dann sehe ich andere Parker in eine bestimmte Richtung laufen. Ich denke mir, die müssen es ja wissen, und folge einfach unauffällig. „Super, es ist erst 10 Uhr“ fällt mir beim Anblick des Parktickets auf. Sehr gut! Dann sind noch nicht viele Leute unterwegs (und hoffentlich auch nicht die Bediensteten vom Ordnungsamt oder sonstiger Behörden zur Überwachung des ruhenden Verkehrs), denn das muss und will ich jetzt wirklich nicht haben. Endlich lenke ich den Schritt gen Rathaus. Halleluja sag I!
Wenn man alleine reist, redet man ja eigentlich nur in Gedanken mit sich selber. Doch beim Anblick des Rathauses entfährt mir ein lautes „WOOUUW!“
Das muss ich erst mal auf mich wirken lassen. Das Rathaus entpuppt sich als toller Bau der Spätgotik mit seinen vielen Figuren und Türmchen. Das Auge weiß gar nicht, wo es zuerst hinschauen soll. Und das Ganze ist frisch gesandstrahlt. So erscheint es in einem nahezu weißen Gewand, und man könnte meinen, ein Zuckerbäcker hätte sein Meisterstück abgeliefert. Gut, dass ich die anfänglichen Strapazen in Kauf genommen habe und hier hin gekommen bin. Es hat sich gelohnt.
Ich schlendere noch etwas durch Altstadt und Fußgängerzone.
Letztere sieht aus wie in jeder anderen Stadt, und ist nicht mein „Point of Interest“.
Es ist 10.30 Uhr. Die Straßen füllen sich zusehends mit Menschen. Zeit für mich, das Weite zu suchen. Ich komme am Beginenhof vorbei. Lauter süße kleine Häuschen drängen sich hier eng aneinander. Ein Dorf inmitten einer Stadt. Es erinnert mich an die Wohnungen der Pächter in dem Film: Der kleine Lord.
Ich schlendere weiter. Meine Parkzeit von einer Stunde will ich nicht überschreiten. Ein Knöllchen am ersten Urlaubstag fände ich jetzt nicht so prickelnd. Ich denke, dass ich eigentlich ganz gut in Sachen Orientierung bin. Doch verfehle ich den „Vismarkt“, wo ich geparkt habe, um eine Straße. Ein netter Belgier hilft mir aber auf den rechten Weg. Mein Hund Lucy ist froh, dass meine Irrung nicht zu großen Umwegen geführt hat. Es ist schon sehr warm und sie mit ihren 13 Jahren nicht mehr die Jüngste.
Mein Gefährt steht unbeschadet, wo ich es verlassen habe. Ohne Bußgeld. Lach!
Jetzt aber nix wie weg hier!
Fragt sich nur, wohin. Lach!
Beim letzten Großreinemachen hatte ich im Auto je eine Straßenkarte von Belgien und der Niederlande gefunden. Nicht mehr ganz taufrisch. Doch das macht nichts. Diese Karten will ich ganz Old-School auf dieser Reise benutzen. Ich werde die schönsten Stellen textmarkern und Anmerkungen dazu schreiben. Außerdem bieten sie einen guten Überblick, und sind somit zur Orientierung viel besser geeignet als Google Maps auf einem kleinen Handy-Bildschirm.
Also studiere ich die Belgien-Karte und überlege, wo es mich als Nächstes hin verschlagen könnte.
Da lese ich Grimbergen. Das liegt nördlich von Brüssel. Da muss ich hin! Will mal sehen, wo mein Lieblingsbier herkommt.
Gedacht - Getan!
Nicht so gut an der Zielauswahl ist die Routenführung über den Ring Brüssel... oh nein... das ist wahrscheinlich so katastrophal wie der Ring Antwerpen. Der ist auch nix für mich... zu viele Spuren, Autos und Autobahnwechsel. Doch ich behalte die Ruhe, und Frau Google leitet mich völlig problemlos durch das hauptstädtische Stahl- und Betonlabyrinth. Tatsächlich erreiche ich gegen 12 Uhr Grimbergen. Doch: Shit happens. Der Weg Richtung Zentrum ist gesperrt.
Ich komme auf eine Straße, die wieder aus der Stadt raus, und offensichtlich ins Grüne führt. Nun gut. Vielleicht gar nicht so schlecht.
Erstmal einen Baum suchen, unter dem ich parken kann, um der Sonne zu entkommen. Etwas essen und trinken wäre auch nicht verkehrt.
Tatsächlich komme ich auch am Campingplatz Grimbergen vorbei, entscheide mich jedoch dagegen. Noch zu früh, um für heute zu stranden. Dann sehe ich ein Schild, dass zu einem Wanderparkplatz gehören könnte. Spontan biege ich ab und werde nicht enttäuscht. Eine, ich nenne sie jetzt mal C-Straße, mit gemähtem Wiesen-Seitenstreifen, breitet sich vor mir aus, und macht mich gerade sehr froh. Sogar der Baum, den ich herbei sehnte, ist da. Kein Mensch weit und breit... ich freue mich über dieses kleine Glück und mache Picknick. Tisch und Stuhl habe ich ja griffbereit im Qekie, und meine Enders-Delux-Campingtoilette liebe ich sowieso.